S 4 KN 158/01

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 4 KN 158/01
Auskunftgeber
Regionaldirektion Bayern, Nürnberg
Anfrage
Die bei der Rentenantragstellung 49jährige Klägerin hat von 1965 bis 1968 den Beruf der Hauswirtschafterin erlernt und war anschließend im Krankenpflege- und Hauswirtschaftsbereich tätig. Ab 08/93 hat sie eine Tätigkeit im Bereich der Altenpflege verrichtet und von 01.04.1994 bis 31.03.1997 eine Ausbildung zur Altenpflegerin erfolgreich abgeschlossen. Anschließend war sie in diesem Beruf tätig.

Nach dem orthopädischen Gutachten von Dr. ^Klein^ vom 01.11.2002 stellt sich die Leistungsfähigkeit der Klägerin wie folgt dar:
- vollschichtig (6 -8 Stunden) leichte Arbeiten
- aus wechselnder oder überwiegend sitzender Ausgangslage
- im Freien und in geschlossenen Räumen
- ohne mittelschwere Arbeiten
- ohne ausschließlich stehende Beschäftigungen
- ohne Hantieren mit Lasten ) 10 kg
- ohne Arbeiten in Rumpfbeugehaltung
- ohne grobmanuelle Tätigkeiten und Überkopfarbeiten mit dem linken Arm
- ohne kraftvollem Gebrauch des linken Armes z.B. im Rahmen der Patientenlagerung oder ähnlicher Tätigkeiten

Dr. ^Beier^ beschreibt in seinem fachinternistischen Gutachten vom 31.10.2002 die Leistungsfähigkeit der Klägerin wie folgt:
- vollschichtig leichte Arbeiten
- aus wechselnder Ausgangsposition
- im Freien und geschlossenen Räumen
- ohne Arbeiten unter psychischer Belastung
- ohne Nacht- und Wechselschicht
- ohne Nässe und Feuchtigkeit
- ohne Arbeiten an rotierenden Maschinen
- ohne Arbeiten am Band
- ohne gefahrenträchtige Arbeiten Außerdem ist nach Dr. ^Beier^ die eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit des linken Armes zu berücksichtigen. Er verweist in diesem Zusammenhang auf das orthopädische Gutachten von Dr. ^Klein^.

Nach dem nervenärztlichen Gutachten von Dr. ^Kiefer^ vom 28.01.2003 ist von folgendem Leistungsvermögen auszugehen:
- vollschichtig
- leichte und mittelschwere körperliche Tätigkeiten
- aus wechselnder Ausgangsposition
- sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen
- unter Vermeidung von Heben und Tragen schwerer Lasten sowie Arbeiten in Zwangsposition
Auskunft
Berufskundliche Stellungnahme

Die Beklagte verweist die Klägerin im Widerspruchsbescheid vom 20.08.2001 auf körperlich leichte Tätigkeiten mit gewissen Funktionseinschränkungen, regelmäßig und vollschichtig wie z.B. Bürogehilfin, Telefonistin, Pförtnerin und ähnliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. In der mündlichen Verhandlung am 28.11.2003 hat die Beklagte die Tätigkeiten einer Arzthelferin sowie einer Altenbetreuerin als weitere zumutbare Verweisungsmöglichkeiten genannt.

Ihrer Anfrage zufolge bitten Sie um berufskundliche Stellungnahme zu folgenden Fragen:
1. Kann die Klägerin mit dem im sozialgerichtlichen Verfahren festgestellten Leistungsvermögen noch den erlernten Beruf der Altenpflegerin verrichten?
2. Kann die Klägerin mit ihrem beruflichen Hintergrund und dem im Klageverfahren festgestellten Leistungsvermögen auf Tätigkeiten als Altenbetreuerin, Arzthelferin, Telefonistin verwiesen werden?
3. Gut es andere Berufe im qualifizierten Anlernbereich, auf die die Klägerin verwiesen werden könnte?

