L 6 RJ 664/00

Berufskundekategorie
Gutachten
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
L 6 RJ 664/00
Auskunftgeber
Regionaldirektion Bayern, Nürnberg
Anfrage
Die im Zeitpunkt der Antragstellung auf BU-/EU-Rente am 30.7.1996 44-jährige Klägerin hat eine dreijährige Ausbildung als Floristin erfolgreich absolviert. Danach war sie bis zu ihrer Arbeitslosigkeit ab dem 23.7.1996 mit Unterbrechungen ( Mutterschutz, Erziehungsurlaub, Krankengeldbezug, Arbeitslosigkeit ) bei der Fa. Bößl in ihrem erlernten Berufsfeld tätig.

Ärztliche Gutachten Nach dem nervenärztlichen Gutachten von Frau Dr. ^Renate Paech-Unglert^ vom 26.11. 2001 sind der Klägerin grundsätzlich noch körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten sowie nervlich nicht ständig sehr belastende Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wie auch im erlernten Beruf als Floristin 8 Stunden pro Tag zuzumuten, unter Berücksichtigung folgender Einschränkungen:

- kein ständiges schweres Heben und Tragen sowie häufiges Bücken,
- keine Tätigkeiten unter hohem Zeitdruck oder anderweitig ständig hohen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, wie unter Akkord- oder Fließbandbedingungen.

Dr. ^Volker Fischer^ beschreibt in seinem orthopädischen Gutachten vom 10.10.2002 in Verbindung mit seiner Stellungnahme vom 4.4.2003 das Leistungsvermögen der Klägerin wie folgt:
- Ausübung von Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses,
- 8 Arbeitsstunden täglich,
- nur leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen und Stehen, möglichst in beliebiger Einteilung,
- kein Heben und Tragen von Lasten sowie Arbeiten im Bücken,
- Geh- und Stehvermögen nur wenig reduziert.

Das internistische Gutachten von Dr. ^Bernd Eberl^ vom 20.11.2002 in Verbindung mit seiner Stellungnahme vom 6.5.2003 beurteilt wie folgt die körperliche Leistungsfähigkeit der Klägerin:
- Ausübung von Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses,
- 8 Arbeitsstunden täglich,
- nur leichte körperliche Tätigkeiten,
- keine ausschließlich sitzenden oder stehenden Tätigkeiten,
- Positionswechsel zwischen Sitzen und Stehen in beliebiger Einteilung,
- kein Heben und Tragen von Lasten, keine Tätigkeiten mit häufigem Bücken und Zwangshaltungen,
- keine Tätigkeiten im Akkord, auf Leitern und Gerüsten sowie Tätigkeiten an gefährdenden Maschinen, lärmintensive Arbeitsplätze sind ausgeschlossen.

Nach dem HNO-Zusatzgutachten von Dr. ^H. Scheithauer^ vom 7.11.2002 ergeben sich folgende gesundheitliche Einschränkungen der Klägerin:
- 8 Arbeitsstunden täglich,
- nur leichte bis mittelschwere Arbeiten,
- kein schweres Heben und Tragen, keine Akkordbedingungen,
- Vermeidung von Schwindel auslösenden Situationen oder Situationen, in welchen Schwindel gefährlich werden könnte (Leitern, Gerüste usw.),
- keine lärmintensive Arbeitsplätze.

Fragestellung Könnte die Klägerin unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustands und ihres beruflichen Leistungsvermögens unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses in ihrem Ausbildungsberuf als Floristin noch vollschichtig arbeiten? Gibt es Arbeitsplätze für Floristinnen in nicht unerheblicher Zahl, auf denen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin keine Bedeutung haben? Gibt es darüber hinaus für die Klägerin Arbeitsplätze im berufsverwandten oder berufsfremden gehobenen Anlernbereich, die sie nach einer Anlernzeit von höchstens 3 Monaten vollwertig ausfüllen könnte?
Auskunft
Stellungnahme Floristin ist ein anerkannter Ausbildungsberuf nach dem Berufsbildungsgesetz; die Ausbildung dauert 3 Jahre.

