S 8 R 444/05

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 8 R 444/05
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers: Der Kläger hat nach seinen eigenen Angaben von 1965 – 1967 eine Maurerlehre absolviert. Nach einer Eingliederungsphase hat er von 1994 bis Oktober 2000 als Maurer gearbeitet. Seitdem ist er arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen des Klägers:
Der Kläger ist aufgrund der Einschätzung des Gutachtens unter Berücksichtung der bekannten Diagnosen noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden täglich an 5 Tagen in der Woche zu arbeiten. Auszuschließen sind ausschließlich oder überwiegend gehende oder stehende Körperhaltungen, das Heben und Tragen schwerer Lasten über 10 kg, die Einnahme von Körperzwangshaltungen wie Hocken, Knien oder vornübergeneigte Tätigkeiten, die Einwirkung von Ganzkörperschwingungen auf die Wirbelsäule, Überkopfarbeiten, Hitzearbeiten und Tätigkeiten mit erhöhter Absturzgefahr.

Nach Auffassung des Gutachtens ist für das Zurücklegen einer Wegstrecke von 500 m bereits die Benutzung eines Gehstocks erforderlich.

II. Beweisfragen:

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann der Kläger noch ausüben? Kann er insbesondere noch die Tätigkeiten eines Telefonisten, Pförtners oder Versandfertigmachers ausüben?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen? Inwiefern ist mit den genannten Tätigkeiten das Zurücklegen von Wegstrecken verbunden? Von welcher Länge?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu drei Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

zu 1) Aufgrund seines gesundheitlichen Restleistungsvermögens ist der Kläger aus berufskundlicher Sicht in der Lage, die Tätigkeiten eines Pförtners, eines Versandfertigmachers und eines Telefonisten vollwertig verrichten zu können. Bei den vorgenannten Tätigkeiten handelt es sich um berufsfremde Tätigkeiten.

zu 2) Pförtner
Diese Tätigkeit umfasst das Überwachen des Personenverkehrs in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen von Betrieben, Behörden oder Krankenhäusern, das Überprüfen von Ausweisen, das Anmelden von Besuchern, das Ausfüllen von Besucherzetteln und das Weiterleiten von Besuchern an die zu besuchenden Stellen oder Personen innerhalb des Betriebes, der Behörde oder des Krankenhauses.

Die Arbeit ist grundsätzlich körperlich leicht, in der Regel wird in temperierten Räumen gearbeitet, es überwiegt sitzende Körperhaltung (ein Bewegungswechsel ist möglich). Erforderlich sind ein gutes Hörvermögen, eine ausreichende sprachliche Darstellungsfähigkeit sowie ein gutes Personengedächtnis.

Versandfertigmacher
Die wesentlichen Aufgaben bestehen in vorbereitenden Arbeiten für den Versand von Erzeugnissen der gewerblichen Wirtschaft. Im Einzelnen wären hier zu nennen: Das Anbringen von Etiketten, Preisauszeichnungen oder Gütezeichen, das Abzählen, Abwiegen, Abmessen oder Abfüllen von Waren, das Einwickeln bzw. Einlegen von Waren in Papp- oder Holzschachteln, Kisten oder sonstigen Behältnissen, verkaufsfördernden Zierhüllen oder Zierkartons, das Verschließen dieser Behältnisse, das Anbringen von Kennzeichen oder Versandhinweisen o. ä ...

Es handelt sich dabei meist um körperlich leichte Arbeit in geschlossenen Räumen oder Lagerhallen. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Ein Wechsel zwischen Sitzen und Stehen ist meist möglich.

