Die Erweiterte Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ist rechtswidrig

Bundesland
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Kategorie
Entscheidungen
Das Sozialgericht Marburg hat in mehreren Entscheidungen wesentliche Teile der letzten Reform über die Erweiterte Honorarverteilung (EHV) der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH) für rechtswidrig erklärt.

In Hessen haben Vertragsärztinnen und Vertragsärzte - neben Ansprüchen gegenüber dem Versorgungswerk der Landesärztekammer - auch Versorgungsansprüche aus der so genannten Erweiterten Honorarverteilung (EHV) der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KV).

Dabei wird ein Teil des Honorars, das von den Krankenkassen zur Vergütung der ärztlichen Leistungen bezahlt wird, nicht an die berufstätigen Ärzte verteilt, sondern den aus dem Berufsleben ausgeschiedenen Vertragsärzten oder deren Hinterbliebenen als Rente ausgezahlt.

An diesem Umlageverfahren sind derzeit über 9.000 Ärzte als Einzahler und rund 6.000 Rentenempfänger (ca. 4.000 Ärzte, 1.700 Witwen) beteiligt. Der in diesem Rahmen zu verteilende prozentuale Anteil am Gesamthonorar beträgt 5 bis 6% und macht jährlich etwa 85 Mio. Euro aus.

Mit der letzten größeren Reform der EHV zum 1. Juli 2012 wurde die quartalsweise schwankende Berechnung auf feste Jahresgrößen umgestellt.

Dagegen klagten vor dem SG Marburg mehrere aktive und berentete Ärzte.

Während im ersten Fall die Höhe der Beitragszahlungen angegriffen wurde, hielten die Rentenempfänger im Wesentlichen die Höhe der Rentenzahlungen für zu gering.

Beiträge sind zu hoch
Auf der Beitragsseite beanstandete die Kammer in drei ersten Musterverfahren die generelle Nichtberücksichtigung besonderer Kostenanteile ebenso wie die Bildung zu großer Beitragsklassen als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Sachliche Gründe für die im Ergebnis stärkere Heranziehung kostenintensiver Praxen seien ebenso wenig ersichtlich wie für die, gemessen am Umsatz, zwischen 4,8 % bis 9,7 % schwankende Heranziehung der Ärzte.

Die grundsätzliche Heranziehung aller Vertragsärzte zur EHV hielt das Gericht allerdings für rechtmäßig. Dies gelte gleichermaßen für in Einzelpraxen tätige Vertragsärzte, als auch für Berufsausübungsgemeinschaften oder in Medizinischen Versorgungszentren angestellte Ärzte.

Dies hatte auch das Bundessozialgericht bereits für die Vorläuferregelungen bestätigt.

Auch die Einbeziehung des Honorars aus Sonderverträgen sei rechtmäßig, weil der hessische Landesgesetzgeber hierfür im Dezember 2009 eigens eine Rechtsgrundlage geschaffen hat, die von der KVH zum Juli 2011 umgesetzt wurde.

Diese Rechtsgrundlagen seien nicht zu beanstanden.

Schätzungen können Grundlage von Beiträgen sein
In zwei weiteren Entscheidungen vom 19.11.2014 hat sich das Gericht mit der grundsätzlichen Frage beschäftigt, wie zu verfahren ist, wenn Vertragsärzte keine Angaben zu ihren Einnahmen aus Sonderverträgen machen.

Zwar hat es die Praxis der beklagten KV beanstandet, einen Widerspruch nur unter der Voraussetzung der Angabe der Einnahmen aus den Sonderverträgen zuzulassen. Gleichwohl wurde die Klage aber abgewiesen, da die Schätzung im Ergebnis (über 25.000 € pro Quartal) rechtmäßig sei.

Das Gericht entschied darüber hinaus, dass eine KV-übergreifende Berufsausübungsgemeinschaft mit Beiträgen belastet werden kann, die durch Schätzung der Einnahmen der dort tätigen Ärzte berechnet wurden.

Berentete Ärzte bekommen zu wenig Rente

Die berenteten Ärzte bekamen weitgehend Recht.

Konkret beanstandete das Gericht, dass die beklagte KV von einem unzutreffenden Durchschnittshonorar ausgegangen sei, welches für die Bemessung der Rentenhöhe maßgeblich ist. Insbesondere sei die Berücksichtigung des so genannten Nachhaltigkeitsfaktors beim Durchschnittshonorar rechtswidrig, weil es bereits in der Satzung der KVH keine Rechtsgrundlage gebe.

Der Nachhaltigkeitsfaktor ist ein fiktiver Wert, der sich auf die Veränderung des Verhältnisses der Beitragszahler zu den Rentenbeziehern bezieht. Ursprünglich hatte die KV den Nachhaltigkeitsfaktor direkt auf den Rentenanspruch angewandt, was dazu führte, dass niedrigere Rentenzahlungen erfolgten. Diese Praxis hatte das Bundessozialgericht bereits für rechtswidrig erachtet.

Weiter bemängelte das Gericht, dass die Satzung der KV seit 2011 Honorare aus Sonderverträgen beitragserhöhend berücksichtige, was sich aber nicht auf der Leistungsseite erhöhend auswirke.

Hierfür müsse die KV ein Übergangsrecht schaffen.

Die ebenfalls angegriffene Verwaltungskostenumlage, die sowohl Rentenempfänger, wie auch aktive Vertragsärzte in gleicher Höhe zu entrichten haben, erklärte das Gericht allerdings für rechtmäßig.

SG Marburg, Urteile vom 05.11.2014

EHV-Bezieher:
S 12 KA 83, 84 und 331/13

EHV-Beitragszahler:
S 12 KA 420/14 (Vertragsärztin),
S 12 KA 419/14 (Berufsausübungsgemeinschaft),
S 12 KA 81/14 (Medizinisches Versorgungszentrum),
S 12 KA 392/13 (Honorar aus Sonderverträgen)

SG Marburg, Urteile vom 19.11.2014

Schätzbescheid: S 12 KA 442/13
Berufsausübungsgemeinschaft S 12 KA 441/13

Die Urteile sind demnächst abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de und der hessischen Landesrechtsprechungsdatenbank.

Weitere Informationen und die Grundsätze der EHV sind auf der homepage der KVH abrufbar.

Für weitere Musterverfahren hat das Gericht eine mündliche Verhandlung am 10.12.2014 anberaumt.
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