L 10 RI 309/01

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 10 RI 309/01
Auskunftgeber
Sachverständiger, Diplom-Verwaltungswirt
Anfrage
Die 56-jährige Klägerin hat den Beruf der Frisörin erlernt und über 20 Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Nach Ablegung der Meisterprüfung war sie noch knapp 2 Jahre als Frisörmeisterin für 2 Betriebe, in denen insgesamt 12 Beschäftigte waren, tätig. Diese Arbeit musste sie aus gesundheitlichen Gründen aufgeben.
Auskunft
Berufskundskundliche Stellungnahme

Auszug aus der Sitzungsniederschrift

Die Klägerin ist Linkshänderin. Nach den verschiedenen medizinischen Gutachten besteht bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung. Es handelt sich dabei um eine erheblich chronifizierte Störung. Darüber hinaus besteht im linken Schulter- und Armgelenk ebenfalls eine Schmerzproblematik, die die Einsatzfähigkeit erheblich einschränkt. Zumutbar sind noch leichte bis allenfalls vorübergehend mittelschwere Arbeiten. Das Heben und Tragen ist bis auf 5 kg eingeschränkt. Es dürfte bei der Arbeit keine einseitige Haltung gefordert werden. Es muss Witterungsschutz bestehen. Wegen des Spannungskopfschmerzes können keine stressintensiven Arbeiten ausgeführt werden. Auszuschließen sind Akkord- und Nachtarbeit. Ebenfalls Überkopfarbeit.

Die Frisörin arbeitet ausschließlich stehend gehend. Gelegenheit zum Sitzen besteht nur in sehr geringem Maße. Sie arbeitet mit beiden Händen und Armen in Körpervorhalte. Dabei muss sie auch noch in beiden Händen Werkzeuge halten. Vergleicht man die üblichen Arbeitsplatzanforderungen mit dem Restleistungsvermögen, dann steht fest, dass sie als Frisörin und auch als mitarbeitende Frisörmeisterin keinesfalls mehr tätig sein kann. Auch die Tätigkeit der Rezeptionistin ist durch die Problematik an der linken Schulter und im Armbereich nicht möglich. Insbesondere auch deshalb nicht, weil die Klägerin Linkshänderin ist und sie die meisten Arbeiten naturgemäß mit links ausführen würde. Die heute beschäftigte Rezeptionistin ist nur in speziellen, niveauvollen Frisörsalons tätig. Es wird bei dieser Kraft u. a. auch auf das Auftreten sehr geachtet, d. h. sie muss imagegemäß sein. Wenn jemand unter einer chronifizierten Schmerzproblematik mit entsprechenden Einschränkungen der Arbeitshand leidet, kommt er für diese Arbeitsposition nicht mehr in Frage.

Für die Tätigkeit im Call-Center wird ebenfalls der uneingeschränkte Einsatz beider Hände gefordert, weil neben dem Telefondienst auch Schreibarbeiten, sowohl am PC als auch mit der Hand, auszuführen sind. Durch die Schreibarbeiten am Gerät müssen beide Hände und Arme wieder in Vorhalte gehalten werden, was für die Klägerin nicht möglich ist. Unter Berücksichtung aller gesundheitlichen Einschränkungen kann im gelernten und angelernten Bereich eine Verweisung nicht benannt werden.

Für einfache ungelernte Arbeiten, z. B. als Hilfskraft in der Registratur, besteht weiterhin ein Restleistungsvermögen. Die Arbeiten, die hier anfallen, zählen zu den Rechts-Linkshänder-Arbeiten, d. h. es bleibt dem Mitarbeiter freigestellt, ob er die Arbeiten wie Postgut entnehmen, Postgut einfüllen, frankieren mit der Arbeitshand oder mit der anderen Hand ausführt. Das ändert am Arbeitstempo nichts. Dadurch kann eine Einschränkung der Einsatzfähigkeit der erkrankten linken Hand und des linken Armes erreicht werden.

Auf Fragen des Vertreters der Beklagten:

Die Fachschulen für das Frisörhandwerk, an denen sowohl die Meisterausbildung, die Weiterqualifizierung für Frisörinnen und die Schulung von Auszubildenden in gewissen Bereichen stattfindet, bieten für die Klägerin keinen geeigneten Arbeitsplatz. Die dort tätigen Frisörmeister sind auch in die praktische Mitarbeit eingebunden, d. h. sie demonstrieren Frisörarbeiten an lebenden Modellen und lassen später die angehenden Meister oder Gesellen/Auszubildenden diese Arbeiten nacharbeiten und beaufsichtigen sie. Voraussetzung ist aber immer noch die körperliche Mitarbeit, die die Klägerin nicht mehr leisten kann. Hinzukommt, dass hier nur Meister beschäftigt werden, die ”auf dem neuesten Stand der Frisierkunst” sind. Eine Arbeitnehmerin, die 14 Jahre aus dem Berufsleben heraus ist, besitzt hier keine Möglichkeit.
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