Versandfertigmacher verrichten u. a. folgende einfache Arbeiten:
- verpacken von Haushaltswaren und Lebensmitteln (z.B. Wurstwaren)
- elektrische Kleingeräte (Rasierapparate, MP3-Player, Bohrmaschinen usw.) mit Zubehörteilen versandfertig verpacken
- von verschied. Produkten (Kleidung, Kleinartikel, Haushaltswaren usw.) produktionsbedingte Verschmutzungen entfernen und diese in Pappschachteln/-kartons einlegen

Telefonist
Diese Tätigkeit umfasst die Bedienung von Telefon-/Fernsprechzentralen. Dazu gehört die Erteilung von Auskünften, die Registrierung von Gesprächen, die Entgegennahme und Weitergabe von Telegrammen, Telefaxen u. ä., die Entgegennahme und Niederschrift von Nachrichten für Teilnehmer, die vorübergehend abwesend sind. Je nach Art des Betriebes/ der Behörde können diese Tätigkeiten auch mit der Verrichtung von einfachen Büroarbeiten und/oder dem Empfangen und Anmelden von Besuchern gekoppelt sein. Die Anforderungen an Telefonistinnen sind aufgrund der Tatsache, dass diese in allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung tätig sind recht unterschiedlich. Während sich in großen Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungen die Tätigkeiten in der Regel auf das Bedienen einer z.T. recht umfangreichen Telefonanlage beschränken, findet man in kleineren und mittleren Betrieben und Organisationen häufig eine Funktionskoppelung mit einfachen Bürotätigkeiten, Schreibtätigkeiten sowie Empfangs- und Pförtnertätigkeiten. Während bei Telefonisten in Großunternehmen ein bedarfsmässiger Wechsel der Körperhaltung zumindest bezweifelt werden darf, kann man bei dieser Tätigkeit in kleineren Betrieben davon ausgehen, dass eine wechselweise Körperhaltung zum einen aufgrund des breiteren Betätigungsfeldes, zum anderen aber auch im Bedarfsfalle jederzeit möglich ist.

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, z.T. in Großraumbüros. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Üblich ist der Umgang mit Bürokommunikationsmitteln und Datenverarbeitung, zunehmend Arbeit am Bildschirm. Gelegentlich findet die Arbeit unter Zeitdruck statt.

Zurücklegen von Wegstrecken
Bei der Tätigkeit eines Telefonisten und eines Versandfertigmachers sind in der Regel während der Arbeit keine Wegstrecken zurückzulegen. Die Arbeit findet in einem eng umgrenzten Bereich (Telefonzentrale bzw. fest eingerichteter Arbeitsplatz) statt. Bei einem Teil der beschäftigten Versandfertigmacher kann es je nach Aufgabengebiet gelegentlich vorkommen, dass z.B. zu verpackende Waren an den eigentlichen Arbeitsplatz geholt werden müssen. Hierbei wird es sich in der Regel jedoch um sehr kurze Wege (unter 50 m) innerhalb eines Raumes/Gebäudes handeln. Die Tätigkeit eines Pförtners kann gelegentlich mit Kontrollgängen verbunden sein. Jedoch gehören bei der Mehrzahl der zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze als Pförtner Kontrollgänge nicht zum Aufgabengebiet.

Im Bundesgebiet stehen die Tätigkeiten eines Pförtners, eines Versandfertigmachers und eines Telefonisten auch ohne die vorgenannten Einschränkungen in nennenswertem Umfang zur Verfügung.

zu 3) Bei den vorgenannten Tätigkeiten handelt es sich um ungelernte Tätigkeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist. Im Regelfall betragen die betrieblichen Einarbeitungs- und Einweisungszeiten maximal drei Monate. Hinsichtlich der tarifvertraglichen Einstufung verweise ich auf das Tarifregister des Landes Hessen.

zu 4.) Aufgrund seines gesundheitlichen Restleistungsvermögens halte ich den Kläger aus berufskundlicher Sicht für in der Lage, die Tätigkeiten eines Telefonisten und eines Pförtners nach einer betrieblichen Einarbeitungs-/Einweisungszeit von maximal drei Monaten unter arbeitsmarkt- und betriebsüblichen Bedingungen vollwertig verrichten kann.

zu 5+6) Die in Betracht kommenden Tätigkeiten eines Pförtners, eines Versandfertigmachers und eines Telefonisten stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang -mehr als 300 besetzte oder unbesetzte Arbeitsplätze- auch Betriebsfremden zur Verfügung.
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