S 8 RJ 750/02

Berufskundekategorie
Gutachten
Land
Freistaat Bayern
Aktenzeichen
S 8 RJ 750/02
Auskunftgeber
Regionaldirektion Bayern, Nürnberg
Anfrage
Die bei Rentenantragstellung (21.5.02) 47-jährige Klägerin war nach Ausbildung (1969 - 1972) im erlernten Beruf als Friseuse, zuletzt bis 2001 in Teilzeit (8 Std. an 3 Wochentagen), versicherungspflichtig beschäftigt. Arbeitsunfähig war die Klägerin ab 27.6.01; Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (Arbeitslosengeld) wurden bis 27.4.04 bezogen.

Das Leistungsvermögen der Klägerin wird im orthopädischen Fachgutachten von Dr. vom 7.6.04 in Beantwortung der Beweisfragen des Gerichts wie folgt beschrieben:

1. Der Klägerin ist unter Berücksichtigung der Gesundheitsstörungen zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch zumutbar:
a) eine mindestens 6-stündige Tätigkeit für leichte Arbeiten,
b) mittelschwere Arbeiten können nur noch unter 3 Stunden verrichtet werden, schwere Arbeiten können überhaupt nicht mehr verrichtet werden. 2. a)
Die beschriebenen leichten Arbeiten können vollschichtig verrichtet werden, mittel schwere Arbeiten unter 3 Stunden, schwere Arbeiten sind überhaupt nicht möglich. Die Arbeiten sollten in wechselnder Stellung im Sitzen, im Stehen, zeitweise im Gehen verrichtet werden. b) Folgende Arbeitsbedingungen müssen vermieden werden: Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen wie Arbeiten auf Leitern. Insbesondere keine Tätigkeiten in Rumpfbeugehaltung, oder Überkopfarbeiten bei vermehrter Beanspruchung der Lendenwirbelsäule. Es sollten keine Gewichte über 7 kg gehoben werden. Äußere Bedingungen wie Einflüsse von Kälte, Hitze, Zugluft und starke Temperaturschwankungen sollten vermieden werden.

Die Klägerin wurde von der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 15.11.02 auf die Anlerntätigkeit einer Registratorin/Registraturkraft verwiesen.
Auskunft
Die Klägerin wurde von der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 15.11.02 auf die Anlerntätigkeit einer Registratorin/Registraturkraft verwiesen.

Zum Aufgabenbereich einer Büroangestellten in einer Registratur zählt das Sortieren und Ablegen von Schriftgut, das Beschriften von Ordnern und Heftern, das Ziehen und das Ablegen/Abhängen von Vorgängen, das Aussondern und vorbereitende Aufgaben zum Vernichten von Akten, das Führen von nach bestimmten Kriterien geordneten Karteien und Terminüberwachungslisten und ggf. das Anfertigen von Fotokopien. Die Karteien und Terminüberwachungslisten werden zunehmend als DV-Dateien geführt. Die Arbeitsaufträge ergeben sich aus dem Arbeitsanfall (Postläufe), den vorgegebenen Terminen sowie aus mündlichen, telefonischen und schriftlichen Anweisungen.

Die Tätigkeit einer Registraturkraft in größeren Unternehmen und im öffentlichen Dienst ist als körperlich leichte Tätigkeit zu qualifizieren, welche bereits aus arbeitsorganisatorischen Gründen im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen verrichtet wird. Schweres Heben und Tragen wird nicht gefordert. In den Registraturen sind die erforderlichen Hilfsmittel (Registraturwagen, Ablagemöglichkeiten etc.) in der Regel vorhanden. Dem steht nicht entgegen, dass in Einzelfällen Heben und Tragen von Lasten bis zu 5 kg (Stehordner, gebündelte Akten), Zwangshaltungen wie Überkopfarbeiten und je nach Registratur auch Arbeiten auf Stehleitern erforderlich sein könnten. Die körperlichen Belastungen hängen aber weitgehend von der jeweiligen Arbeitsplatzgestaltung und der Arbeitsorganisation ab; folglich sind das Handhaben schwererer Aktenvorgänge, Zwangshaltungen und das Arbeiten auf Leitern nicht generell mit der Tätigkeit einer Registraturkraft verbunden. Bei Arbeitsplätzen in Registraturen handelt es sich nicht um typische Schonarbeitsplätze, für die der Arbeitsmarkt als verschlossen anzusehen wäre; solche Arbeitsplätze sind in nennenswerten Umfang vorhanden und auch zu besetzen.

