S 2 RJ 263/03

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 2 RJ 263/03
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers:

Kein Schulabschluss, muttersprachlicher Analphabet Keine abgeschlossene Berufsausbildung 1970 Übersiedlung in die Bundesrepublik ca. 3 Jahre Tätigkeit als Verladearbeiter (Be- und Entladen von Flugzeugen) 1980 bis 1 / 2002 Tätigkeit als Montagearbeiter / Maschinenbestücker seit 2.1.2002 arbeitsunfähig

Gesundheitliches Restleistungsvermögen des Klägers:
Vollschichtig leichte und gelegentlich auch mittelschwere körperliche Tätigkeiten
in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen
Ohne Überkopfarbeiten, keine Tätigkeiten, die mit dauernden Kopfzwangshaltungen verbunden sind
Ohne häufiges Tragen von Lasten auf den Schultern
Nicht überwiegend stehende Tätigkeit Ohne häufiges Tragen von Lasten über 10 kg
Ohne häufiges Arbeiten in Rumpfzwangshaltungen
Ohne häufiges Treppensteigen oder Steigen auf Leitern und Gerüste
Keine Tätigkeiten, die eine überwiegend kniende oder hockende Position erfordern Keine Tätigkeiten, die ständige oder monotone Unterarmwendbewegungen oder sonstige, gleichförmig anhaltende, schnell hintereinander ausgeführte Bewegungen erfordern
Nicht unter Einwirkung von Gasen, Dämpfen oder Nässe
In geschlossenen, wohltemperierten Räumen
Nur geistig einfache Arbeiten
Keine besonderen (überdurchschnittlichen) Anforderungen oder auch nur durchschnittlichen Anforderungen an das Auffassungsvermögen oder an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit (geistige Beweglichkeit)
Keine besonderen (überdurchschnittlichen) Anforderungen oder auch nur durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Zuverlässigkeit und das Verantwortungsbewusstsein
Keine besonderen (überdurchschnittlichen) Anforderungen oder auch nur durchschnittlichen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen oder an die Merkfähigkeit
Keine besonderen (überdurchschnittlichen) Anforderungen oder auch nur durchschnittlichen Anforderungen an das Durchsetzungsvermögen
Keine besonderen (überdurchschnittlichen) nervlichen Belastungen Keine Schicht-, Nacht-, Fließband- und Akkordarbeit
Kein besonderer (überdurchschnittlicher) Zeitdruck
Kein häufiger oder auch nur durchschnittlicher Publikumsverkehr

II. Beweisfragen:

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann der Kläger noch ausüben?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

Sind für diese Tätigkeiten Lese- und Schreibkenntnisse erforderlich?

Nach einer Stellungnahme der (früheren) Hauptstelle der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg vom 28.6.2002 im Verfahren des LSG NRW - L 3 RJ 108/98 – (veröffentlicht in Juris zu § 44 Abs. 2 SGB VI), bedeutet Analphabetismus eine eklatante Einschränkung der Vermittlungsmöglichkeiten, da die Beherrschung der Schriftsprache eine notwendige Grundqualifikation sei, um am Erwerbsleben teilnehmen zu können. – Vor dem Hintergrund dieser Stellungnahme bitte ich bei der Beantwortung der vorliegenden Beweisfragen ausdrücklich um Stellungnahme, ob die verbleibenden Verweisungstätigkeiten auch Analphabeten zur Verfügung stehen.

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten

5. vollwertig verrichten? Von wievielen Arbeitsplätzen kann jeweils ausgegangen werden ?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

7. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

zu 1) An berufsfremden Tätigkeiten ist die Tätigkeit eines Warenaufmachers/Versandfertigmachers möglich. „Berufsnahe Tätigkeiten“ in Bezug auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit eines Montage-/Maschinenarbeiters, kann der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten.

zu 2.) Warenaufmacher/Versandfertigmacher
Die wesentlichen Aufgaben umfassen das verschönernde und zweckbedingte Aufmachen von Erzeugnissen der gewerblichen Wirtschaft und die vorbereitenden Arbeiten für deren Versand. Im Einzelnen wären hier zu nennen: Das Entfernen produktionsbedingter Verschmutzungen durch Blankreiben, Polieren o.ä., das Aufkleben, Einnähen oder Befestigen von Reklame-, Prüf-, Waren- oder Gütezeichen, Etiketten, Preisauszeichnungen o.ä., das Abzählen, Abwiegen, Abmessen oder Abfüllen von Waren, das Einwickeln bzw. Einlegen von Waren in Papp- oder Holzschachteln, Kisten oder sonstigen Behältnissen, verkaufsfördernden Zierhüllen oder Zierkartons, das Verschließen dieser Behältnisse, das Anbringen von Kennzeichen oder Versandhinweisen o.ä ... Für diese Tätigkeit sind in der Regel keine Lese- und Rechtschreibkenntnisse erforderlich.

Es handelt sich dabei meist um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen Räumen oder Lagerhallen. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Ein Wechsel zwischen Sitzen und Stehen ist meist möglich.

zu 3.) Bei der Tätigkeit eines Warenaufmachers/Versandfertigmachers handelt es sich um eine ungelernte Tätigkeit für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist. Im Regelfall beträgt die betriebliche Einarbeitungs- und Einweisungszeit wenige Tage bis maximal drei Monate. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger innerhalb der vorgenannten Zeit die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben kann. Hinsichtlich der tarifvertraglichen Einstufung verweise ich auf das Tarifregister des Landes Hessen.

zu 4+5.) Aufgrund seines gesundheitlichen Restleistungsvermögens halte ich den Kläger aus berufskundlicher Sicht für in der Lage, die Tätigkeit eines Warenaufmachers/Versandfertigmachers vollwertig (auch im Hinblick auf den bestehenden Analphabetismus) verrichten zu können.

zu 6+7.) Die in Betracht kommende Tätigkeit eines Warenaufmachers/Versandfertigmachers steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang –mehr als 300 besetzte oder unbesetzte Arbeitsplätze- auch Betriebsfremden zur Verfügung.
Saved
Datum