S 2 RJ 896/01

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 2 RJ 896/01
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
in obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

1. beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers

Berufsbild: - keine Berufsausbildung
1.4.1960 bis 15.6.1999 Bauarbeiter; zuletzt als Tiefbaufacharbeiter Lohn- gruppe IV 2 der Lohntabelle für das Baugewerbe in Hessen

2. gesundheitliches Restleistungsvermögen des Klägers:

Nach dem Ergebnis der bisherigen Sachermittlungen ist der Kläger in der Lage, vollschichtig (8 Stunden täglich) ausschließlich leichte Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten von max. 5 kg zu erbringen. Diese Tätigkeiten sind überwiegend im Sitzen, nur mit gelegentlichem Stehen oder Gehen unter Vermeidung ausschließlichen Sitzens zu erbringen. Keine Tätigkeiten mit gehäuftem Bücken, Treppen-, Leiter- oder Gerüstbesteigungen, knieende Arbeiten kann der Kläger nicht verrichten. Die Arbeiten sollten nur in geschlossenen, wohltemperierten Räumen verrichtet werden. Zeitdruck sowie Akkord, Fließband- und Schichtarbeiten sind dem Kläger nicht zumutbar. Darüb er hinaus dürfen keine besonderen Anforderungen an das Auffassungsvermögen, die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit, die Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Zuverlässigkeit, das Verantwortungsbewusstsein, das Konzentrationsvermögen oder die Merkfähigkeit, das Durchsetzungsvermögen und die nervlichen Belastungen gestellt werden. Sehr häufiger Publikumsverkehr ist zu vermeiden.

II. Beweisfragen:

1. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil hat eine Tätigkeit als Tiefbaufacharbeiter?

2. Kann der Kläger die zur Frage 1 genannte Tätigkeit ausüben?

3. Soweit Frage 2 bejaht wird:
Handelt es sich bei den zur Frage 1 genannten Tätigkeiten um berufsnahe oder berufsfremde Tätigkeiten?

4. Falls keine der zur Frage 1 genannten Tätigkeiten in Betracht kommt:

a) Welche sonstigen berufsnahen Tätigkeiten kann der Kläger ausüben?

b) Welche sonstigen berufsfremden Tätigkeiten kann der Kläger ausüben?

(bitte auch bei Fragen 4.a) und b) das jeweilige fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil angeben)

5. Handelt es sich bei der/den bei Frage 1 bis 4 genannten Tätigkeit/en um

a) gelernte Arbeiten mit einer mehr als 2-jährigen Ausbildungszeit,

b) Arbeiten mit einer Anlernzeit von mehr als 3 Monaten bis zu 2 Jahren,

c) ungelernte Arbeiten mit lediglich betrieblichen Einarbeitungs- oder Einweisungszeit bis zu drei Monaten?

6. Kann der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.1 innerhalb einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben?

7. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?

8. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang zur Verfügung?

Sollten Sie aufgrund des Akteninhaltes abweichende Anknüpfungstatsachen zu I für gegeben halten, bitte ich Sie, diese Abweichung kenntlich zu machen und die Beweisfragen alternativ zu beantworten.
Auskunft
Stellungnahme:

zu 1.) Tiefbaufacharbeiter/in ist ein anerkannter Ausbildungsberuf nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) und der Handwerksordnung (HwO). Er ist dem Berufsfeld Bautechnik zugeordnet. Dieser Beruf wird in Industrie und Handwerk in den folgenden Schwerpunkten angeboten:

• Straßenbauarbeiten
• Rohrleitungsbauarbeiten
• Kanalbauarbeiten
• Brunnen- und Spezialtiefbauarbeiten
• Gleisbauarbeiten

Die Ausbildung kann Teil einer Stufenausbildung sein. Nach Abschluss der 1. Stufe Tiefbaufacharbeiter/in (2 Jahre) kann in der 2. Stufe (1 Jahr) ein Berufsabschluss als Brunnenbauer/in, Gleisbauer/in, Kanalbauer/in, Rohrleitungsbauer/in, Spezialtiefbauer/in oder Straßenbauer/in erworben werden. Die Ausbildung dauert 2 Jahre. Die Tätigkeiten der Tiefbaufacharbeiter/innen entsprechen jeweils den nach der einjährigen Grundbildung gewählten Ausbildungsschwerpunkten: In den unterschiedlichen Tiefbaubereichen - im Straßenbau, Rohrleitungsbau, Kanalbau, Brunnenbau und Spezialtiefbau oder im Gleisbau - führen sie die einschlägigen Facharbeiten aus. Tiefbaufacharbeiter/innen mit dem Schwerpunkt Straßenbauarbeiten verrichten mit Maschinen Erdbewegungen, sichern ausgehobene Gräben, legen Böschungen und Randbefestigungen an, bauen Entwässerungsleitungen und Straßendecken. Im Schwerpunkt Rohrleitungsbauarbeiten verlegen sie Rohre für Gas- und Wasserleitungen, führen Pflasterarbeiten aus, stellen Kabelschächte her und bauen einfache Betonfertigteile ein. Im Schwerpunkt Kanalbauarbeiten heben sie Gräben aus, sichern diese ab, verlegen Rohre, erstellen Abflussrinnen, pflastern Kanäle und bauen Einstiegsschächte. Im Schwerpunkt Brunnenbau- und Spezialtiefbauarbeiten nehmen sie Bohrungen vor, bauen Brunnenanlagen und -schächte, verrohren Bohrlöcher, untersuchen den Baugrund, schaffen Abdeckungen und Abdichtungen. Im Schwerpunkt Gleisbauarbeiten bewegen sie mit Maschinen Erdreich, fertigen Betonbauteile, richten den Gleisunterbau her, verlegen Gleise und sorgen für die Entwässerung an Bahnanlagen.

