L 8 AY 27/22 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Asylbewerberleistungsgesetz
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 AY 185/21 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AY 27/22 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Eine fortgesetzte Anspruchseinschränkung ist möglich, wenn die Pflichtverletzung fortbesteht und die gesetzlichen Voraussetzungen der Anspruchseinschränkung weiterhin vorliegen. § 1a Abs. 1 Satz 3 AsylbLG ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass ergänzend die weiteren in §§ 3, 3a und 6 AsylbLG vorgesehenen Leistungen zu gewähren sind, allerdings nicht pauschaliert, sondern nur wenn dies nach der Bedarfssituation des Antragstellers geboten ist.

 

I. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 21. Januar 2022 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.


G r ü n d e :

I.

Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für die Zeit ab 27.12.2021.

Die 1991 geborene Antragstellerin zu 1 ist nigerianische Staatsangehörige und die Mutter des 2017 geborenen Antragstellers zu 2 und des 2019 geborenen Antragstellers zu 3. Sie reiste im August 2017 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 08.01.2018 abgelehnt. Die Flüchtlingseigenschaft sowie der subsidiäre Schutzstatus wurden nicht zuerkannt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen, und die Antragstellerin zu 1 wurde unter Abschiebungsandrohung nach Nigeria aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Die Antragstellerin zu 1 begab sich daraufhin mit dem Antragsteller zu 2 nach Frankreich und beantragte dort Asyl. Nach einem zwischenzeitlichen Aufenthalt in den Niederlanden reisten sie am 14.11.2019 erneut nach Deutschland ein und stellte einen weiteren Asylantrag. Der Folgeantrag der Antragstellerin zu 1 und des Antragstellers zu 2 wurde mit Bescheid des BAMF vom 21.11.2019 als unzulässig abgelehnt. Gründe für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens lägen nicht vor. Den Asylantrag des Antragstellers zu 3 lehnte das BAMF mit Bescheid vom 03.12.2019 ebenfalls ab. Auch für ihn wurde festgestellt, dass keine Abschiebungsverbote vorliegen. Eine Klage gegen die Ablehnung blieb ohne Erfolg (Urteil des VG Ansbach vom 12.03.2021). Die Antragsteller besitzen Duldungen für Personen mit ungeklärter Identität.

Seit Juli 2020 wohnen die Antragsteller in der ihnen zugewiesenen Gemeinschaftsunterkunft in A. Mit Bescheid vom 21.08.2020 bewilligte der Antragsgegner für die Zeit vom 14.08.2020 bis 31.12.2020 Grundleistungen nach dem AsylbLG in Höhe von monatlich 316 € für die Antragstellerin zu 1 und jeweils 218 € für die Antragsteller zu 2 und 3.

Bereits am 27.11.2019 wurde die Antragstellerin zu 1 von der J. - Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) - ausführlich über ihre ausländerrechtlichen Pflichten belehrt. U.a. wurde sie darauf hingewiesen, dass sie verpflichtet sei, an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken, falls sie keinen gültigen Pass oder Passersatz besitzen sollte. Insoweit sei sie verpflichtet, private Anstrengungen zur Identitätsklärung zu unternehmen, beispielsweise Dokumente über Verwandte im Heimatland zu beschaffen. Dieselbe Belehrung erfolgte jeweils mit der Verlängerung der Duldung. Mit Schreiben vom 25.08.2020 belehrte die ZAB die Antragstellerin zu 1 nochmals ausdrücklich über ihre ausländerrechtlichen Pflichten und forderte sie mit einem weiteren Schreiben vom selben Tag unter Fristsetzung bis 06.10.2020 auf, einen Pass oder Passersatz bzw. Nachweise zu ihren Bemühungen um ein entsprechendes Dokument vorzulegen. Mit Schreiben vom 10.11.2020 wies der Antragsgegner die Antragstellerin darauf hin, dass die Voraussetzungen für eine Leistungseinschränkung erfüllt seien und gab ihr die Möglichkeit, bis 25.11.2020 einen Reisepass oder zumindest eine Bestätigung der Botschaft über die Beantragung eines Reisepasses bei der ZAB vorzulegen.

