S 8 RJ 1050/97

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 8 RJ 1050/97
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der bei der Rentenantragstellung 34jährige Kläger hat den Beruf des Maurers erlernt und am 17.01.83 die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Anschließend war er als Maurer tätig. Ab 1985 arbeitete er als Pflasterer. Ab 1993 verrichtete er alle Arbeiten im Garten- und Landschaftsbau im Kleinbetrieb seiner Ehefrau.

Die Beklagte legte ihrer Entscheidung im Widerspruchsbescheid vom 19.11.1997 folgendes Leistungsvermögen des Klägers zugrunde:
- vollschichtig leichte Arbeiten
- überwiegend im Sitzen, im Wechsel mit Stehen und Gehen

Nach dem fachorthopädischen Gutachten von Dr. ^Knelles^ vom 24.10.97, von dem Ihrer Anfrage zufolge auszugehen ist, stellt sich das Leistungsvermögen des Klägers wie folgt dar:
- vollschichtig leichte bis teilweise mittelschwere Tätigkeiten
- in wechselnder Stellung
- ohne Arbeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen
- ohne Arbeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems wie
- überwiegendes Stehen oder Gehen
- häufiges Heben und Tragen von schweren Lasten
- häufiges Bücken oder Überkopfarbeiten
- Arbeiten in Zwangshaltungen
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Die Beklagte verweist den Kläger sowohl im Bescheid vom 03.07.97 und im Widerspruchsbescheid vom 19.11.97 auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Ihrer Anfrage zufolge bitten Sie um berufskundliche Stellungnahme zu der Frage, welche angelernten Tätigkeiten (Anlernzeit ohne Vorbildung mindestens drei Monate) bzw. welche höher qualifizierten Tätigkeiten der Kläger nach seiner Vorbildung und seinen gesundheitlichen Möglichkeiten nach einer Einarbeitungszeit bis zu drei Monaten noch verrichten kann und ob entsprechende Arbeitsplätze innerhalb des Bundesgebietes in nennenswerter Anzahl vorhanden sind.

Magaziner im Bauunternehmen

Geprüft wurde die berufsnahe Tätigkeit des Baustellenmagaziners.

Ein Baustellenmagaziner arbeitet auf kleinen und großen Baustellen und muss dort das Baumaterial und die Arbeitsgeräte nicht nur verwalten, sondern auch ausgeben. Es fallen leichte bis mittelschwere, u.U. auch schwere Arbeiten an, insbesondere im Hinblick auf die auftretenden Hebe- und Tragebelastungen. Auch wenn für größere und schwere Teile oft technische Geräte zur Verfügung stehen, bleibt es nicht aus, dass er Materialien und Geräte wie Bohrhämmer, Schalungsbretter, Kompressoren etc. selbst abladen und ausgeben muss. Die Tätigkeit wird im Gehen und Stehen verrichtet. Eine Möglichkeit zum Sitzen besteht selten. Bücken ist häufig erforderlich, auch Klettern und Steigen bzw. Absturzgefahr kann nicht immer vermieden werden. Zusätzliche Belastungen treten dadurch auf, dass z.T. im Freien unter Witterungseinflüssen und baustellenüblichen Umgebungsbedingungen gearbeitet werden muss.

In größeren Baumagazinen, in denen Hilfskräfte zur Verfügung stehen und der Baustellenmagaziner überwiegend schriftliche und organisatorische Aufgaben erledigt, kann der Kläger die hierfür erforderlichen Kenntnisse nicht innerhalb von drei Monaten erwerben. Anzumerken ist, dass beim Kläger nach eigenen Angaben eine Legasthenie besteht (Bl. 6 Beklagtenakte - ärztliches Gutachten der Beklagten).

Da bei der Tätigkeit des Baustellenmagaziners entweder die Leistungseinschränkungen des Klägers nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden können oder die erforderlichen Kenntnisse nicht innerhalb einer dreimonatigen Einarbeitungszeit erworben werden können, ist aus berufskundlicher Sicht in der Tätigkeit des Baustellenmagaziners keine uneingeschränkt geeignete berufliche Alternative zu sehen.