Die Dauer der Einarbeitungszeit für eine Registraturkraft beträgt üblicherweise nicht länger als 3 Monate, wobei Vorkenntnisse weitgehend ohne Bedeutung sind. An die geistigen Anforderungen einer Tätigkeit als Registraturkraft werden keine über das normal übliche Maß hinausgehende Ansprüche gestellt. Soweit der Arbeitsplatz mit einem vernetzten PC ausgestattet ist - wie z.B. in allen Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit -, können die für alle Beschäftigten und somit auch für die Registraturkräfte erforderlichen grundlegenden Kenntnisse (Starten/Schließen der Anwendungen, Einträge in Tabellen, Ausdrucke etc.) innerhalb der Einarbeitungszeit auch von Beschäftigten ohne Vorkenntnisse bzw. von bisher nicht in der Bedienung einer Tastatur geübten Beschäftigten angeeignet werden. Der Arbeitsplatz einer angelernten Registraturkraft stellt somit eine Tätigkeit dar, die die Klägerin mit Ihrem Leistungsvermögen objektiv noch vollschichtig zu verrichten in der Lage ist.

Zum Vortrag der Beklagtenvertreter im Schriftsatz an das Gericht vom 1.7.04 muss hinsichtlich der Unterscheidung der Eingruppierung von Registraturkräften im öffentlichen Dienst in die VergGr. IX bzw. VIII BAT noch Folgendes bemerkt werden.

Nach der aktuellen Vergütungsordnung als Anlage zum Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesagentur für Arbeit (MTA) sind Registraturkräfte in der VergGr. VIII MTA (mit einem Bewährungsaufstieg nach VergGr. VII MTA) eingruppiert. Die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale werden für die VergGr. VIII MTA mit schwieriger Tätigkeit (z.B. &8230; Erledigung ständig wiederkehrender Arbeiten in Anlehnung an ähnliche Vorgänge - auch ohne Anleitung) beschrieben; ausdrücklich sind hier in den Fallgruppen aber die "Registraturkräfte" und die "Aktenhalter" genannt. Die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der VergGr. IXb MTA nennen einfache Arbeiten (z.B. nach Schema zu erledigende Arbeiten, Postabfertigung, Führung von Brieftagebücher, Inhaltsverzeichnissen und einfachen Karteien; Formular- und Schreibmaterialenverwaltung, Heraussuchen von Vorgängen), in den Fallgruppen aber auch u.a. die "Offsetdrucker mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem einschlägig anerkannten Ausbildungsberuf und entsprechender Tätigkeit".

Als Anlagen werden dem Gericht 2 aktuelle Tarifauskünfte vorgelegt, aus denen die tariflichen Entgelte im Friseurhandwerk (mittlere Gruppe ¤ 1.114; oberste Gruppe ¤ 2.000) sowie die Entgelte der VergGr. VIII BAT (¤ 1.646 - 1.943) zu ersehen sind; in VergGr. IXb MTA der noch aktuellen Vergütungstabelle betragen die Entgelte ¤ 1.683 - 1.885 (Grundgehalt, Ortszuschlag für Verheiratete, allgemeine Zulage) zuzügl. der Sonderzuwendungen.

Nach den im Versicherungsverlauf gemeldeten Entgelten erzielte die Klägerin in etwa 2/3 der tariflichen Arbeitszeit (3 Tage á 8 Std. wchtl.) im Jahresdurchschnitt 1999 = 1.633 DM, Jahre 2000 = 1.700 DM und 2001 = 1.723 DM, was einem monatlichen Bruttoentgelt (Vollzeit) von durchschnittlich ¤ 1.300 (ggf. einschließlich der Sonderzuwendung) ergibt und somit auf die Zuordnung zur mittleren Gruppe der Angestellten im Friseurgewerbe hinweist.