Nachdem die Antragstellerin den Aufforderungen nicht nachkam, hob der Antragsgegner mit Bescheid vom 25.11.2020 den Bewilligungsbescheid vom 21.08.2020 ab dem 01.12.2020 auf und schränkte die Leistungen für die Antragstellerin zu 1 in der Zeit vom 01.12.2020 bis zum 31.05.2021 nach § 1a AsylbLG ein. Den Antragstellern zu 2 und 3 wurden weiterhin uneingeschränkte Grundleistungen bewilligt. Widerspruch wurde gegen diesen Bescheid nicht eingelegt. Nach erneuter erfolgloser Aufforderung zur Vorlage eines Reisepasses oder einer Bestätigung der Botschaft schränkte der Antragsgegner mit Bescheid vom 20.05.2021 die Leistungen für die Antragstellerin zu 1 nach § 1a AsylbLG in der Zeit vom 01.06.2021 bis zum 30.11.2021 erneut ein. Für die Antragstellerin wurden Leistungen für Ernährung, Körper- und Gesundheitspflege in Höhe von 163 € monatlich bewilligt. Die Antragsteller zu 2 und 3 erhielten weiterhin Grundleistungen in Höhe von monatlich jeweils 247 €. Auch gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller keinen Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 05.08.2021 wurde die Antragstellerin zu 1 von der ZAB erneut aufgefordert, bis 02.09.2021 einen Pass oder Passersatz bzw. Nachweise vorzulegen, die ihre Bemühungen um ein entsprechendes Dokument belegten. Mit Schreiben vom 09.11.2021 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1 mit, dass die Voraussetzungen für eine Leistungseinschränkung weiterhin erfüllt seien und dass beabsichtigt sei, die Leistungen für den Zeitraum ab dem 01.12.2021 für weitere sechs Monate auf Leistungen nach § 1a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG einzuschränken. Der Antragstellerin zu 1 wurde Gelegenheit gegeben, sich hierzu bis zum 22.11.2021 zu äußern bzw. bis zu diesem Datum einen Reisepass oder zumindest eine Bestätigung der Botschaft über die Beantragung vorzulegen.

Nach telefonischer Bestätigung durch die ZAB, dass die Antragstellerin zu 1 weiterhin ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkomme, dass weiterhin Monokausalität zwischen der Mitwirkungsverweigerung und den nicht eingeleiteten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegeben sei und dass den Antragstellern die Ausreise nach Nigeria weiterhin möglich und zumutbar sei, gewährte der Antragsgegner mit Bescheid vom 26.11.2021 im Zeitraum vom 01.12.2021 bis 31.05.2022 Leistungen für Ernährung, Körper- und Gesundheitspflege in Höhe von 163 € monatlich. Leistungen für Unterkunft einschließlich Heizung wurden als Sachleistungen gewährt. Die Antragsteller zu 2 und 3 erhielten Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG in Höhe von monatlich 247 €. Die Antragstellerin zu 1 sei ihrer Mitwirkungspflicht zur Beschaffung eines Reisepasses oder anderer Heimreisedokumente nicht nachgekommen. Dazu sei sie seit dem 25.08.2020 mehrfach aufgefordert worden. Es sei ihr auch jederzeit möglich, die Ausstellung eines Reisepasses zu beantragen und nach Nigeria auszureisen. Ggf. erforderliche Kosten könnten darlehensweise übernommen werden. Die Pflichtverletzung bestehe daher fort. Die Monokausalität zwischen der Weigerung, den Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung nachzukommen, und den nicht eingeleiteten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sei ebenfalls erfüllt. Sollte die Antragstellerin innerhalb des Kürzungszeitraums ihren Mitwirkungspflichten nachkommen, könne die Kürzung vorzeitig beendet werden.

Am 27.12.2021 legten die Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.11.2021 ein. Sie hätten Anspruch auf Analogleistungen, da sie sich seit mehr als 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhielten. Auch seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1a Abs. 3 AsylbLG nicht erfüllt. Eine vorherige Aufforderung der Antragstellerin zu 1 unter konkreter Bezeichnung der geforderten Mitwirkungshandlung und angemessener Fristsetzung sei nicht erfolgt. Außerdem sei es den Antragstellern zu 2 und 3 aufgrund fehlender Reisedokumente nicht möglich, auszureisen. Die fehlende Mitwirkung der Antragstellerin zu 1 sei deshalb jedenfalls nicht allein ursächlich dafür, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden könnten. Darüber hinaus sei die Regelung des § 1a AsylbLG evident verfassungswidrig. Gleichzeitig wurde die Überprüfung der bestandskräftigen Bewilligungsentscheidungen ab 01.01.2020 im Hinblick auf die Gewährung ungekürzter Leistungen entsprechend der Bedarfsstufe 1 beantragt.

