S 8 RJ 880/01

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 8 RJ 880/01
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Bayern, Nürnberg
Anfrage
Der bei der Rentenantragstellung 41jährige Kläger hat von 1976 bis 1979 den Beruf des Beton- und Stahlbetonbauers erlernt und anschließend ausgeübt. Arbeitsunfähigkeit bestand ab 10.10.2000. Ab 21.11.2000 bezog der Kläger Krankengeld. Nach Aussteuerung aus den Krankengeldbezug erhält er ab 10.04.2002 Arbeitslosengeld. Der Kläger nahm vom 03.06.2002 bis 28.02.2003 an einer Praxisorientierten Reintegrationsmaßnahme für Rehabilitanden und Schwerbehinderte teil.

Nach dem Gutachten von Dr. ^Schmidt^ vom 08.08.2003 ist von folgendem Leistungsvermögen auszugehen:
vollschichtig leichte Arbeiten
im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen
ohne länger andauernde Stehbelastung
ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 10kg
ohne häufiges Bücken, Klettern oder Steigen
ohne Absturzgefahr
ohne Einwirkung von Kälte, Nässe oder Zugluft

Außerdem sollte keine Tätigkeit ausgeübt werden, die ein völlig normales Hörvermögen verlangt.
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Die Beklagte verweist den Kläger im Widerspruchsbescheid vom 23.10.2001 auf die Tätigkeit als Werkstoffprüfer, Baustellenmagaziner, Kranführer, Betonlaborant und Bediener einer automatischen Betonmischanlage.

Werkstoffprüfer, Betonlaborant
Die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 23.10.2001 genannte Tätigkeit eines Betonlaboranten ist mir trotz der vorliegenden umfangreichen berufskundlichen Unterlagen bzw. Informationen, nicht bekannt ist.
Werkstoffprüfer-Physik, Stoffprüfer (Chemie) für Glas-, Keramische Industrie sowie Steine und Erden und Baustoffprüfer (drei Fachrichtungen: Boden, Mörtel und Beton, bituminöse Massen) sind jeweils eigenständige dreijährige industrielle Ausbildungsberufe, in die sich der Kläger obwohl er den Beruf des Beton- und Stahlbetonbauers erlernt und ausschließlich ausgeübt hat - nicht innerhalb von drei Monaten einarbeiten kann.
Arbeitnehmer aus Bauberufen mit Vorkenntnissen in der Herstellung, Verarbeitung und Prüfung von Beton können jedoch auch zum Betonprüfer angelernt werden und/oder sich die erforderlichen vertieften Kenntnisse im Rahmen eines mehrwöchigen Lehrganges aneignen. Auch hier dürfte allerdings im Fall des Klägers allein eine Einarbeitung von max. drei Monaten Dauer nicht genügen. Betonprüfung findet vor, während und nach der Verarbeitung, d.h. auf der Baustelle im Freien und im Labor statt; bei großen Baubetrieben mit einem Zentrallabor oder bei Betonfertigteilwerken ist u.a. auch ein Ansatz ausschließlich im Labor bzw. im Betrieb möglich. Die in Normen geregelten Prüfungen sind erfahrungsgemäß überwiegend im Gehen und Stehen durchzuführen, erlauben üblicherweise aber auch zeitweises Sitzen. Zur Prüfung der Druckfestigkeit müssen Probekörper hergestellt und unter bestimmten Bedingungen gelagert werden; die Probekörper sind im allgemeinen Würfel mit einer Kantenlänge von 20 cm und einem Gewicht von ca. 18 - 20 kg. Insgesamt ist aus berufskundlicher Sicht auch in diesem Bereich keine für den Kläger geeignete berufliche Alternative zu sehen.

Baustellenmagaziner
Im Widerspruchsbescheid vom 23.10.2001 nennt die Beklagte außerdem die qualifizierte Anlerntätigkeit des Baustellenmagaziners, auf die Arbeitgeber jedoch meist bewährte, aber leistungsgeminderte Mitarbeiter umsetzen. Unabhängig davon können die Leistungseinschränkungen des Klägers bei dieser Tätigkeit nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden. Ein Baumagaziner arbeitet auf kleinen und großen Baustellen und muss dort das Baumaterial und die Arbeitsgeräte nicht nur verwalten, sondern auch ausgeben. Es fallen leichte bis mittelschwere, u.U. auch schwere Arbeiten an, insbesondere im Hinblick auf die auftretenden Hebe- und Tragebelastungen. Auch wenn für größere und schwere Teile oft technische Geräte zur Verfügung stehen, bleibt es nicht aus, dass er Materialien und Geräte wie Bohrhämmer, Schalungsbretter, Kompressoren etc. selbst abladen und ausgeben muss. Gehen und Stehen überwiegt bei dieser Tätigkeit. Bücken ist häufig erforderlich, auch Klettern und Steigen bzw. Absturzgefahr kann nicht immer vermieden werden. Zusätzliche Belastungen treten dadurch auf, dass z.T. im Freien unter Witterungseinflüssen und baustellenüblichen Umgebungsbedingungen gearbeitet werden muss.

