S 8 RJ 334/98

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 8 RJ 334/98
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Die bei der Rentenantragstellung 24 jährige Klägerin hat von 1988 - 1991 den Beruf der Friseurin erlernt und anschließend bis 28.04.94 ausgeübt.

Nach dem Gutachten von Dr. ^Thönnissen^ vom 15.08.99 ist von folgendem Leistungsvermögen auszugehen:
- vollschichtig leichte Arbeiten
- in wechselnder Stellung
- in geschlossenen Räumen
- nicht an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen
- ohne besondere Belastung des Bewegungs- und Stützsystems
- ohne ungünstige äußere Bedingungen

Dr. ^Thönnissen^ gibt in ihrem Gutachten außerdem an, dass die Gebrauchsfähigkeit des linken Armes deutlich eingeschränkt ist.
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Unstreitig ist, dass die Klägerin ihren erlernten Beruf als Friseurin nicht mehr verrichten kann. Im Bescheid vom 15.05.1997 verweist die Beklagte die Klägerin auf die Tätigkeit einer Verkäuferin in einer Kosmetikabteilung. Im Widerspruchsbescheid vom 11.03.1998 nennt sie die Tätigkeiten einer Fachverkäuferin für Friseurbedarf und einer Registratorin als weitere zumutbare Verweisungstätigkeiten.

Verkäuferin in einer Kosmetikabteilung

Verkäuferin ist ein Beruf mit zweijähriger Ausbildung.

Das Arbeitsgebiet einer Verkäuferin in einer Kosmetikabteilung umfasst hauptsächlich den Verkauf, die Vorführung von Präparaten, die Beratung von Kunden und ggf. das Auflegen eines Make-ups zu Demonstrationszwecken. Die Tätigkeit ist überwiegend im Stehen und Gehen zu verrichten, wobei Stehen in der Regel dominiert und Gehen nur kurzfristig über kurze Strecken möglich ist. Eine Arbeit im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen entspricht bei einer reinen Verkaufstätigkeit nicht den üblichen Bedingungen des Arbeitslebens.

Im Rahmen der Warenannahme, Lagerung und Präsentation (z.B. Einräumen in Regale) fällt auch Heben und Tragen von möglicherweise schwereren Lasten, Bücken und Hantieren mit erhobenen Armen an. Die Gebrauchsfähigkeit beider Arme ist erforderlich

Das Erscheinungsbild einer Fachverkäuferin in einer Kosmetikabteilung sollte gepflegt sein. Auch Kontaktfreudigkeit wird bei dieser Tätigkeit vorausgesetzt. Inwieweit die Klägerin diesen Anforderungen gerecht wird, kann von hier aus nicht beurteilt werden.

In Drogeriemärkten erfolgt der Kosmetikverkauf in der Regel mit deutlich weniger Beratung. Neben dem Auffüllen der Regale und dem Auszeichnen der Artikel gehört hier das Kassieren zu den wichtigsten Aufgaben einer Verkäuferin. Abhängig von der Arbeitsorganisation können die Arbeiten u.U. tatsächlich im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen verrichtet werden. Bücken, Heben und Tragen von teilweise schwereren als leichten Lasten sowie Arbeit mit erhobenen Händen ist ebenfalls erforderlich. Je nach Kundenandrang kann die Verkäuferin bei der Kassiertätigkeit unter starkem Zeitdruck stehen.

Als Friseurin verfügt die Klägerin über gewisse verwertbare Kenntnisse und Erfahrungen (z.B. Kundenberatung und -bedienung, Kassieren, begrenzte Produktkenntnisse), so dass zumindest für einen Einsatz in einem Drogeriemarkt - in dem zwar bevorzugt ausgebildete Kräfte beschäftigt werden, eine Ausbildung erfahrungsgemäß aber nicht zwingend erforderlich vorausgesetzt wird - drei Monate zur Einarbeitung u.U. ausreichen könnten. Ein Ansatz als Fachverkäuferin in exklusiven Kosmetikabteilungen von Kaufhäusern oder in Parfümerien dürfte eher unwahrscheinlich sein, da dort üblicherweise ausgebildete Verkäuferinnen oder Kosmetikerinnen beschäftigt sind bzw. eine Einarbeitungszeit von in der Regel mehr als drei Monaten erforderlich ist. Aus berufskundlicher Sicht können die Leistungseinschränkungen der Klägerin auch bei einer Tätigkeit in einem Drogeriemarkt nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Insgesamt ist in der Tätigkeit einer Verkäuferin in einer Kosmetikabteilung keine geeignete Verweisungstätigkeit erkennbar.

Fachverkäuferin für Friseurbedarf

Es handelt sich üblicherweise um eine Angestelltentätigkeit im Außendienst. Zur Einarbeitung (Produktschulung, Verkaufsförderungstechniken, Kennenlernen des Gebietes usw.) reichen jedoch häufig drei Monate nicht aus. Die Tätigkeit geht mit z.T. erheblicher Fahrleistung einher, was zu einer besonderen Belastung des Bewegungs- und Stützsystems führen kann. Teilweise ist das Fahrzeug auch mit unterschiedlichen Mengen an Produktproben oder anderem Werbematerial zu beladen. Auch die Vorführung der Produkte ist z.T. erforderlich. Die Gebrauchsfähigkeit beider Arme ist für die Tätigkeit einer Fachverkäuferin für Friseurbedarf erforderlich.

