S 13 R 188/08

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 13 R 188/08
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers:
Der Kläger hat nach eigenen Angaben eine Ausbildung zum Kfz-Schlosser erfolgreich durchlaufen und in diesem Beruf ab 1973 gearbeitet. Zuletzt war er nach seinen Angaben bis 30.9.2006 als Maschinenführer in der Kegelradfertigung im Getriebebau beschäftigt.

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen d. Kl.: leichte Arbeiten, die
- ohne Überkopfarbeiten
- ohne vermehrte Kopfwendefähigkeit
- ohne Lastanheben und -tragen über 12kg, dabei ohne häufiges Lastanheben und tragen über 8kg
- ohne Wirbelsäulenzwangshaltung (insbesondere Rumpfvorhaltung)
- ohne Exposition gegenüber Kälte, Nässe oder Zugluft
- ohne monotone oder wiederkehrende repititive Bewegungsmuster der Ellenbogengelenke (insbesondere Umwendmanöver)
- nicht überwiegend oder ganztägig im Gehen
- ohne große Anteile im Knien oder auf den Knien
- ohne besondere Anforderung an die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit
- ohne besondere Anforderung an die nervliche Belastung
- ohne besondere Anforderung an das Konzentrationsvermögen
- ohne besonderen Zeitdruck

II. Beweisfragen:

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann der Kläger noch ausüben?
Kann d. Kl. insb. noch die Tätigkeiten eines Telefonisten, eines Poststellenmitarbeiters, eines Versandfertigmachers, einer Büro- und Verwaltungshilfskraft, eines Pförtners oder eines Materialdisponenten ausüben?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann die Klägerin/der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

zu 1.) Berufsnahe Tätigkeiten scheiden für den Kläger aus. Gegen den Verweis auf den Poststellenmitarbeiter und den Versandfertigmacher spricht die Einschränkung „ohne monotone oder wiederkehrende repetitive Bewegungsmuster der Ellenbogengelenke (insbesondere Umwendemanöver). Der Materialdisponent scheidet aus berufskundlicher Sicht als Verweisberuf für den Kläger aus.

Als berufsfremde Tätigkeiten kommen für den Kläger der Telefonist, die Büro- und Verwaltungshilfskraft und der Pförtner in Frage.

zu 2.) Telefonist
Diese Tätigkeit umfasst die Bedienung von Telefon-/Fernsprechzentralen. Dazu gehört die Erteilung von Auskünften, die Weiterleitung und Registrierung von Gesprächen, die Entgegennahme und Weitergabe von Telefonnotizen, Telefaxen, E-Mails u. ä. Die Anforderungen an Telefonisten/Telefonistinnen sind aufgrund der Tatsache, dass diese in allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung tätig sind, recht unterschiedlich.

Während sich in großen Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungen die Tätigkeit in der Regel auf das Bedienen einer zum Teil recht umfangreichen Telefonanlage beschränkt, findet man in kleineren und mittleren Betrieben und Organisationen häufig eine Funktionskoppelung mit Bürotätigkeiten sowie Empfangs- und Pförtnertätigkeiten.

Oft sind allgemeine PC-Kenntnisse (Word, Excel, Outlook) erwünscht, im Einzelfall auch kaufmännische Grundkenntnisse.

Es handelt sich um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Die Tätigkeit kann in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen ausgeübt werden. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich. Die Tätigkeit erfordert gute Sprech- und Hörfähigkeit. Gelegentlich ist Zeitdruck nicht auszuschließen.

Mitarbeiter/Mitarbeiterin in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde
Die Tätigkeit umfasst die Entgegennahme und das Öffnen der täglichen Eingangspost (Postsäcke, Postkörbe, Pakete, Briefsendungen, u.a.) sowie der Hauspost, die Entnahme des Inhaltes von Postsendungen, die Überprüfung der Vollständigkeit, das Anbringen eines Posteingangsstempels bzw. eines Eingangs-/Weiterleitungsvermerkes, das Anklammern der Anlagen; das Auszeichnen, Sortieren und Verteilen der Eingangspost innerhalb der Poststelle in die Fächer der jeweils zuständigen Abteilungen. Poststellenmitarbeiter/innen bereiten die Ausgangspost vor. Dies geschieht durch Falzen und Kuvertieren, Wiegen und Feststellen des Brief-/Paketportos, Frankieren per Hand bzw. mit Frankiermaschinen, das Packen von Päckchen und Paketen, das Eintragen von Wert- und Einschreibesendungen in Auslieferungsbücher. Üblich ist der Umgang mit Bürokommunikationsmitteln, wie PC, Scanner, Faxgeräte und Kopierer sowie Brieföffnungsmaschinen, Kuvertiermaschinen, Frankiermaschinen

Mitarbeiter/innen der Poststelle können auch mit Aufgaben speziell im Eingangs- oder Schalterraum wie Besucherempfang (Pförtner), Auskunftserteilung oder Bedienen der Telefonanlage befasst sein.