In anderen Branchen werden in der Werkzeug- und Materialausgabe - unabhängig vom Leistungsvermögen des Klägers - keinesfalls Beton- und Stahlbetonbauer sondern einschlägig ausgebildete Fachkräfte bevorzugt (im Metallbereich Metallfacharbeiter, im Elektrobereich Elektriker etc.). Außerdem werden entsprechende Stellen nicht selten innerbetrieblich mit leistungsgeminderten Beschäftigten besetzt, da die Belastungen im Vergleich zum Ausgangsberuf doch geringer sind.

Kranführer
Im Widerspruchsbescheid vom 23.10.2001 verweist die Beklagte zusätzlich auf die Tätigkeit eines Kranführers, der für das Bedienen, Fahren, Warten und Pflegen von Kränen verantwortlich ist. Je nach Art des Kranes sind die Tätigkeiten in unterschiedlichen Bereichen wie in Produktionsstätten vor allem in der Eisen- und Stahlindustrie, in Hallen, auf Lagerplätzen, in Häfen oder auf Bahnhöfen zu verrichten. Im Einsatz auf Baustellen transportieren sie Baumaterialien, Baustoffe, Fertigteile und Ähnliches mit dem Ziel des rationellen Arbeitsablaufes. In der Regel wird für den Zugang zur Tätigkeit eine berufliche Fortbildung als Kranführer, Baumaschinenführer der Fachrichtung Hochbau oder eine einschlägige Berufsausbildung, vor allem als Baugeräteführer, erwartet. Den Belastungen eines Kranführers im Baugewerbe ist der Kläger jedoch nicht mehr uneingeschränkt gewachsen, da mittelschwere bis schwere Arbeiten beim Auf- und Abbau sowie bei Wartungsarbeiten zu verrichten sind. Bei Flursteuerung ist überwiegend im Stehen und Gehen, auf unebenem Grund zu arbeiten, wobei meist auch körperliche Anbindearbeiten verlangt werden. Bei Steuerung in Kranführermaschinen ist überwiegend im Sitzen, in weitgehend einseitiger Körperhaltung zu arbeiten und zum Erreichen der Kabine zum Teil extremes Klettern erforderlich. Außerhalb des Baugewerbes entfallen in der Regel die Auf- und Abbauarbeiten. Wartungsarbeiten werden in begrenztem Umfang aber meist doch verlangt. Auch sonst gilt das vorstehend Gesagte weitgehend genauso; allerdings ist Gehen und Stehen auf unebenem Grund kaum erforderlich und die Kabinen können zum Teil über Treppen bzw. treppenähnliche, schräge Leitern statt über senkrechte Leitern erreicht werden. Für die Tätigkeit eines Kranführers besteht u.a. voraussichtliche Nichteignung bei Funktionsstörungen der Wirbelsäule, Arme, Hände oder Beine und nicht ausreichend korrigierbare Hörstörung.

Bediener einer automatischen Betonmischanlage
Verwertbar können die Kenntnisse eines Betonbauers für die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 23.10.2001 genannten Tätigkeit eines Bedieners einer automatischen Betonmischanlage sein. Neben der Disposition des Zements und der Zuschläge und der Steuerung des Mischvorgangs am Steuerpult oder am Computer müssen jedoch auch Reinigungs-, Wartungs- und z.T. auch Reparaturarbeiten durchgeführt werden. Die körperliche Belastung kann von leicht bis schwer reichen, Witterungseinflüsse treten auf, Besteigen von Leitern ist erforderlich. Heben und Tragen, auch Bücken oder zeitweise Zwangshaltung kann nicht ausgeschlossen werden. Ein Ungelernter braucht weit mehr als drei Monate, um eine solche Tätigkeit zu erlernen. Selbst der Kläger kann die zusätzlich notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten nicht innerhalb von drei Monaten erwerben.

