Keine Sozialhilfe für Pharmaunternehmen

Bundesland
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Kategorie
Entscheidungen
Staat muss nicht für Medikamentenkosten aufkommen

Werden einem nicht krankenversicherten Asylbewerber über einen längeren Zeitraum Medikamente verabreicht, ohne die zuständige Sozialhilfebehörde darüber zu informieren, können die Kosten dafür später nicht von der Behörde zurückverlangt werden.
Dies entschied die 9. Kammer des Sozialgerichts Marburg in einem heute veröffentlichten Urteil.

Asylbewerber erhielt Medikamente im Wert von 30.000,-€

Im Sommer 2005 reiste ein 26-jähriger Syrer nach Deutschland ein. Wegen einer dauerhaften Blutgerinnungsstörung musste er ärztlich behandelt werden. Aufgrund seines Status als Asylbewerber war er jedoch nicht krankenversichert.
Um eine mögliche Einblutung in die Gelenke zu verhindern, verabreichte der aufgesuchte Arzt dem jungen Mann vorsorglich über 4 Monate Medikamente im Gesamtwert von 30.000,- €, ohne sich darum zu kümmern, dass die Kosten wegen des fehlenden Krankenversicherungsschutzes nicht gedeckt waren. Die Medikamente waren dem Arzt durch den Hersteller, einem Marburger Pharmaunternehmen, zur Verfügung gestellt worden.

Das Pharmaunternehmen forderte daraufhin das zuständige Sozialamt auf, die Kosten zu übernehmen. Das Amt lehnte dies mit der Begründung ab, dass kein akuter Notfall vorgelegen habe und der Arzt vor der Behandlung die Zustimmung der Behörde hätte einholen müssen. Daher müsse das Unternehmen jetzt mit dem Arzt klären, wer für die Kosten aufkomme.

Die daraufhin erhobene Klage des Pharmaunternehmens vor dem Sozialgericht Marburg hatte keinen Erfolg.

Kostenerstattung nur im Notfall

Das Sozialgericht Marburg entschied, dass das Pharmaunternehmen keine aktive Hilfeleistung erbracht hat und daher nicht als Anspruchsberechtigter in Betracht kommt.
Ein sozialhilferechtlicher Erstattungsanspruch steht allenfalls dem Arzt zu, der die Medikamente verabreicht.
Allerdings kann auch der Arzt eine Erstattung nur dann verlangen, wenn mit der Gabe des Medikaments eine lebensbedrohliche Situation abgewendet und die Behörde im Anschluss daran umgehend informiert wird.
In allen anderen Fällen kann es ihm zugemutet werden, sich mit der Behörde vorher in Verbindung zu setzen, um den Behandlungsverlauf abzuklären.
Erfolgt die ärztliche Behandlung –wie hier- über 4 Monate hinweg, ohne dass die Kostenfrage geklärt wird, kommt eine Abwälzung auf die öffentliche Hand generell nicht in Betracht.
Insbesondere ist es nicht Aufgabe der Sozialhilfe Versäumnisse oder Missverständnisse zwischen Ärzten und Pharmaunternehmen finanziell auszugleichen.

Sozialgericht Marburg, Urteil vom 11.02.2010, Az: S 9 SO 23/08
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