Allgemein ist außerdem noch anzumerken, dass Arbeitgeber meist leistungsgewandelte Fachkräfte ihres Betriebes oder Arbeitskräfte aus dem Helferbereich mit langjähriger Betriebszugehörigkeit im Baumagazin beschäftigen. Eine Einstellung von Betriebsfremden für diese Tätigkeit kommt nur ganz selten vor.

In anderen Branchen werden in der Werkzeug- und Materialausgabe - unabhängig vom Leistungsvermögen des Klägers - keinesfalls Maurer, sondern einschlägig ausgebildete Fachkräfte bevorzugt (im Metallbereich Metallfacharbeiter, im Elektrobereich Elektriker etc.). Außerdem werden entsprechende Stellen nicht selten innerbetrieblich mit leistungsgeminderten Beschäftigten besetzt, da die Belastungen im Vergleich zum Ausgangsberuf doch geringer sind.

Lager-/Magazinverwalter

Gedacht werden könnte außerdem noch an die Tätigkeit eines Lager-/Magazinverwalter z.B. im Baustoffhandel oder in Bau-Heimwerkermärkten, die in ähnlich gelagerten Fällen häufig genannt wurde.

Der Lagerverwalter hat in der Regel sicherzustellen, dass die Warenannahme und Eingangskontrolle ordnungsgemäß erfolgt, die verschiedenen Waren fachgerecht unter Berücksichtigung der jeweiligen Eigenschaften gelagert, gepflegt und weiterbehandelt werden, eine betriebswirtschaftlich und produktionsbezogen optimale Lagerbestandsmenge vorgehalten wird, Lagervorschriften und Sicherheitsbestimmungen beachtet und alle Lagereinrichtungen ordnungsgemäß gehandhabt, gepflegt und instandgehalten werden. Je nach Lagergröße hat er die dabei anfallenden Arbeiten in erster Linie zu planen, zu organisieren, zu steuern und zu überwachen oder auch selbst praktisch mitzuarbeiten oder sie in ihrer Gesamtheit allein zu verrichten. Wenn der Schwerpunkt auf verwaltenden und leitenden Aufgaben liegt, handelt es sich üblicherweise um eine Aufstiegsposition. Die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten, insbesondere auch im kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen und bürotechnischen Bereich können vom Kläger aufgrund seines beruflichen Werdeganges nicht im Rahmen einer maximal dreimonatigen Einarbeitung vermittelt werden. Anzumerken ist, dass beim Kläger nach eigenen Angaben eine Legasthenie besteht (Bl. 6 Beklagtenakte - ärztliches Gutachten der Beklagten).

Die bis zur Facharbeiterebene in der Regel erforderlichen, eigentlichen Lagerarbeiten beinhalten dagegen erfahrungsgemäß mindestens mittelschwere, u.U. auch schwere Belastungen, insbesondere entsprechende Hebe- und Tragebelastungen, Bücken und andere Zwangshaltungen, Klettern auf Lkw-Ladeflächen, u.U. auch Besteigen von Leitern, teilweise im Freien bzw. unter Witterungseinflüssen.

Aus berufskundlicher Sicht ist im Lagerbereich keine für den Kläger uneingeschränkt zumutbare bzw. innerhalb von drei Monaten erlernbare Verweisungstätigkeit erkennbar.

Baustoffprüfer

In ähnlich gelagerten Fällen wurde die Tätigkeit eines Baustoffprüfers als zumutbare Verweisungstätigkeit genannt.