Am 28.12.2021 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Würzburg (SG) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 26.11.2021 sowie die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG, für die Antragstellerin zu 1 entsprechend der Regelbedarfsstufe 1, beantragt. Zur Begründung des Antrags ist ausgeführt worden, dass die Regelung des § 1a AsylbLG evident verfassungswidrig sei, da sie das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletze. Die den Anspruch begründende Menschenwürde stehe allen zu und gehe selbst durch ein vermeintlich "unwürdiges" Verhalten nicht verloren. Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstrecke sich sowohl auf die Sicherung der physischen Existenz als auch auf die Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Es widerspräche dem nicht relativierbaren Gebot der Unantastbarkeit, wenn nur ein Minimum unterhalb dessen gesichert würde, was der Gesetzgeber bereits als Minimum normiert habe. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe jüngst für die streitgegenständliche Norm konkretisiert, dass eine generalisierende Einschränkung von vornherein unzulässig sei. Eine Praxis, wonach soziokulturelle Bedarfe allgemein als entbehrlich angesehen würden, sei mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht vereinbar. § 1a AsylbLG in seiner aktuellen Fassung enthalte jedoch gerade eine solche generalisierende Einschränkung. Zwar könnten staatliche Leistungen zur Existenzsicherung an Mitwirkungspflichten gebunden werden, die darauf abzielten, die Hilfebedürftigkeit zu überwinden, soweit sie verhältnismäßig seien. Migrationspolitische Erwägungen könnten allerdings von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards rechtfertigen. Die Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG verfolge kein legitimes Ziel im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG. Sie sei vielmehr darauf ausgerichtet, eine Aufenthaltsbeendigung zu ermöglichen. Auch sei die starre Sanktionsdauer von sechs Monaten ohne die Möglichkeit der Betroffenen, die Sanktion durch eigenes Handeln abzuwenden, mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Im Übrigen lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1a Abs. 3 AsylbLG nicht vor. Der Antragstellerin hätte vor der Entscheidung über die Einschränkung eine angemessene Frist zur Beendigung des leistungsmissbräuchlichen Verhaltens gesetzt werden müssen, so dass sie die Leistungseinschränkung durch eigenes Zutun hätte abwenden können. Eine Aufforderung unter konkreter Bezeichnung der geforderten Mitwirkungshandlung und angemessener Fristsetzung sei nicht erfolgt. Im Übrigen sei den Antragstellern zu 2 und 3 eine Ausreise wegen fehlender Reisedokumente nicht möglich. Eine Ausreise der Antragstellerin zu 1 würde zu einer dauerhaften Trennung von ihren Kindern führen und sei deshalb nicht zumutbar. Die fehlende Mitwirkungshandlung der Antragstellerin zu 1 sei deshalb jedenfalls nicht allein ursächlich dafür, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden könnten. Weiterhin hätten die Antragsteller Anspruch auf Analogleistungen, da sie sich seit mehr als 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufgehalten hätten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hätten. Die Antragstellerin zu 1 habe zudem Anspruch auf Leistungen entsprechend der Bedarfsstufe 1. Es verstoße gegen das Gleichheitsgebot, wenn Leistungsberechtigte in Gemeinschaftsunterkünften Leistungen nur nach Bedarfsstufe 2 erhielten. Eine Differenzierung sei nur möglich, sofern der Bedarf an existenznotwendigen Leistungen signifikant von dem anderer Bedürftiger abweiche und dies in einem transparenten Verfahren belegt werden könne. Der Gesetzgeber habe aber keine Ermittlungen zum spezifischen Bedarf angestellt. Der Bedarf weiche auch nicht signifikant ab. Als Grund für die Leistungsreduzierung werde eine "Solidarisierung in der Gemeinschaftsunterbringung" behauptet. Dass diese Herleitung verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht genüge, sei offensichtlich. Personen, die gemeinsam untergebracht seien, profitierten nicht von Einspareffekten. Leistungen i.H.v. nur 90% seien evident unzureichend.

Das SG hat die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz - nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren - mit Beschluss vom 21.01.2022 abgelehnt. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vom Antragsgegner vorgenommenen Anspruchseinschränkung der Antragstellerin zu 1. Insbesondere bestünden keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1a Abs. 3 AsylbLG seien erfüllt. Es könne davon ausgegangen werden, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus von der Antragstellerin zu 1 zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden könnten. Trotz der Aufforderungen vom 25.08.2020 und 05.08.2021 habe sie bei der Passbeschaffung nicht mitgewirkt, wobei die erforderliche Monokausalität vorliege. Daher seien auch die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 AsylbLG für eine fortgesetzte Anspruchseinschränkung erfüllt. Von einer fortbestehenden Pflichtverletzung sei schon aus dem Grunde auszugehen, weil die Antragstellerin zu 1 nach Erlass der vorangegangenen Anspruchseinschränkung von der ZAB erneut mit Schreiben vom 05.08.2021 erfolglos zur Mitwirkung bei der Passbeschaffung aufgefordert worden sei. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen der Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Gewährung sogenannter Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG für alle drei Antragsteller fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil sich die Antragsteller vor der Antragstellung bei SG nicht mit dem Begehren nach Analogleistungen an den Antragsgegner gewandt hätten. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine einstweilige Anordnung bestehe in der Regel nur, wenn der Antragsteller zuvor sein Begehren an den zuständigen Verwaltungsträger herangetragen und die normale Bearbeitungszeit abgewartet habe. Vorliegend habe der Antragsgegner vor Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keine Gelegenheit gehabt, sich inhaltlich mit dem Begehren der Antragsteller auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG auseinanderzusetzen. Dem geltend gemachten Anspruch auf Grundleistungen für die Antragstellerin zu 1 stehe bereits der Umstand entgegen, dass der Antragsgegner in sofort vollziehbarer Weise eine Einschränkung des Leistungsanspruchs der Antragstellerin zu 1 nach § 1a Abs. 3 AsylbLG für die Zeit vom 01.12.2021 bis zum 30.06.2022 vorgenommen habe.

