S 6 RA 270/98

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 6 RA 270/98
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Die bei der Rentenantragstellung 51jährige Klägerin hat von 01.08.60 - 31.07.63 den Beruf der Metzgereiverkäuferin erlernt und war anschließend bis 30.06.80 im erlernten Beruf tätig. Ab 03.08.87 - 30.12.96 hat die Klägerin verschiedene Tätigkeiten (Spülerin, Stanzerin, Hilfsarbeiterin, Reinemachefrau, Metzgereiverkäuferin und Verkäuferin) verrichtet.

Nach dem Gutachten von Dr. ^Weig^ vom 22.09.99 ist von folgendem Leistungsvermögen auszugehen:
- vollschichtig leichte Arbeiten
- überwiegend im Sitzen mit zeitweisen Gehen und Stehen
- zu ebener Erde
- ohne einseitige Körperpositionen
- ohne Arbeiten auf unebenen Untergrund
- ohne schweres Heben und Tragen
- ohne häufiges Bücken
- ohne Schicht- und Akkordbedingungen
- ohne ungünstige Witterungseinflüsse
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Die Beklagte verweist die Klägerin im Bescheid vom 27.02.98 und im Widerspruchsbescheid vom 14.09.98 auf eine Beschäftigung als Mitarbeiterin für kaufmännische Büroarbeiten z.B. kaufmännischer Schriftwechsel, Buchführung, Rechnungswesen und Telefondienst.

Die Klägerin hat vom 01.08.60 - 31.07.63 eine Ausbildung zur Fachverkäuferin in einer Metzgerei absolviert und am 23.10.1963 die Gesellenprüfung im Nahrungsmittelhandwerk (Bl 15 der Beklagtenakte) abgelegt.

Der Beruf einer Fachverkäuferin im Nahrungsmittelhandwerk mit dem Schwerpunkt Fleischerei ist ein dreijähriger Ausbildungsberuf.

Die Ausbildungsinhalte sind insbesondere:
- Zusammensetzung, Herstellungsweise, Zubereitungsverfahren und Verwendungsmöglichkeiten der in den jeweiligen Werkstätten - Fleischerei - selbst hergestellten Erzeugnisse und der als Handelswaren zugekauften Fertigerzeugnisse
- Verhalten und Äußerungen der Kunden beim Kauf - Verkaufspsychologie - und Beratung der Kunden unter Berücksichtigung zeitgemäßer Verzehrgewohnheiten
- Möglichkeiten des Einkaufs, Warenangebote und Zustandekommen des Verkaufspreises
- Bedienen und Beraten der Kunden beim Einkauf
- Anrichten, Herrichten und Garnieren von Waren der Fleischerei
- Ausstellen, Auslegen, Auszeichnen und Verpacken der Waren
- Fertigstellen von Warenlieferungen an Kunden, Filialen, Großabnehmer
- Dekorationsarbeiten im Schaufenster und Verkaufsraum
- Bedien und Pflegen der Werkzeuge, Geräte, Maschinen, Kühlanlagen und sonstiger Einrichtungen, soweit sie beim Verkauf benutzt werden
- fachbezogene Werbung und Verkaufsförderung
- Lagerhaltung von Waren unter Berücksichtigung ihrer Haltbarkeit und Umschlagshäufigkeit
- gewerbe- und lebensmittelrechliche Gesetze, Verordnungen und Richtlinien, soweit sie beim Verkauf zu berücksichtigen sind
- Kassen- und Abrechnungswesen
- handelsübliche Lieferungs-, Zahlungs- und Einkaufsbedingungen
- Technische Mathematik und Zusammensetzung der Preise

Kaufmännische Büroarbeiten z.B. kaufmännischer Schriftwechsel, Buchführung, Rechnungswesen

Wie den o.a. Ausbildungsinhalten einer Fachverkäuferin im Nahrungsmittelhandwerk zu entnehmen ist, dürfte die Klägerin für die von der Beklagten gekannten kaufmännischen Bürotätigkeiten aufgrund ihrer Ausbildung keine verwertbaren Vorkenntnisse mitbringen. Auch unter Berücksichtigung ihres beruflichen Werdeganges ergibt sich keine andere Betrachtungsweise.

