Kein kurzer Prozess nach § 102 Abs 2 SGG - fiktive Klagerücknahme

Bundesland
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Kategorie
Entscheidungen
Bayerisches Landessozialgericht: Keine fiktive Klagerücknahme bei nur unspezifischer Aufforderung, das Verfahren zu betreiben.

Ausgangspunkt

Immer wieder werden Klagen zu den Sozialgerichten erhoben, dann aber nicht mehr weiter verfolgt. Grund dafür wird wohl nicht zu letzt die Gerichtskostenfreiheit vor den Sozialgerichten sein. Um das Entstehen von „Karteileichen“ zu verhindern, ist in das Sozialgerichtsgesetz (SGG) seit 1.4.2008 eine fiktive Klage-rücknahme bei Nichtbetreiben aufgenommen worden. Die Regelung in § 102 Abs 2 SGG ist § 92 Abs. 2 VwGO nachgebildet.

In Anwendung dieser Norm hatte das Sozialgericht die Erledigung einer Klage, die monatelang nicht begründet worden war, festgestellt. Dagegen hatte sich der Kläger mit der Berufung gewandt.

Die Entscheidung

Das Bayerische Landessozialgericht hob die Entscheidung des Sozialgerichts auf und konkretisierte die Voraussetzungen, die für die fiktive Klagerücknahme erfor-derlich sind. Die Münchener Richter fordern dafür, dass vorher an die Klagepartei


eine Betreibensaufforderung zu ergehen hat, die

• konkrete Auflagen zu verfügen hat wie z.B. die Anforderung von Angaben zu bestimmten Sachverhalten, die Teilnahme an einer ärztlichen Untersuchung oder vergleichbare konkrete Handlungen,

• eine Belehrung über die Fiktionswirkung der Rücknahme enthalten muss,

• förmlich zuzustellen ist und

• bei Gerichtskostenpflicht gem § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG auf die Kostentragungspflicht § 155 Abs 2 VwGO hinweisen, der auch im Falle der fikti-ven Klagerücknahme anzuwenden ist.

Auswirkungen des Beschlusses

Unmissverständlich zeigt das Urteil auf, dass die weitreichende Wirkung der Rücknahmefiktion, der dauerhafte Verlust des Rechtsmittels, an strenge Voraus-setzungen geknüpft ist. Mit der Entscheidung wurde Klarheit geschaffen, in welchen Fällen § 102 Abs 2 SGG anwendbar ist und wann nicht.

Aktenzeichen: L 5 R 884/09
Beschluss vom 08.12.2009
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