Floristinnen fertigen floristische Werkstücke an, um sie an Kunden und Kundinnen zu verkaufen. Sie bestimmen, pflegen und versorgen Pflanzen und gestalten Blumen- und Pflanzenschmuck. Nach eigenen Ideen oder nach den Wünschen der Kunden binden sie Sträuße, fertigen Kränze, Brautschmuck sowie Tisch- und Raumschmuck. Dem Anlass entsprechend wählen sie Blumen und Pflanzen aus und verarbeiten sie zum Beispiel mit Bändern, Kerzen, Trockenblumen oder Zweigen zu Sträußen und Gestecken. Sie gestalten und bepflanzen Gefäße und legen Pflanzungen für dauerhaften Raumschmuck an. Auch die Gestaltung von Schaufenstern und Verkaufsräumen gehört zu ihren Aufgaben. In den Verkaufs- und Lagerräumen versorgen sie Pflanzen und Schnittblumen sachgerecht. Im Rahmen des Verkaufs beraten sie Kunden bei der Auswahl von Schnittblumen und Topfpflanzen und geben Hinweise zu deren Pflege. Darüber hinaus ermitteln Floristinnen den Warenbedarf, holen Angebote ein, erledigen den Einkauf, berechnen Preise und bedienen die Kasse. Im Rahmen des Blumengeschenkdienstes nehmen sie Aufträge an, leiten sie weiter und liefern bestellte Blumen aus.

Aufgaben und Tätigkeiten im Einzelnen
- Entwerfen und Fertigen von Blumen- und Pflanzenschmuck für alle Anlässe
- Vorarbeiten zum Herstellen von Blumen- und Pflanzenschmuck ausführen (Reinigen, Vor- schneiden, Zureichen, Stützen, Andrahten, Aufbinden)
- Sträuße und Kränze binden, Gestecke und Werkstücke fertigen ( z.B. Tischschmuck, Braut- schmuck, Sargschmuck, Advents- und Weihnachtsschmuck)
- Gefäße bepflanzen ( dauerhafter Raumschmuck)
- Gestalten von Innen- und Außenräumen mit Pflanzen und floristischen Werkstücken
- Dekorieren und Gestalten von Schaufenstern, Verkaufs- und Außenräumen mit Pflanzen, pflanzlichen Materialien und Dekorationsartikeln
- Warenpflege
- Pflegen und Versorgen von Schnittblumen (Abdornen, Anschneiden, Einstellen, Lagern)
- Pflegen und Versorgen von Planzen (Gießen, Düngen, Umtopfen, Bekämpfen der Schädlinge)
- Verkaufen von Schnittblumen, Topfpflanzen, floristischen Arrangements, Zubehör ( z.B. Flüssigdünger, Übertöpfe) sowie kunsthandwerklichen und dekorativen Artikeln
- Kundenberatung
- Beraten der Kunden/Kundinnen über Auswahl und Pflege der Blumen und Topfpflanzen, Gebinde, Gestecke
- Wareneinkauf, Material- und Preiskalkulation
- Ermitteln des jeweiligen Materialverbrauchs, Preiskalkulation, Warenbestellung und -an- nahme, Behandeln von Anfragen und Bestellungen

Wie oft bestimmte Tätigkeiten als Floristin von betrieblich ausgebildeten Fachkräften ausgeübt werden, kann der Anlage 1 entnommen werden.

