L 13 RA 29/01

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
L 13 RA 29/01
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Die bei der Rentenantragstellung 51jährige Klägerin hat vom 01.08. 1960 - 31.01.1962 den Beruf der Herrenkleidernäherin erlernt und anschließend bis 27.08.1965 ausgeübt. Im Anschluss daran war sie als Fabrikarbeiterin, Verkäuferin und erneut als Näherin tätig. Ab 01.09.1969 - 31.12.1996 hat die Klägerin den Haushalt eines Pfarrers geführt. Danach war sie bis 17.09.1997 als Verkäuferin beschäftigt.

Dr. ^Müller^ beschreibt in seinem Gutachten vom 22.02.2000 das Leistungsvermögen der Klägerin wie folgt:
- vollschichtig nur leichte körperliche Arbeiten,
- bei denen keine Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand erforderlich ist
- ohne Akkord-, Schicht- und Stressbedingungen
Außerdem gibt Dr. ^Müller^ in seinem Gutachten an, dass die Klägerin keine Arbeitsleistung in ihrem bisherigen Beruf als Hausangestellte noch erbringen kann, da hier sicherlich die volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände erforderlich ist.

Nach dem orthopädischen Gutachten von Dr. ^Hekking^ vom 04.05.2000 stellt sich das Leistungsvermögen der Klägerin folgendermaßen dar:
- vollschichtige Arbeiten
- ohne schwere Belastung des rechten Handgelenks
Dr. ^Hekking^ gibt außerdem an, dass die Klägerin in ihrem bisherigen Beruf als Hausangestellte noch eine vollschichtige Arbeitsleistung wie bisher erbringen kann.

Dr. ^Glatzmaier^ gibt in seinem orthopädischen Fachgutachten vom 22.11.2001 das Leistungsvermögen der Klägerin wie folgt an:
- acht Stunden täglich leichte Tätigkeiten
- ohne Dauerbeanspruchung der rechten Hand, wie z.B. Schreib-, sowie Computertätigkeiten, Sortierarbeit usw.
- ohne schweres Heben und Tragen
- ohne Tätigkeiten unter Akkord. Die bislang ausgeübte Tätigkeit als Haushaltsgehilfin ist nicht mehr durchführbar.

Dr. ^Kreusser^ beschreibt in seinem freien fachchirurgischen Sozialgerichtsgutachten vom 27.07.2002 das Leistungsvermögen der Klägerin wie folgt:
Unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses kann die Klägerin die Tätigkeiten nicht mehr verrichten, da die Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand erheblich herabgesetzt ist. Unter der Voraussetzung einer vollständigen Entlastung des rechten Handgelenkes und der rechten Hand kann ein acht Stunden Arbeitstag, jedoch quantitativ voll geleistet werden. So bestünde die Möglichkeit Aufsicht zu führen, Botendienste zu erledigen und alle Arbeiten zu verrichten, die nur eine einsatzfähige Hand - hier die linke Hand benötigen. Mit der rechten Hand/Handgelenk sind nennenswerte Arbeiten nicht mehr sinnvoll durchführbar, da selbst Schreibarbeiten nach 10min. unüblichen Pausen von etwa gleicher Länge erfordern. Belastung über 1kg hinaus werden nicht toleriert. Der rechte Daumen kann überhaupt nicht mehr in Belastungen einbezogen werden. Außerdem gibt Dr. ^Kreusser^ in seinem Gutachten an, dass im Beruf als Haushälterin eine Berufsunfähigkeit von 60% angenommen wird.
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Das Sozialgericht Regensburg hat in der mündlichen Verhandlung am 07.11.2000 die Klage abgewiesen und in seiner Urteilsbegründung u.a. angegeben, dass die Klägerin mit dem auffälligen Handgelenksbefund rechts seit langen Jahren gearbeitet, ohne dass zu erkennen ist, dass die bestehende Fehlstellung auf das Restleistungsvermögen nachhaltigen Einfluss genommen hätte. Es liegt jetzt kein anderer Befund als früher vor, sodass die Fortsetzung der früher ausgeübten Tätigkeit in dem bisherigen Umfang weiterhin möglich ist. Die Klägerin kann daher in ihrem bisherigen Beruf weiterhin wie bisher vollschichtig tätig sein.

