L 2 R 121/09

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
L 2 R 121/09
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers:
Der 1960 geborene Kläger hat eine abgeschlossene Ausbildung als Gärtnermeister mit Meisterbrief (Abschluss am 9. Juni 1982) absolviert und fast durchgehend im elterlichen Betrieb gelernt und gearbeitet. Dabei oblag ihm nach Abschluss der Meisterprüfung nach eigenen Aussagen auch die Ausbildung von Lehrlingen, da er als einziger im Betrieb die dazu notwendige Ausbildungsbefähigung als Gärtnermeister hatte.

Vom 24. Juli 1989 bis zum 21. Januar 1990 hatte der Kläger eine Stelle als Gärtnermeister und Betriebsleiter bei der Firma XY. in Z-Stadt inne. Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit hat der Kläger nach eigenen Angaben wieder eine Meisterstelle im elterlichen Betrieb angetreten. Laut Auskunft der Alterskasse für den Gartenbau an die Beklagte vom 15. Januar 2003 war der Kläger in der Zeit vom 1. November 1990 bis 21. Dezember 1995 dort als Mitunternehmer und vom 1. Januar 1996 bis zum 30. September 2001 als Unternehmer versichert.

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen des Klägers:
Nach Voroperationen litt der Kläger im Jahre 1992 an konservativ therapieresistenten Rückenschmerzen, die eine Operation im August 1992 erforderlich machte. Die Operation war zu einem Teil erfolgreich. Arbeitsfähigkeit für leichte körperliche Tätigkeiten ist mit Ablauf des Jahres 1992 wieder eingetreten ist.

Der Kläger ist (seit Anfang 1993) in der Lage, vollschichtig leichte Arbeiten im Erwerbsleben zu verrichten. Schwere oder mittelschwere körperliche Tätigkeiten sind seit 1993 aufgrund der krankhaften Veränderungen nicht mehr zumutbar.

Aufgrund der krankhaften Veränderungen im Bereich der linken oberen Extremität ist die Gebrauchsfähigkeit deutlich reduziert. Überkopfarbeiten sind ebenso wenig zumutbar wie das Heben und Tragen von Lasten über 5 kg mit dem linken Arm. Feinmotorische Arbeiten sind ebenso wenig möglich wie Tätigkeiten, die häufige Unterarmumwendbewegungen erfordern, wie z. B. Schrauben. Insgesamt ist der linke Arm als Beiarm einsetzbar. Die linke Hand kann zum Halten von Gegenständen oder auch zum Führen eines Lenkrades eingesetzt werden.

Aufgrund der Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule sind dem Kläger keine Tätigkeiten mehr zumutbar, die überwiegend im Stehen oder Gehen auszuführen sind, die das häufige oder ständige Tragen von Lasten über 5 kg erfordern und die eine häufige vornübergeneigte Haltung oder sonstige Rumpfzwangshaltungen erfordern.

Aufgrund der Veränderungen im Bereich der linken unteren Extremität sind dem Kläger keine Tätigkeiten mehr zumutbar, die überwiegend im Stehen oder Gehen auszuführen sind, die das häufige Klettern auf Leitern und Gerüsten erfordern oder die im Knien und Hocken auszuführen sind.

Darüber hinaus sind dem Kläger aufgrund des polytopen Charakters der bei ihm vorhandenen degenerativen Veränderungen Arbeiten in zugigen oder nasskalten Räumen nicht mehr zumutbar.

II. Beweisfragen

Anmerkung: Ihre Beurteilung wird seit dem Jahr 2000 erbeten.

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann und konnte der Kläger aufgrund des (seit 1993 bis heute geltenden) oben angegebenen Leistungsvermögens noch ausüben? Welche dieser Tätigkeiten entsprachen insbesondere seiner Qualifikation als Gärtnermeister?
Ist der Kläger als Gärtnermeister berufsnah einsetzbar?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann und konnte der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen und standen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen und standen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

zu 1) Aufgrund seines gesundheitlichen Restleistungsvermögens ist der Kläger aus berufskundlicher Sicht in der Lage, die Tätigkeiten eines Telefonisten und eines Pförtners vollwertig verrichten zu können. Bei den beiden vorgenannten Tätigkeiten handelt es sich um berufsfremde Tätigkeiten. Diese Tätigkeiten entsprechen nicht der Qualifikation des Gärtnermeisters.

Eine berufsnahe Einsetzbarkeit ist meines Erachtens nicht möglich.