Arbeitsbedingungen a) Körperliche Aspekte
- Leichte, gelegentlich mittelschwere Tätigkeit
- Arbeit überwiegend im Stehen im Wechsel mit Gehen, Bindearbeiten ständig stehend
- Publikumsverkehr
- Zusammenarbeit mit Lieferanten
- Arbeiten im Einzelfall in gekühlten Verkaufsräumen, zum Teil bei Kunstlicht
- Überwiegend Einzelarbeit
- Hautbelastung insbesondere der Hände durch Nassarbeiten, Chemikalien, Pflanzenschutz- mittel, Textilien, Erden, Tone, Klebstoffe usw.
- Umgang mit scharfen Werkzeugen und Geräten
- Normalschicht, auch sonnabends, häufiger Sonn- und Feiertagsarbeit (stundenweise)

b) Psychische Aspekte
- Im Wesentlichen Handarbeit (Binden von Sträußen), Herstellen floristischer Werkstücke, häu- fig mit Hilfe von Werkzeugen und Hilfsmitteln (Bindedraht)
- Meist Einzeltätigkeit, ggf. in kleinen Arbeitsgruppen
- Kundenkontakte durch zugehörige Verkaufs- und Beratungstätigkeit
- Arbeit auch am Wochenende möglich bzw. üblich
- In Saisonzeiten (Ostern, Weihnachten) und zu verschiedenen Gelegenheiten (Raumaus- stattung, Trauerschmuck) oft Zeitdruck

Ein Anforderungsprofil und ein Profil der Arbeitsbedingungen sind als Anlagen 2 und 3 beigefügt.

Aus berufskundlicher Sicht könnte nach allem die Klägerin als Floristin noch vollschichtig arbeiten. Es handelt sich hierbei überwiegend um eine leichte, gelegentlich mittelschwere Tätigkeit. Die Klägerin wäre auch nicht einem ständigen Zeitdruck ausgesetzt. Es gibt Arbeitsplätze für Floristinnen in nicht unerheblicher Zahl, auf denen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin keine Bedeutung haben. Im Jahre 1996 waren bundesweit 36.363 Floristen/innen sozialversicherungspflichtig beschäftigt (vgl. Anlage 4).

Für den Beruf Florist/in können Alternativen grundsätzlich in folgenden Bereichen gefunden werden:
- Gartenbau
- Verkauf, Vertrieb, Beratung
- Dekoration, Raumgestaltung. Die Verwandtschaft von Berufen dieser Bereiche mit dem Floristen/Floristin besteht in der Beratung von Kundinnen und Kunden, der gestalterischen Tätigkeit und den Erfahrungen im Verkauf.

Arbeitsplätze im Bereich des Gartenbaues wird die Klägerin wegen ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht vollwertig ausfüllen können. Diese Arbeiten gehen über gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten hinaus und setzen ein Heben und Tragen von Lasten sowie häufiges Bücken voraus.

Floristen/Floristinnen und Kaufleute im Einzelhandel (Bereich Verkauf, Vertrieb) bedienen und beraten Kunden. Hier wie dort präsentieren die Beschäftigten das Warenangebot, zeichnen aus, verpacken und führen Waren- und Preiskalkulationen durch. Insofern Kaufleute im Einzelhandel speziell für Pflanzen und Gartenbedarf zuständig sind (z.B. in Einzelhandelsgärtnereien oder Gartencenter), haben sie mit Floristen/Floristinnen Kenntnisse und Erfahrungen gemeinsam hinsichtlich Anwendungs- und Einsatzmöglichkeiten von Artikeln der Floristik, des Floristikbedarfs, der Pflanzen- und (Schnitt-)Blumenpflege sowie des Pflanzen- und Blumenzubehörs. Die Klägerin war nach ihrer Berufsausbildung jahrelang bei einer Blumen-Floristenbedarf-Großhandelsfirma als Blumengroßhandelshelferin (nach ihren Angaben) beschäftigt. Deshalb müsste sie in der Lage sein, sich innerhalb von 3 Monaten (wieder) einzuarbeiten.

Wie Floristen/Floristinnen gestalten Fachkräfte des Bereichs Dekoration/Raumgestaltung nach Form und Farbe. Sie führen Dekorationstätigkeiten aus und gestalten auch Fenster und Schaufenster. Praktische Anstelligkeit sowie Handgeschicklichkeit werden hier wie dort benötigt. Aufgrund der in den fachärztlichen Gutachten genannten gesundheitlichen Einschränkungen wird eine derartige berufliche Tätigkeit für die Klägerin nicht in Betracht kommen.
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