Ihrer Anfrage zufolge bitten Sie um Prüfung, ob die angeführte Tätigkeit im Haushalt mit den vorhandenen Leistungseinbußen noch verrichtet werden kann. Außerdem bitten Sie um Darlegung, ob auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten nicht ganz einfacher Art für Bewerber mit einem Leistungsprofil wie bei der Klägerin möglich sind, z.B. als Pförtnerin. Des weiteren bitten Sie um Stellungnahme, ob überhaupt vollschichtige Tätigkeiten für derart behinderte Personen vorhanden sind.

Hausangestellte

Hausangestellte übernehmen die in privaten und anderen Haushalten (zum Beispiel Jugendherbergen, Kleingruppeneinrichtungen oder Erholungsheime) anfallenden Arbeiten. Dazu gehören Tätigkeiten wie Kochen, Putzen und Wäschepflege ebenso wie Einkaufen und das Erledigen von Botengängen. Hausangestellte stellen - unter Einbeziehung der kulinarischen Wünsche der Haushaltsmitglieder und des Haushaltbudgets - den Speiseplan zusammen, besorgen Lebensmittel und achten auf eine vorausschauende und sachgerechte Vorratshaltung. Sie bringen Wäsche zur Reinigung oder übernehmen diese selbst und achten auf Ordnung und Sauberkeit in Haus und teilweise auch im Garten. Hausangestellte überziehen die Betten, pflegen Pflanzen, kümmern sich um die Haustiere, holen die Kinder vom Kindergarten ab oder bringen sie zum Arzt. Oft sind sie die ersten Ansprechpartnerinnen für die im Haushalt lebenden Kinder und helfen ihnen - sofern ihre Vorbildung es zulässt - auch bei den Hausaufgaben.

Nach Absprache mit dem Haushaltsvorstand bzw. den Familienmitgliedern planen und organisieren Hausangestellte die anstehenden Arbeiten. Zur Dokumentation ihrer Ausgaben führen sie Haushaltsbücher, verwalten das Haushaltsgeld und erstellen - wenn nötig - Monats- bzw. Jahresabschlüsse.

Meist handelt es sich bei Tätigkeiten im Haushalt um körperlich mittelschwere Arbeiten, die überwiegend im Wechsel von Stehen und Gehen ausgeführt werden und mit häufigem Knien oder Bücken verbunden sind.

Für die Tätigkeit einer Hausangestellten wird insbesondere normale Funktionstüchtigkeit der Wirbelsäule, Beine, Arme und Hände (Tätigkeiten überwiegend im Stehen und Gehen, Trageleistung möglich) sowie Finger-/Handgeschicklichkeit für beidhändiges Arbeiten vorausgesetzt.

Aus berufskundlicher Sicht ist die Klägerin aufgrund der vorhandenen Leistungseinbußen nicht mehr in der Lage, die Tätigkeit einer Hausangestellten auszuüben. Auch die ärztlichen Sachverständigen Dr. ^Müller^ und Dr. ^Glatzmaier^ geben ihren Gutachten an, dass die Klägerin ihre bislang ausgeübte Tätigkeit einer Hausangestellten nicht mehr verrichten kann. Nach dem Gutachten von Dr. ^Kreusser^ wird eine Berufsunfähigkeit im Beruf als Haushälterin zu 60% angenommen.