Fachverkäufer
Gedacht werden könnte noch an die Tätigkeit eines Fachverkäufers in Bau- oder Heimwer-kermärkten. In Betrieben, die Waren überwiegend in Selbstbedienung anbieten (Bau-, Heimwerkermärkte) stellen Aufgaben wie Warenannahme, Lagerung, Bereitstellung und Platzierung im Verkaufsraum, Auszeichnung, Bestandsüberwachung und Mitwirkung bei der Sortimentsgestaltung und Beschaffung die Tätigkeitsschwerpunkte dar. Kundenkontakte, z.B. Orientierungshilfen, Auskünfte zu Qualität, Verarbeitungstyps, Preisangaben und –berechnungen stellen eine
besondere, obgleich unverzichtbare Serviceleistung dar. Der Umgang mit Kunden setzt Höflichkeit, Kontaktfähigkeit, Flexibilität usw. und auch ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit voraus. Bei größerem Kundenandrang kann es auch zu Zeitdruck kommen. Arbeitgeberbefragungen bestätigen, dass auch Facharbeiter bei persönlicher Eignung und nach Einarbeitung als Fachverkäufer beschäftigt werden. Eine vollständige Einarbeitung ist jedoch üblicherweise nicht in einem Zeitraum von höchstens drei Monaten möglich. Der Kläger, der vor der Rentenantragstellung ausschließlich Arbeiten als Betonbauer verrichtet hat, benötigt für eine Tätigkeit als Fachverkäufer in Bau- oder Heimwerkermärkten mindestens einen Einarbeitungszeitraum von drei Monaten. Verlangt wird nahezu ausschließlich Stehen und Gehen. Bücken ist durchaus häufig erforderlich, auch Recken, gelegentlich Überkopfarbeit bzw. Hochhantierungen und Besteigen von Leitern ist nicht auszuschließen. Heben und Tragen von Lasten ist keineswegs zu vermeiden. Die zu bewegenden Gewichte können sogar das mittelschwere Maß übersteigen. Unabhängig vom erforderlichen Einarbeitungszeitraum entspricht das Leistungsvermögen des Klägers nicht mehr den üblichen Anforderungen. Für Kundenberatung im Baustoff-Fachhandel trifft es vielfach zu, dass der Verkauf im Verkaufsraum oder sogar am Schreibtisch anhand von Listen, Katalogen oder über ein Computer-Terminal abgewickelt und eine strikte Trennung zum Lager eingehalten wird. Arbeitgeberbefragungen und vermittlerische Erfahrungen zufolge wird jedoch üblicherweise den kaufmännischen Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten größere Bedeutung als dem produktbezogenen und anwendungsspezifischen Wissen zugemessen und kaufmännisch ausgebildeten Personal (vor allem Groß- oder u.U. auch Einzelhandelskaufleute) beschäftigt. Aufgrund seines beruflichen Werdeganges verfügt der Kläger nur über begrenzte bzw. sehr spezielle warenkundliche Kenntnisse. Ein Einarbeitungszeitraum von drei Monaten ist daher bei weitem zu kurz.

Hausmeister
Auf zumutbarer Qualifikationsebene würde noch eine Hausmeistertätigkeit liegen. Hausmeister ist kein Ausbildungsberuf, es gibt kein einheitliches, verbindliches Berufsbild. Gute handwerkliche Kenntnisse und Fertigkeiten werden vorausgesetzt, eine verwertbare handwerkliche Ausbildung (Sanitär-, Heizungs- oder Elektroinstallateur, Schlosser, ggf. auch Schreiner) häufig gewünscht, zum Teil auch verlangt. Die Tätigkeit liegt auf der Ebene der Anlern- und Facharbeiterberufe. Beim Vorliegen einer verwertbaren Ausbildung ist die Tätigkeit oft auch auf Facharbeiterebene entlohnt. Je nach Aufgabenstellung und Vorkenntnisse ist von einer Einarbeitungszeit von zwei Monaten bis zu einem Jahr auszugehen. Die Erfahrungen eines Betonbauers sind eher begrenzt verwertbar. Dennoch ist eine Einmündung, zumindest auf die Ebene der Anlernberufe, durch eine bis zu dreimonatige Einarbeitung nicht völlig ausgeschlossen. Anzumerken ist, dass seit September 1996 eine 12monatige Fortbildungsmaßnahme in Vollzeit mit dem Abschluss „Staatlich geprüfter Hauswart“ nach der Handwerksordnung existiert, da die Haustechnik in den letzten Jahren immer komplexer geworden ist. Zugangsvoraussetzungen sind: Hauptschulabschluss und Gesellen- oder Facharbeiterbrief in einem gewerblich-technischen Beruf sowie eine mindestens einjährige Berufspraxis oder Hauptschulabschluss und Gesellen- oder Gehilfenbrief in einem nichttechnischen Beruf sowie eine mindestens zweijährige Berufspraxis oder Hauptschulabschluss und eine mindestens fünfjährige Berufserfahrung in einem gewerblich-technischen Beruf

