S 13 R 490/08

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 13 R 490/08
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers:
1967 - 1770 Dachdeckerlehrling
1970 - 1976 Dachdeckergeselle
1976 - 1993 Dachdeckermeister
1993 - lfd. selbständiger Dachdecker

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen des Klägers:
als Dachdecker unter 3 Stunden auf allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten zeitweise im Stehen/Gehen, überwiegend im Sitzen in Tagesschicht ohne häufiges Hocken oder Knien, ohne häufiges Gehen auf unebenen Boden, ohne Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten, ohne häufiges Bücken und nicht auf Leitern und Gerüsten.

II. Beweisfragen:

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann der Kläger noch ausüben?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu drei Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

zu 1.) und 2.): Unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen kann der Kläger die Tätigkeit eines selbständigen Dachdeckers nur noch unter 3 Stunden täglich verrichten. Ich halte den Kläger jedoch noch für in der Lage, folgende Verweistätigkeiten zu verrichten.

Fachberater/in in den Bereichen Bedachung/Baustoffe
Fachberater/innen arbeiten u. a. im Bedachungs- bzw. Baustoffhandel im Bereich Groß- oder Fachhandel. Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Baustoffindustrie, wie z.B. Hersteller von Baustoffen. Im Bedachungsgroß- oder Bedachungsfachhandel beraten sie Profi - und Privatkunden über mögliche Dacharten, Fassaden, Dämmstoffe, Abdichtungstechniken etc. über Beschaffenheit bzw. Eigenschaften von Materialien und Baustoffen. Sie kalkulieren die Kosten, unterbreiten Angebote und Kostenvoranschläge, stellen Rechnungen aus, erstellen Lieferscheine und überwachen die frist- und ordnungsgemäße Lieferung. Die Kundenberatungen erfolgen in Verkaufs- und Ausstellungsräumen bzw. im Büro am Schreibtisch anhand von Mustern, Katalogen, Listen etc. oder über den PC. Entsprechend der Ausrichtung und Organisation der Firmen sind sie auch im Außendienst tätig (z. B. in der Baustoffindustrie) und führen vor Ort mit Fachhändlern, Kunden, Architekten und Bauträgern Beratungs- und Verkaufsgespräche. Gelegentlich kann es dabei - je nach betrieblicher Organisation - erforderlich sein, auf Leitern/Gerüste/Dächer zu steigen.

Bei der Tätigkeit im Innendienst handelt sich im Allgemeinen um körperlich leichte Arbeit in temperierten Räumen, überwiegend im Sitzen. Ein Wechsel der Körperhaltung ist möglich. Auch bei der Tätigkeit im Außendienst handelt es sich im Allgemeinen um körperlich leichte Arbeit. Teilweise sind dabei auch längere Fahrten mit dem PKW zu Kunden erforderlich, was entsprechende Anforderungen an die Belastbarkeit stellt.

Für den Kläger kommt eine Fachberatertätigkeit im Innendienst in Frage.

Büro-/Verwaltungshilfskraft
Diese Tätigkeit umfasst einfache, routinemäßige Bürohilfsarbeiten, die ohne besondere Ausbildung und ohne längere Einarbeitungszeit nach vorgegebenem Schema oder nach jeweiligen Anordnungen verrichtet werden können. Bürohilfskräfte erledigen beispielsweise Schreibarbeiten, kümmern sich um die Verteilung der Post und firmeninterner Umläufe, kopieren Unterlagen, sorgen für die Ablage und erfassen Daten. Je nach vorhandenen Kenntnissen und Fertigkeiten können Bürohilfskräfte einfache Buchhaltungsarbeiten ausführen, bei der Erstellung von Statistiken und Auswertungen mitwirken oder im Telefondienst mitarbeiten. Bei ihren vielfältigen Aufgaben und Tätigkeiten verwenden sie oft moderne Büro- und Kommunikationsmittel und müssen daher mit Computern, Kopierern, Scannern, Telefon, Telefax und anderen Bürogeräten nach entsprechender Einweisung umgehen können. Bürohilfskräfte können in allen Branchen tätig sein. Meist sind allgemeine PC-Kenntnisse (Word, Excel, Outlook) erwünscht, im Einzelfall auch kaufmännische Grundkenntnisse und vertrauter Umgang mit dem Internet.