Es mag der Beklagten und dem erkennenden Gericht vorbehalten bleiben, ob die Klägerin auch auf einen Beruf verwiesen werden kann, dessen Entgelte die bisher von der Klägerin erzielten Entgelte gesichert übersteigen und die entsprechenden Eingruppierungsmerkmale u.a. auch Beschäftigte mit abgeschlossener Berufsausbildung und entsprechender Berufserfahrung nennen.

Zu untersuchen bleibt weiterhin, welche alternativen beruflichen Tätigkeiten unter Beachtung der ärztlichen Gutachten für die Klägerin noch in Betracht kommen könnten.

Kassiererin

Bei der Kassiererin im Einzelhandel sind die Anforderungen je nach Branche und Betrieb unterschiedlich.

Die Tätigkeit an einer Sammelkasse ist allgemein durch die körperlich einseitige Belastung, entweder im Sitzen (Counter-Kasse) oder vorwiegend im Stehen mit gelegentlichem Gehen (Zentralkasse, Sammelkassen in den einzelnen Abteilungen von Kaufhäusern) gekennzeichnet. Mit Ausnahme der Counter-Kassen ist es nicht üblich, dass die Kassiererin sitzen; sie ist in der Regel auch mit Verpackungsarbeiten beschäftigt und in kleineren Abteilungen parallel zu ihrer Kassierertätigkeit in den Verkauf und die Beratung mit eingebunden ist. Bei der Tätigkeit des Kassierens (Ausnahme: Counter-Kasse) handelt es sich um eine Spezialisierung im Rahmen des Verkaufes, der Verkaufs- und Einsortiertätigkeiten nicht ausschließt. Hieraus ergibt sich auch die Notwendigkeit gelegentlich Lasten von mehr als 7 kg zu handhaben.

Nimmt man die Kassiererin im Lebensmitteleinzelhandel der einschlägigen Vertriebsketten, so handelt es sich um eine rein sitzende Tätigkeit, im Schichtbetrieb, mitunter unter Zeitdruck, die bei der Erledigung der Arbeit eine häufig bis ständig weit vor-, rück- oder seitengeneigte Rumpfwirbelsäulenhaltung erfordert. Durch das Scannen und jeden einzelnen Artikel in die Hand nehmen zu müssen, werden die Ellbogengelenke mitbewegt. Auch ist ein gelegentliches Bücken und Strecken des Rumpfes, nicht völlig auszuschließen. Durch den Umgebungslärm ist ein durchschnittliches bis gutes Hörvermögen beim Umgang mit den Kunden erforderlich. In kleineren und mittleren Filialen gehört es mit zur Aufgabe, in ruhigeren Zeiten, auch die Regale in Bodennähe oder in höheren Regalebenen mit neuen Waren aufzufüllen sowie alte Bestände (Verfallsdatum) zu entfernen. Als Kassiererin in einem Supermarkt mit ausschließlicher Kassiertätigkeit halte ich die Klägerin aus berufskundlicher Sicht zumutbar verweisbar. Eine Einarbeitungszeit von 3 Monaten dürfte bei dem bekannten beruflichen Leistungsvermögen der Klägerin ausreichend sein. Derartige Stellen stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im nennenswerten Umfang zur Verfügung.

Andere Verweisungsmöglichkeiten auf der Ebene der gehobenen Anlernberufe bzw. höher qualifizierter Tätigkeiten, die der Klägerin gesundheitlich uneingeschränkt zumutbar sind und von ihr nach einer Einarbeitungszeit von maximal 3 Monaten ausgeübt werden können sowie auch im nennenswerten Umfang existieren und Außenstehenden zugänglich sind, sind aus berufskundlicher Sicht nicht erkennbar.
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