Kein Anspruch im einstweiligen Rechtsschutz gegenüber Krankenkasse auf prophylaktische beidseitige Brustamputation mit anschließendem sofortigen Wiederaufbau der Brüste im Sinne einer Sofortrekonstruktion

Bundesland
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Kategorie
Entscheidungen
Mit Beschluss vom 01.11.2010 verneinte die 12. Kammer des Sozialgerichts Kassel hierfür im konkreten Einzelfall sowohl das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs als auch eines Anordnungsgrundes, also die insoweit erforderliche Eilbedürftigkeit.

Zwar war der Antrag der 43 Jahre alten Versicherten gegenüber ihrer Krankenkasse auf Empfehlung ihres sie seit Jahren behandelnden Frauenarztes, ihrer Psychotherapeutin und eines plastischen Chirurgen gestellt worden. Diese hatten einerseits auf eine familiäre Krebsbelastung durch Mutter und Großmutter der Antragstellerin sowie langjährige massive zystische Veränderungen der Brüste der Antragstellerin verwiesen und andererseits eine hieraus bereits entstandene Karzinophobie mit erheblichen psychischen Beeinträchtigungen bis hin zur psychischen Dekompensation bescheinigt. Dennoch sah das Gericht die Anspruchsvoraussetzungen zumindest für die beantragte Eilentscheidung nicht als erfüllt an. Denn die erbliche Brustkrebsbelastung ist bisher lediglich vermutet, aber als Genmutation diagnostisch mit den hierfür vorgesehenen Tests genetisch nicht nachgewiesen. Es steht also nicht fest, ob die Antragstellerin das Brustkrebsgen in sich trägt. Auch waren die unstreitig langjährigen, wiederholten zystischen Veränderungen im Bereich der Brüste der Antragstellerin bisher ohne Anhalt für eine maligne Entartung dieser Zysten oder Zellatypien.

Die Empfehlung der behandelnden Ärzte entspricht weder der einschlägigen interdisziplinären Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. (DKG) und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms noch nach entsprechender Internetrecherche durch das Gericht weiteren aktuellen Forschungsergebnissen. Die Krankenkasse hat die Antragstellerin bei der vorliegend derzeit ungeklärten Sachlage im Hinblick auf die Bedeutung/Tragweite des beantragten Eingriffs zu Recht zunächst auf die Beratung durch ein interdisziplinäres Brustzentrum verwiesen hat.

Einen Anspruch allein wegen der beginnenden Entwicklung einer Karzinophobie bei psychischer Dekompensation hat das Gericht abschließend bereits deswegen verneint, weil die Behandlung insoweit vorrangig fachärztlich psychotherapeutisch, ggf. zusätzlich schmerztherapeutisch zu erfolgen hat.

Sozialgericht Kassel, Beschluss vom 01.11.2010, Az.: S 12 KR 34/10 ER
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