Befreiung eines Pharma-Unternehmens von Preisabschlagspflichten

Bundesland
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Kategorie
Entscheidungen
Die gesetzlich vorgesehene Befreiungsmöglichkeit für Preisabschlagspflichten nach dem Gesetz über Rabatte für Arzneimittel ist anzunehmen, wenn die Preisabschläge aufgrund einer besonderen Marktsituation die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens gefährden würden. Hierbei ist allein auf die Situation des Unternehmens selbst und nicht auf die Situation etwaiger Gesellschafter abzustellen. Dies entschied das Sozialgericht Wiesbaden in einem heute veröffentlichen Eilverfahren.

Das Sozialgericht Wiesbaden hat in der Bundesrepublik Deutschland die alleinige örtliche Zuständigkeit erster Instanz für vergleichbare Fälle, da das Bundesministerium für Gesundheit als zuständige Behörde die Entscheidung über die Befreiung von den Preisabschlagspflichten auf das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle als Bundesoberbehörde übertragen hat, dessen Sitz sich im Gerichtsbezirk des Sozialgerichts Wiesbaden befindet.

Die Antragstellerin ist ein Pharma-Unternehmen in Form einer GmbH, dessen Produktpalette ausschließlich aus Therapieallergenen besteht. Für die Zulassung der Medikamente sind seit 2008 aufwändige medizinischer Studien durchzuführen, die das Unternehmen mit erheblichen Kosten (in den Jahren 2010 bis 2013 20 Millionen Euro) belasten. Das Unternehmen gab an, durch den Kostenaufwand für die Studien und die gesetzlichen Maßnahmen des Herstellerrabatts und des Preismoratoriums erleide es eine so erhebliche Umsatz- und Ergebnisminderung, dass hierdurch seine Existenz gefährdet werde. Der Antragsgegner lehnte den Antrag auf Reduzierung des Herstellerrabatts von 16% auf 0% und die Befreiung vom Preismoratorium ab, da eine konzernübergreifende Prüfung erforderlich sei. Zur Überprüfung notwendige Unterlagen, insbesondere der Konzernabschluss der Muttergesellschaft mit Sitz in den Niederlanden, habe die Antragstellerin nicht vorgelegt.

Das Gericht hat die gesetzlich vorgesehene, besondere Marktsituation und die wirtschaftliche Existenzgefährdung die zur Befreiung führen könne, im zu entscheidenden Fall bejaht. Nach dem vorgelegten Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft seien die geforderten Preisabschläge nach § 130a SGB V ursächlich für eine wesentliche Verlustsituation des Unternehmens, die perspektivisch den kompletten Verzehr der Liquidität zur Folge hätten. Maßgebend sei zudem, dass das Unternehmen umfangreiche Studien für die Zulassung der von ihm betriebenen Therapieallergene finanzieren müsse. Auf die finanzielle Situation der Muttergesellschaft komme es hierbei nicht an. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, deren Ausgestaltung die Ursache für die Gefährdung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin darstellen könnten, lägen nicht vor.

Sozialgericht Wiesbaden, Beschluss vom 23.01.2012, Az.: S 2 KR 294/11 ER
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