Müllmänner mit Leistungssportlern vergleichbar

Bundesland
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Kategorie
Entscheidungen
Berufsgenossenschaft muss Meniskuserkrankung eines Müllwerkers als Berufskrankheit anerkennen

Die Kniebelastung von Müllwerkern ist vergleichbar mit derjenigen von Hochleistungssportlern. Erleidet ein Müllwerker eine Meniskuserkrankung, ist diese bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen als Berufskrankheit anzuerkennen und zu entschädigen. Dies entschied in einem heute veröffentlichten Urteil der 9. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.

Berufsgenossenschaft verneint Berufskrankheit
Ein Müllwerker erlitt im Jahre 2005 während seiner beruflichen Tätigkeit ein Verdrehtrauma im rechten Kniegelenk. Die medizinische Untersuchung ergab eine ausgeprägte degenerative Meniskopathie. Die Berufsgenossenschaft lehnte eine Entschädigung des Arbeitsunfalls mit der Begründung ab, dass die Erkrankung keine Unfallfolge sei. Es liege auch keine Berufskrankheit vor, da Müllwerker nicht entsprechenden Kniebelastungen ausgesetzt seien. Der 47-jährige Mann aus dem Landkreis Offenbach, der seit 1993 bei einem privaten Müllentsorgungsunternehmen beschäftigt ist, klagte auf Anerkennung der Berufskrankheit.

Alltägliche Lebenswirklichkeit mache Müllwerker mit Profisportlern vergleichbar
Die Darmstädter Richter verurteilten die Berufsgenossenschaft zur Anerkennung der Berufskrankheit. Müllwerker seien bei ihrer Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung Belastungen der Kniegelenke ausgesetzt. Dies resultiere aus der häufigen und erheblichen Bewegungsbeanspruchung insbesondere beim Laufen und Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf unebenem Untergrund. Solche Belastungen mit reflektorisch unkoordinierten Bewegungsabläufen lägen auch bei Rangierern sowie bei Hochleistungssportlern wie Fußball-, Handball- und Basketballspielern vor, deren Meniskuserkrankungen als Berufskrankheiten anerkannt würden. Die Tätigkeit eines Müllwerkers sei aufgrund der häufigen Sprungbewegungen auf bzw. von dem Trittbrett des Fahrzeugs mit der eines Rangierers vergleichbar. Die schnellen und unregelmäßigen Lauf- und Drehbewegungen beim Verbringen der Mülltonnen seien den Bewegungsabläufen der Profiballsportler ähnlich.

Entgegen der Annahme der Berufsgenossenschaft sei die Tätigkeit von Müllwerkern auch nicht von einem kontrollierten Besteigen des Trittbretts - vergleichbar dem Benutzen einer Leiter oder Treppe - geprägt. Diese Vorstellung entspreche allenfalls den bestehenden Arbeitsschutzbedingungen, nicht aber der alltäglichen Lebenswirklichkeit von Müllwerkern.

Im Fall des klagenden Müllwerkers seien zudem die Meniskuserkrankung vor dem 50. Lebensjahr aufgetreten und berufsunabhängige Risikofaktoren auszuschließen, so dass die Berufskrankheit anzuerkennen sei.

Hinweise zur Rechtslage

§ 7 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII)
(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

§ 9 SGB VII
(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung
solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (.)

§ 1 Berufskrankheiten-Verordnung (BKV)
Berufskrankheiten sind die in der Anlage 1 bezeichneten Krankheiten (.).

Nr. 2102 der Anlage 1 zur BKV
Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten

Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom (noch offen) Az.: L 9 U 211/09
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