S 11 RJ 830/01 A

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 11 RJ 830/01 A
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Im vorliegenden Verfahren handelt es sich Ihrer Anfrage zufolge um einen Schlosser und Schweißer, der wegen Wirbelsäulenbeschwerden nach Bandscheibenoperation nur noch leichte Arbeiten ohne Haltungskonstanz oder Einwirkung von Nässe und Kälte verrichten kann. Die Beklagte hält unter Hinweis auf die Anlagen noch einen Einsatz des Klägers in den dort genannten Tätigkeiten für möglich. Sie bitten daher um eine berufskundliche Stellungnahme.
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Ihrer Anfrage sind als Anlage Schreiben des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg e.V. vom 07.02.2000 und 21.02.2000 beigefügt, in denen zu den Einsatzmöglichkeiten eines leistungsgeminderten Schlossers Stellung genommen wird. Als Tätigkeit wird der Mechaniker oder Blechschlosser bei der Herstellung und Montage elektromechanischer oder mechanischer Kleinteile genannt und beschrieben.

Als weitere Anlage ist ein Auszug des Urteiles des LSG Rheinland-Pfalz vom 19.12.2001 - L 6 RI 211/00 zur Tätigkeit eines Kassierers an Selbstbedienungstankstellen beigefügt.

Mechaniker oder Blechschlosser bei der Herstellung und Montage elektromechanischer oder mechanischer Kleinteile
Im feinmechanisch-feinwerktechnischen Bereich ist es vorstellbar, dass Montagearbeiten leicht sind. Sie werden jedoch überwiegend, wie auch vom Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg e.V. in seinem Schreiben vom 07.02.2000 angegeben, im Sitzen verrichtet. Auch Oberkopfarbeit und Heben und Tragen von Lasten kann häufig ganz bzw. weitestgehend vermieden werden. Bei Montagearbeiten auf Facharbeiterebene ist auch nicht mit stereotypen Belastungen beider Arme, wie sie meist bei einfachen, auf wenige Handgriffe beschränkten Montagetätigkeiten auftreten, zu rechnen. Dennoch wird neben gutem Nahsehvermögen in der Regel volle Funktionstüchtigkeit auch der Arme, insbesondere aber der Hände und Finger mit intakter Tastempfindung, ohne stärkere Schweißbildung und mit der Fähigkeit zu beidhändigem Arbeiten und zu Fein- bzw. Feinst- und Präzisionsarbeit vorausgesetzt. Durch die Feinarbeit auf engem Raum kommt es im übrigen häufig zu Zwangshaltungen im Rücken und Schulter-Nacken-Bereich, woraus für den Kläger aufgrund seiner Gesundheitsstörungen zumindest Beschwerden resultieren dürften.
Als zusätzliche nervliche Belastung kann außerdem das geforderte hohe Maß an Genauigkeit, Sorgfalt, Aufmerksamkeit, Konzentration, Geduld und Ausdauer empfunden werden.

Obwohl Montagearbeiten im feinmechanisch-feinwerktechnischen Bereich insbesondere Teilaufgaben von Feinmechanikern bzw. Industriemechanikern/Fachrichtung Geräte- und Feinwerktechnik sind, verfügen Schlosser oft über so gut verwertbare Vorkenntnisse, dass bei entsprechender Eignung im Rahmen einer 3-monatigen Einarbeitung unter Umständen nicht nur die Ebene der qualifizierten Anlerntätigkeiten, sondern die Facharbeiterebene erreicht werden kann. Arbeitsplätze auf Facharbeiterebene existieren in nennenswertem Umfang. Auf der Ebene der qualifizierten Anlerntätigkeiten handelt es sich bei nur leichten Belastungen üblicherweise um typische Frauenarbeitsplätze, die zudem in der Regel zusätzlich durch Zeitdruck geprägt sind. Aus berufskundlicher Sicht kann nicht beurteilt werden, ob der Kläger, da mir keinerlei Angaben über den beruflichen Werdegang vorliegen, nach maximal 3monatiger Einarbeitung auf Facharbeiterebene oder auf Arbeitsplätzen für qualifizierte Anlerntätigkeiten angesetzt werden kann.

Kassierer an Selbstbedienungstankstellen

Eine in nennenswertem Umfang isoliert vorkommende Teilaufgabe des Tankwartes ist das Kassieren.
Im Tarifvertrag z.B. des Bayerischen Einzelhandels werden Kassierer der Beschäftigungsgruppe II zugeordnet. Voraussetzung dafür ist eine einschlägig abgeschlossene Ausbildung (auch eine 2jährige z.B. als Verkäufer) oder eine 3jährige Berufstätigkeit. Die reine Kassenbedienung kann nach kürzerer Anlernung verrichtet werden, erlaubt aber in der Regel keine wechselnde Körperhaltung.

Ist neben der Kasse der gesamte sogenannte „Shop„ zu betreuen, ist zeitweise ein Wechsel vom Sitzen zum Gehen und Stehen möglich, daneben wird aber bei der Warenannahme, Lagerhaltung, Gestaltung des Verkaufsraumes, dem Auffüllen der Regale und Auszeichnen der Waren auch Heben und Tragen von schwereren als nur leichten Lasten, Bücken und Besteigen von Leitern verlangt. Da die tägliche Öffnungszeit einer Tankstelle in der Regel die Arbeitszeit eines einzelnen Mitarbeiters übersteigt, ist Schichtarbeit üblich. Auch Zeitdruck ist zumindest zeitweise kaum zu vermeiden. Wenn der Kläger über keinerlei kaufmännische Vorkenntnisse verfügt, reicht eine höchstens dreimonatige Einarbeitungszeit erfahrungsgemäß nicht aus, um die Qualifikationsebene der Anlernberufe zu erreichen. Unabhängig davon können die Leistungseinschränkungen des Klägers nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden.

Wie auch dem beigefügten Auszug des Urteils des LSG Rheinland-Pfalz vom 19.12.2001 - L 6 RI 211/00) bei der Beschreibung der Tätigkeit des Kassierers an Selbstbedienungstankstellen zu entnehmen ist, kann nach Auskunft des Zentralverbandes des Tankstellen- und Garagengewerbes (ZTG) das Platzieren der Waren im Verkaufsraum und im Lagerraum sowie die Regalpflege nicht als ausschließlich körperlich leichte Tätigkeit angesehen werden. Heben und Tragen von Gewichten über fünf Kilogramm ist hierzu erforderlich. Die Einschätzung des ZTG, dass es sich um eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit handelt, ist für den Senat nachvollziehbar. Hinsichtlich Einarbeitungszeiten enthält der Auszug aus dem Urteil jedoch keine Ausführungen.

Wie ich Ihnen bereits mit Schreiben vom 27.05.2003 Ib2 - 5016.8 mitgeteilt habe, ist mir aufgrund Ihrer Angaben und den vorgelegten Unterlagen nur eine allgemeine Auskunft möglich.
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