L 7 AS 622/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 49 AS 860/21
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 622/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 72/22 B
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Duisburg vom 14.04.2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit seinen Berufungen, die verbunden wurden, gegen zwei Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Duisburg, mit denen die Klagen auf Leistungen für März 2020 bis Februar 2021 abgewiesen wurden.

Der am 00.00.1978 in Q geborene, alleinstehende Kläger ist griechischer Staatsbürger. Er hat in der Vergangenheit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in A1, P, Q, D1, K1-Kreis und Z bezogen. Ausweislich einer Meldeauskunft ist der Kläger zuletzt 2007 in die Niederlande ausgewandert und seitdem „unbekannt verzogen“. Gleichwohl bezog der Kläger in der Zeit vom 02.06.2008 bis 31.10.2008 in A1, in der Zeit vom 01.11.2008 bis 30.04.2011 in Z, in der Zeit vom 01.09.2015 bis zum 31.03.2017 im K1-Kreis Leistungen nach dem SGB II. Ab dem 01.04.2017 bezog der Antragsteller zunächst keine Leistungen mehr.

Ende 2019 beantragte der Kläger wieder Leistungen in Z. Er gab zu seinen Unterkunftsbedarfen an, dass er seit dem 07.08.2019 unter der Anschrift „N-Straße 01, Z“, 6 m², 129 €, zur Miete lebe, auch wenn er dort einwohnermelderechtlich nicht registriert sei. Ausweislich eines Mietvertrags vom 06.08.2019 hat der Kläger an diesem Tag einen Lagerraum (6 m²) zu einem monatlichen Mietentgelt von 99 € auf unbestimmte Zeit gemietet. Der Kläger legte eine Bescheinigung gemäß § 5 FreizügG/EU vom 23.01.2008 der Stadt Q vor. Er habe von Dezember 2014 bis Februar 2015 in der L-Straße 02, D1, von März 2015 bis August 2015 in der R-Straße 03, D1, bzw. in der W-Straße 04, D1, von August 2015 bis März 2017 in der A-Straße 05, B1, von April 2017 bis Oktober 2017 in die E-Straße 06, Q gelebt. Seit November 2017 lebe er in Z. Von November 2017 bis zur Räumung Anfang 2020 habe er in der I-Straße 07, Z gelebt. Seitdem sei er in der N-Straße 01, Z, wohnhaft. Die monatlichen Kosten betrügen inklusive Versicherung monatlich 129 €.

Ein Auskunftsersuchen des Beklagten beim Ausländerzentralregister ergab unter dem 18.06.2020, dass der Kläger (auch unter den Aliaspersonalien F, T, B) zur Fahndung ausgeschrieben sei.

Wegen unklarer Einkommens-, Vermögens- und Wohnverhältnisse und eines etwaigen Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II bewilligte der Beklagte zunächst keine Leistungen, weswegen der Kläger im Jahr 2020 beim Sozialgericht Duisburg zahlreiche Eilverfahren einleitete.

In dem Verfahren S 32 AS 1419/20 ER verpflichtete das Sozialgericht Duisburg den Beklagten mit Beschluss vom 08.06.2020, dem Kläger einstweilige Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 22.04.2020 bis zum 31.10.2020 zu gewähren. Der Kläger sei obdachlos, nachdem seine letzte Wohnung I-Straße 07, Z, Anfang 2020 infolge eines Räumungsurteils des Amtsgerichts Duisburg zwangsgeräumt worden sei. Er habe eine Anschrift benannt, unter der Schriftstücke zugestellt werden könnten und ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU glaubhaft gemacht.