Außerdem dürfte die Klägerin nicht über die für Bürotätigkeiten inzwischen erforderlichen EDV-Kenntnisse verfügen. Aus berufskundlicher Sicht kann die Klägerin innerhalb eines maximal dreimonatigen Einarbeitungszeitraumes die Ebene der Angestellten mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren nicht erreichen. Für einen Ansatz auf der Ebene einer Angestellten mit einer längeren als zweijährigen Ausbildung genügen drei Monate Einarbeitung bei weitem nicht.

Unabhängig vom erforderlichen Einarbeitungszeitraum ist zu Tätigkeiten, die am Computer verrichtet werden, folgendes auszuführen:

Durch die komplexen Arbeits- und Informationsmöglichkeiten am Computer (sehr leistungsfähige Hard- und Softwaregenerationen, Vernetzung und Integration) besteht immer weniger Gelegenheit einen Haltungswechsel zu vollziehen. Die Aufgaben und Tätigkeitsabläufe waren ohne den Einsatz von EDV so gestaltet, dass Arbeitsmaterialien und Arbeitsgegenstände sowie Informationen noch nicht zentral am Schreibtisch zur Verfügung standen und somit mehr Abwechslung in der Arbeitshaltung erforderten bzw. ermöglichten (z.B. Ordner in Schränken, in Registratur, in Zentralarchiven und Informationsbeschaffung bei Kollegen anderer Organisationseinheiten etc.).

Die Beklagte verweist die Klägerin u.a. auf eine Tätigkeit im Telefondienst. Diese Tätigkeit ist zwar von einem Ungelernten - wenn nicht andere Arbeiten mit erledigt werden müssen oder zur Auskunftserteilung umfangreiches Wissen erforderlich ist - in der Regel innerhalb von drei Monaten erlernbar, jedoch aufgrund ihrer Einstufung in verschiedenen Tarifverträgen mindestens der qualifiziert Angelerntenebene zuzuordnen.

Die Tätigkeit einer Telefonistin ist körperlich leicht, wird aber ausschließlich im Sitzen ausgeübt. Zeitweises Stehen und Gehen ist nicht möglich. In der Regel erfolgt die Vermittlung der Gespräche per Tastatur und Bildschirm. Bildschirmarbeit wird u.U. in ausgeprägt statischer Haltung verrichtet. Zumindest eine Hand muss so geschickt und belastbar sein, dass die Verbindung schnell und korrekt hergestellt, ggf. Nachrichten notiert und z.T. Gebührenaufzeichnungen geführt bzw. Abrechnungen vorgenommen werden können. Neben Voraussetzungen wie Höflichkeit, Flexibilität, Merkfähigkeit, Sprachgewandtheit mit möglichst angenehmer Stimme etc. wird außerdem ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit (u.a. für Arbeit unter Zeitdruck) erwartet. Ob die Klägerin die persönlichen Mindestvoraussetzungen mitbringt, kann nicht beurteilt werden. Aus berufskundlicher Sicht können jedoch die Leistungseinschränkungen der Klägerin nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Auch für andere Verkaufstätigkeiten, in die sich die Klägerin aufgrund ihrer beruflichen Vorkenntnisse innerhalb einer Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten einarbeiten kann, entspricht das Leistungsvermögen der Klägerin nicht mehr den üblichen Anforderungen.

Tätigkeiten im Verkauf werden überwiegend im Stehen und Gehen verrichtet, wobei Stehen in der Regel dominiert und Gehen nur kurzfristig über kurze Strecken möglich ist. Eine Arbeit im Wechsel überwiegend im Sitzen mit zeitweisem Gehen und Stehen entspricht bei einer reinen Verkaufstätigkeit nicht den üblichen Bedingungen des Arbeitslebens.

Im Rahmen der Warenannahme, Lagerung und Präsentation (z.B. Einräumen in Regale) fällt auch Heben und Tragen von möglicherweise schwereren Lasten und Bücken an.

Andere Verweisungstätigkeiten aus der Gruppe der Angestellten mit einer längeren als zweijährigen Ausbildung oder der Angestellten mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren, in die sich die Klägerin aufgrund ihrer beruflichen Vorkenntnisse innerhalb von drei Monaten einarbeiten kann und die der Klägerin gesundheitlich zumutbar sind, können aus berufskundlicher Sicht nicht aufgezeigt werden.
Saved
Datum