S 7 R 459/07

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 7 R 459/07
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

1) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers:
- 04/1965 bis 03/1968: Erfolgreiche Berufsausbildung zum Zentralheizungs- und Lüftungsbauer
- 04/1968 bis 03/2004: Angestellte Tätigkeit im erlernten Beruf
- ab 04/2004: Selbständige Tätigkeit im Rahmen eines Hausmeister-Services (Heizungswartung, Sanitärtätigkeiten, Gartentätigkeiten, Nutzung eines Klein-Lkw)

2) Gesundheitliches Restleistungsvermögen des Klägers:
a) Aus internistisch/kardiologischer Sicht:
aa) Diagnosen:
- arterielle Hypertonie (Schweregrad I unter Medikation)
- Sick-Sinus-Syndrom mit intermittierendem Vorhofflimmern und Marcumartherapie, Zustand nach Implantation eines Zweikammer-Schrittmachers
- Obstruktive Schlafapnoe mit nächtlicher nCPAP-Therapie
- Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ IIb (diätetisch geführt)

bb) Leistungsvermögen:
Aus internistischer Sicht kann der Kläger zumindest 6 Stunden arbeitstäglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Schwere Arbeiten sollten nicht durchgeführt werden. Für den Kläger sind folgende Einschränkungen zu beachten:

a) Vermeidung schwerer Lasten/körperlicher Tätigkeiten
b) Vermeidung außergewöhnlicher Stress-Situationen
c) Keine Exposition gegenüber Reizstoffen
d) Keine Akkordarbeit
e) Keine Tätigkeit im Nachtdienst/keine Nachtschicht
f) Keine Exposition gegenüber starken magnetischen Feldern

Der Kläger unterliegt hinsichtlich seiner internistischen Diagnosen keinen besonderen Einschränkungen bezüglich seiner Körperhaltung. Insbesondere ist die Lage des Herzschrittmacheraggregates für die Beweglichkeit des rechten Armes unerheblich. Es haben sich während der gutachterlichen Untersuchung diesbezüglich keine Auffälligkeiten ergeben.
Hebe- und Bückarbeiten sind hierdurch ebenfalls nicht tangiert. Schweres Heben sollte wegen des arteriellen Hypertonus vermieden werden, um Blutdruckentgleisungen vorzubeugen. Eine maximale Hebebelastung wird hierbei vom medizinischen Sachverständigen nicht angegeben, wobei der Kläger selbst angegeben habe, derzeit Lasten bis zu 25 kg Gewicht anheben zu können.

b) Aus orthopädischer Sicht:
aa) Diagnosen:
Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der HWS wegen multisegmentaler Degeneration der Bandscheiben (Protrusionen);
Osteochondrosen und Spondylarthrosen, Einengung der Neuroforamen der mittleren HWS;
Cervicobrachialgie rechts (vom Hals über die Schulter in den Arm ausstrahlende rechtsseitige Schmerzen), einerseits durch die Halswirbelsäule, andererseits durch die Schulterproblematik bedingt (s. 3. Diagnose);
Schultersteife rechts bei Kalkschulter und operativer Kalkdepotentfernung in 2005, Arthrose des Schultereckgelenkes rechts;
Lumboischialgien (Rückenschmerzen mit Beinausstrahlung bei degenerativ veränderter Lendenwirbelsäule mit schmerzhaften Bewegungseinschränkungen bei multisegmentalen Bandscheibenschäden (Diskopathien L3 - S1);
Osteochondrose und Spondylarthrose der LWS sowie Arthrose des Kreuzdarmbeingelenkes bds. Schwindel bei Kopfgelenksdysfunktion;
Arthrose des inneren Gelenkspaltes und hinter der Kniescheibe (Varus- und Retropatellararthrose) rechts.

bb) Leistungsvermögen:
Der Kläger ist unter Berücksichtigung der getroffenen Feststellungen noch in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.

