S 2 R 469/09

Berufskundekategorie
Stellungnahme
Land
Hessen
Aktenzeichen
S 2 R 469/09
Auskunftgeber
Landesarbeitsamt Hessen
Anfrage
In obigem Rechtsstreit wird um die Beantwortung der unter II. aufgeführten berufskundlichen Beweisfragen unter Berücksichtigung der nachfolgend aufgezeigten Anknüpfungstatsachen gebeten.

I. Anknüpfungstatsachen:

a) Beruflicher Werdegang und sonstige berufsbezogene Qualifikationen des Klägers:
Der Kläger ist ausgebildeter Heizungs- und Lüftungsbaumeister und war langjährig als solcher tätig. Bitte gehen Sie davon aus, der Kläger sei der Gruppe der hochqualifizierten Facharbeiter oder der Gruppe der Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion im Sinne des vom Bundessozialgerichts entwickelten Mehrstufenschemas zuzuordnen.

b) Gesundheitliches Restleistungsvermögen des Klägers:

Der Kläger leidet an:
1. Fortgeschrittene Kniegelenkarthrose links mit Funktionseinschränkung, beginnende Kniegelenkarthrose rechts, noch ohne Funktionseinschränkung.

2. Degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit wiederkehrenden Reizerscheinungen ohne neurologisches Defizit.

3. Daumensattelgelenkarthrose beidseits (bisher ohne Symptomatik).

Aus orthopädischer Sicht hielt ihn der Sachverständige noch für in der Lage, leichte und mittelschwere Arbeiten zumindest 6 Stunden an 5 Tagen in der Woche auszuüben. Tätigkeiten in der maximalen Kniehocke, in unebenem Gelände sowie häufige Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sollten ihm nicht zugemutet werden.

II. Beweisfragen

1. Welche berufsnahen oder berufsfremden Tätigkeiten kann der Kläger noch ausüben?
Kann der Kläger insbesondere noch die Tätigkeit eines Kundendienstberaters ausüben?

2. Welches fachliche und gesundheitliche Anforderungsprofil haben diese Tätigkeiten im Einzelnen?

3. Welche Ausbildungszeiten erfordern diese Tätigkeiten und wie werden diese Tätigkeiten tarifvertraglich eingestuft?

4. Kann der Kläger unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen zu I.a nach einer bis zu 3 Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung die für die in Betracht kommenden Tätigkeiten vollwertig verrichten?

5. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten (bitte einzeln bezeichnen) auf dem Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang (mehr als 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet) zur Verfügung?

6. Stehen die in Betracht kommenden Tätigkeiten auch Betriebsfremden zur Verfügung?
Auskunft
Stellungnahme:

zu 1. und 2. Der Kläger war in der in der Zeit vom 12.07.1989 – 15.08.2008 bei der Fa. B., B-Stadt als Heizungsbauer beschäftigt. Er wurde zuletzt nach der Lohngruppe 5 (Obermonteur) entlohnt, welche besonders qualifizierten Facharbeitern mit langer Berufserfahrung sowie mit der Fähigkeit, andere Facharbeiter anzuleiten, vorbehalten ist. Der am 05.06.1981 erworbene Abschluss als Zentralheizungs- und Lüftungsbauermeister wurde bei der Beschäftigung durch die Fa. B. nicht im vollen Umfang berücksichtigt. Der Kläger wurde ausschließlich im Baustellenbereich und im Kundendienst eingesetzt. Ferner fand keine Entlohnung in den für die Meister vorgesehenen Gehaltsgruppen M1 – M3 statt.

Unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen halte ich den Kläger nicht mehr für in der Lage, die bisher ausgeübte Tätigkeit als Heizungs- und Lüftungsbauer weiter zu verrichten. Ein Verweis auf eine berufsnahe Tätigkeit z. B. in einem anderen Kernbereich des Heizungs- und Lüftungsbauermeisters (z. B. Kundenbetreuung, Angebotserstellung, Organisation des Mitarbeitereinsatzes, Materialdisposition etc.) ist nach dem vorliegenden Leistungsbild eine denkbare Option. Die hierfür in der Regel benötigten Betriebe in der Betriebsgrößenklasse von 10 und mehr sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Berufsbereich –Rohrinstallateure- sind im Bundesgebiet in ausreichender Zahl vorhanden. Aufgrund der jahrzehntelang einseitigen Beschäftigung wäre beim Kläger ein solcher Einsatz mit einem erheblichen Qualifizierungsaufwand mit einer Dauer von mindestens 6 Monaten verbunden, was meines Erachtens einen Verweis nicht zulässt.

Die Tätigkeit eines Kundendienstberaters (für Betriebe im Wirtschaftszweig Gas-, Wasser-, Heizungs- sowie Lüftungs- und Klimainstallation) ist eine weitere Spezialisierung. Die Tätigkeitsinhalte sehen ohne Anspruch auf Vollständigkeit wie folgt aus:
- Akquirieren und Vermitteln von Bestellungen von Waren, vornehmlich im Außendienst, für einen oder mehrere Unternehmer
- Anpreisen, Demonstrieren und Verkaufen von Waren für diesen Bereich
- Vermitteln von Informationen über die Eigenschaften von Klempner- und Sanitärwaren
- Durchführung allgemeiner Büroarbeiten (z.B. Korrespondenz, Auftragsabwicklung, Berichterstattung)
- Bearbeiten von Reklamationen
- Lagern und Disponieren von Waren sowie das Ausliefern der Waren und Muster

Überwiegend handelt es sich um eine leichte körperliche Arbeit, es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass beim Ausliefern und Lagern der Sanitär- und Klempnerwaren eine mittelschwere (evtl. schwere) körperliche Belastung zu erwarten ist. Da diese Arbeit mit einem Außendienstanteil verbunden ist, kann durch längeres Sitzen im Auto der Stütz- und Bewegungsapparat besonders belastet werden. Unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers sowie des notwendigen erheblichen Qualifizierungsaufwandes von einer Dauer von mindestens 6 Monaten ist der Verweis auf diese Tätigkeit ebenfalls nicht möglich.