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, zum Teil in Großraumbüros. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich.

Telefonisten/Telefonistinnen
Diese Tätigkeit umfasst die Bedienung von Telefon-/Fernsprechzentralen. Dazu gehört die Erteilung von Auskünften, die Weiterleitung und Registrierung von Gesprächen, die Entgegennahme und Weitergabe von Telefonnotizen, Telefaxen, E-Mails u. ä ... Die Anforderungen an Telefonisten/Telefonistinnen sind aufgrund der Tatsache, dass diese in allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung tätig sind, recht unterschiedlich.

Während sich in großen Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungen die Tätigkeit in der Regel auf das Bedienen einer zum Teil recht umfangreichen Telefonanlage beschränkt, findet man in kleineren und mittleren Betrieben und Organisationen häufig eine Funktionskoppelung mit Bürotätigkeiten sowie Empfangs- und Pförtnertätigkeiten.

Oft sind allgemeine PC-Kenntnisse (Word, Excel, Outlook) erwünscht, im Einzelfall auch kaufmännische Grundkenntnisse.

Es handelt sich um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Die Tätigkeit kann in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen ausgeübt werden. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich. Die Tätigkeit erfordert gute Sprech- und Hörfähigkeit. Gelegentlich ist Zeitdruck nicht auszuschließen.

Tagespförtner
Pförtner/innen kontrollieren in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen den Zugang zu Gebäuden oder Betriebsgeländen. Sie sind erste Ansprechpartner für Besucher. Je nach Art des Betriebes oder der Behörde haben sie unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte. Sie überwachen zeitliche bzw. örtliche Zugangsberechtigungen. Sie kontrollieren Werksausweise, stellen Besucherkarten/Passierscheine für Besucher aus und melden diese bei der zuständigen Stelle an. Zu ihren Aufgaben gehören teilweise auch das Aushändigen von Formularen, sowie das Aufbewahren von Fundsachen und Gepäck und das Verwalten von Schlüsseln und Schließanlagen. Auch die Kontrolle des Kfz- und Warenverkehrs gehört in manchen Betrieben zu ihrer Tätigkeit. Darüber hinaus können auch einfache Bürotätigkeiten, die Postverteilung im Betrieb sowie der Telefondienst zu ihren Aufgaben gehören. Pförtner/innen werden u. a. als Werkspförtner, Pförtner in Betrieben, Büro- und Geschäftshäusern und öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern, Heimen oder Museen eingesetzt.

Es handelt sich dabei meist um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen. Die erforderlichen Lese- und Schreibkenntnisse sind als normal zu bewerten. Die Tätigkeit beinhaltet keine ständige nervliche Belastung bzw. keinen dauernden Zeitdruck wie beispielsweise Akkordarbeit. Ganz sind Stress-Situationen erfahrungsgemäß jedoch nicht zu vermeiden.

Warenaufmacher/in - Versand
Die wesentlichen Aufgaben umfassen das verschönernde und zweckbedingte Aufmachen von Erzeugnissen der gewerblichen Wirtschaft und die vorbereitenden Arbeiten für deren Versand. Im einzelnen wären hier zu nennen: Das Entfernen produktionsbedingter Verschmutzungen durch Blankreiben, Polieren, das Aufkleben, Einnähen oder Befestigen von Reklame-, Prüf-, Waren- oder Gütezeichen, Etiketten, Preisauszeichnungen, das Abzählen, Abwiegen, Abmessen oder Abfüllen von Waren, das Einwickeln bzw. Einlegen von Waren in Papp- oder Holzschachteln, Kisten oder sonstigen Behältnissen, verkaufsfördernden Zierhüllen oder Zierkartons, das Verschließen dieser Behältnisse, das Anbringen von Kennzeichen oder Versandhinweisen. Schließlich gehört zu ihren Aufgaben auch, die Waren in geeigneter Form manuell oder maschinell zu verpacken und für den Versand auszuzeichnen.