Aufgaben/Tätigkeiten eines Hausmeisters z.B. von größeren Wohnanlagen sind:
Durchführung von Sichtkontrollen (z.B. Heizung, Lüftung, Feuchtigkeit, äußere Gebäudeschäden, wie Risse u.ä.) Behebung erkennbarer Schäden bzw. Veranlassung der erforderlichen Reparaturen, Beaufsichtigung und Abrechnung derselben, Dokumentation der Abläufe Schlüsselverwaltung Wartung und Instandhaltung der haustechnischen Anlagen Pflege der Außenanlagen, Winterdienst, Organisation der Entsorgung Kontaktpflege und Umgang mit den Bewohnern des Gebäudes Organisation und Überwachung der Gebäudereinigung: Einteilung und Beaufsichtigung der Reinigung, Einweisung der Reinigungskräfte, Bestimmung der Reinigungsverfahren und der Häufigkeit der Reinigung, Verwaltung und Lagerung der Reinigungsmittel

Erfahrungsgemäß sind die Aufgaben eines Hausmeisters zu 70 % handwerkliche Instandhaltungs- und Reparatur - sowie gärtnerische und reinigende Außenarbeiten, zu 20 % Mieterbetreuung und zu 10% Verwaltungsarbeiten.

Die Arbeiten sind überwiegend leicht bis mittelschwer, können gelegentlich aber auch schwer sein. Gehen (u.U. auch teilweise in unebenem Gelände, mit Treppensteigen in beachtlichem Umfang) und Stehen überwiegen deutlich. Ständig einseitige Körperhaltung wird nicht verlangt jedoch immer wieder – u.U. auch einmal längerfristig – Arbeiten in ungünstigen Haltungen wie
Bücken, Hocken, Knien, Überkopfarbeit und Arbeit auf Leitern (einschl. Besteigen von Leitern) Heben und Tragen von mittelschweren und schweren Lasten ist zwar in der Regel nicht täglich oder häufig erforderlich, lässt sich aber meist nicht ganz ausschließen. Dabei ist nicht nur an das Bewegen von Möbeln (außer in Schulen z.B. in Bürohäusern, Heimen, Krankenhäusern, Tagungsstätten usw.) gedacht, sondern auch z.B. an den Umgang mit Abfallcontainern, größeren Mengen an Hilfs- und Betriebsstoffen (Streusand, Gips- oder Zementsäcke, Farbkübel u.ä.). Die Ausstattung mit anderen als einfachen Geräten (z.B. Sack- oder Schubkarre, unterlegbare Transportrollen o.ä.), die doch den körperlichen Einsatz fordern, lohnt sich oft nicht oder sie können, wo sie vorhanden sind, aufgrund der örtlichen Gegebenheiten oder der Art der Arbeit teilweise nicht eingesetzt werden. Ebenso sind Arbeiten im Freien erforderlich. Belastungen durch Kälte, Nässe, Zugluft und Temperaturschwankungen können nicht vermieden werden.
Vorausgesetzt wird üblicherweise insbesondere mittlere Körperkraft und Funktionstüchtigkeit und Belastbarkeit der Wirbelsäule, Arme und Beine. Das Leistungsvermögen des Klägers, wie im Gutachten von Dr. ^Schmidt^ vom 08.08.2003 angegeben, entspricht für eine Tätigkeit als Hausmeister aus berufskundlicher Sicht nicht mehr den üblichen Anforderungen.

Andere angelernte Tätigkeiten (Anlernzeit ohne Vorbildung mindestens drei Monate) bzw. höher qualifizierte Tätigkeiten, die der Kläger nach seiner Vorbildung und seinen gesundheitlichen Möglichkeiten nach einer Einarbeitungszeit bis zu drei Monaten noch verrichten kann und für die Arbeitsplätze innerhalb des Bundesgebietes in nennenswerter Anzahl vorhanden sind, können aus berufskundlicher Sicht nicht benannt werden. Anmerken möchte ich noch, dass in der „Arbeitsmedizinischen Berufskunde“ – Scholz/Wittgen ausgeführt wird, dass bei Berufsunfähigkeit eines Betonbauers sich im Baubereich kaum Verweisungsmöglichkeiten ergeben.
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