Als Büroboten und Bürobotinnen überbringen sie mündliche oder schriftliche Benachrichtigungen oder Schriftstücke, Akten, Briefe, Material sowie Waren aller Art an verschiedene Referate, Sachbearbeitung, Verwaltungsabteilungen (beispielsweise die Registratur), mehrmals täglich unter Zuhilfenahme eines Postverteilerwagens, und sammeln dort die Ausgangspost ein.

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte, gelegentlich mittelschwere Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, z.T. in Großraumbüros (Poststelle). Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen sowie die Feinmotorik der Hände. Die erforderlichen Lese- und Schreibkenntnisse sind als normal zu bewerten. Arbeiten unter gelegentlichem Stress und Zeitdruck sind nicht auszuschließen.

Warenaufmacher/in - Versand
Die wesentlichen Aufgaben umfassen das verschönernde und zweckbedingte Aufmachen von Erzeugnissen der gewerblichen Wirtschaft und die vorbereitenden Arbeiten für deren Versand. Im einzelnen wären hier zu nennen: Das Entfernen produktionsbedingter Verschmutzungen durch Blankreiben, Polieren, das Aufkleben, Einnähen oder Befestigen von Reklame-, Prüf-, Waren- oder Gütezeichen, Etiketten, Preisauszeichnungen, das Abzählen, Abwiegen, Abmessen oder Abfüllen von Waren, das Einwickeln bzw. Einlegen von Waren in Papp- oder Holzschachteln, Kisten oder sonstigen Behältnissen, verkaufsfördernden Zierhüllen oder Zierkartons, das Verschließen dieser Behältnisse, das Anbringen von Kennzeichen oder Versandhinweisen. Schließlich gehört zu den Aufgaben auch, die Waren in geeigneter Form manuell oder maschinell zu verpacken und für den Versand auszuzeichnen.

Warenaufmacher-Versand können in Unternehmen unterschiedlicher Wirtschaftsbereiche tätig sein. Eine vollständige Auflistung ist nicht möglich. Nachfolgend finden Sie eine exemplarische Auswahl: Handel, Nahrung und Genussmittel, Chemie, Pharmazie, Metall- und Elektroindustrie, Herstellung und Reparatur von Büromaschinen und Computern, Textil, Bekleidung, Leder, Kunststoff, Holz und Möbel, Glas, Keramik, Feinmechanik, Optik.

Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich um körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen oder Lagerhallen, überwiegend sitzend mit gelegentlichem Gehen. Ein Wechsel zwischen Sitzen und Stehen ist meist möglich. Funktionstüchtigkeit beider Arme und Hände sollte gegeben sein (z.B. für beidhändiges Arbeiten). Für diese Tätigkeiten sind meist keine Lese- und Rechtschreibkenntnisse erforderlich.

Büro-/Verwaltungshilfskraft
Diese Tätigkeit umfasst einfache, routinemäßige Bürohilfsarbeiten, die ohne besondere Ausbildung und ohne längere Einarbeitungszeit nach vorgegebenem Schema oder nach jeweiligen Anordnungen verrichtet werden können. Bürohilfskräfte erledigen beispielsweise Schreibarbeiten, kümmern sich um die Verteilung der Post und firmeninterner Umläufe, kopieren Unterlagen, sorgen für die Ablage und erfassen Daten. Je nach vorhandenen Kenntnissen und Fertigkeiten können Bürohilfskräfte einfache Buchhaltungsarbeiten ausführen, bei der Erstellung von Statistiken und Auswertungen mitwirken oder im Telefondienst mitarbeiten. Bei ihren vielfältigen Aufgaben und Tätigkeiten verwenden sie oft moderne Büro- und Kommunikationsmittel und müssen daher mit Computern, Kopierern, Scannern, Telefon, Telefax und anderen Bürogeräten nach entsprechender Einweisung umgehen können. Bürohilfskräfte können in allen Branchen tätig sein. Meist sind allgemeine PC-Kenntnisse (Word, Excel, Outlook) erwünscht, im Einzelfall auch kaufmännische Grundkenntnisse und vertrauter Umgang mit dem Internet.