zu Frage 1:

Altenpflegerinnen betreuen und pflegen alte Menschen in Heimen, psychiatrischen Abteilungen (z.B. in Krankenhäuser), in sonstigen Einrichtungen der Altenhilfe sowie in der ambulanten häuslichen Pflege. Sie helfen bei der Körperpflege, der Zubereitung altersgemäßer Kost, der Ausführung ärztlicher Verordnungen, bei Pflegefällen übernehmen sie die gesamte Pflege, sie verabreichen Medikamente und leiten zu gesundheitsfördernden Übungen an, übernehmen Nachtwachen, beraten in persönlichen und sozialen Angelegenheiten, führen Behördengänge durch, leiten zur Selbständigkeit und aktiver Freizeitgestaltung an, organisieren Feiern, Ausflüge u.ä. Die Tätigkeit einer Altenpflegerin ist leicht bis mittelschwer, nicht selten auch körperlich schwer und wird meist im Gehen und Stehen, zeitweise auch im Sitzen, häufig in vorgeneigter und gebückter Haltung verrichtet. Aus berufskundlicher Sicht entspricht das Leistungsvermögen der Klägerin nicht mehr den üblichen Anforderungen.

zu Frage 2:
Altenbetreuerin

Die Ausbildung zum Altenbetreuer/zur Altenbetreuerin ist eine Weiterbildung im sozialen Bereich und rechtlich nicht geregelt. Teilweise ist sie speziell auf die Bedürfnisse bestimmter Zielgruppen (Gehörlose, Blinde oder Behinderte) ausgerichtet. Die Lehrgänge werden von privaten Bildungsträgern und Fachschulen - meist nach Bedarf - angeboten. Sie enden mit einer internen Prüfung. Die Ausbildung umfasst meist 1 Jahr.

Altenbetreuer/innen betreuen und pflegen alte Menschen, die Unterstützung brauchen. Insbesondere sind das kranke und pflegebedürftige Senioren. Dabei müssen von den Altenbetreuern und -betreuerinnen die jeweiligen physischen, psychischen und sozialen Bedürfnisse im Sinne einer ganzheitlichen Hilfe beachtet werden. Sie arbeiten dabei gegebenenfalls mit anderen Fachkräften zusammen, zum Beispiel mit Altenpflegern/-pflegerinnen oder Sozialpädagogen/-pädagoginnen. Da es auch bei einer Tätigkeit als Altenbetreuerin zu den Belastungen wie bei einer Altenpflegerin kommt, können die Leistungseinschränkungen der Klägerin nicht ständig und in vollem Umfang berücksichtigt werden. Aus berufskundlicher Sicht ist daher auch in dieser Tätigkeit keine berufliche Alternative zu sehen.

Arzthelferin

Die Ausbildung zur Arzthelferin dauert nach § 2 Verordnung über die Berufsausbildung zum Arzthelfer/zur Arzthelferin vom 10.12.85 drei Jahre. Arzthelferinnen unterstützen den Arzt durch Übernahme verschiedenartiger nicht-ärztlicher Tätigkeiten, die in einer Arztpraxis anfallen. Sie betreuen Patienten vor, während und nach der Behandlung, sorgen für eine rationelle Gestaltung des Tagesablaufs (Praxisorganisation), Vermeidung langer Wartezeiten für die Patienten, assistieren bei der Behandlung sowie bei chirurgischen Eingriffen, übernehmen die Pflege, Wartung, Reinigung und Desinfektion der Instrumente, Apparaturen sowie anderer Praxiseinrichtungen, sorgen für Sauberkeit und Hygiene in Praxis-, Sanitär- und Laborräumen, führen (einfache) Laborarbeiten z.B. Blut-, Harn-, Stuhluntersuchungen u.ä. durch und erledigen Büro-, Verwaltungs- und Abrechnungsarbeiten, z.B. Führen der Krankenblätter, Abrechnen mit Krankenkassen und Lieferanten usw.

