Bildungspaket erfasst auch Lernschwäche

Bundesland
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Kategorie
Entscheidungen
Kreis muss Kosten für Legasthenie-Therapie übernehmen
Hilfsbedürftige Schüler die eine Lese- und Rechtsschreibschwäche haben, müssen die
Kosten für eine entsprechende Therapie nicht aus eigener Tasche zahlen, sondern
können diese über das Hartz IV- Bildungspaket vom Jobcenter bezahlt bekommen.
Dies entschied die 5. Kammer des Sozialgerichts Marburg in einem heute veröffentlichten
Eilbeschluss.

Jobcenter wollte nicht zahlen
Die 12-jährige Antragstellerin aus Marburg leidet unter einer Lese- und Rechtsschreibschwäche.
Sie wird seit der 1. Klasse von der Schule gefördert. Trotzdem konnte sie
das Leistungsniveau ihrer Klassenkameraden noch nicht erreichen. Seit dem Jahr 2011
erhält sie eine besondere Therapie, die aufgrund eines richterlichen Beschlusses auch
zunächst vom Jobcenter bezahlt wurde.
Im Juli 2012 lehnte das Jobcenter die weitere Zahlung mit der Begründung ab, dass
eine dauerhafte Förderung vom Gesetz nicht vorgesehen sei.
Im gerichtlichen Eilverfahren vor dem Sozialgericht Marburg bekam die Antragstellerin
nun Recht.

Legasthenie verschlechtert die Bildungschancen
Die zuständige Marburger Richterin begründete den Beschluss damit, dass eine Leseund
Rechtschreibschwäche sich massiv auf das Bildungsniveau und damit auch auf die
Berufschancen auswirke, wenn sie unbehandelt bleibe. Lesen und Schreiben seien
elementare Fähigkeiten, die jeder Schüler können müsse, um später eine Chance auf
dem Arbeitsmarkt zu haben. Zwar sei dies grundsätzlich Aufgabe der Schulen. Dies
gelte aber nur, soweit die schulischen Förderungsmöglichkeiten ausreichend seien, um
die Schwächen zu beheben. Soweit durch die Lernschwäche keine soziale Isolation
oder eine seelische Erkrankung drohe, könne das Jobcenter die Betroffenen auch nicht
auf das Jugendamt verweisen, sondern müsse die Leistung aus dem Bildungspaket
erbringen. Eine zeitliche Begrenzung der Förderung sehe das Gesetz nicht vor. Eine
Ablehnung der Leistungen sei nur dann möglich, wenn Schüler über ihre eigentlichen
geistigen Möglichkeiten hinaus gefördert werden sollten. Die Antragstellerin sei aber
überdurchschnittlich intelligent, so dass die Lese- und Rechtschreibschwäche die Ausschöpfung
dieses geistigen Potentials nicht behindern dürfe.
Keinesfalls dürfe es dazu kommen, dass solche Schüler wegen finanzieller Aspekte
unter ihren intellektuellen Möglichkeiten blieben.
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.

Sozialgericht Marburg, Beschluss vom 01.11.2012, Az: 5 AS 213/12 ER
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