Mit Beschluss vom 15.06.2020 (S 6 AS 2103/20 ER) lehnte das Sozialgericht Duisburg den folgenden Eilantrag des Klägers vom 12.06.2020 ab, welcher auf 3.000 € Kleidergeld gerichtet gewesen war. Die hiergegen zum Aktenzeichen L 19 AS 1081/20 B ER erhobene Beschwerde blieb erfolglos (Beschluss vom 03.08.2020). Der Kläger habe einen entsprechenden Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Es könne dahinstehen, ob der Beklagte örtlich für die Leistungsansprüche des Klägers nach § 36 SGB II zuständig sei. Die Angabe der Adresse eines Lageraumes für bewegliche Sachen in der N-Straße 01 genüge nicht, um einen gewöhnlichen oder tatsächlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten zu belegen. Zuvor hatte der Beklagte mit Schriftsatz vom 29.07.2020 zum Beschwerdeverfahren mitgeteilt, durch seinen Außendienst sei festgestellt worden, dass sich unter der angegebenen Anschrift „N-Straße 01, Z“ der Sitz der Firma „D“ befinde, die dort Betriebs- und Lagerräume unterhalte und Briefkästen vermiete. Ein Briefkasten sei dort mit dem Namen des Klägers beschriftet. Es handele sich eindeutig nicht um eine Wohnanschrift des Klägers. Das Gelände könne zwischen 23 Uhr bis 6 Uhr nicht betreten werden, ohne Alarm auszulösen. Es sei nicht möglich, dort zu nächtigen oder zu leben.

Mit Beschluss vom 02.11.2020 (S 61 AS 3567/20 ER) verpflichtete das Sozialgericht Duisburg den Beklagten, dem Kläger für den Zeitraum vom 01.11.2020 bis zum 30.04.2021 Leistungen nach dem SGB II zu erbringen und die Übernahme der Unterkunftskosten der Wohnung H-Straße 08, Z zuzusichern sowie einem Umzug zuzustimmen. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Der Kläger hatte im Rahmen dieses Eilverfahrens u.a. eine Mietübernahme für die genannte Wohnung geltend gemacht. In der Begründung des Eilbeschlusses führt das Sozialgericht Duisburg im Wesentlichen aus, dass ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland glaubhaft gemacht sei. Gegen den Kläger spreche zwar zunächst, dass er weiterhin nicht in Z einwohnerrechtlich gemeldet sei und lediglich die Adresse eines Lagerraumes angegeben habe. Im Ergebnis sei aber sein Aufenthalt in Z ebenso glaubhaft wie der Erwerb eines Daueraufenthaltsrechtes nach § 4a FreizügG/EU. Die Verpflichtung zur Zusicherungserteilung sei geboten. Der Kläger habe durch eine eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, bisher nicht über geeigneten Wohnraum zu verfügen, sondern sich vielmehr illegal in einem leerstehenden Haus aufzuhalten, was ihm nicht weiter zumutbar sei. Zuvor hatte der Kläger mit undatiertem Schreiben versichert, dass er sich 150 m von der Firma „D“ entfernt in einem Gebäude auf der N-Straße aufhalte.

Die gegen diesen Eilbeschluss gerichtete Beschwerde des Beklagten war erfolgreich (LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 10.02.2021 - L 19 AS 1690/20 B ER) den vorangegangen Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 02.11.2020 auf. Der Eilantrag des Klägers sei mangels Angabe einer zur Ladung geeigneten Anschrift bereits unzulässig. Der Kläger, der auch ordnungsbehördlich nicht gemeldet sei, habe trotz Aufforderung keine ladungsfähige Anschrift angegeben. Die Anschrift eines angemieteten Lagerraumes genüge nicht, auch wenn der Kläger dort seine Post abhole. Der Grund für die Nichtangabe liege wohl darin, dass sich der Kläger einem Zugriff infolge von Fahndungsausschreibungen entziehen wolle, was kein schutzwürdiges Interesse sei. Der Beklagte führte zuvor in seiner Beschwerdeschrift vom 17.11.2020 u.a. an, dass der Kläger seiner gesetzlichen Meldepflicht seit dem Jahr 2015 nicht nachgekommen sei. Die fehlende Meldung habe Einfluss auf die Überprüfung seines Status als Unionsbürger. Ohne Meldung entziehe sich der Kläger der vorgeschriebenen Statusprüfung durch die zu informierende Ausländerbehörde. Dem Kläger sei bekannt, dass er eine solche Anmeldung bei dem jeweiligen Ordnungsamt auch vornehmen könne, wenn er keine Anschrift besitze. Im Übrigen sei der Beklagte nicht nach § 36 SGB II örtlich zuständig. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger tatsächlich in einem Abbruchhaus lebe. Die letzte bekannte Wohnung des Klägers in der I-Straße 07, Z, sei Anfang 2020 zwangsgeräumt worden. Der Mietvertrag mit der Firma „D“ sei aber bereits Monate zuvor am 06.08.2019 geschlossen, was nahelege, dass der Lagerraum vom Kläger angemietet, seine frühere – nun nicht mehr benötigte - Wohnung bereits früher aufgegeben und er an einen anderen Wohnort verzogen sei, den er bewusst verschweigen wolle. Obwohl der Beklagte einstweilen zur Erteilung der Zusicherung verpflichtet worden sei und diese am 04.11.2020 erteilt habe, sei trotz behördlicher Aufforderung bislang der Abschluss eines Mietvertrages über die Wohnung H-Straße 08, Z nicht nachgewiesen worden, was bei einem tatsächlichen Aufenthalt in einem Abbruchhaus zu erwarten gewesen wäre. Der Kläger habe vielmehr mitgeteilt, dass er wegen bestehenden Renovierungsbedarfs in der H-Straße lieber in eine andere Wohnung ziehen wolle. Dies sei nicht verständlich und lasse erkennen, dass keine Eilbedürftigkeit bestehe. Der Kläger ließ sich im Beschwerdeverfahren dahingehend ein, dass er die zugesagte Wohnung als nicht renovierungsbedürftig angesehen habe und nun vielmehr eine etwas teurere Wohnung in der S-Straße beziehen wolle, die nicht renovierungsbedürftig sei. Dies sei ihm vom Beklagten verweigert worden

