S 3/1 RJ 1085/04

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 3/1 RJ 1085/04
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers:
- 01.10.1967 - 30.09.1970 Ausbildung Zimmerer - 01.10.1970 - 28.08.1974 Geselle Zimmerer
- 29.04.1975 Meisterprüfung
- 01.07.1975 - 31.12.1977 Tätigkeit als Zimmerer - Meister
- 01.01.1978 - 17.01.2004 selbstständig als Inhaber eines Zimmerei- und Dachdeckerbetriebs

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen des Klägers:

Zu 2: a) Die erhobenen Befunde mit einer mittelgradigen degenerativen Wirbelsäulenveränderung bei massivem Übergewicht lassen mittelschwere Arbeiten ausführbar erscheinen, schwere körperliche Arbeiten (Steinbruchstätigkeit, Möbelpacker, Gewichtheber etc.) sind im Sinne einer Dauerbelastung nicht zu empfehlen.

b) Eine arbeitstägliche Belastung unter mittelschwerer körperlicher Beanspruchung ist mindestens 6 Stunden zumutbar.

c) aa: Da nach meiner Untersuchung keine wesentliche Minderung des Leistungsvermögens vorliegt, ist auch eine Besserung nicht zu erwarten. Noch besser könnte es dem Probanten gehen, wenn er sein Übergewicht abbauen könnte.

bb: 1.) Durch Gewichtsreduktion (etwa 20 kg)

Zu 3: Die Arbeiten können im Sitzen, im Gehen, im Stehen und in wechselnder Körperhaltung ohne zwangsweises Vornüberbeugen und ohne unphysiologisches Heben und Tragen maximaler Belastungen von mehr als 20 kg durchgeführt werden. Die Hände sind voll gebrauchsfähig, bezüglich der Absturzgefahr kann von meinem Fachgebiet keine Stellung bezogen werden. Schicht und Akkordarbeit sind unter den genannten Vorraussetzungen möglich, das Arbeiten in warmen Räumen ohne Kälte, Nässe oder Zugluft ist empfehlenswert. Reizstoffe sollten vermieden werden, was aber auf alle beruflichen Tätigkeiten zutrifft. Der Geisteszustand des Probanden unterliegt nicht meiner Einschätzung, hier wäre ein psychiatrisches Zusatzgutachten anzufordern, wobei die Tatsache der geistigen Vigilanz nach meinem Kenntnisstand nicht in Frage gestellt ist. Nervlichen Belastungen scheint der Proband gewachsen zu sein.

Zu 4: a) In jedem Falle können öffentliche Verkehrsmittel genutzt werden.

b) Auch einen ununterbrochenen Fußweg von mehr als 500 m viermal am Tag ist zumutbar.

Zu 5: Betriebsunübliche Pausen sind nicht erforderlich.

II. Beweisfragen:

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann der Kläger noch ausüben?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu drei Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

II. Beweisfragen:

zu 1. und 2. Bei Beachtung des beruflichen Werdeganges und des gesundheitlichen Leistungsvermögens kommen für den Kläger aus berufskundlicher Sicht folgende Tätigkeiten in Betracht:

Fachberater/in in den Bereichen
Bedachung/Baustoffe Fachberater/innen arbeiten u. a. im Bedachungs- bzw. Baustoffhandel im Bereich Groß- oder Fachhandel. Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Baustoffindustrie, wie z.B. Hersteller von Baustoffen. Im Bedachungsgroß- oder Bedachungsfachhandel beraten sie (Profi)- und Privatkunden über mögliche Dacharten, Fassaden, Dämmstoffe, Abdichtungstechniken etc. über Beschaffenheit bzw. Eigenschaften von Materialien und Baustoffen. Sie kalkulieren die Kosten, unterbreiten Angebote und Kostenvoranschläge, stellen Rechnungen aus, erstellen Lieferscheine und überwachen die frist- und ordnungsgemäße Lieferung. Die Kundenberatungen erfolgen in Verkaufs- und Ausstellungsräumen bzw. im Büro am Schreibtisch anhand von Mustern, Katalogen, Listen etc. oder über den PC. Entsprechend der Ausrichtung und Organisation der Firmen sind sie auch im Außendienst tätig (z. B. in der Baustoffindustrie) und führen vor Ort mit Fachhändlern, Kunden, Architekten und Bauträgern Beratungs- und Verkaufsgespräche. Gelegentlich kann es dabei - je nach betrieblicher Organisation - erforderlich sein, auf Leitern/Gerüste/Dächer zu steigen.

Bei der Tätigkeit im Innendienst handelt sich im Allgemeinen um körperlich leichte Arbeit in temperierten Räumen, überwiegend im Sitzen. Ein Wechsel der Körperhaltung ist möglich. Auch bei der Tätigkeit im Außendienst handelt es sich im Allgemeinen um körperlich leichte Arbeit. Teilweise sind dabei auch längere Fahrten mit dem PKW zu Kunden erforderlich, was entsprechende Anforderungen an die Belastbarkeit stellt.

Für den Kläger kommt eine Fachberatertätigkeit im Innendienst in Frage.