Baustoffprüfer (drei Fachrichtungen: Boden, Mörtel und Beton, Massen) ist ein eigenständiger dreijähriger industrieller Ausbildungsberuf, in den sich der Kläger - obwohl er den Beruf des Maurers erlernt hat und auch ausgeübt hat - nicht innerhalb von drei Monaten einarbeiten kann. Arbeitnehmer aus Bauberufen mit Vorkenntnissen in der Herstellung, Verarbeitung und Prüfung von Beton können jedoch auch zum Betonprüfer angelernt werden und/oder sich die erforderlichen vertieften Kenntnisse im Rahmen eines mehrwöchigen Lehrganges aneignen. Auch hier dürfte allerdings im Fall des Klägers allein eine Einarbeitung von max. drei Monaten Dauer nicht genügen. Betonprüfung findet vor, während und nach der Verarbeitung, d.h. auf der Baustelle im Freien und im Labor statt; bei großen Baubetrieben mit einem Zentrallabor oder bei Betonfertigteilwerken ist u.a. auch ein Ansatz ausschließlich im Labor bzw. im Betrieb möglich. Die in Normen geregelten Prüfungen sind erfahrungsgemäß überwiegend im Gehen und Stehen durchzuführen, erlauben üblicherweise aber auch zeitweises Sitzen. Zur Prüfung der Druckfestigkeit müssen Probekörper hergestellt und unter bestimmten Bedingungen gelagert werden; die Probekörper sind im allgemeinen Würfel mit einer Kantenlänge von 20 cm und einem Gewicht von ca. 18 - 20 kg.

Insgesamt ist aus berufskundlicher Sicht in diesem Bereich keine für den Kläger geeignete berufliche Alternative zu sehen.

Hausmeister Auf zumutbarer Qualifikationsebene würde noch eine Hausmeistertätigkeit liegen. Hausmeister ist kein Ausbildungsberuf, es gibt kein einheitliches, verbindliches Berufsbild. Die Tätigkeit liegt auf der Ebene der Anlern- und Facharbeiterberufe. Beim Vorliegen einer verwertbaren Ausbildung (Sanitär-, Heizungs- oder Elektroinstallateur, Schlosser, ggf. auch Schreiner) ist die Tätigkeit oft auch auf Facharbeiterebene entlohnt. Je nach Aufgabenstellung und Vorkenntnissen ist von einer Einarbeitungszeit von zwei Monaten bis zu einem Jahr auszugehen. Obwohl die Erfahrungen eines Maurers eher begrenzt verwertbar sind, der Kläger jedoch ab 1993 alle Arbeiten im Garten- und Landschaftsbau im Kleinbetrieb seiner Ehefrau verrichtet hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger durch eine bis zu dreimonatige Einarbeitung auf der Ebene der Anlerntätigkeiten einmünden könnte. Die Aufgaben eines Hausmeisters variieren je nach Art des zu betreuenden Objekts (Wohn- haus oder -anlage, Büro- und Fabrikgebäude, Schule, Theater, Heime usw.).

Dazu gehören: Mängel feststellen und beheben (z.B. an allen elektrischen Anlagen einschließlich Beleuchtungs-, Heizungs- und Sanitäranlagen, an Türen, Fenstern, Möbeln, Aufzügen), ggf. Fremdfirmen einschalten, deren Arbeit überwachen und abnehmen, Wartungsarbeiten und Schönheitsreparaturen durchführen, Reinigungsarbeiten im, ggf. auch außerhalb des Gebäudes vornehmen (z.B. auch Schneeräumen, Streudienst) oder Garten, Grün- und Sportanlagen pflegen, für die Einhaltung von Feuerschutz und sonstigen Sicherheitsbestimmungen sorgen, Mithilfe bei Umzügen, Aufstellen von Sitzgelegenheiten in Sälen etc., Beschilderungen anbringen, auch Botendienste, Wohnungsbesichtigungen mit Mietinteressenten durchführen usw. Abhängig von der Größe des Objekts und der Arbeitsorganisation ist vielfach eine Verschiebung möglich zwischen dem eigentlichen Durchführen der Arbeit und dem Veranlassen der Ausführung durch Fremdfirmen und deren Überwachung. Es handelt sich aber immer um eine selbständige, eigenbestimmte und -verantwortliche Tätigkeit.