Der Beklagte zahlte dem Kläger zuletzt im Februar 2021 Leistungen aus. Nach dem aufhebenden Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10.02.2021 (L 19 AS 1690/20 B ER) stellte der Beklagte die Leistungszahlungen ein. Hiernach stellte der Kläger weitere Anträge auf gerichtlichen Eilrechtsschutz beim Sozialgericht Duisburg, die erfolglos blieben (Beschlüsse des Sozialgerichts Duisburg vom 14.04.2021 – S 49 AS 670/21 ER und
S 49 AS 840/21 ER). Die dagegen eingelegten fristgerechten Beschwerden beim erkennenden Senat (L 7 AS 620/21 B ER und L 7 AS 621/21 B ER), nahm der Kläger, der zwischenzeitlich angab, dass er eine Wohnung in der U-Straße 10, Z, ab März 2021 zu einer Gesamtmiete von 395 € (315 € Grundmiete, 50 € Betriebskosten, 30 € Heizkosten) angemietet und hierfür Kaution gezahlt habe (Mietvertrag vom 26.02.2021), zurück.

Mit Bescheid vom 19.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2021 lehnte der Beklagte Leistungen für März 2020 bis August 2020 ab. Den Folgebewilligungsantrag für September 2020 bis Februar 2021 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 11.09.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2021 ab.

Hiergegen hat der Kläger am 16.03.2021 (S 49 AS 860/21) bzw. 24.03.2021
(S 49 AS 974/21) Klage erhoben und geltend gemacht, er halte sich in Z auf, sei hilfebedürftig und nicht von einem Leistungsausschluss betroffen.

Der Kläger hat in dem Verfahren S 49 AS 860/21 schriftsätzlich beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11.09.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2021 zu verpflichten, ihm für den Zeitraum von November 2020 bis Februar 2021 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

In dem Verfahren S 49 AS 974/21 hat der Kläger schriftsätzlich beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.03.2021 zu verpflichten, ihm für den Zeitraum von März bis Oktober 2020 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte hat in beiden Verfahren beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klagen mit Gerichtsbescheiden vom 14.04.2021 abgewiesen. Der Kläger habe mehrere Wohnanschriften genannt. Zuletzt habe der Kläger fernmündlich mitgeteilt, er wohne in der C-Straße, obwohl am 26.02.2021 ein Mietvertrag in der U-Straße abgeschlossen worden sei. Mangels ladungsfähiger Anschrift seien die Klagen bereits unzulässig. Hierauf sei der Kläger zuvor hingewiesen worden, ohne dass er Abhilfe geschaffen habe. Auf den Inhalt der Gerichtsbescheide wird Bezug genommen.