Pförtnerin

Eine Pförtnertätigkeit kann Aufgaben aus den Bereichen Personalkontrolle und Ausweiswesen, Besucherempfang, Schlüsselverwahrung bzw. Verwaltung von Schließanlagen und Überwachung des Kfz.- und Warenverkehrs sowie sonstige Aufgaben in verschiedenen Kombinationen und mit unterschiedlichen Schwerpunkten beinhalten. Nicht selten handelt es sich um Arbeitsplätze, die die Rücksichtnahme auf diverse Leistungseinschränkungen gestatten, so dass sie auch für leistungsgeminderte Arbeitskräfte in Frage kommen. Sie sind zwar häufig der innerbetrieblichen Besetzung durch langjährige, leistungsgewandelte Beschäftige vorbehalten, in nennenswertem Umfang aber auch Außenstehenden zugänglich. Meist genügt Belastbarkeit für leichte Arbeiten. Auch ein Wechsel der Körperhaltung ist erfahrungsgemäß in gewissem Umfang möglich, wobei Sitzen dennoch den größten Anteil ausmachen kann. Belastungen durch Zwangshaltungen, Bücken o.ä. sind nicht üblich. Nicht ganz ausgeschlossen werden kann allerdings sehr oft die Einwirkung von Zugluft, Temperaturschwankungen oder Witterungseinflüssen (z.B. Arbeitsplatz im Eingangsbereich; Notwendigkeit, Pförtnerloge oder -häuschen zu verlassen, z.B. zur Zufahrtsregelung). Weitaus überwiegend ist außerdem Schichtarbeit (zumindest Früh- und Nachmittagsschicht, zum Teil rund um die Uhr, auch am Wochenende, u.U. mit auf 12 Stunden verlängerter Arbeitszeit) anzutreffen. Sogar Zeitdruck ist - im Wechsel mit Zeiten relativ monotoner Tätigkeit - möglich (z.B. hoher Besucherandrang; Arbeitsbeginn, - ende, Schichtwechsel); auch andere Stressbelastungen (z.B. Gefahrensituationen, ggf. Auseinandersetzungen mit Besuchern oder Mitarbeitern o.ä.) sind nicht völlig zu vermeiden. Vorausgesetzt wird üblicherweise Kontaktfähigkeit, Höflichkeit, Merkfähigkeit, Flexibilität, sicheres Auftreten oder sogar Durchsetzungskraft und die Fähigkeit zu situationsgerechtem und schnellem Han-deln bei außergewöhnlichen Vorfällen, wozu auch ein gewisses Maß an neurovegetativer und psychischer Belastbarkeit erforderlich ist. Überwiegend handelt es sich um Alleinarbeit, so dass auf die ständige Anwesenheit und Aufmerksamkeit nicht verzichtet werden kann.

Aus gegebenem Anlass sind Feuerlöscher zu bedienen, Notausgänge zu öffnen. Hierbei kann die volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände erforderlich sein. Außerdem ist erforderlichenfalls unerwünschten Besuchern der Eintritt zu verwehren z.B. durch körperliches Abwehren wie in den Weg stellen bzw. gemäßigtes Abdrängen. Ein Pförtner muss im Zuge der Ausübung des Hausrechtes - nach Rücksprache mit einem großen Industriebetrieb - in der Lage sein, zur Gefahrenabwehr durch Einsatz geeigneter Mittel und Wahrung der Verhältnismäßigkeit körperlichen Einsatz durch den Gebrauch beider Hände vorzunehmen.

Beim Ausfüllen z.B. der Besucherscheine, Parkerlaubniskarten, Notizen über Anrufe ist eine gewisse Fähigkeit zum Schreiben erforderlich. Die Klägerin ist Rechtshänderin. Bei größerem Besucherandrang (z.B. größere Gruppen besuchen eine Firma, Tagungen und Veranstaltungen) kann das Erfordernis nach 10 Minuten Schreibarbeit eine Pause von etwa dergleichen Länge durchzuführen, nicht immer gewährleistet werden. Der rechte Daumen kann nach dem freien fachchirurgischen Sozialgerichtsgutachten von Dr. ^Kreusser^ vom 27.07.2002 überhaupt nicht mehr in Belastungen einbezogen werden. Inwieweit aufgrund dieser Einschränkung, die Durchführung von gut lesbaren und in angemessener Geschwindigkeit zu erledigende Schreibarbeiten, noch möglich sind, kann aus berufskundlicher Sicht nicht beurteilt werden.