Grundsätzlich denkbar wäre eine Tätigkeit als Lehrkraft im Bereich Garten-/Pflanzenbau und als Außendienstmitarbeiter im Vertrieb von Pflanzen und Pflanzenschutz-/pflegeprodukten. Bei einer Tätigkeit als Lehrkraft wäre der Kläger -während der praktischen Unterweisung- jedoch zeitweise Nässe oder Zugluft ausgesetzt, eine Außendiensttätigkeit wäre mit hohen Lenkzeiten (linke Hand kann nur als sogen. „Beihand“ eingesetzt werden), langem Sitzen, teilweise großen Temperaturschwankungen und ggf. Nässe und Zugluft verbunden. Aus vorgenannten Gründen kommen diese und ähnliche Tätigkeiten für den Kläger nicht in Betracht.

zu 2) Telefonist/Telefonistin
Diese Tätigkeit umfasst die Bedienung von Telefon-/Fernsprechzentralen. Dazu gehört die Erteilung von Auskünften, die Weiterleitung und Registrierung von Gesprächen, die Entgegennahme und Weitergabe von Telefonnotizen, Telefaxen, E-Mails u. ä ... Die Anforderungen an Telefonisten/Telefonistinnen sind aufgrund der Tatsache, dass diese in allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung tätig sind, recht unterschiedlich.

Während sich in großen Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungen die Tätigkeit in der Regel auf das Bedienen einer zum Teil recht umfangreichen Telefonanlage beschränkt, findet man in kleineren und mittleren Betrieben und Organisationen häufig eine Funktionskoppelung mit Bürotätigkeiten sowie Empfangs- und Pförtnertätigkeiten.

Oft sind allgemeine PC-Kenntnisse (Word, Excel, Outlook) erwünscht, im Einzelfall auch kaufmännische Grundkenntnisse.

Es handelt sich um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Die Tätigkeit kann in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen ausgeübt werden. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich. Die Tätigkeit erfordert gute Sprech- und Hörfähigkeit. Gelegentlich ist Zeitdruck nicht auszuschließen.

Pförtner/in
Pförtner/innen kontrollieren in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen den Zugang zu Gebäuden oder Betriebsgeländen. Sie sind erste Ansprechpartner für Besucher. Je nach Art des Betriebes oder der Behörde haben sie unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte. Sie überwachen zeitliche bzw. örtliche Zugangsberechtigungen. Sie kontrollieren Werksausweise, stellen Besucherkarten/Passierscheine für Besucher aus und melden diese bei der zuständigen Stelle an. Zu ihren Aufgaben gehören teilweise auch das Aushändigen von Formularen, sowie das Aufbewahren von Fundsachen und Gepäck und das Verwalten von Schlüsseln und Schließanlagen. Auch die Kontrolle des Kfz- und Warenverkehrs gehört in manchen Betrieben zu ihrer Tätigkeit. Darüber hinaus können auch einfache Bürotätigkeiten, die Postverteilung im Betrieb sowie der Telefondienst zu ihren Aufgaben gehören. Pförtner/innen werden u. a. als Werkspförtner, Pförtner in Betrieben, Büro- und Geschäftshäusern und öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern, Heimen oder Museen eingesetzt.

Es handelt sich dabei meist um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen. Die erforderlichen Lese- und Schreibkenntnisse sind als normal zu bewerten. Die Tätigkeit beinhaltet keine ständige nervliche Belastung bzw. keinen dauernden Zeitdruck wie beispielsweise Akkordarbeit. Ganz sind Stress-Situationen erfahrungsgemäß jedoch nicht zu vermeiden. Je nach Arbeitsort kann Schichtdienst vorkommen.

zu 3) Bei den vorgenannten Tätigkeiten handelt es sich um ungelernte Tätigkeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist. Im Regelfall betragen die betrieblichen Einarbeitungs- und Einweisungszeiten maximal drei Monate. Hinsichtlich der tarifvertraglichen Einstufung verweise ich auf das Tarifregister des Landes Hessen.

zu 4.) Aufgrund seines gesundheitlichen Restleistungsvermögens halte ich den Kläger aus berufskundlicher Sicht für in der Lage, die Tätigkeiten eines Telefonisten und eines Pförtners nach einer betrieblichen Einarbeitungs-/Einweisungszeit von maximal drei Monaten unter arbeitsmarkt- und betriebsüblichen Bedingungen vollwertig verrichten zu können.

zu 5+6 Die in Betracht kommenden Tätigkeiten eines Telefonisten und eines Pförtners stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang - mehr als 300 besetzte oder unbesetzte Arbeitsplätze - auch Betriebsfremden zur Verfügung.
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