Die Arbeiten eines Hausmeisters sind in der Regel leicht bis mittelschwer, können u.U. aber auch gelegentlich schwer sein. Stehen und Gehen überwiegt deutlich, ein Wechsel der Arbeitshaltung ist jedoch möglich (90% Stehen und Gehen mit Treppensteigen und 10% Sitzen). Heben und Tragen von schweren Lasten ist zwar in der Regel nicht täglich oder häufig erforderlich, lässt sich meist aber nicht ganz ausschließen. Dabei ist nicht nur an das Bewegen von Möbeln (außer in Schulen z.B. in Bürohäusern, Heimen, Krankenhäusern, Tagungsstätten usw.) gedacht, sondern auch z.B. an den Umgang mit Abfallcontainern, größeren Mengen an Hilfs- und Betriebsstoffen (Streusand, Gips- oder Zementsäcke, Farbkübel u.ä.). Auch bei Verwendung von einfachen Geräten wie z.B. Sack- oder Schubkarre, unterlegbare Transportrollen ist körperlicher Einsatz erforderlich. Zwangshaltungen (Bücken, Hocken, Knien) lassen sich ebenso wenig ausschließen wie Arbeiten auf Leitern und Überkopfarbeiten. Ein Hausmeister sollte daher über einen gesunden Stütz- und Bewegungsapparat verfügen.

Aus berufskundlicher Sicht entspricht die Leistungsfähigkeit des Klägers nicht mehr den Anforderungen, die üblicherweise an einen Hausmeister gestellt werden.

Anzumerken ist, dass seit September 1996 eine 12monatige Fortbildungsmaßnahme in Vollzeit mit dem Abschluss "Staatlich geprüfter Hauswart" nach der Handwerksordnung existiert, da die Haustechnik in den letzten Jahren immer komplexer geworden ist.

Zugangsvoraussetzungen sind:
- Hauptschulabschluss und Gesellen- oder Facharbeiterbrief in einem gewerblich-technischen Beruf sowie eine mindestens einjährige Berufspraxis oder
- Hauptschulabschluss und Gesellen- oder Gehilfenbrief in einem nichttechnischen Beruf sowie eine mindestens zweijährige Berufspraxis oder
- Hauptschulabschluss und eine mindestens fünfjährige Berufserfahrung in einem gewerblich-technischen Beruf

Fachverkäufer in Bau- oder Heimwerkermärkten

In Erwägung gezogen wurde noch die Tätigkeit eines Fachverkäufers in Bau- und Heimwerkermärkten, da Arbeitgeberbefragungen bestätigen, dass auch Facharbeiter bei persönlicher Eignung und nach Einarbeitung als Fachverkäufer beschäftigt werden. In Betrieben, die Waren überwiegend in Selbstbedienung anbieten (Bau-, Heimwerkermärkte) stellen Aufgaben wie Warenannahme, Lagerung, Bereitstellung und Platzierung im Verkaufsraum, Auszeichnung, Bestandsüberwachung und Mitwirkung bei der Sortimentsgestaltung und Beschaffung die Tätigkeitsschwerpunkte dar. Kundenkontakte, z.B. Orientierungshilfen, Auskünfte zu Qualität, Verarbeitungstipps, stellen eine besondere, obgleich unverzichtbare Serviceleistung dar. Der Umgang mit Kunden setzt Höflichkeit, Kontaktfähigkeit, Flexibilität usw. und auch ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit voraus. Bei größerem Kundenandrang kann es auch zu Zeitdruck kommen.