Unabhängig vom notwendigen Einarbeitungszeitraum können die Leistungseinschränkungen der Klägerin nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Registratorin

Die Tätigkeiten einer Registratorin in einem Friseursalon sind mir nicht bekannt.

In ähnlich gelagerten Fällen wird jedoch häufig die Tätigkeit einer Rezeptionistin bzw. Empfangsdame in einem Friseursalon vorgeschlagen.

Die wesentlichen Aufgaben stellen sich wie folgt dar:
- Vereinbarung von Terminen (telefonisch und persönlich)
- Planung der Arbeitseinteilung aufgrund der von der Kundschaft gewünschten und vereinbarten Termine zur Gewährleistung eines reibungslosen und rationellen Betriebsverlaufs; dabei ist auch
- darauf zu achten, dass der für die Bedienung vorgesehene Friseur in etwa dem Kunden entspricht, z.B. im Hinblick auf Kontaktfreudigkeit.
- Empfang der Kunden
- Bemühen um Aufbauen und Pflege der Stammkundschaft des Friseursalons
- Betreuung der Kundenkartei
- Erledigen einfacher kaufmännischer Aufgaben (z.B. tägliche Kassenabrechnung)
- Kassieren
- Verkauf von Haarpflege- und Kosmetikartikeln, Haarschmuck, Kämmen u.a.
- Entgegennahme und Weiterleitung von Reklamationen

Die Arbeiten sind in der Regel leicht und werden weitgehend im Stehen und Gehen verrichtet. Sitzen ist nur in Zeiten möglich, in denen schriftliche Arbeiten erledigt werden oder in denen nur geringer Kundenbesuch herrscht. Allerdings leisten sich nur große, sehr stark frequentierte Friseursalons mit mehr als ca. 10 Fachkräften eine Rezeptionistin, so dass davon ausgegangen werden muss, dass wenig Gelegenheit zum Sitzen bleibt. Wenn mit wechselnder Stellung der Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen gemeint ist, dürfte bei einer Tätigkeit als Rezeptionistin das Restleistungsvermögen der Klägerin durch überwiegendes Stehen zeitweise überfordert sein.

Beim Verkauf von Haarpflege- und Kosmetikartikeln kann bei der Warenpräsentation und der Kundenbetreuung im begrenzten Umfang Heben und Tragen von Lasten sowie Bücken erforderlich sein. Dabei ist außerdem die Gebrauchsfähigkeit beider Arme erforderlich. Mit der handwerklichen Dienstleistung am Kunden ist die Tätigkeit einer Rezeptionistin regelmäßig nicht verbunden. Die sog. Rezeptionistinnen kommen häufig nicht aus dem Friseurhandwerk oder haben im Anschluss an eine Friseurtätigkeit kaufmännische Kurse besucht. Bevorzugt wird die Tätigkeit von Kräften mit kaufmännischen Vorkenntnissen ausgeführt, wobei es sich oft nur um angelernte Kräfte handelt (häufig z.B. um den Ehepartner eines/ einer selbständigen Friseurmeisters/-in). Rezeptionistinnen sind meist jüngere, redegewandte Frauen mit gepflegtem äußeren Erscheinungsbild. Ausgehend vom Friseurberuf und den damit verbundenen Fachkenntnissen ist eine Umstellung auf diese Tätigkeit innerhalb von drei Monaten denkbar. Ein beruflicher Ansatz als Rezeptionistin bietet sich jedoch nur in großen Fachbetrieben des Friseurhandwerks (s.o.). Allerdings handelt es sich auch hier häufig nur um Teilzeitarbeitsplätze (z.T. sogar unter der Sozialversicherungsgrenze) zur Bewältigung des verstärkten Kundenzustroms zu bestimmten Zeiten. Die Existenz einer nennenswerten Zahl von Vollzeitarbeitsplätzen auf zumutbarer Qualifikationsebenen kann zwar nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, muss aber angezweifelt werden.

Eine Verweisungsmöglichkeit der Klägerin auf eine derartige Tätigkeit erscheint mir wegen der geringen Zahl der Arbeitsplätze, auf denen außerdem noch alle gesundheitlichen Einschränkungen berücksichtigt werden können, nicht gegeben.

Da die Beklagte die Klägerin auf die Tätigkeit einer Registratorin verweist, wurden Arbeiten in einer Registratur, die sowohl auf der kurzfristig Angelernten- bis hin zur qualifiziert Angelerntenebene erfolgen können, auf Zumutbarkeit für die Klägerin geprüft.

Im BAT sind Angestellte in Büro-, Registratur-, Buchhaltereidienst usw. mit vorwiegend mechanischer Tätigkeit in VergGr. X, mit einfacheren Tätigkeiten in VergGr IXb und mit - gemessen an den vorgenannten - schwierigeren Tätigkeiten in VergGr. VIII eingruppiert.