Gegen den Beschluss haben die Antragsteller am 21.02.2022 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt. Zur Begründung ist weitestgehend der erstinstanzliche Vortrag wiederholt worden.

Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 21.01.2022 abzuändern, die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 26.11.2021 anzuordnen und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern für die Zeit vom 27.12.2021 bis 31.05.2022 vorläufig Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG entsprechend der Regelbedarfsstufe 1 für die Antragstellerin und der Regelbedarfsstufe 6 für die Antragsteller zu 2 und 3 zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Seitens des Antragsgegners bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Rechtsvorschrift des § 1a Abs. 3 AsylbLG. Dem Antragsgegner als Behörde stehe auch keine Normverwerfungskompetenz hinsichtlich bundesrechtlicher Regelungen zu. Bei Vorlage der für die Ausreise erforderlichen Dokumente würden für alle drei Antragsteller aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet. Entgegen der Behauptung der Antragsteller würde die Antragstellerin zu 1 nicht ohne ihre beiden minderjährigen Kinder abgeschoben. Der Antragstellerin drohe durch die gewährten Leistungen weder Obdachlosigkeit noch sei die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Kleidung oder eine ausreichende Gesundheitsversorgung gefährdet. Hinsichtlich höherer Leistungen für die Antragsteller zu 2 und 3 müssten sich diese das Verschulden ihrer Mutter zurechnen lassen. Die Grundleistungen entsprächen im Übrigen 95,57 % der Leistungen nach § 2 AsylbLG. Die Gewährung nur von Grundleistungen stelle damit keinen schwerwiegenden Eingriff dar und werde aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung als angemessen betrachtet.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG) ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 € überschreitet (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Nach der Entscheidung des SG erhält die Antragstellerin zu 1 weiterhin nur eingeschränkte Leistungen in Höhe von monatlich 164 €. Mit ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz begehrt sie dagegen Analogleistungen nach § 2 AsylbLG entsprechend der Regelbedarfsstufe 1, die für einen alleinstehenden Erwachsenen monatlich 449 € betragen. Bezogen auf die Regelungsdauer des angefochtenen Bescheids von fünf Monaten ab dem Zeitpunkt der Antragstellung beim SG überschreitet die Differenz zwischen den gewährten und den begehrten Leistungen allein für die Antragstellerin zu 1 den Beschwerdewert von 750 €.

Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist das Begehren der Antragsteller, für die Zeit von 27.12.2021 bis 31.05.2022 vorläufig höhere Leistungen nach dem AsylbLG in Form von sog. Analogleistungen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG) für die Antragstellerin zu 1 nach Regelbedarfsstufe 1 und für die Antragsteller zu 2 und 3 nach Regelbedarfsstufe 6 zu erhalten. Da es sich hinsichtlich der Höhe der Leistungen nach dem AsylbLG um einen einheitlichen Streitgegenstand handelt, unabhängig davon, auf welche Rechtsgrundlage das Begehren nach weiteren Leistungen gestützt wird, ist - jedenfalls regelmäßig im Wege der Auslegung nach dem Meistbegünstigungsprinzip - die Leistungshöhe unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (vgl. BSG, Urteile vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R und vom 26.06.2013 - B 7 AY 6/11 R; Urteil des Senats vom 29.04.2021 - L 8 AY 122/20 - alle nach juris).

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz richtet sich vorliegend allein nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, nicht hingegen nach § 86b Abs. 1 SGG, denn statthafte Klageart in der Hauptsache wäre eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4, § 56 SGG). Allein mit der Aufhebung des Bescheides vom 26.11.2021, mit dem die Antragsgegnerin für die Zeit von Dezember 2021 bis Mai 2022 (nur) Leistungen im Umfang von § 1a Abs. 1 AsylbLG für die Antragstellerin zu 1 bzw. Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG für die Antragsteller zu 2 und 3 gewährt, können die Antragsteller ihr Ziel nicht erreichen. Eine den hier betroffenen Zeitraum ab 27.12.2021 wenigstens teilweise erfassende frühere Leistungsbewilligung liegt nicht vor.