Neben warenkundlichem Wissen (Marktüberblick, Sortimentskenntnisse, Funktionsweise, Eigenschaften der Produkte) sind auch kaufmännische und verkaufstechnische Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich, für deren Vermittlung üblicherweise ein Zeitraum von mindestens drei Monaten angesetzt wird, um die einem zweijährig ausgebildeten Verkäufer entsprechende Qualifikationsebene zu erreichen. Der Kläger dürfte trotz vorhandener, wenn auch begrenzter Materialkenntnisse eine mindestens dreimonatige Einarbeitung benötigen, um sich die erforderlichen kaufmännischen und verkaufstechnischen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben. Anzumerken ist, dass beim Kläger nach eigenen Angaben eine Legasthenie besteht (Bl. 6 Beklagtenakte - ärztliches Gutachten der Beklagten).

Verlangt wird nahezu ausschließlich Stehen und Gehen. Bücken ist durchaus häufig erforderlich, auch Recken, gelegentlich Überkopfarbeit und Besteigen von Leitern ist nicht auszuschließen. Heben und Tragen von Lasten ist keineswegs zu vermeiden. Die zu bewegenden Gewichte können sogar das mittelschwere Maß übersteigen. Unabhängig vom erforderlichen Einarbeitungszeitraum ist dem Kläger, aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen, eine Tätigkeit als Fachverkäufer in Bau- oder Heimwerkermärkten nicht mehr uneingeschränkt zumutbar.

Für Kundenberatung im Baustoff-Fachhandel trifft es vielfach zu, dass der Verkauf im Verkaufsraum oder sogar am Schreibtisch anhand von Listen, Katalogen oder über ein Computer-Terminal abgewickelt und eine strikte Trennung zum Lager eingehalten wird. Arbeitgeberbefragungen und vermittlerischer Erfahrungen zufolge wird jedoch üblicherweise den kaufmännischen Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten größere Bedeutung als dem produktbezogenen und anwendungsspezifischen Wissen zugemessen und kaufmännisch ausgebildetes Personal (vor allem Groß- oder u.U. auch Einzelhandelskaufleute) beschäftigt. Aufgrund seines beruflichen Werdeganges verfügt der Kläger nur über begrenzte bzw. sehr spezielle warenkundliche Kenntnisse. Ein Einarbeitungszeitraum von drei Monaten ist daher bei weitem zu kurz.

Qualitätskontrolleur

Kontrolltätigkeiten, die ein Arbeitnehmer mit der Vorbildung und dem beruflichen Werdegang des Klägers allein nach einer maximal dreimonatigen Einarbeitung ausüben könnte, gehören üblicherweise nur zu der Gruppe der kurzfristig angelernten Tätigkeiten.

Aufgrund des Einsatzes automatischer Prüfeinrichtungen, verbesserter Produktionsverfahren und anderer Arbeitsorganisationsformen nimmt die Zahl reiner Kontrollarbeitsplätze allerdings ab.

Bei dem Umfang, den z.B. die Metallindustrie im weitesten Sinn unter den Wirtschaftszweigen des Bundesgebietes hat, kann dennoch davon ausgegangen werden, dass Arbeitsplätze für Qualitätskontrolleure auf der Qualifikationsstufe der Anlerntätigkeiten und der Facharbeiterberufe noch in nennenswertem Umfang existieren.

Prüftätigkeiten beinhalten sehr häufig geringere körperliche Belastungen als Fertigungstätigkeiten und eignen sich daher besonders zur Umsetzung leistungsgeminderter Mitarbeiter, die aus sozialen Erwägungen oder aufgrund tarifvertraglicher Regelungen (z.B. Unkündbarkeit) weiterbeschäftigt werden sollen. Arbeitgeber berichten jedoch immer wieder, dass es zunehmend schwieriger wird, leidensgerechte Ansatzmöglichkeiten für eine wachsende Zahl von gesundheitlich beeinträchtigten Beschäftigten zu finden; z.T. werden sogar Wartelisten geführt.

