Entschädigung wegen sexuellen Missbrauchs im Internat

Bundesland
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Kategorie
Entscheidungen
Erleidet ein Opfer gesundheitliche Schäden aufgrund eines sexuellen Missbrauchs, so ist ihm eine Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz zu gewähren. Dies entschied in einem heute veröffentlichten Urteil der 4. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.

Im konkreten Fall ist ein 1950 geborener Mann aus dem Werra-Meißner-Kreis Anfang der 60er Jahren in einem Internat im Landkreis Fulda von einem Heimerzieher sexuell missbraucht worden. Der Erzieher wurde zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Der geschädigte Mann, der später einen Suizidversuch unternahm und eine Alkohol- sowie Medikamentenabhängigkeit entwickelte, beantragte im Jahre 2003 Opferentschädigung. Das Landesversorgungsamt Gießen lehnte diese jedoch mit der Begründung ab, die Gesundheitsstörungen könnten nicht mehr auf die 40 Jahre zurückliegende Tat zurückgeführt werden. Bereits vor dem Missbrauch sei der Kläger durch das Elternhaus, durch die unmenschliche und entwürdigende Internatserziehung sowie durch Mitschüler massiv traumatisiert worden. Die Tat des Heimerziehers sei daher nur mit geringer Wahrscheinlichkeit für die späteren psychischen und sozialen Störungen verantwortlich.

Anders beurteilten dies die Richter beider Instanzen nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens. Die aufgrund der schwerwiegenden Gesundheitsschäden eingetretene Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70 % beruhe mit Wahrscheinlichkeit auf der Tat des Heimerziehers und sei entsprechend zu entschädigen. Die anderen negativen Ereignisse seien zwar Risikofaktoren dafür, Opfer eines Missbrauchs zu werden. Sie stellten jedoch keine außergewöhnliche Bedrohung dar.

Einer Entschädigung stehe auch nicht entgegen, dass die Tat vor dem Inkrafttreten des Opferentschädigungsgesetzes im Jahre 1976 begangen worden sei. Denn auch die vor diesem Zeitpunkt geschädigten Personen seien anspruchsberechtigt, soweit sie infolge des tätlichen Angriffs schwerbeschädigt sind und Bedürftigkeit vorliegt. Hiervon sei bei dem Kläger, der seit 2003 Sozialhilfeleistungen bezieht, auszugehen.

Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28.05.2008, Az.: L 4 VG 6/07
Ab Datum
Bis Datum
Saved