Körperliche Anforderungen:
Körperlich überwiegend mittelschwere, zeitweise schwere Arbeit Arbeit im Stehen und Gehen, oft auf unebenem Boden Arbeiten in Zwangshaltungen wie Bücken, Knien und Hocken Tätigkeit im Freien unter Witterungseinflüssen Einwirkung von Nässe, Kälte, Hitze, Staub, chemischen Gasen, Dämpfen Temperaturschwankungen Umgang mit Straßenbaumaschinen Lärmeinwirkung Vibrationen und Erschütterungen, besonders der Arme und der Wirbelsäule (z.B. beim Einsatz an Pressluftgeräten) Schmutzarbeit Belastungen der Haut durch Schmutz, Nässe, Öle, Fette, Bitumen, Teer und Zement Gruppen- und Teamarbeit Gewöhnlich Tagesschicht Zeitdruck auf Baustellen Akkordarbeit im Pflasterhandwerk und bei Kolonnenarbeiten möglich

Psychische Anforderungen:
Arbeit in meist feststehender Gruppe auf wechselnden Baustellen Häufig Arbeit mit Zeitvorgabe (Terminarbeiten) Akkordarbeit, insbesondere bei Pflaster- und Steinsetzarbeiten

zu 2.) Unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen halte ich den Kläger nicht mehr für in der Lage, die bisher ausgeübte Tätigkeit als Tiefbaufacharbeiter zu verrichten.

zu 3.) Entfällt.

zu 4.) a) Berufsnahe Tätigkeiten kommen für den Kläger nicht in Betracht.

b) Bei Beachtung des beruflichen Werdeganges und des gesundheitlichen Leistungsvermögens halte ich den Kläger aus berufskundlicher Sicht noch für in der Lage, folgende berufsfremde bzw. qualifizierte Verweistätigkeiten zu verrichten:

Montierer
Die wesentlichen Aufgaben umfassen den Zusammenbau / die Montage von vorgefertigten Einzelteilen oder von Baugruppen zu einer funktionsgerechten Einheit entsprechend den Montageanleitungen unter gleichzeitiger Prüfung der Maßgenauigkeit; Zupassen der Teile und Verbinden der Teile durch Verschrauben, Löten, Schweißen, Nieten u.ä.; Einbau von Zusatzgeräten in Grundeinheiten zur Erweiterung der Verwendungsmöglichkeit. Arbeitsplätze dieser Art findet man in allen Bereichen der feinmechanischen, optischen, Metall- und Elektroindustrie.

Hierbei handelt es sich um körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen, vorwiegend im Sitzen. Erforderlich bei Ausübung ist die Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates.

Warenaufmacher / Versandfertigmacher
Die wesentlichen Aufgaben umfassen das verschönernde und zweckbedingte Aufmachen von Erzeugnissen der gewerblichen Wirtschaft und die vorbereitenden Arbeiten für deren Versand. Im einzelnen wären hier zu nennen: Das Entfernen produktionsbedingter Verschmutzungen durch Blankreiben, Polieren o.ä., das Aufkleben, Einnähen oder Befestigen von Reklame-, Prüf-, Waren- oder Gütezeichen, Etiketten, Preisauszeichnungen o.ä., das Abzählen, Abwiegen, Abmessen oder Abfüllen von Waren, das Einwickeln bzw. Einlegen von Waren in Papp- oder Holzschachteln, Kisten oder sonstigen Behältnissen, verkaufsfördernden Zierhüllen oder Zierkartons, das Verschließen dieser Behältnisse, das Anbringen von Kennzeichen oder Versandhinweisen o.ä.

Es handelt sich um leichte, je nach Branche auch zeitweilig mittelschwere Tätigkeiten. Die Arbeitshaltung kann sowohl sitzend, stehend als auch im Wechsel erfolgen.

zu 5.) Die Ausbildungszeit zum Tiefbaufacharbeiter umfasst 2 Jahre.
Bei den zu Pkt. 4 genannten Tätigkeiten Montierer und Warenaufmacher/Versandfertigmacher handelt es sich um ungelernte Arbeiten mit lediglich betrieblichen Einarbeitungszeit bis zu drei Monaten

zu 6.) Die in Pkt. 5 genannten Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers - auch für diesen ausreichend sein.

zu 7.) Die in Betracht kommenden Tätigkeiten stehen auch Betriebsfremden zur Verfügung.

zu 8.) Die genannten Tätigkeiten stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung.
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