Daneben wird ein Ansatz als Kontrolleur oft als beruflicher Aufstieg betrachtet. Aus personalpolitischen Erwägungen (z.B. dadurch Motivierung der Mitarbeiter und günstige Auswirkungen auf das Betriebsklima) wird diese Chance bevorzugt und soweit als möglich den eigenen Mitarbeitern eröffnet. Neben der fachlichen Qualifikation allgemein ist jedoch auch betriebsspezifisches Wissen über Produkt, Fertigungsverfahren, Betriebsorganisation und Arbeitsabläufe für die Aufgabenerfüllung Voraussetzung oder zumindest von erheblichem Vorteil, da sich z.B. Einarbeitungszeiten dadurch verkürzen oder gar erübrigen.

Aus den genannten Gründen werden Kontrollarbeitsplätze bevorzugt und weitestgehend innerbetrieblich besetzt. Außenstehende Bewerber haben üblicherweise nur Zugang zu entsprechenden Stellen, z.B. wenn sie (bei in der Regel voller Leistungsfähigkeit) über einschlägige besondere Qualifikationen oder Erfahrungen als Kontrolleur verfügen. Für nicht so qualifizierte und zusätzlich leistungsgeminderte Bewerber können geeignete Arbeitsplätze nur vereinzelt durch besondere Vermittlungsbemühungen und Vermittlungshilfen (z.B. nicht selten erhebliche finanzielle Leistungen) erschlossen werden.

Es gibt körperlich leichte Kontrolltätigkeiten, z.B. von kleinen gedrehten Teilen, wenn die zu prüfenden Teile nicht in großen, d.h. schweren Mengen selbst an den Prüfplatz zu holen sind. Bei qualifizierten Prüftätigkeiten ist ein Wechsel der Körperhaltung z.T. möglich, wobei entweder Sitzen oder Stehen häufig deutlich überwiegt. Zwangshaltungen lassen sich gerade bei Kleinteileprüfungen nicht immer vermeiden, z.B. bei Mikroskoparbeiten.

Für Kontrolltätigkeiten wird in der Regel gutes Nahsehvermögen, beidhändiges Handgeschick und Fingerfertigkeit, möglichst nicht eingeschränkte Funktionstüchtigkeit eines, besser beider Arme verlangt. Außerdem stellen Kontrolltätigkeiten hohe Anforderungen an die Aufmerksamkeit, Sorgfalt und Genauigkeit, das Konzentrationsvermögen und Verantwortungsbewusstsein usw., was durchaus eine nervliche Belastung darstellen kann.

Akkord- oder Fließbandarbeit sind bei Kontrolltätigkeiten nicht üblich, obwohl Zeitdruck nicht immer ganz auszuschließen ist. Schichtarbeit ist in der Metallindustrie keine Seltenheit.

Einerseits können die Leistungseinschränkungen des Klägers bei einer Tätigkeit als Qualitätskontrolleur nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden. Andererseits reicht dem Kläger - wie bereits ausgeführt - ein maximal dreimonatiger Einarbeitungszeitraum für einen Ansatz auf zumutbarer Qualifikationsebene nicht aus.

Obwohl Arbeitsplätze in nennenswertem, wenn auch geringer werdenden Umfang auf dem Arbeitsmarkt vorhanden sind, ist - wie bereits ausgeführt - außenstehenden Bewerbern wie dem Kläger der direkte Zugang erfahrungsgemäß nicht möglich. Insgesamt ist aus berufskundlicher Sicht keine geeignete Alternative für den Kläger in der Tätigkeit eines Qualitätskontrolleurs zu sehen.

Telefonist

Als berufsfremde Alternative könnte noch an die Telefonistentätigkeit gedacht werden.

Sie ist - wenn nicht andere Arbeiten mit erledigt werden müssen oder zur Auskunftserteilung umfangreiches Wissen erforderlich ist - in der Regel innerhalb von drei Monaten erlernbar, jedoch aufgrund ihrer Einstufung in verschiedenen Tarifverträgen mindestens der qualifiziert Angelerntenebene zuzuordnen. Die Tätigkeit eines Telefonisten ist körperlich leicht, wird jedoch ausschließlich im Sitzen verrichtet.

