S 7 R 110/07

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 7 R 110/07
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers:
- 01.12.1966 - 30.11.1969 Berufsausbildung Maler und Lackierer
- 01.12.1969 - 31.01.1975 Maler und Lackierer
- 03.02.1975 - 04.10.1976 Fachschulausbildung und Meisterprüfung
- 01.11.1976 - 17.02.1983 angestellter Malermeister
- 01.04.1983 - Sommer 2004 Selbständiger Malermeister

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen des Klägers:
Die Erwerbsfähigkeit von Herrn A. unterliegt besonderen Einschränkungen. Aus medizinisch-orthopädischer Sicht sind nur Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen zuzumuten. Zwangshaltungen müssen wegen des Rückenleidens und insbesondere Beeinträchtigung der Halswirbelsäule vermieden werden. Hebe- und Bückarbeiten sollten wegen eines aktuellen Bandscheibenvorfalls auf voraussichtlich 8 kg als Dauer – und 12 kg als Einzelleistung beschränkt bleiben. Derartige Gegenstände dürfen allerdings aufgrund der Schulterbeschwerden und Halswirbelsäulenveränderungen nicht dauerhaft auf Schulterhöhe bzw. über Kopf gehalten werden. Ebenso sollten dauernde Überkopfarbeiten aufgrund der Halswirbelsäulenbeschwerden vermieden werden. Gegen das gelegentliche Herausholen von Akten oder leichteren Gegenständen auch aus höher gelegenen Schränken bestehen dagegen keine Einwände. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände bei dem Kläger ist dahingehend eingeschränkt, dass er keine monotonen Tätigkeiten schwerer Art mit den Händen verrichten darf.

Einschränkungen hinsichtlich des Hör- und Sehvermögens bestehen nicht. Eine Tätigkeit auf Leitern und Gerüsten oder mit Absturzgefahr ist mit Zwangshaltungen verbunden und sollte vermieden werden. Dies gilt auch, weil der Kläger z.Zt. über Ischialgien berichtet. Eine Gefährdung durch Reizstoffe wie Staub, Rauch, Gas oder Dampf wird wegen einer Psoriasis gesehen und sollte nicht zugemutet werden. Einschränkungen hinsichtlich einer Schicht- oder Akkordarbeit dürften derzeit nicht vorliegen. Der Kläger ist für geistige durchschnittliche und evtl. überdurchschnittliche Arbeiten geeignet. Hinweise auf eine Einschränkung der Anpassungs- oder Umstellungsfähigkeit liegen derzeit nicht vor. Ebenso lassen sich keine Einschränkungen hinsichtlich der nervlichen Belastung, der Anforderungen an das Konzentrationsvermögen oder hinsichtlich Arbeiten unter Zeitdruck finden. Unter den dargestellten Einschränkungen dürfte der Kläger aus medizinischer Sicht noch in der Lage sein, zumindest sechs Stunden arbeitstäglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten zu verrichten.

II. Beweisfragen:

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann der Kläger noch ausüben?
Kann der Kläger insbesondere noch die Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters, einer Büro- und Verwaltungshilfskraft, eines Kundenbetreuers oder eines Verkaufsleiters in der Auftragsabwicklung, Kalkulation oder Angebotserstellung in einem Malerfachbetrieb ausüben?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu drei Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

zu 1.) und 2.): Unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen halte ich den Kläger nicht mehr für in der Lage, die bisher ausgeübte Tätigkeit als Maler / Malermeister zu verrichten.

Ich halte den Kläger noch für in der Lage, folgende berufsnahe Verweistätigkeiten auszuüben.

Leitende Funktion in einem Maler- / Lackiererfachbetrieb (z.B. Kundenbetreuer / Verkaufsleiter / Angebotssachbearbeiter)
Die Tätigkeit umfasst u.a. Kundenbetreuung, Angebotsbearbeitung, Rechnungsstellung, Kalkulation, Wareneinkauf, Terminüberwachung und Arbeitskräfteeinsatz. Diese Arbeiten werden nur in größeren Malerbetrieben von angestellten Mitarbeitern verrichtet. In Kleinbetreiben werden diese Arbeiten i.d.R. vom Firmeninhaber/der Firmeninhaberin erledigt.

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich.