Tätigkeit in größeren Dachdecker-/Zimmererbetrieben
In größeren Dachdecker-/Zimmererbetrieben gibt es für Dachdecker-/Zimmerermeister auch Positionen in den Bereichen Planung, Kalkulation und Abrechnung, Ausbildung und Geschäftsleitung. Sie beraten Kunden, ermitteln Kundenwünsche, führen Auftragsverhandlungen, legen Auftragsziele fest, kalkulieren Leistungen und erstellen Angebote, Rechnungen und Nachkalkulationen. Organisation, Planung und Überwachung der Auftragsbearbeitung und -abwicklung gehören ebenfalls dazu. Kaufmännische und Verwaltungstätigkeiten führen sie zunehmend auch EDV-gestützt durch.

Es handelt es sich im Allgemeinen um körperlich leichte Arbeit in temperierten Räumen. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Ein Wechsel der Körperhaltung ist möglich.

Auch hier kann es z. T. erforderlich sein, vor Ort auf Leitern/Gerüste/Dächer zu steigen. Ob durch eine entsprechende Organisation der Betriebe realisierbar ist, dass kein Außendienst (mit Besteigen von Leitern /Dächern) notwendig ist, erscheint fraglich. Deswegen kommt diese Tätigkeit m. E. eher nicht in Betracht.

Büro-/Verwaltungshilfskraft
Diese Tätigkeiten umfassen einfache, routinemäßige Bürohilfsarbeiten, die ohne besondere Ausbildung und ohne längere Einarbeitungszeit nach vorgegebenem Schema oder nach jeweiligen Anordnungen verrichtet werden können (z.B. Abheften, Sortieren, Aufschreiben, Notieren, Vergleichen, Kopieren von Unterlagen). Auch die Verteilung der Post und firmeninterner Umläufe oder Telefondienste können unter ihr Aufgabengebiet fallen. Bürohilfskräfte können in allen Branchen tätig sein.

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, zum Teil in Großraumbüros. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet; ein Haltungswechsel ist möglich. Üblich ist der Umgang mit Bürokommunikationsmitteln und Datenverarbeitung, auch Arbeit am Bildschirm.

Mitarbeiter/Mitarbeiterin in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde üben Tätigkeiten aus, die wechselweise im Sitzen, Stehen und Umhergehen verrichtet werden. Sie umfassen das Öffnen der täglichen Eingangspost, die Entnahme des Inhaltes von Postsendungen, das Anbringen eines Posteingangsstempels; das Verteilen der Eingangspost innerhalb der Poststelle in die Fächer der jeweils zuständigen Abteilungen bzw. Sachbearbeiter (üblicherweise mehrmals täglich unter Zuhilfenahme eines Postverteilerwagens) und Mitnahme der zur Weiterleitung an andere Fachabteilungen/Sachgebiete oder zum Versand bestimmten Vorgänge; das Kuvertieren, Wiegen und Frankieren der Ausgangspost, das Packen von Päckchen und Paketen, das Eintragen von Wert- und Einschreibesendungen in Auslieferungsbücher.

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, zum Teil in Großraumbüros. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Ein Wechsel der Körperhaltung ist möglich. Üblich ist der Umgang mit Bürokommunikationsmitteln und zunehmend Arbeit am Bildschirm. Gelegentlich findet die Arbeit unter Zeitdruck statt.

Diese Tätigkeit kommt für den Kläger in Betracht, wenn der Einsatz nicht in allen Bereichen stattfindet (z.B. nicht Arbeiten im Zusammenhang mit dem Verladen der Post). Dies dürfte vor allem in Betrieben und Behörden mit einer größeren Poststelle der Fall sein.

zu 3. Fachberater/in in den Bereichen Bedachung/Baustoffe: üblicherweise wird für Tätigkeiten im Fach- bzw. Großhandel eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung vorausgesetzt. Großhandels- und Bürokaufleute sind Berufe mit dreijähriger Ausbildung. Auch Dachdecker-/Zimmerermeister haben wegen ihrer Fachkenntnisse Zugang zu der Tätigkeit.

Bei den Verweistätigkeiten der Büro-/Verwaltungshilfskraft und des Mitarbeiters in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde handelt es sich um ungelernte Arbeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden können. Gleichwohl werden diese Tätigkeiten zu einem überwiegenden Teil von Arbeitnehmern mit einer abgeschlossenen Ausbildung ausgeübt.

Die erbetene Auskunft über die tarifliche Einstufung kann ich nicht erteilen, da die Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit keine Tarifsammlung führen. Entsprechende Anfragen bitte ich, an die Tarifvertragsparteien oder an die Tarifregisterstelle im Hessischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Sozialordnung zu richten.

zu 4. Nach dem mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögen des Klägers dürften Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von bis zu drei Monaten für die zu 1 und 2 genannten Tätigkeiten für ihn ausreichend sein.

zu 5. Die genannten Tätigkeiten des Fachberaters in den Bereichen Bedachung/Baustoffe, der Büro-/Verwaltungshilfskraft und des Mitarbeiters in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung.

zu 6. Die genannten Verweistätigkeiten stehen auch Betriebsfremden zur Verfügung.
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