S 7 RJ 947/03

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 7 RJ 947/03
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers:
1965 – 1968 Berufsausbildung Heizungsbauer
1968 Tätigkeit als Heizungsbauer
1968 – 1970 Bandarbeiter (VW)
1970 – 1971 Heizungsbauer
1971 – 1972 Wehrdienst
1972 – 1979 Heizungsbauer
1979 Meisterprüfung Heizungsbauhandwerk erfolgreich bestanden
1979 – 2002/03 Tätigkeit als selbstständiger Heizungsbaumeister seitdem arbeitsunfähig bzw. arbeitslos

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen des Klägers:
Anm: Die Gutachtenlage ist derzeit nicht eindeutig. Nach Auffassung des Gerichtssachverständigen Dr. K. besteht ein zeitliches Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung. Der Sachverständige Dr. S. vertritt die Auffassung, es bestünde nur ein 3 – 6 Stunden Leistungsvermögen arbeitstäglich. Ggf. bitte ich die Beweisfragen differenzierend zu beantworten.

Die Veränderungen im Bereich der Wirlbelsäule stehen einer Tätigkeit in Verbindung mit Hebe- und Trageleistungen sowie Tätigkeiten in ungünstiger Körperhaltung entgegen.

Die Angaben des Klägers, dass ihm auch längeres Sitzen Probleme bereitet, erscheint angesichts des röntgenanatomischen Schadensbildes durchaus nachvollziehbar. Tätigkeiten, die ausschließlich im Sitzen ausgeübt werden müssen, erscheinen somit ebenfalls nicht geeignet.

Zuzumuten sind leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Zwangshaltungen, häufiges Bücken, Heben und Tragen (zumutbar 10 Kilogramm) in temperierten Räumen.

Keine Tätigkeiten mit Absturzgefahr.

II. Beweisfragen:

1. a) Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann die Klägerin/der Kläger noch ausüben?

b) Kann der Kläger insbesondere noch die Tätigkeit als
- Montierer/Gerätezusammensetzer in der Metall- und Elektroindustrie
- Qualitätsprüfer in der Metallverarbeitenden Industrie
- Hausmeister (i. S. eines Hausverwalters)
- Sachbearbeiter im Sanitätsverkauf
- Anleiter in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen
- Löter in der Einzelfertigung ausüben?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

Zu 1.) u. 2.) Ich halte den Kläger aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr für in der Lage eine Tätigkeit als Montierer/Gerätezusammensetzer in der Metall- und Elektroindustrie auszuüben. Gerätezusammensetzer/innen arbeiten in ihrem Einsatzbereich meist eigenständig. Ihre Tätigkeiten üben sie im Stehen oder Sitzen aus. Sie arbeiten zum Teil in Zwangshaltung wie zum Beispiel gebückt. Zu ihrer Sicherheit tragen sie die im Metallgewerbe übliche Schutzkleidung.

Die Tätigkeit eines Qualitätsprüfers kommt aus arbeitsmarktlichen Gründen nicht mehr in Betracht. Durch innerbetriebliche Umorganisationen in der metallverarbeitenden Industrie, z. B. die Gruppenarbeit bzw. Job-Rotation, erfolgt die Qualitätskontrolle dort nicht mehr durch hauptberufliche Qualitätskontrolleure, sondern durch alle Mitarbeiter in der Gruppe während des Fertigungsprozesses. Dadurch ist die Zahl der Arbeitsplätze in der Qualitätskontrolle sehr stark zurückgegangen und ist in vielen Betrieben sogar als Einzeltätigkeit nicht mehr vorzufinden. Für die wenigen noch vorhandenen Arbeitsplätze haben Betriebsfremde kaum Aussichten, eingestellt zu werden, da diese zunehmend wegfallenden Arbeitsplätze als sogenannte „Schonarbeitsplätze“ für leistungsgeminderte langjährige Betriebsangehörige zur Verfügung gestellt werden. Eine Benennung Maßprüfer, Güteprüfer oder Qualitätskontrolleur als Einzelverweistätigkeit kommt daher nicht mehr in Betracht.