In der Regel erfolgt die Vermittlung der Gespräche per Tastatur und Bildschirm. Bildschirmarbeit wird u.U. in ausgeprägt statischer Haltung verrichtet. Zumindest eine Hand muss so geschickt und belastbar sein, dass die Verbindung schnell und korrekt hergestellt, ggf. Nachrichten notiert und z.T. Gebührenaufzeichnungen geführt bzw. Abrechnungen vorgenommen werden können. Neben Voraussetzungen wie Höflichkeit, Flexibilität, Merkfähigkeit, Sprachgewandtheit mit möglichst angenehmer Stimme etc. wird außerdem ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit (u.a. für Arbeit unter Zeitdruck) erwartet. Ob der Kläger die persönlichen Mindestanforderungen mitbringt kann nicht beurteilt werden. Jedoch können auch bei einer Telefonistentätigkeit die Leistungseinschränkungen des Klägers nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Tätigkeiten in einer Poststelle oder in einer Registratur

In die Überlegungen miteinbezogen wurden als weitere berufsfremde Alternativen Tätigkeiten in einer Poststelle oder in einer Registratur.

Sofern die Post nicht zusätzlich vom Postamt geholt werden muss, sind die eingehenden Sendungen (z.B. Postsäcke, - körbe, -pakete) einschließlich der Hauspost (z.B. auch Akten) anzunehmen und zu öffnen. Der Inhalt muss entnommen, auf Vollständigkeit geprüft, großteils mit einem Eingangvermerk sowie - nach Feststellung des Empfängers - mit einem Weiterleitungsvermerk versehen und entsprechend sortiert werden. Die Verteilung im Haus wie auch das Einsammeln der Ausgangspost kann von den Mitarbeitern der Post miterledigt werden oder Boten übertragen sein. Üblicherweise ist jedoch die Ausgangspost zu sortieren, zu kuvertieren bzw. zu verpacken, korrekt zu frankieren und zur Abholung in Säcken, Körben o.ä. bereitzustellen oder ggf. auch selbst zum Postamt zu befördern. Verschiedentlich sind bei der Tätigkeit Maschinen (z.B. Brieföffnungs-, Kuvertier-, Frankiermaschinen) zu bedienen. Die Arbeiten erfordern in der Regel gelegentlich mittelschwere Belastbarkeit, vor allen Dingen im Hinblick auf die zu bewegenden Lasten. In diesem Zusammenhang wird auch Bücken verlangt. Ein Wechsel der Körperhaltung ist möglich, wobei Gehen sogar in beachtlichem Umfang, u.U. einschließlich Treppensteigen, anfällt, wenn die Post auch ausgetragen und eingesammelt wird. Die Tätigkeiten sind sowohl in der Wirtschaft als auch im öffentlichen Dienst keinesfalls grundsätzlich auf der Ebene der qualifizierten Anlerntätigkeiten angesiedelt, sondern nach Schwierigkeitsgrad gestaffelt ab der untersten Ebene der Angestelltentätigkeiten zu finden:
- Bundesentgelttarifvertrag für die Chemische Industrie:
Entgeltgruppe E 1 = kurze Einweisung = Verteilen von Post,
E 2 = Berufspraxis von bis zu 13 Wochen = Sortieren und Verteilen von Post,
E 3 = Berufspraxis von 6 bis 15 Monaten = Postabfertigen;
- Gehaltstarifvertrag für die Angestellten des Speditions- und Transportgewerbes in Bayern:
Gehaltsgruppe 1 = Einweisung am Arbeitsplatz = Postabfertiger,
Gehaltsgruppe 2 = Berufsausbildung = Postabfertiger
- BAT VerGr X = Hilfsleistung bei der Postabfertigung,
VerGr IXb = Postabfertigen,
VerGr VIII = schwierigere Tätigkeit (im Vergleich zu den vorgenannten).