Der Kläger kann hierbei in qualitativer Hinsicht nach Einschätzung des orthopädischen Sachverständigen Tätigkeiten ständig im Sitzen, zeitweise im Gehen bzw. Stehen durchführen. Das Arbeiten in Zwangshaltungen ist zu vermeiden: Darunter fallen Überkopfarbeiten, Arbeiten mit Rotation und Neigung der HWS, vorn übergebeugte Körperhaltungen oder Haltungen mit Rückneigung in der Lendenwirbelsäule. Hebe- und Bückarbeiten sind ebenfalls zu vermeiden, eine maximale Hebebelastung von ca. 5 kg als Dauerleistung oder gelegentlich 10 kg als Einzelleistung sind noch zuzumuten. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände ist ebenfalls dadurch eingeschränkt, dass eine objektivierbare Minderbelastbarkeit und Minderbeweglichkeit des rechten Armes vorliegt sowie eine subjektive Taubheit der rechten Hand mit insgesamt reduzierter Einsatzfähigkeit des rechten Armes.

Besondere Anforderungen an das Hör- und Sehvermögen sind ebenfalls einzuschränken, da rechtsseitig eine Taubheit sowie die Notwendigkeit einer Lesebrille besteht (demzufolge z. B. keine permanente Bildschirmtätigkeit mit angestrengtem Sehen). Das Arbeiten auf Leitern, Gerüsten oder unter sonstiger Absturzgefahr ist durch die Funktionseinschränkungen, die im Befund beschrieben sind, ebenfalls zu vermeiden. Insbesondere ist dabei auf den erfolgten Absturz von einer Leiter in der Vergangenheit zu verweisen.
Aus rein orthopädischer Sicht sind Schicht- oder Akkordarbeiten nicht mehr denkbar.

c) Anmerkung:
Der gerichtliche orthopädische Sachverständige Dr. RM. selbst hält den Kläger in den Verweisungstätigkeiten eines Poststellen-Mitarbeiters, Pförtners, Angebots-Sachbearbeiters im Sanitärhandel oder als Büro- und Verwaltungshilfskraft nicht für einsatzfähig.

II. Beweisfragen:

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann der Kläger noch ausüben?
Kann der Kläger insbesondere noch die Tätigkeit im Rahmen des Hausmeister-Services, als Poststellen-Mitarbeiter, Pförtner, Büro- und Verwaltungshilfskraft oder Angebots-Sachbearbeiter im Sanitärfachhandel ausüben?

Bitte nehmen Sie hierbei Stellung zur Einschätzung von Dr. RM. im Sachverständigengutachten vom 17.10.2008.

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

zu 1.) und 2.): Unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen halte ich den Kläger nicht mehr für in der Lage, die bisher ausgeübte Tätigkeit als Zentralheizungs- und Lüftungsbauer sowie eine Hausmeistertätigkeit zu verrichten.

Es handelt sich bei diesen Tätigkeiten um mittelschwere bis schwere Arbeiten, die überwiegend im Stehen und Gehen verrichtet werden. Darüber hinaus bestehen dabei Verletzungsgefahren.

Berufsnahe Tätigkeiten kann er ebenfalls nicht mehr ausüben.

Die Tätigkeit eines Angebots-Sachbearbeiters im Sanitärhandel kommt für den Kläger nicht in Betracht. Hierbei handelt es sich um eine reine kaufmännische Tätigkeit, die von ausgebildeten Kaufleuten, Technischen Fachkaufleuten oder auch Meistern des Sanitärbereiches verrichtet werden.

Ich halte den Kläger jedoch noch für in der Lage, folgende berufsfremde Verweistätigkeiten zu verrichten.

Mitarbeiter in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde
Die Tätigkeit umfasst die Entgegennahme und das Öffnen der täglichen Eingangspost (Postsäcke, Postkörbe, Pakete, Briefsendungen, u.a.) sowie der Hauspost, die Entnahme des Inhaltes von Postsendungen, die Überprüfung der Vollständigkeit, das Anbringen eines Posteingangsstempels bzw. eines Eingangs-/Weiterleitungsvermerkes, das Anklammern der Anlagen; das Auszeichnen, Sortieren und Verteilen der Eingangspost innerhalb der Poststelle in die Fächer der jeweils zuständigen Abteilungen. Poststellenmitarbeiter/innen bereiten die Ausgangspost vor. Dies geschieht durch Falzen und Kuvertieren, Wiegen und Feststellen des Brief-/Paketportos, Frankieren per Hand bzw. mit Frankiermaschinen, das Packen von Päckchen und Paketen, das Eintragen von Wert- und Einschreibesendungen in Auslieferungsbücher. Üblich ist der Umgang mit Bürokommunikationsmitteln, wie PC, Scanner, Faxgeräte und Kopierer sowie Brieföffnungsmaschinen, Kuvertiermaschinen, Frankiermaschinen

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte, gelegentlich mittelschwere Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, z.T. in Großraumbüros (Poststelle). Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen sowie die Feinmotorik der Hände. Die erforderlichen Lese- und Schreibkenntnisse sind als normal zu bewerten. Arbeiten unter gelegentlichem Stress und Zeitdruck sind nicht auszuschließen.

