S 9 R 51/06

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 9 R 51/06
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen der Klägerin:
Die Klägerin hat in der Zeit von 1967 bis 1971 Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau absolviert. Bis 1978 arbeitete die Klägerin im erlernten Beruf. Zuletzt war die Klägerin von 1998 bis März 2002 als Arbeiterin in einem Industriebetrieb beschäftigt.

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen der Klägerin:
Die Klägerin leidet zum einen unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet. Im Bereich der Halswirbelsäule besteht ein Zustand nach Bandscheibenoperation und Segmentversteifung mit einem sehr guten Behandlungsergebnis und einer ausreichend guten Beweglichkeit. Ferner hat der auf orthopädischem Fachgebiet gehörte Sachverständige bei der Klägerin eine Hohlrückenbildung der Brust- und Lendenwirbelsäule ohne statisch relevante Seitausweichung und einen Zustand nach Bandscheibenoperation der Lendenwirbelsäule ohne aktuelle vorhandene Bandscheibensymptomatik sowie mit ausreichend guter Beweglichkeit festgestellt. Im Bereich des rechten Kniegelenkes besteht eine geringe Arthrose bei freier Beweglichkeit. Darüber hinaus wurde bei der Klägerin im Bereich des rechten Sprunggelenkes ein gutartiger Tumor operiert. Die diesbezüglichen Folgen sind zwischenzeitlich ausgeheilt. Aufgrund der orthopädischen Erkrankungen ist die Klägerin nur noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten über sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten. Dabei muss es sich jedoch um Tätigkeiten in überwiegend sitzender Haltung handeln. Das kurzfristige Stehen und Umhergehen ist der Klägerin jedoch möglich. Längere Zwangshaltungen für die Hals- und Lendenwirbelsäule sind zu vermeiden. Darüber hinaus sollte die Klägerin keine Überkopfarbeiten verrichtet. Auch Tätigkeiten, die längere Rückneigungen des Kopfes und des Halses erfordern, sind zu vermeiden. Das häufige und tiefe Bücken sowie das Heben und Tragen schwerer Lasten ist der Klägerin nicht mehr zumutbar. Der Sachverständige hat eine Hebe -und Tragebelastung in der Einzellast von 4 bis 6 kg und in der Dauerlast von 2 bis 3 kg für zumutbar erachtet. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Tätigkeiten mit Unfallgefährdung sind auszuschließen. Schicht- und Akkordarbeiten sind nicht abzufordern. Darüber hinaus stellte der auf neurologischem Fachgebiet gehörte Sachverständige Prof. Dr. RR. bei der Klägerin eine schubförmig verlaufende MS-Erkrankung mit Spätmanifestation, ein Restless-legs-Syndrom im rechten Bein und eine sensible Nervenwurzelreizsymptomatik am linken Bein nach Bandscheibenoperation fest. Auf psychiatrischem Fachgebiet besteht eine geringgradige Anpassungsstörung. Aus neurologischer Sicht ist die Klägerin in der Lage, körperlich leichte Arbeiten über 6 Stunden täglich zu verrichten. Die vom neurologischen Sachverständigen für erforderlich gehaltenen qualitativen Leistungseinschränkungen decken sich im Wesentlichen mit denen, die bereits von orthopädischer Seite für notwendig erachtet wurden. Darüber hinaus sind keine besonderen Anforderungen an die Anpassung- und Umstellungsfähigkeit, dass Konzentrationsvermögen und Arbeiten unter Zeitdruck zustellen. Auf augenärztlichem Fachgebiet konnte der hierzu gehörte Sachverständige Prof. Dr. TE. eine Glaukomerkrankung beidseits sowie eine Opticusatrophie (Untergang von Sehnervenfasern mit Abblassung des Sehnervenkopfes) links aufgrund einer abgelaufenen Sehnervenentzündung feststellen. Des Weiteren leidet die Klägerin unter trockenen Augen, einer Kurzsichtigkeit, einer Hornhautverkrümmung und einer Alterssichtigkeit mit beginnendem grauem Star. Das Gesichtsfeld des linken Auges ist leicht eingeschränkt, das Farberkennungsvermögen ist linksseitig vermindert. Gleiches gilt für das Dämmerungssehen und das räumliche Sehen an beiden Augen. Der Klägerin sind daher Arbeiten an staubigen Arbeitsplätzen nicht mehr zumutbar. Arbeiten, die ein hohes Maß an räumlichem Sehen erfordern, können von der Klägerin nicht ausgeübt werden. Darüber hinaus ist bei länger andauernden ununterbrochenen Arbeiten an einem Bildschirmarbeitsplatz mit Beschwerden zu rechnen

II. Beweisfragen:

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann d. Kl. noch ausüben?

2. Kann die Klägerin insbesondere noch die Tätigkeiten einer Bürohilfskraft, einer Poststellenmitarbeiterin oder einer Versandfertigmacherin verrichten?

3. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

4. Kann d Kl. unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

zu 1.): Unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen halte ich die Klägerin nicht mehr für in der Lage, die bisher ausgeübte Tätigkeit zu verrichten.

Berufsnahe Verweistätigkeiten können keine benannt werden.

zu 2.): Bei Beachtung des beruflichen Werdeganges und des gesundheitlichen Leistungsvermögens halte ich die Klägerin aus berufskundlicher Sicht durchaus noch für in der Lage, folgende berufsfremde bzw. qualifizierte Verweistätigkeiten zu verrichten:

- Warenaufmacher / Versandfertigmacher

Folgende Tätigkeiten kommen für die Klägerin nicht in Betracht:

- Poststellenmitarbeiterin (fehlende fachliche Qualifikation, mangelnde Anpassung- und Umstellungsfähigkeit, Bildschirmarbeit, nur Arbeiten in überwiegend sitzender Tätigkeit möglich)
- Büro- / Verwaltungshilfskraft (fehlende fachliche Qualifikation, Ausschluss von länger andauernder ununterbrochener Arbeiten an Bildschirmarbeitsplätzen)

zu 3.): Fachliches und gesundheitliches Anforderungsprofil der Verweistätigkeiten: Warenaufmacher / Versandfertigmacher
Die wesentlichen Aufgaben umfassen das verschönernde und zweckbedingte Aufmachen von Erzeugnissen der gewerblichen Wirtschaft und die vorbereitenden Arbeiten für deren Versand. Im einzelnen wären hier zu nennen: Das Entfernen produktionsbedingter Verschmutzungen durch Blankreiben, Polieren o.ä., das Aufkleben, Einnähen oder Befestigen von Reklame-, Prüf-, Waren- oder Gütezeichen, Etiketten, Preisauszeichnungen o.ä., das Abzählen, Abwiegen, Abmessen oder Abfüllen von Waren, das Einwickeln bzw. Einlegen von Waren in Papp- oder Holzschachteln, Kisten oder sonstigen Behältnissen, verkaufsfördernden Zierhüllen oder Zierkartons, das Verschließen dieser Behältnisse, das Anbringen von Kennzeichen oder Versandhinweisen o.ä.

Hierbei handelt es sich je nach Branche um eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit, die in wechselnder Körperhaltung (im Sitzen, Stehen und Umhergehen) verrichtet werden kann.

zu 4.): Für die genannten Verweistätigkeiten sind im allgemeinen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer erforderlich. Diese Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens der Klägerin - auch für sie ausreichend sein.

zu 5.): Die genannten Verweistätigkeiten stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung.

zu 6.): Die genannte Verweistätigkeit steht auch Betriebsfremden zur Verfügung.
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Datum