Da der Kläger über keinerlei verwertbare Vorkenntnisse verfügt, ist aus berufskundlicher Sicht davon auszugehen, dass er die Ebene der qualifizierten Anlerntätigkeiten nicht im Rahmen einer maximal dreimonatigen Einarbeitung erreichen kann. Anzumerken ist, dass beim Kläger nach eigenen Angaben eine Legasthenie besteht (Bl. 6 Beklagtenakte - ärztliches Gutachten der Beklagten).

Auch für Arbeiten in einer Registratur benötigt der Kläger einen längeren als dreimonatigen Einarbeitungszeitraum, um die qualifiziert Angelerntenebene zu erreichen. In einer Registratur ist zeitweise mittelschwere Belastbarkeit erforderlich. Regalarbeit erfordert üblicherweise neben häufigem Bücken und Überkopfarbeit oft auch Besteigen von kleinen Leitern.

Unabhängig vom Leistungsvermögen genügen dem Kläger für Tätigkeiten auf zumutbarer Qualifikationsebene sowohl in einer Poststelle als auch in einer Registratur drei Monate Einarbeitungszeit nicht. Daher ist auch in diesem Bereich keine geeignete berufliche Alternative zu sehen.

Pförtner

Da Pförtnerarbeitsplätze vielfach als Schonarbeitsplätze gelten, die für die innerbetriebliche Umsetzung leistungsgeminderter Beschäftigter geeignet sind, wurde die Tätigkeit eines Pförtners noch geprüft.

In nennenswertem Umfang sind Arbeitsplätze für einfache Pförtner auch Außenstehenden zugänglich. Sie beinhaltet teilweise tatsächlich nur leichte Arbeiten. Ein gewisser Wechsel der Körperhaltung ist gleichfalls möglich, wobei Gehen im Vergleich zu Sitzen und/oder Stehen jedoch meist nur einen geringen Anteil hat. Arbeit in Zwangshaltungen, Bücken, schweres Heben und Tragen ist in der Regel nicht zu erwarten. Belastungen durch Witterungseinflüsse, Zugluft oder Temperaturschwankungen sind nicht immer ganz zu vermeiden. Auch Zeitdruck ist (z.B. bei Arbeitsbeginn und -ende, Schichtwechsel, größerem Besucherandrang) nicht auszuschließen. Gleiches gilt außerdem für nervliche Belastungen, z.B. in außergewöhnlichen Situationen, in denen Handeln vom Pförtner verlangt wird. Die Aufgaben eines Pförtners stellen gewisse persönliche Mindestanforderungen wie z.B. Flexibilität, Merk- und Kontaktfähigkeit, Umgangsformen und Durchsetzungsvermögen. Ob der Kläger diese persönlichen Mindestanforderungen erfüllt, kann nicht beurteilt werden. Qualifiziert im Sinne einer für einen Facharbeiter zumutbaren Verweisungstätigkeit ist eine Pförtnertätigkeit jedoch in der Regel erst dann, wenn zusätzliche Aufgaben wie z.B. die Erteilung von Auskünften, die weiterreichende Kenntnisse erfordern, schriftliche Arbeiten, umfangreiche Kontroll- und Sicherheitsaufgaben, die meist körperliche Belastung beinhalten, oder die Bedienung von Telefonanlagen mit mehreren Amtsleitungen zu erfüllen sind. Derartige Arbeitsplätze existieren in sehr viel geringerer Zahl als solche für einfache Pförtner. Sie werden in der Regel innerbetrieblich besetzt. Ein höchstens dreimonatiger Einarbeitungszeitraum reicht erfahrungsgemäß, zumal für einen Betriebsfremden nicht aus. Es ist daher auch in dieser Tätigkeit keine berufliche Alternative für den Kläger zu sehen.

Andere Verweisungsmöglichkeiten mindestens auf der Ebene der Anlernberufe (Anlernzeit ohne Vorbildung mindestens drei Monate), die in nennenswertem Umfang existieren und auch Außenstehenden zugänglich sind, die dem Kläger gesundheitlich uneingeschränkt zumutbar sind und von ihm nach einer Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten ausgeübt werden können, sind aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.
Saved
Datum