Frauen üben eine derartige Tätigkeit jedoch erfahrungsgemäß meist in der Funktion einer Empfangsdame aus. Kunden- oder Besucherempfang und - Weiterleitung sowie Auskunft- erteilung sind jedoch auch hier oft nicht die einzigen Tätigkeitsinhalte, sondern es sind vielfach auch andere Arbeiten wie Telefonvermittlung, Ablage, Kartei-, Schreib- oder sonstige einfache Büroarbeiten mit zu verrichten, die zusätzlich zum Teil einschlägige Kenntnisse und Fertigkeiten (z.B. kaufmännische, Schreibmaschinen-, Textverarbeitungs-, EDV- oder aber auch Fremdsprachenkenntnisse) erfordern. Besonderes Augenmerk wird in der Regel außerdem auch auf
das äußere Erscheinungsbild gerichtet. Ein Einarbeitungszeitraum von maximal drei Monaten dürfte aufgrund des beruflichen Werdeganges der Klägerin für diese Tätigkeit nicht genügen.

Hinsichtlich der physischen und psychischen Belastungen sind erfahrungsgemäß nicht selten gewisse Unterschiede im Vergleich zur Pförtnertätigkeit festzustellen. Sitzen überwiegt meist deutlicher, auch Zwangshaltungen sind möglich, wenn z.B. häufiger oder länger Schreibmaschinenschreiben oder Arbeit am Computer verlangt wird. Dafür ist üblicherweise nicht oder in sehr viel geringerem Umfang mit Schichtarbeit, ungünstigen Umgebungseinflüssen, Gefahrensituationen u.ä. zu rechnen.

Anzumerken ist, dass nach vermittlerischer Erfahrung Bewerberinnen mit dem beruflichen Werdegang und dem Alter der Klägerin keine Chance haben, einen Arbeitsplatz als Empfangsdame zu erhalten. Insbesondere entspricht jedoch das Leistungsvermögen der Klägerin für die Tätigkeit einer Empfangsdame nicht mehr den üblichen Anforderungen.

Telefonistin

Da die volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände nicht für jede Telefonistentätigkeit erforderlich ist, wurde diese Tätigkeit auf Zumutbarkeit für die Klägerin geprüft.

Wie bereits in meinen Stellungnahmen vom 01.07.2002 (S12 RJ 146/99) und vom 21.11.2002 (S8 RJ 407/00), die Ihnen Ihrer Anfrage zufolge bekannt sind, ausgeführt, erfolgt in der Regel die Vermittlung der Gespräche per Tastatur und Bildschirm. Üblicherweise werden für die Tätigkeit einer Telefonistin beide Hände benötigt. Falls der Arbeitsplatz, wie in der Regel in größeren Telefonzentralen z.B. bei Behörden, mit einem Kopfhörer ausgestattet ist, kann aus berufskundlicher Sicht auch ohne volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände eine - reine - Telefonistinnentätigkeit verrichten. Voraussetzung ist jedoch, dass eine Hand so geschickt und belastbar ist, dass die Verbindung schnell und korrekt hergestellt, ggf. Nachrichten notiert und z.T. Gebührenaufzeichnungen geführt bzw. Abrechnungen vorgenommen werden können. Da das Notieren von Nachrichten, das Aufzeichnen von Gebühren bzw. Abrechnungen nicht in dem von den ärztlichen Sachverständigen angegebenen Rhythmus (Schreibarbeiten erfordern nach zehn Minuten eine Pause von etwa dergleichen Länge) möglich ist, entspricht das Leistungsvermögen der Klägerin nicht mehr den üblichen Anforderungen. Ich verweise außerdem in Bezug auf zu erledigende Schreibarbeiten auf meine Ausführungen bei der Tätigkeit einer Pförtnerin.

Neben Voraussetzungen wie Höflichkeit, Flexibilität, Merkfähigkeit, Sprachgewandtheit mit möglichst angenehmer Stimme etc. wird außerdem ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit (u.a. für Arbeit unter Zeitdruck) erwartet. Ob die Klägerin diese persönlichen Mindestanforderungen mitbringt, kann nicht beurteilt werden.

Andere Tätigkeiten nicht ganz einfacher Art, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt existieren und die die Klägerin aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen noch vollschichtig verrichten kann, sind aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.
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Datum