Warenaufmacher-Versand können in Unternehmen unterschiedlicher Wirtschaftsbereiche tätig sein. Eine vollständige Auflistung ist nicht möglich. Nachfolgend finden Sie eine exemplarische Auswahl: Handel, Nahrung und Genussmittel, Chemie, Pharmazie, Metall- und Elektroindustrie, Herstellung und Reparatur von Büromaschinen und Computern, Textil, Bekleidung, Leder, Kunststoff, Holz und Möbel, Glas, Keramik, Feinmechanik, Optik.

Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen oder Lagerhallen, überwiegend sitzend mit gelegentlichem Gehen. Ein Wechsel zwischen Sitzen und Stehen ist meist möglich. Funktionstüchtigkeit beider Arme und Hände sollte gegeben sein (z.B. für beidhändiges Arbeiten). Für diese Tätigkeiten sind meist keine Lese- und Rechtschreibkenntnisse erforderlich.

Montierer/in
Die wesentlichen Aufgaben umfassen auf wenige Handgriffe beschränkte, leicht erlernbare Tätigkeiten beim Herstellen von Bauelementen, Modulen und Geräten aus Metall oder Kunststoff durch Zusammenfügen, Montieren oder Verbinden fertiger Einzelteile zu Halb- oder Fertigprodukten, z.B. durch Verschrauben, Löten, Schweißen, Nieten, Kleben, Stecken, Klemmen. Dies geschieht meist in der Serienfertigung. In der Großserienfertigung sind die Arbeitsabläufe in der Regel weitgehend automatisiert und arbeitsteilig organisiert. In verschiedenen Fertigungsbereichen erfolgt die Montage auch unter Einsatz von Fertigungsautomaten. Teilweise erfolgt eine Sichtkontrolle oder eine Funktionsprüfung.

Arbeitsplätze dieser Art findet man in allen Bereichen der feinmechanischen, optischen, Metall- und Elektroindustrie sowie in der Kunststoffindustrie.

Es handelt sich zumeist um körperliche leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen, überwiegend in sitzender Körperhaltung. Erforderlich sind ein gutes Sehvermögen, handwerkliches Geschick und Fingerfertigkeit. Gleichwohl wird ein gewisses Maß an Genauigkeit, Sorgfalt, Geduld, Ausdauer, Daueraufmerksamkeit und an das Konzentrationsvermögen gestellt. Abhängig vom Betrieb kann auch Zeitdruck sowie Schichtarbeit vorkommen.

zu 3.): Fachberater/in in den Bereichen Bedachung/Baustoffe: üblicherweise wird für Tätigkeiten im Fach- bzw. Großhandel eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung vorausgesetzt. Großhandels- und Bürokaufleute sind Berufe mit dreijähriger Ausbildung. Auch Dachdecker-/Zimmerermeister haben wegen ihrer Fachkenntnisse Zugang zu der Tätigkeit.

Bei den anderen Verweistätigkeiten handelt es sich um ungelernte Tätigkeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden können. Gleichwohl werden diese Tätigkeiten zu einem überwiegenden Teil von Arbeitnehmern mit einer abgeschlossenen Ausbildung ausgeübt.

zu 4.): Für die genannten Verweistätigkeiten sind im allgemeinen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer erforderlich. Diese Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers - auch für ihn ausreichend sein.

zu 5.): Die genannten Verweistätigkeiten stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung.

zu 6.): Die genannte Verweistätigkeit steht auch Betriebsfremden zur Verfügung.
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Datum