Der so verstandene Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist nicht zulässig, soweit er sich auf den Erhalt von Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG richtet, denn insoweit hat das SG zu Recht festgestellt, dass ein Rechtsschutzbedürfnis als Voraussetzung für jedes Rechtsschutzbegehren fehlt. Dieses beinhaltet für den Fall einer einstweiligen Anordnung, dass der jeweilige Antragsteller sich zuvor an die zuständige Behörde gewandt hat (vgl. Beschluss des Senats vom 27.10.2020 - L 8 AY 105/20 B ER - juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 86b Rn. 26b). Daran fehlt es hier. Die bisherigen Leistungsbewilligungen - einschließlich der Bewilligung nur eingeschränkter Leistungen für die Antragstellerin zu 1 - sind nicht mit Widerspruch angefochten und damit zwischen den Beteiligten bindend geworden. Auch auf die jeweiligen Anhörungen durch den Antragsgegner mit Schreiben vom 10.11.2020, 10.05.2021 und 09.11.2021 haben sie nicht reagiert. Ihr Begehren nach höheren (Analog-)Leistungen haben die Antragsteller erstmals in mit dem am 27.12.2021 eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.11.2021 vorgebracht. Gleichzeitig ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim SG gestellt worden. Vor diesem Hintergrund war auch ein ausnahmsweises Absehen von einer vorherigen Befassung der Antragsgegnerin nicht möglich (vgl. Keller, a.a.O., Rn. 26b).

Soweit der Antrag zulässig ist, hat er in der Sache keinen Erfolg. Die Antragsteller zu 2 und 3 erhalten vom Antragsgegner bereits uneingeschränkte Grundleistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG entsprechend der Bedarfsstufe 6. Die Antragstellerin zu 1 hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen, da die vom Antragsgegner vorgenommene Anspruchseinschränkung rechtmäßig ist.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der Antragsteller sein Begehren stützt - sowie eines Anordnungsgrundes - die besondere Eilbedürftigkeit der Entscheidung - voraus. Die Angaben hierzu müssen glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO). Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen und deshalb eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in den Grundrechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, droht, ist eine Versagung der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nur dann möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.09.2016 - 1 BvR 1335/13); eine lediglich summarische Prüfung genügt nicht. Für eine Entscheidung aufgrund einer sorgfältigen und hinreichend substantiierten Folgenabwägung ist nur dann Raum, wenn eine - nach vorstehenden Maßstäben durchzuführende - Rechtmäßigkeitsprüfung auch unter Berücksichtigung der Kürze der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig zur Verfügung stehenden Zeit nicht verwirklicht werden kann, was vom zur Entscheidung berufenen Gericht erkennbar darzulegen ist (vgl. zum Ganzen auch: BVerfG, Beschluss vom 14.09.2016 - 1 BvR 1335/13 - juris; Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - Breith 2005, 803).

Im Beschwerdeverfahren trifft das Beschwerdegericht unter erneuter summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine neue Entscheidung, ohne auf die Überprüfung der Ausgangsentscheidung beschränkt zu sein (vgl. Karl in jurisPK-SGG, Stand 14.09.2021, § 176 Rn. 11). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der Regelungsanordnung wie bei der Anfechtungs- und Leistungsklage der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 86b Rn. 42).

Vorliegend hat die Antragstellerin zu 1 keinen Anspruch auf Grundleistungen ohne Anspruchseinschränkung. Der Antragsgegner stützt die vorgenommene Einschränkung des Anspruchs der Antragstellerin zu 1 auf § 1a Abs. 3 AsylbLG. Danach erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AsylbLG, bei denen aus von ihnen selbst zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, ab dem auf die Vollziehbarkeit einer Abschiebungsandrohung folgenden Tag nur Leistungen entsprechend § 1a Abs. 1 AsylbLG. Ihnen werden demgemäß nur noch Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege gewährt.