Pförtner / Tagespförtner
Pförtner/innen kontrollieren in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen den Zugang zu Gebäuden oder Betriebsgeländen. Sie sind erste Ansprechpartner für Besucher. Je nach Art des Betriebes oder der Behörde haben sie unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte. Sie überwachen zeitliche bzw. örtliche Zugangsberechtigungen. Sie kontrollieren Werksausweise, stellen Besucherkarten/Passierscheine für Besucher aus und melden diese bei der zuständigen Stelle an. Zu ihren Aufgaben gehören teilweise auch das Aushändigen von Formularen, sowie das Aufbewahren von Fundsachen und Gepäck und das Verwalten von Schlüsseln und Schließanlagen. Auch die Kontrolle des Kfz- und Warenverkehrs gehört in manchen Betrieben zu ihrer Tätigkeit. Darüber hinaus können auch einfache Bürotätigkeiten, die Postverteilung im Betrieb sowie der Telefondienst zu ihren Aufgaben gehören. Pförtner/innen werden u. a. als Werkspförtner, Pförtner in Betrieben, Büro- und Geschäftshäusern und öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern, Heimen oder Museen eingesetzt.

Es handelt sich dabei meist um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen. Die erforderlichen Lese- und Schreibkenntnisse sind als normal zu bewerten. Die Tätigkeit beinhaltet keine ständige nervliche Belastung bzw. keinen dauernden Zeitdruck wie beispielsweise Akkordarbeit. Ganz sind Stress-Situationen erfahrungsgemäß jedoch nicht zu vermeiden. Je nach Arbeitsort kann Schichtdienst vorkommen.

Büro-/Verwaltungshilfskraft
Diese Tätigkeit umfasst einfache, routinemäßige Bürohilfsarbeiten, die ohne besondere Ausbildung und ohne längere Einarbeitungszeit nach vorgegebenem Schema oder nach jeweiligen Anordnungen verrichtet werden können. Bürohilfskräfte erledigen beispielsweise Schreibarbeiten, kümmern sich um die Verteilung der Post und firmeninterner Umläufe, kopieren Unterlagen, sorgen für die Ablage und erfassen Daten. Je nach vorhandenen Kenntnissen und Fertigkeiten können Bürohilfskräfte einfache Buchhaltungsarbeiten ausführen, bei der Erstellung von Statistiken und Auswertungen mitwirken oder im Telefondienst mitarbeiten. Bei ihren vielfältigen Aufgaben und Tätigkeiten verwenden sie oft moderne Büro- und Kommunikationsmittel und müssen daher mit Computern, Kopierern, Scannern, Telefon, Telefax und anderen Bürogeräten nach entsprechender Einweisung umgehen können. Bürohilfskräfte können in allen Branchen tätig sein. Meist sind allgemeine PC-Kenntnisse (Word, Excel, Outlook) erwünscht, im Einzelfall auch kaufmännische Grundkenntnisse und vertrauter Umgang mit dem Internet.

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, zum Teil in Großraumbüros. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich.

zu 3.): Bei den vorgenannten Verweistätigkeiten handelt es sich um ungelernte Tätigkeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden können. Gleichwohl werden diese Tätigkeiten zu einem überwiegenden Teil von Arbeitnehmern mit einer abgeschlossenen Ausbildung ausgeübt.

zu 4.): Für die genannten Verweistätigkeiten sind im allgemeinen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer erforderlich. Diese Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers - auch für ihn ausreichend sein.

zu 5.): Die genannten Verweistätigkeiten stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung.

zu 6.): Die genannte Verweistätigkeit steht auch Betriebsfremden zur Verfügung.
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