Notdienstarzt muss für seine Vergütung vor Gericht ziehen

Bundesland
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Kategorie
Entscheidungen
SG Marburg hält Verhalten der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen für grob rechtswidrig

Das Honorar für geleisteten Notdienst an Wochenenden und Feiertagen darf von der der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH) nicht willkürlich gekürzt werden.

Dies entschied die 12. Kammer des Sozialgerichts Marburg in einem heute veröffentlichten Urteil.

KVH verrechnet Honoraranspruch mit Garantiepauschale
Der Kläger ist Facharzt für Allgemeinmedizin. Zugleich ist er als Obmann für seinen in Mittelhessen gelegenen ärztlichen Bereitschaftsdienstbezirk tätig.
Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH) zahlte ihm nicht die volle Vergütung für die geleisteten Notdienste, sondern nahm eine „Verrechnung“ von „leistungsstarken“ mit „leistungsschwachen“ Tagen vor, an denen eigentlich die Garantiepauschale zu zahlen gewesen wäre. Hierdurch erhielt der Kläger im dritten und vierten Quartal 2011 200 € bzw. 125 € weniger Honorar.
Die Beklagte berief sich für ihr Vorgehen auf eine interne Systemumstellung, die eine
„tagesbezogene“ Abrechnung nicht zulasse.

Der Kläger, der in einem Musterverfahren für etwa 20 weitere Kollegen vor Gericht gezogen war, erklärte in der mündlichen Verhandlung, ihm gehe es vor allem um Verlässlichkeit und Vertrauen auf bestehende Vergütungssätze und die von ihm entsprechend erteilten Auskünfte als verantwortlicher Obmann an die Kollegen.

Verwaltungsorganisation muss sich an Recht und Gesetz ausrichten
Das für ganz Hessen erstinstanzlich zuständige SG Marburg gab dem Kläger in vollem Umfang Recht. Ohne Rechtsgrundlage, so die Richter der 12. Kammer, ist die KVH nicht befugt, den Honoraranspruch und die auch von ihr nicht bestrittene Garantiepauschale des Klägers zu kürzen.

Allein aus verwaltungsorganisatorischen Regelungen könnten Ansprüche der Kassenärzte nicht verkürzt werden. Dies verstoße gegen grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien. Insoweit müsse sich die interne Abrechnungspraxis an der bestehenden Rechtsordnung orientieren und nicht umgekehrt.

Besonders unverständlich war für das Gericht die beharrliche Weigerung der beklagten KVH, sich mit den rechtlichen Argumenten des Gerichts auseinanderzusetzen.
Dies stellt weder eine ordnungsgemäße Prozessführung, noch ein angemessenes Verhalten einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft dar.

Wegen des geringen Streitwerts und der klaren Sachlage ließ das Gericht die Berufung nicht zu.

Die KVH kann daher zunächst nur Beschwerde beim LSG Hessen mit dem Ziel der Berufungszulassung einlegen. Nur bei deren Erfolg kann sich das LSG Hessen inhaltlich mit der Streitsache befassen.

Anmerkung:
Die Garantiepauschale ist eine feststehende Tagespauschale, die - ohne Rücksicht auf die tatsächlich erbrachten ärztlichen Leistungen - allein für die aufgewandte Bereitschaftszeit gezahlt wird. Sie stellt daher eine Mindestvergütung dar.

Sozialgericht Marburg, Urteil vom 15.01.2014, Az.: S 12 KA 484/12
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