Die Antragsteller sind seit der Beendigung ihrer Asylverfahren durch die Bescheide des BAMF vom 21.11.2019 bzw. 03.12.2019 vollziehbar ausreisepflichtig und zählen damit zum leistungsberechtigten Personenkreis nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG. Dass sie im Besitz von Duldungen nach § 60b des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) "für Personen mit ungeklärter Identität" sind, führt nicht zu einer Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG. Obwohl es sich dabei nach dem Wortlaut des § 60b AufenthG um Duldungen i.S. des § 60a AufenthG handelt (Frerichs in jurisPK-SGB XII, Stand 04.11.2021, § 1 AsylbLG Rn. 136), dient die Erteilung einer Duldung nach § 60b AufenthG dem Zweck, die Legalisierungswirkung der Duldung nach § 60a AufenthG, die in § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG ausdrücklich genannt ist, zu vermeiden. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen können nicht vollzogen werden, da die Antragsteller nicht die nötigen Reisedokumente besitzen. Es ist nicht einmal ihre Identität abschließend geklärt. Die Pflicht zur Mitwirkung bei der Beschaffung von Identitätspapieren folgt aus § 48 Abs. 3 AufenthG. § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG verlangt vom Ausländer nicht nur, die erforderlichen Unterlagen einzureichen und bei der Auslandsvertretung seines Heimatstaates vorzusprechen, sondern darüber hinaus weitere Angaben zu machen, die seine Identifikation ermöglichen (VG J-Stadt vom 08.12.2014 - W 7 K 14.26 - juris Rn. 26).

Diesen aufenthaltsrechtlichen Mitwirkungspflichten kam und kommt die Antragstellerin zu 1 nicht nach. Trotz wiederholter Belehrungen und Aufforderungen durch die Ausländerbehörde hat die Antragstellerin zu 1 bisher keinerlei Anstrengung unternommen, überhaupt nur bei der Botschaft vorzusprechen und einen Reisepass zu beantragen. Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Mitwirkungspflicht nach § 48 Abs. 3 AufenthG obliegt es allein der Antragstellerin, sich zur Auslandsvertretung ihres Herkunftslandes zu begeben, um dort einen Reisepass oder Passersatzpapiere zu beantragen, dabei wahrheitsgemäße Angaben zu machen und sich die entsprechenden Vorsprachen bescheinigen zu lassen. Darüber hinaus musste weder die Ausländerbehörde noch der Antragsgegner der Antragstellerin bisher konkretere Vorgaben machen, welche weiteren Schritte und Handlungen erforderlich sind. Denn die Vereinbarung eines Termins zur Antragstellung bei der Auslandsvertretung des Heimatstaates ist für die Antragstellerin ohne weitere, konkretere Handlungsanweisungen machbar. Erst wenn sich dabei ergibt, dass die Antragstellung weitere Aufwendungen erfordert, welche die Antragstellerin alleine nicht bewältigen kann, wäre ggf. die Unterstützung der Ausländerbehörde zu fordern. Die Antragstellerin zu 1 hat jedoch bisher weder auf Aufforderungen der Ausländerbehörde noch auf Aufforderungen des Antragsgegners, wenigstens eine Bestätigung der Botschaft bzw. des Generalkonsulats über eine Antragstellung vorzulegen, reagiert. Sie hat schlicht überhaupt nichts unternommen, um ihren aufenthaltsrechtlichen Pflichten nachzukommen (vgl. Sächsisches LSG vom 16.12.2021 - L 8 AY 8/21 B ER - juris Rn 35 m.w.N.). Auch hat der Antragsgegner ihr wiederholt Gelegenheit gegeben, Gründe darzulegen, warum eine Mitwirkung unmöglich oder unzumutbar sein soll. Die Antragstellerin hat jedoch darauf nicht reagiert.

Auch die erforderliche Kausalität zwischen dem zu vertretenden Verhalten der Antragstellerin zu 1 und dem Nichtvollzug der Abschiebung ist gegeben. Dieses Erfordernis ist nur erfüllt, wenn keine außerhalb des Verantwortungsbereichs des Leistungsberechtigten liegenden Sachverhalte mitursächlich für den Nichtvollzug der Abschiebung sind. Nur in den Fällen eines Fehlverhaltens des Leistungsberechtigten, das monokausal für seine Nichtabschiebung ist, ist die Anspruchseinschränkung verfassungsgemäß und verstößt im Einzelfall insbesondere nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip (vgl. BSG vom 27.02.2019 - B 7 AY 1/17 R; vgl. auch BSG vom 12.05.2017 - B 7 AY 1/16 R; Urteil des Senats vom 26.09.2019 - L 8 AY 70/15). Ohne Feststellung der Identität und Reisedokumente ist jeder Versuch der Ausländerbehörde, den Aufenthalt der Antragstellerin und ihre Kinder zu beenden, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die fehlende Mitwirkung bei der Beschaffung eines Passes oder Passersatzes stellt ein vom Gesetzgeber als typisch ins Auge gefasstes leistungsmissbräuchliches Verhalten i.S. des § 1a Abs. 3 AsylbLG dar (BT-Drs. 13/10155 S. 5 zu § 1a Nr. 2).

