Auskunftsbeschluss des Bundeskartellamtes rechtswidrig

Bundesland
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Kategorie
Entscheidungen
Gesetzliche Krankenkassen müssen gegenüber dem Bundeskartellamt
keine Auskünfte wegen der Ankündigung von Zusatzbeiträgen geben

Gemeinsames Handeln der gesetzlichen Krankenkassen im Hinblick auf die Erhebung von Zusatzbeiträgen unterliegt nicht der Kartellaufsicht. Das Gesetz gegen Wettbe-werbsbeschränkungen (GWB) ist insoweit nicht anwendbar. Dies entschied heute nach mündlicher Verhandlung der 1. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.

Nach öffentlicher Ankündigung von Zusatzbeiträgen verlangt Bundeskartellamt Auskünfte von acht Krankenkassen

Am 25. Januar 2010 kündigten acht gesetzliche Krankenkassen bei einem gemeinsa-men Presseauftauftritt im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin die Erhebung von Zusatzbeiträgen an. Wegen des Verdachts der unerlaubten Preisabsprache leitete das Bundeskartellamt förmliche Verfahren ein und erließ am 17. Februar 2010 gegenüber den Krankenkassen entsprechende Auskunftsbeschlüsse. Hiergegen erhob die Kran-kenkasse Klage vor dem Hessischen Landessozialgericht, das hierfür erstinstanzlich zuständig ist. Sie sieht ihr Selbstverwaltungsrecht verletzt und hält das Kartellrecht für nicht anwendbar. Das Bundeskartellamt hingegen stuft die gesetzlichen Krankenkassen als Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts ein.

Mit Beschluss vom 1. Juni 2010 hat das Hessische Landessozialgericht die Eröffnung des Rechtsweges zu den Sozialgerichten bejaht (L 1 KR 89/10 KL). Die hiergegen er-hobene Beschwerde hat das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 28. September 2010 (B 1 SF 1/10 R) zurückgewiesen.

Kartellamt nicht zuständig - Selbstverwaltungsrecht der Krankenkasse verletzt

Die Darmstädter Richter haben der Krankenkasse Recht gegeben und den Auskunfts-beschluss für rechtswidrig erklärt. Für das Auskunftsbegehren des Kartellamtes gebe es keine Rechtsgrundlage. Der Auskunftsbeschluss verletze daher die Krankenkasse in ihrem Selbstverwaltungsrecht. Für die staatliche Aufsicht der Versicherungsträger sei zudem ausschließlich das Bundesversicherungsamt zuständig.

Das Kartellamt könne sich auch nicht auf ein Nebeneinander von Kartell- und Aufsichts-recht berufen. Denn das GWB sei auf die Wettbewerbsbeziehungen der Krankenkassen untereinander im Verhältnis zu potentiellen Pflichtversicherten nicht anwendbar. Die Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts handelten insoweit nicht als Unternehmen. Die Teilnahme am Preiswettbewerb unter den gesetzlichen Krankenkas-sen und damit auch das auf die Erhebung eines Zusatzbeitrags gerichtete Handeln sei-en keine wirtschaftliche Tätigkeit.

Anders als die privaten Versicherungsträger würden die gesetzlichen Krankenkassen eine rein soziale Aufgabe wahrnehmen, die auf dem Grundsatz der Solidarität beruhe und ohne Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt werde. Dabei seien die Krankenkassen im Wesentlichen zu den gleichen Leistungen verpflichtet und müssten diese unabhängig von der jeweiligen Beitragshöhe erbringen. Die Beitragsbemessung sei grundsätzlich einkommens- und nicht risikoabhängig. Zudem seien die Krankenkassen zu einer Art Solidargemeinschaft zusammengeschlossen und hätten untereinander einen Kosten- und Risikoausgleich vorzunehmen.

Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15.09.2011, Az.: L 1 KR 89/10 KL
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