Der Klägerin genügt für eine Tätigkeit als Mitarbeiterin in einer Registratur, die auch von einer Ungelernten innerhalb von drei Monaten erlernt werden kann, ebenfalls ein dreimonatiger Einarbeitungszeitraum.

Für eine qualifizierte Tätigkeit als Mitarbeiterin einer Registratur würde auch die Klägerin einen längeren Einarbeitungszeitraum als drei Monate benötigen.

Die Belastungen bei Arbeiten in einer Registratur sind üblicherweise zumindest zeitweise bis mittelschwer. Eine wechselnde Körperhaltung ist möglich, jedoch wird Bücken, Hantieren über Kopfhöhe und z.T. Besteigen von kleinen Leitern verlangt. Die Gebrauchsfähigkeit beider Arme ist für eine Tätigkeit in einer Registratur erforderlich. Die Leistungseinschränkungen können daher auch bei dieser Tätigkeit nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Eine geeignete Verweisungstätigkeit ist insbesondere nicht zu sehen, da der Klägerin für einen Ansatz auf zumutbarer Qualifikationsebene ein dreimonatiger Einarbeitungszeitraum nicht ausreicht.

Kosmetikerin

In ähnlich gelagerten Fällen wurde auch die Tätigkeit einer Kosmetikerin als zumutbare Verweisungstätigkeit genannt.

Aufgabe der Kosmetikerin ist das Durchführen von pflegenden, gesunderhaltenden bzw. gesundheitsfördernden kosmetischen Hautbehandlungen und Massagen, kosmetische Hand- und Fußpflege sowie dekorative Kosmetik. Darüber hinaus berät sie die Kunden über Anwendung und Wirkungsweise von Kosmetika und über die Hautpflege und führt den Verkauf der dazu notwendigen kosmetischen Präparate durch. Es handelt sich um eine überwiegend leichte Tätigkeit, die im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen durchgeführt wird. Bei kosmetischen Maßnahmen z.B. Fußpflege ist jedoch auch Bücken und Hocken notwendig. Häufig kommt es zu Zwangshaltungen des vorgeneigten Oberkörpers und der vorgehaltenen Arme.

Um den Abschluss "staatlich anerkannte Kosmetikerin" erreichen zu können, ist üblicherweise der Besuch eines Lehrgangs mit der Dauer von 12 Monaten erforderlich. Es handelt sich nicht um einen anerkannten Ausbildungsberuf nach dem Berufsbildungsgesetz.

Obwohl die Klägerin während ihrer Ausbildung zur Friseurin auch Kosmetikkenntnisse erworben hat, ist dennoch ein lediglich dreimonatiger Einarbeitungszeitraum nicht ausreichend.

Es ist deshalb in dieser Tätigkeit keine berufliche Alternative für den Kläger zu sehen.

Telefonistin

Aus dem Kreis der hervorgehobenen ungelernten, in verschiedenen Tarifverträgen mindestens wie Anlerntätigkeiten bewerteten Tätigkeiten wird oft noch die - berufsfremde - Telefonistinnentätigkeit als berufliche Alternative genannt. Sie ist - wenn nicht andere Arbeiten mit erledigt werden müssen oder zur Auskunftserteilung umfangreiches oder vertieftes Wissen erforderlich ist - in der Regel innerhalb von drei Monaten erlernbar. Die Tätigkeit einer Telefonistin ist körperlich leicht, wird aber ausschließlich im Sitzen ausgeübt. In der Regel erfolgt die Vermittlung der Gespräche per Tastatur und Bildschirm. Bildschirmarbeit wird u.U. in ausgeprägt statischer Haltung (der Schulter-Nacken-Bereich wird besonders belastet) verrichtet. Zumindest eine Hand muss so geschickt und belastbar sein, dass die Verbindung schnell und korrekt hergestellt, ggf. Nachrichten notiert und z.T. Gebührenaufzeichnungen geführt bzw. Abrechnungen vorgenommen werden können. Neben Voraussetzungen wie Höflichkeit, Flexibilität, Merkfähigkeit, Sprachgewandtheit mit möglichst angenehmer Stimme etc. wird außerdem ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit (u.a. für Arbeit unter Zeitdruck) erwartet.

Ob die Klägerin die persönlichen Mindestanforderungen mitbringt, kann nicht beurteilt werden.

Sollte mit wechselnder Stellung der Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen gemeint sein, entspricht das Leistungsvermögen der Klägerin nicht mehr den üblichen Anforderungen. Arbeitsplätze sind in nennenswertem Umfang vorhanden.

Andere Verweisungsmöglichkeiten auf der Ebene der Facharbeiter- oder der gehobenen Anlernberufe, die in nennenswertem Umfang existieren und auch Außenstehenden zugänglich sind, die der Klägerin gesundheitlich uneingeschränkt zumutbar sind und von ihm nach einer Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten ausgeübt werden können, sind aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.
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