Soweit der Senat für ein Vertretenmüssen i.S. § 1a Abs. 3 AsylbLG außerdem verlangt, dass der Leistungsberechtigte vor der Entscheidung über die Einschränkung angehört worden und ihm eine angemessene Frist zur Beendigung des leistungsmissbräuchlichen Verhaltens gesetzt worden ist, damit er die beabsichtigte Einschränkung der Leistungen durch eigenes Zutun noch abwenden kann (Beschluss des Senats vom 13.09.2016 - L 8 AY 21/16 B ER - juris Rn. 75 und vom 21.12.2016 - L 8 AY 31/16 B ER - juris Rn. 55), hat der Antragsgegner die Antragstellerin zuletzt mit Schreiben vom 09.11.2021 darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für eine Leistungseinschränkung weiterhin erfüllt seien und ihr die Möglichkeit gegeben, bis zum 22.11.2021 zumindest eine Bestätigung der Botschaft über die Beantragung eines Reisepasses für sich selbst und ihre Kinder vorzulegen. Eine Frist von zwei Wochen erscheint dafür angemessen, zumal es in einem ersten Schritt ausgereicht hätte, dass sich die Antragstellerin überhaupt mit der Botschaft in Verbindung setzt und einen Antrag stellt. Soweit sich die Antragstellerin zu 1 darauf beruft, dass ihre Ausreise zu einer dauerhaften Trennung von ihren Kindern führen würde, ist darauf hinzuweisen, dass auch die Antragsteller zu 2 und 3 vollziehbar ausreisepflichtig sind und das BAMF auch insoweit keine Abschiebungsverbote festgestellt hat. Deshalb hat der Antragsgegner zuletzt auch gefordert, dass die Antragstellerin zu 1 auch die Beantragung von Reisepässen für ihre Kinder nachweisen solle. Es liegt in der Natur der Sache, dass die fünf und drei Jahre alten Antragsteller zu 2 und 3 dies nicht für sich selbst tun können, sondern insoweit vom Verhalten ihrer Erziehungsberechtigten abhängig sind.

Die Leistungseinschränkung ist schließlich auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG zu rechtfertigen, da sie an ein ausländerrechtlich verlangtes, zumutbares Verhalten anknüpft, welches die leistungsberechtigte Person aus von ihr zu vertretenden Gründen nicht erfüllt. Art. 1 und 20 GG gebieten keine bedarfsunabhängigen, voraussetzungslosen Sozialleistungen. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass vorliegend der Aufenthalt der Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland - wie oben dargestellt - nicht mehr geduldet i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG i.V.m. § 60a AufenthG ist; der Aufenthalt kann allein aus Gründen der Verweigerung einer zumutbaren Mitwirkung der Antragstellerin zu 1 nicht beendet werden. Die Antragstellerin ist auch in der Lage, ihr Verhalten jederzeit zu ändern, selbst wenn dies letztlich dazu führt, dass sie ausreisen muss. Dies ist aber nur die konsequente ausländerrechtliche Folge der rechtskräftigen Entscheidung des BAMF, dass ihr kein Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland zusteht und kein Grund, angesichts dieser Folge auf die verlangte Mitwirkungshandlung zu verzichten. § 1a Abs. 3 AsylbLG sanktioniert vermeidbares persönliches Fehlverhalten des Leistungsberechtigten, der die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen durch in seinen Verantwortungsbereich fallendes vertretbares und vorwerfbares Verhalten verhindert (vgl. BSG vom 12.05.2017 - B 7 AY 1/16 R - juris Rn. 33 f.; Beschluss des Senats vom 21.12.2016 - L 8 AY 31/16 B ER - juris Rn. 48; vgl. auch Urteil des Senats vom 05.08.2020 - L 8 AY 28/19 - juris; Siefert, AsylbLG, 2. Aufl., § 1a Rn. 45).

§ 14 Abs. 2 AsylbLG steht der fortgesetzten Anspruchseinschränkung vorliegend nicht entgegen. Die in § 14 Abs. 1 AsylbLG festgelegte Dauer der Anspruchseinschränkung von sechs Monaten ist nicht als Obergrenze konzipiert. Nach Ablauf dieses Zeitraums bedarf es der Überprüfung von Amts wegen, ob die Anspruchseinschränkung aufrechtzuerhalten ist (BT-Drs. 18/6185 S. 48). Sie ist fortzusetzen, wenn die Pflichtverletzung fortbesteht und die gesetzlichen Voraussetzungen der Anspruchseinschränkung weiterhin vorliegen. Die dann festzusetzende Frist hat sich an den Umständen des Einzelfalls zu orientieren. Eine notfalls dauerhaft fortgesetzte Anspruchseinschränkung kann geboten sein, wenn und weil die beabsichtigte Wirkung noch erzielt worden ist. Gegenüber anderen Leistungsberechtigten erscheint es schwer erklärlich, dass trotz Missachtung der nach dem AsylbLG bzw. dem Asyl- und Aufenthaltsrecht vorgesehenen Pflichten nach relativ kurzer Dauer dennoch die vollen Leistungen bezogen werden können. Eine Unverhältnismäßigkeit ist darin nicht zu erblicken, denn die Antragstellerin zu 1 hat es selbst in der Hand, das missbilligte Verhalten abzustellen. Auch wurde sie vor der letzten Verlängerung der Anspruchseinschränkung mit dem hier streitigen Bescheid vom 26.11.2021 vom Antragsgegner nochmals unter Fristsetzung darauf hingewiesen, was von ihr verlangt wird. Insoweit ist die vom Antragsgegner vorgenommene Verlängerung um weitere sechs Monate nicht zu beanstanden. Zudem hat der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass die Kürzung vorzeitig beendet werden könne, wenn die Antragstellerin ihren Mitwirkungspflichten nachkomme.