Eine Tätigkeit als Hausmeister erscheint aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausübbar. Hausmeister und Hausmeisterinnen sind überall dort tätig, wo der bestimmungs- und ordnungsgemäße, pflegliche Gebrauch von Gebäuden, Grundstücken und technischen Anlagen/Einrichtungen sichergestellt werden muss. Sie arbeiten zum Teil in geschlossenen Räumen und zum Teil im Freien, wo sie Witterungseinflüssen ausgesetzt sind.

Sachbearbeiter im Sanitätsverkauf verfügen in der Regel über eine abgeschlossene kaufmännische Berufsausbildung, die vom Kläger bestenfalls nach einer längeren Einarbeitungszeit kompensiert werden kann.

Eine Tätigkeit als Anleiter in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen erscheint für den Kläger ebenfalls nicht mehr ausübbar, da diese Tätigkeit in der Regel mit langem Stehen und Gehen verbunden ist. Außerdem ist hierfür im Regelfall eine pädagogische Zusatzausbildung erforderlich.

Das Anforderungsprofil eines Löters in der Einzelfertigung ist mit dem eines Montieres zu vergleichen (Zwangshaltungen, langes Stehen oder Sitzen) und daher vom Kläger ebenfalls nicht mehr ausübbar. Ich halte den Kläger noch für in der Lage, die folgenden berufsfremden Verweistätigkeiten auszuüben:

Telefonist
Diese Tätigkeit umfasst die Bedienung von Telefon-/Fernsprechzentralen. Dazu gehört die Erteilung von Auskünften, die Registrierung von Gesprächen, die Entgegennahme und Weitergabe von Telegrammen, Telefaxen u. ä., die Entgegennahme und Niederschrift von Nachrichten für Teilnehmer, die vorübergehend abwesend sind. Je nach Art des Betriebes/ der Behörde können diese Tätigkeiten auch mit der Verrichtung von einfachen Büroarbeiten und /oder dem Empfangen und Anmelden von Besuchern gekoppelt sein.

Mitarbeiter/Mitarbeiterin in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde
Die Tätigkeit, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist, kann wechselweise im Sitzen, Stehen und Umhergehen verrichtet werden. Sie umfasst das Öffnen der täglichen Eingangspost, die Entnahme des Inhaltes von Postsendungen, das Anbringen eines Posteingangsstempels; das Verteilen der Eingangspost innerhalb der Poststelle in die Fächer der jeweils zuständigen Abteilungen bzw. Sachbearbeiter (üblicherweise mehrmals täglich unter Zuhilfenahme eines Postverteilerwagens) und Mitnahme der zur Weiterleitung an andere Fachabteilungen/Sachgebiete oder zum Versand bestimmten Vorgänge; das Kuvertieren, Wiegen und Frankieren der Ausgangspost, das Packen von Päckchen und Paketen, das Eintragen von Wert- und Einschreibesendungen in Auslieferungsbücher.

Pförtner/Tagespförtner
Diese Tätigkeit umfasst das Überwachen des Personenverkehrs in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen von Betrieben, Behörden oder Krankenhäusern, das Überprüfen von Ausweisen, das Anmelden von Besuchern, das Ausfüllen von Besucherzetteln und das Weiterleiten von Besuchern an die zu besuchenden Stellen oder Personen innerhalb des Betriebes, der Behörde oder des Krankenhauses.

Zu 3.) Bei den vorgenannten Verweistätigkeiten handelt es sich um ungelernte Arbeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden können. Gleichwohl werden diese Tätigkeiten zu einem überwiegenden Teil von Arbeitnehmern mit einer abgeschlossenen Ausbildung ausgeübt. Die erbetene Auskunft über die tarifliche Einstufung kann ich nicht erteilen, da die Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit keine Tarifsammlung führen. Entsprechende Anfragen bitte ich an die Tarifvertragsparteien oder an die Tarifregisterstelle im Hessischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Sozialordnung zu richten.

Zu 4.) Für die genannten Tätigkeiten sind im allgemeinen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer erforderlich. Diese Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers - auch für diesen ausreichend sein.

Zu 5.) Die genannten Tätigkeiten stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung.

Zu 6.) Die genannten Tätigkeiten stehen auch betriebsfremden Arbeitnehmer zur Verfügung.
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