Bei Beachtung des beruflichen Werdeganges und des gesundheitlichen Leistungsvermögens halte ich den Kläger aus berufskundlicher Sicht noch für in der Lage, folgende berufsfremde Tätigkeit zu verrichten:

Warenaufmacher - Versand
Die wesentlichen Aufgaben umfassen das verschönernde und zweckbedingte Aufmachen von Erzeugnissen der gewerblichen Wirtschaft und die vorbereitenden Arbeiten für deren Versand. Im einzelnen wären hier zu nennen: Das Entfernen produktionsbedingter Verschmutzungen durch Blankreiben, Polieren, das Aufkleben, Einnähen oder Befestigen von Reklame-, Prüf-, Waren- oder Gütezeichen, Etiketten, Preisauszeichnungen, das Abzählen, Abwiegen, Abmessen oder Abfüllen von Waren, das Einwickeln bzw. Einlegen von Waren in Papp- oder Holzschachteln, Kisten oder sonstigen Behältnissen, verkaufsfördernden Zierhüllen oder Zierkartons, das Verschließen dieser Behältnisse, das Anbringen von Kennzeichen oder Versandhinweisen. Schließlich gehört zu ihren Aufgaben auch, die Waren in geeigneter Form manuell oder maschinell zu verpacken und für den Versand auszuzeichnen.

Warenaufmacher-Versand können in Unternehmen unterschiedlicher Wirtschaftsbereiche tätig sein. Eine vollständige Auflistung ist nicht möglich. Nachfolgend finden Sie eine exemplarische Auswahl: Handel, Nahrung und Genussmittel, Chemie, Pharmazie, Metall- und Elektroindustrie, Herstellung und Reparatur von Büromaschinen und Computern, Textil, Bekleidung, Leder, Kunststoff, Holz und Möbel, Glas, Keramik, Feinmechanik, Optik.

Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen oder Lagerhallen, überwiegend sitzend mit gelegentlichem Gehen. Ein Wechsel zwischen Sitzen und Stehen ist meist möglich. Funktionstüchtigkeit beider Arme und Hände sollte gegeben sein (z.B. für beidhändiges Arbeiten). Für diese Tätigkeiten sind meist keine Lese- und Rechtschreibkenntnisse erforderlich.

Warensortierer
Die wesentlichen Aufgaben umfassen Sortierarbeiten im Elektrobereich, in Betrieben der Kunststoffherstellung und Kunststoffbearbeitung, der chemischen Industrie sowie Sortierarbeiten in der Nahrungs- und Genussmittelherstellung.

Bei dieser Tätigkeit handelt es sich meist um körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen oder Lagerhallen, überwiegend sitzend mit gelegentlichem Gehen. Ein Wechsel zwischen Sitzen und Stehen ist meist möglich. Gutes Sehvermögen, Beidhandgeschick und Fingerfertigkeit sind neben Aufmerksamkeit und Konzentrationsvermögen übliche Anforderungsvoraussetzungen.

Montierer
Die wesentlichen Aufgaben umfassen auf wenige Handgriffe beschränkte, leicht erlernbare Tätigkeiten beim Herstellen von Bauelementen, Modulen und Geräten aus Metall oder Kunststoff durch Zusammenfügen, Montieren oder Verbinden fertiger Einzelteile zu Halb- oder Fertigprodukten, z.B. durch Verschrauben, Löten, Schweißen, Nieten, Kleben, Stecken, Klemmen. Dies geschieht meist in der Serienfertigung. In der Großserienfertigung sind die Arbeitsabläufe in der Regel weitgehend automatisiert und arbeitsteilig organisiert. In verschiedenen Fertigungsbereichen erfolgt die Montage auch unter Einsatz von Fertigungsautomaten. Teilweise erfolgt eine Sichtkontrolle oder eine Funktionsprüfung.

Arbeitsplätze dieser Art findet man in allen Bereichen der feinmechanischen, optischen, Metall- und Elektroindustrie sowie in der Kunststoffindustrie.

Es handelt sich zumeist um körperliche leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen, überwiegend in sitzender Körperhaltung. Erforderlich sind ein gutes Sehvermögen, handwerkliches Geschick und Fingerfertigkeit. Gleichwohl wird ein gewisses Maß an Genauigkeit, Sorgfalt, Geduld, Ausdauer, Daueraufmerksamkeit und an das Konzentrationsvermögen gestellt. Abhängig vom Betrieb kann auch Zeitdruck sowie Schichtarbeit vorkommen.

zu 3.) Für die genannten Tätigkeiten sind im Allgemeinen eine Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit von maximal drei Monaten Dauer erforderlich. Die erbetene Auskunft über die tarifliche Einstufung kann ich nicht erteilen, da die Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit keine Tarifsammlung führen.

zu 4.) Unter Zugrundelegung des mir derzeit nach Aktenlage bekannten beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers ist davon auszugehen, dass der Kläger die genannten Tätigkeiten innerhalb einer dreimonatigen Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit vollwertig verrichten kann.

zu 5.) Die in Betracht kommenden Tätigkeiten stehen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang zur Verfügung.

zu 6.) Die in Betracht kommenden Tätigkeiten stehen auch Betriebsfremden zur Verfügung.
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