Allerdings bedarf die Rechtsfolge des § 1a Abs. 3 AsylbLG, die sich nach der Neufassung nunmehr einheitlich aus § 1a Abs. 1 AsylbLG ergibt, der verfassungskonformen Auslegung. Gemäß § 1a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG erbringt der Antragsgegner nur noch Leistungen zur Gewährleistung des physischen Existenzminimums; nur im Ausnahmefall sind weitere Leistungen des notwenigen Bedarfs vorgesehen (§ 1a Abs. 1 Satz 3 AsylbLG). Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 12.05.2021 ausgeführt, dass das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums neben dem physischen auch das soziokulturelle Existenzminimum umfasst (BVerfG vom 12.05.2021 - 1 BvR 2682/17 - juris Rn. 17). Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich auf die unbedingt erforderlichen Mittel als einheitliche Gewährleistung zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (BVerfG vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - juris Rn. 75; BVerfG vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - juris Rn. 94). Eine Anwendung des § 1a Abs. 1 Satz 2 und 3 AsylbLG, die als Regelfall eine Unterdeckung des Existenzminimums insbesondere im Bereich der sozialen Teilhabe bewirkt, begegnet daher verfassungsrechtlichen Bedenken. Jedoch ist die Härtefallregelung des § 1a Abs. 1 Satz 3 AsylbLG wegen der dem Wortlaut nach bedarfsbezogenen Rechtsfolge dahingehend einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich, dass ergänzend die weiteren in §§ 3, 3a und 6 AsylbLG vorgesehenen Leistungen zu gewähren sind, allerdings nicht pauschaliert, sondern nur dann, wenn dies nach der Bedarfssituation des Antragstellers geboten ist. Die dortige Einzelfallregelung zur Berücksichtigung besonderer Umstände muss jeden Bedarfsfall des § 3 Abs. 1 AsylbLG und nicht nur des § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG erfassen (Hessisches LSG vom 26.02.2020 - L 4 AY 14/19 B ER - juris Rn. 38 ff.). Zur bis zum 28.02.2015 geltenden Fassung des § 1a Nr. 2 AsylbLG, die eine Gewährung von "im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar gebotenen" Leistungen vorsah, hat das BVerfG festgestellt, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn der gesamte existenzsichernde Bedarf weiterhin zu decken ist, aber nun von der bedarfsorientierten Prüfung im Einzelfall abhängig gemacht wird (BVerfG vom 12.05.2021 - 1 BvR 2682/17 - juris Rn. 22). Die Sanktion besteht mithin darin, dass der Antragsteller von dem pauschalierten Leistungsmodell der §§ 3, 3a AsylbLG auf die Anmeldung des individuellen Bedarfs insbesondere im Bereich der soziokulturellen Existenz verwiesen wird und im Falle der fehlenden Darlegung des Bedarfes auch nicht von der Pauschalierung profitieren kann.

Eine entsprechende Bedarfssituation ist von der Antragstellerin zu 1 nicht dargelegt worden. Nachdem die Leistungen der Antragstellerin seit mehr als einem Jahr eingeschränkt sind, kämen ungedeckte Bedarfe insbesondere im Bereich der Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und der Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Frage. Allerdings beruft sich die Antragstellerin lediglich pauschal auf ihren einheitlichen Anspruch auf Sicherung der physischen Existenz sowie eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben ohne mitzuteilen, welche Bedarfe derzeit konkret ungedeckt bleiben. Diese sind auch sonst nicht erkennbar.

Da die Antragstellerin bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat, kommt es auf das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht mehr an. Im Ergebnis hat das SG die vorläufige Gewährung von höheren Leistungen nach dem AsylbLG zu Recht abgelehnt.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war abzulehnen. Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, (nur dann) auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Vorliegend hatte die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des SG vom 21.01.2022 aus den o.g. Gründen keine Erfolgsaussicht.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

 

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