Umweltprämie darf nicht als Einkommen angerechnet werden

Bundesland
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Kategorie
Entscheidungen
Der 7. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts hat mit Beschluss vom 30.04.2009 (Az. L 7 AS 43/10 B ER), der den Beteiligten inzwischen bekannt gegeben wurde, über die Berücksichtigung der Umweltprämie (sog. Abwrackprämie) bei Beziehern von Hartz VI entschieden.

Die Antragstellerin bezog seit August 2005 durchgängig Leistungen nach dem Zweiten Buch So-zialgesetzbuch (SGB II). Im März 2009 erwarb sie unter Ausnutzung der Umweltprämie einen neuen Pkw und gab ihr altes Fahrzeug, Baujahr 1997, ab. Den Restkaufpreis von mehr als 9.000,00 EUR finanzierte sie über Ratenzahlung. Die Prämie floss direkt vom Konto des Autohau-ses in die Finanzierung ein. Der Landkreis Mittelsachsen rechnete die Umweltprämie für ein Jahr als monatliches Einkommen in Höhe von 208,33 EUR an und gewährte im Folgezeitraum von 01.10.2010 bis 31.03.2010 entsprechend geminderte Leistungen. Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein und beantragte beim Sozialgericht Chemnitz erfolglos die Gewährung einstweili-gen Rechtsschutzes. Der Landkreis und das Sozialgericht hatten argumentiert, dass die Umwelt-prämie nicht als zweckbestimmte Leistung unberücksichtigt bleiben könne, da diese Summe um ein Vielfaches die derzeitige Regelleistung von 359,00 EUR monatlich überschreite, so dass daneben der weitere Bezug von Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt erscheine. Die Antragstellerin hat daraufhin Mietschulden auflaufen lassen und sich von Bekannten Geld gelie-hen, um die Autoraten bezahlen zu können.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Sächsische Landessozialgericht den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz aufgehoben und den Landkreis vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin für Oktober 2009 bis März 2010 weitere Leistungen in Höhe von 208,33 EUR monatlich zu ge-währen. Bei der Umweltprämie handele es sich um eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II, die einem anderen Zweck als die Leistung nach dem SGB II diene und darüber hinaus die Lage der Antragstellerin nicht so günstig beeinflusse, dass daneben Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht gerechtfertigt wären. Denn diese Regelung solle einer-seits verhindern, dass die besondere Zweckbestimmung einer Geldleistung durch die Berücksichti-gung im Rahmen des SGB II verfehlt wird, und andererseits, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden. Die Umweltprämie diene völlig anderen Zwecken als die exis-tenzsichernden Leistungen nach dem SGB II, nämlich der Verschrottung alter und dem Absatz neuer Personenkraftwagen, um durch den Austausch emissionsträchtiger Altfahrzeuge einen Bei-trag zur Schadstoffreduzierung in der Luft zu leisten bei gleichzeitiger Stärkung der Nachfrage. Zur Auszahlung kommt es zudem erst, wenn ein Verwertungsnachweis ausgestellt wurde sowie die Außerbetriebsetzung des Altfahrzeugs und die Neuzulassung auf den Antragsteller nachgewie-sen ist. Allein aus der Zweckbestimmung ergibt sich, dass eine bedarfsmindernde Anrechnung der Umweltprämie als Einkommen nicht beabsichtigt war.
Allerdings gibt es auch eine Einschränkung: der Senat geht davon aus, dass das mit Hilfe der Um-weltprämie erworbene Neufahrzeug als zu verwertendes Vermögen nur dann nicht zu berücksich-tigen ist, wenn der Wert eines angemessenen Fahrzeugs i.S.d. § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II (= 7.500,00 EUR) und zusätzlich der maßgebliche Vermögensfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB II (individuell unterschiedlich: 150,00 EUR pro Lebensjahr mindestens 3100,00 EUR) nicht überschritten wird. Das war hier nicht der Fall.

Damit hat erstmals einer der drei, für Hartz IV zuständigen Senate des Sächsischen Landessozial-gerichts zur Frage der Anrechnung bzw. Nichtanrechnung der Umweltprämie beim Bezug von SBG II-Leistungen entschieden. Diese Entscheidung deckt sich im Wesentlichen mit den Ent-scheidungen einer Reihe anderer Landessozialgerichte. Eine Entscheidung des Bundessozialge-richts zu dieser Frage liegt noch nicht vor.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Für Rückfragen stehe ich unter der Telefonnummer 0371/453-8216 zur Verfügung.


Yvonne Wagner
Richterin am LSG
stellv. Pressesprecherin
Ab Datum
Bis Datum
Saved