Es handelt sich dabei um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten, oft klimatisierten Räumen, zum Teil in Großraumbüros. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich.

Pförtner/Tagespförtner
Pförtner/innen kontrollieren in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen den Zugang zu Gebäuden oder Betriebsgeländen. Sie sind erste Ansprechpartner für Besucher. Je nach Art des Betriebes oder der Behörde haben sie unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte. Sie überwachen zeitliche bzw. örtliche Zugangsberechtigungen. Sie kontrollieren Werksausweise, stellen Besucherkarten/Passierscheine für Besucher aus und melden diese bei der zuständigen Stelle an. Zu ihren Aufgaben gehören teilweise auch das Aushändigen von Formularen, sowie das Aufbewahren von Fundsachen und Gepäck und das Verwalten von Schlüsseln und Schließanlagen. Auch die Kontrolle des Kfz- und Warenverkehrs gehört in manchen Betrieben zu ihrer Tätigkeit.

Darüber hinaus können auch einfache Bürotätigkeiten, die Postverteilung im Betrieb sowie der Telefondienst zu ihren Aufgaben gehören.

Pförtner/innen werden u. a. als Werkspförtner, Pförtner in Betrieben, Büro- und Geschäftshäusern und öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern, Heimen oder Museen eingesetzt.

Es handelt sich dabei meist um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen. Die erforderlichen Lese- und Schreibkenntnisse sind als normal zu bewerten. Die Tätigkeit beinhaltet keine ständige nervliche Belastung bzw. keinen dauernden Zeitdruck wie beispielsweise Akkordarbeit. Ganz sind Stress-Situationen erfahrungsgemäß jedoch nicht zu vermeiden. Je nach Arbeitsort kann (Tages)Schichtdienst vorkommen.

Materialdisponent Beim Materialdisponenten handelt es sich um eine synonyme Bezeichnung für den Sachbearbeiter in der Materialdisposition. Zum Aufgabengebiet von Materialdisponenten gehören z.B.:
- Erstellen von Materiallisten, vielfach mit Hilfe der EDV
- Einholen von Lieferangeboten zu den benötigten Materialien
- Überwachen der Liefertermine, des Mahnwesens usw.
- Kontrollieren der eingegangenen Waren, ggf. Veranlassen der Prüfungen
- Entscheiden über kostengünstige Methoden zum Zwischenlagern von Materialien uvm.

Von den Anforderungen her handelt es sich um eine Tätigkeit, die in eine höhere Qualifikationsstufe - Meister / Techniker / Sonderfachkräfte - eingeordnet ist. Entsprechend den mir vorliegenden Unterlagen halte ich den Kläger aus berufskundlicher Sicht auf eine derartige Tätigkeit nicht zumutbar verweisbar.

zu 3.) Bei den genannten Verweistätigkeiten Telefonist, Büro- und Verwaltungshilfskraft und Pförtner handelt es sich um ungelernte Arbeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist und die nach einer entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit verrichtet werden können. Gleichwohl werden diese Tätigkeiten zu einem überwiegenden Teil von Arbeitnehmern mit einer abgeschlossenen Ausbildung ausgeübt. Die erbetene Auskunft über die tarifliche Einstufung kann ich nicht erteilen, da die Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit keine Tarifsammlung führen. Entsprechende Anfragen bitte ich an die Tarifvertragsparteien zu richten.

zu 4.) Für die Verweistätigkeiten Telefonist, Büro- und Verwaltungshilfskraft und Pförtner sind im allgemeinen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten von maximal drei Monaten Dauer erforderlich. Diese Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeiten dürften - unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers - auch für diesen ausreichend sein, um die Tätigkeiten vollwertig zu verrichten.

zu 5.) Die Tätigkeiten Telefonist, Büro- und Verwaltungshilfskraft und Pförtner stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung

zu 6.) Die in Betracht kommenden Tätigkeiten stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes auch Betriebsfremden zur Verfügung.
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