Die Tätigkeit einer Arzthelferin ist körperlich leicht, zeitweise mittelschwer und wird in temperierten Praxis- und Laborräumen im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen verrichtet. Wesentliche körperliche Eignungsvoraussetzungen sind die Funktionstüchtigkeit der Arme und Hände, die Fähigkeit zu beidhändigem Arbeiten und weitgehende Funktionstüchtigkeit der Beine und der Wirbelsäule, gute neuro-vegetative Belastbarkeit.

Aus berufskundlicher Sicht ist es vorstellbar, dass eine ausgebildete Altenpflegerin eine Tätigkeit als Arzthelferin verrichtet. Da eine Altenpflegerin jedoch üblicherweise über keine Kenntnisse des Praxisablaufes, EDV-Kenntnisse, Kenntnisse im Abrechnungswesen verfügt, muss mit mehr als drei Monaten Anlernung bis zu einer vollständigen Einarbeitung gerechnet werden.

Unabhängig vom Leistungsvermögen ist in der Tätigkeit einer Arzthelferin aufgrund der erforderlichen Einarbeitungszeit keine berufliche Alternative erkennbar.

Telefonistin

Die Beklagte verweist den Kläger auf die Tätigkeit einer Telefonistin, die zwar von einem Ungelernten - wenn nicht andere Arbeiten mit erledigt werden müssen oder zur Auskunftserteilung umfangreiches Wissen erforderlich ist - in der Regel innerhalb von drei Monaten erlernbar ist, jedoch aufgrund ihrer Einstufung in verschiedenen Tarifverträgen mindestens der qualifiziert Angelerntenebene zuzuordnen ist. Die Tätigkeit einer Telefonistin ist körperlich leicht, wird aber ausschließlich im Sitzen, keinesfalls aus wechselnder Ausgangslage ausgeübt. In der Regel erfolgt die Vermittlung der Gespräche per Tastatur und Bildschirm. Bildschirmarbeit wird u.U. in ausgeprägt statischer Haltung verrichtet. Zumindest eine Hand muss so geschickt und belastbar sein, dass die Verbindung schnell und korrekt hergestellt, ggf. Nachrichten notiert und z.T. Gebührenaufzeichnungen geführt bzw. Abrechnungen vorgenommen werden können. Neben Voraussetzungen wie Höflichkeit, Flexibilität, Merkfähigkeit, Sprachgewandtheit mit möglichst angenehmer Stimme etc. wird außerdem ein gewisses Maß an psychischer Belastbarkeit (u.a. für Arbeit unter Zeitdruck) erwartet. Unter Berücksichtigung der von den medizinischen Sachverständigen angegebenen Leistungsvermögen der Klägerin ist auch bei einer Telefonistinnentätigkeit eine ständige Rücksichtnahme auf die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin, insbesondere auf die wechselnde Ausgangslage bzw. überwiegend im Sitzen und ohne psychische Belastung zu verrichtende Tätigkeiten, nicht möglich.

zu Frage 3:

Die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid genannten Tätigkeiten einer Bürogehilfin und Pförtnerin wurden noch auf Zumutbarkeit für die Klägerin geprüft. Aufgrund ihres beruflichen Werdeganges ist der Klägerin nur ein Zugang zu den Tätigkeiten einer Bürogehilfin oder einer Pförtnerin möglich, die auch eine Ungelernte innerhalb von drei Monaten erlernen kann. Da die Klägerin, wie auch von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2003 anerkannt, Berufsschutz genießt, stellen die Tätigkeiten einer Bürogehilfin und einer Pförtnerin auf der Ebene auf die sich die Klägerin innerhalb von drei Monaten einarbeiten kann, keine sozial zumutbare Verweisungstätigkeit da.

Andere Berufe im qualifizierten Anlernbereich, auf die die Klägerin verwiesen werden könnte, sind aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.
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