Bei Beachtung des beruflichen Werdeganges und des gesundheitlichen Leistungsvermögens halte ich den Kläger aus berufskundlicher Sicht durchaus noch für in der Lage, folgende berufsfremde bzw. qualifizierte Verweistätigkeiten zu verrichten:

Mitarbeiter/Mitarbeiterin in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde
Die Tätigkeit umfasst die Entgegennahme und das Öffnen der täglichen Eingangspost (Postsäcke, Postkörbe, Pakete, Briefsendungen, u.a.) sowie der Hauspost, die Entnahme des Inhaltes von Postsendungen, die Überprüfung der Vollständigkeit, das Anbringen eines Posteingangsstempels bzw. eines Eingangs-/Weiterleitungsvermerkes, das Anklammern der Anlagen; das Auszeichnen, Sortieren und Verteilen der Eingangspost innerhalb der Poststelle in die Fächer der jeweils zuständigen Abteilungen. Poststellenmitarbeiter/innen bereiten die Ausgangspost vor. Dies geschieht durch Falzen und Kuvertieren, Wiegen und Feststellen des Brief-/Paketportos, Frankieren per Hand bzw. mit Frankiermaschinen, das Packen von Päckchen und Paketen, das Eintragen von Wert- und Einschreibesendungen in Auslieferungsbücher. Üblich ist der Umgang mit Bürokommunikationsmitteln, wie PC, Scanner, Faxgeräte und Kopierer sowie Brieföffnungsmaschinen, Kuvertiermaschinen, Frankiermaschinen

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte, gelegentlich mittelschwere Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, z.T. in Großraumbüros (Poststelle). Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen sowie die Feinmotorik der Hände. Die erforderlichen Lese- und Schreibkenntnisse sind als normal zu bewerten. Arbeiten unter gelegentlichem Stress und Zeitdruck sind nicht auszuschließen.

Büro-/Verwaltungshilfskraft
Diese Tätigkeit umfasst einfache, routinemäßige Bürohilfsarbeiten, die ohne besondere Ausbildung und ohne längere Einarbeitungszeit nach vorgegebenem Schema oder nach jeweiligen Anordnungen verrichtet werden können. Bürohilfskräfte erledigen beispielsweise Schreibarbeiten, kümmern sich um die Verteilung der Post und firmeninterner Umläufe, kopieren Unterlagen, sorgen für die Ablage und erfassen Daten. Je nach vorhandenen Kenntnissen und Fertigkeiten können Bürohilfskräfte einfache Buchhaltungsarbeiten ausführen, bei der Erstellung von Statistiken und Auswertungen mitwirken oder im Telefondienst mitarbeiten. Bei ihren vielfältigen Aufgaben und Tätigkeiten verwenden sie oft moderne Büro- und Kommunikationsmittel und müssen daher mit Computern, Kopierern, Scannern, Telefon, Telefax und anderen Bürogeräten nach entsprechender Einweisung umgehen können. Bürohilfskräfte können in allen Branchen tätig sein. Meist sind allgemeine PC-Kenntnisse (Word, Excel, Outlook) erwünscht, im Einzelfall auch kaufmännische Grundkenntnisse und vertrauter Umgang mit dem Internet.

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, zum Teil in Großraumbüros. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich.

zu 3.): Leitende Funktionen in einem Maler- / Lackiererfachbetrieb (z.B. Kundenbetreuer / Verkaufsleiter / Angebotssachbearbeiter) kommen nur in größeren Maler- und Lackiererbetrieben vor und werden überwiegend von Personen mit einer höherwertigen Qualifikation, z.B. einem Fachschulabschluss (Meisterausbildung) verrichtet. Erforderlich ist auch eine mehrjährige Erfahrung in kaufmännischen Arbeiten des Malerhandwerks. Der Kläger dürfte aufgrund seiner langjährigen Selbständigkeit in der Lage sein, eine solche Tätigkeit nach betriebsüblicher Einarbeitung auszuüben. In Kleinbetreiben werden diese Arbeiten i.d.R. vom Firmeninhaber/der Firmeninhaberin erledigt.

Bei den vorgenannten berufsfremden Verweistätigkeiten handelt es sich um ungelernte Arbeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden können. Gleichwohl werden diese Tätigkeiten zu einem überwiegenden Teil von Arbeitnehmern mit einer abgeschlossenen Ausbildung ausgeübt.

zu 4.): Für die genannten Verweistätigkeiten sind im allgemeinen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer erforderlich. Diese Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers - auch für ihn ausreichend sein.

zu 5.): Die genannten Verweistätigkeiten stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung

zu 6.): Die genannten Verweistätigkeiten stehen auch Betriebsfremden zur Verfügung.
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