Gegen die ihm am 21.04.2021 zugestellten Gerichtsbescheide hat der Kläger noch am selben Tag per Fax „Rechtsmittel“ eingelegt und sein Vorbringen aus den erstinstanzlichen Verfahren wiederholt und vertieft. Der Zeuge F sei ein Rassist und habe den Untermieter G in der U-Straße wegen dessen Nationalität nicht gewollt. Er habe dem Sozialgericht nie mitgeteilt, in der C-Straße zu wohnen. Bis August 2021 habe er in der U-Straße 10, Z, gelebt. Seit September 2021 lebe er in einer möblierten Mietwohnung in D1. Seinem Lagergut bei D drohe die Räumung, wenn die offenen Mietschulden nicht ausgeglichen werden.

Mit Verbindungsbeschluss vom 10.05.2021 hat der erkennende Senat die Berufungen unter dem führenden Verfahren L 7 AS 622/21 miteinander verbunden.

Der Kläger beantragt,

die Gerichtsbescheide vom 14.04.2021 zu ändern, die Ablehnungsbescheide vom 19.02.2021 und 11.09.2020 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 15.03.2021 und  17.02.2021 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Leistungen für März 2020 bis Februar 2021 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er nimmt auf die Gerichtsbescheide Bezug.

Auf Anfrage des Senats hat der Zeuge F, Vermieter der Wohnung U-Straße 10, Z mit Schreiben vom 13.07.2021 mitgeteilt, dass er vom Antragsteller die Kaution über 945 € und die Mieten für sechs Monate (März bis August 2021) im Voraus erhalten habe. Die Wohnung habe der Kläger ohne Zustimmung an Herrn G untervermietet.

Der Senat hat die Zeugen F, Y, J, V vernommen. Auf den Inhalt der Verhandlungsniederschrift vom 09.06.2022 und der von den Zeugen zur Gerichtsakte gereichten Anlagen wird verwiesen.

Der Senat hat die Verwaltungsakten des Beklagten und des Jobcenters D1 beigezogen. Aus den Verwaltungsakten des Jobcenters D1 geht hervor, dass der Kläger am 26.09.2021 eine möblierte Wohnung in der K-Straße 11, D1 (gegen Zahlung einer Kaution von 1.380 € und Zahlung der ersten Miete von 690 €, insgesamt 2.070 €), angemietet und rückwirkend zum 01.09.2021 Leistungen in D1 beantragt hat. Zwischenzeitlich hat der Kläger am 08.11.2021 Leistungen in A1 beantragt und geltend gemacht in der M-Straße 11, A1, zu wohnen. Der Kläger hat weder in D1 noch in A1 Leistungen seit September 2021 erhalten. Dies war Gegenstand zahlreicher einstweiliger Rechtsschutzverfahren beim Sozialgericht Düsseldorf, die beim erkennenden Senat unter dem nach Verbindungsbeschlüssen führenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens L 7 AS 361/22 B ER anhängig sind. Ein Kontenabrufungsverfahren des Jobcenters D1 hat ergeben, dass der Kläger insgesamt acht aktive Konten bei sieben unterschiedlichen Kreditinstituten hat, obwohl der Kläger zuvor suggeriert hatte, über lediglich ein Konto zu verfügen, das zuletzt gesperrt worden sei, weswegen die Leistungen in bar zu zahlen seien.

Der Senat hat den Beteiligten unter dem 27.07.2021 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Sache gemäß § 153 Abs. 5 SGG dem Berichterstatter zu übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Mit Beschluss vom 28.04.2022 hat der Senat die Berufungssache gemäß § 153 Abs. 5 SGG dem Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der hiesigen Gerichtsakte, der Gerichtsakten L 7 AS 623/21/ L 7 AS 361/22 B ER und der beigezogenen Leistungsakten des Beklagten und des Jobcenters D1 Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, da der Senat das Verfahren nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen hatte.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für März 2020 bis Februar 2021, sodass er durch die erstinstanzlichen Gerichtsbescheide des Sozialgerichts nicht beschwert ist.

Der Kläger hat den ihm obliegenden Nachweis der bestehende Hilfebedürftigkeit iS der
§§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs.1 SGB II nicht erbracht.

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger über Einkommen und/ oder Vermögen verfügt, mit dem er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. In dem hier streitgegenständlichen Leistungszeitraum vom 01.03.2020 bis 28.02.2021 hat der Kläger tatsächliche Unterkunfts- und Heizbedarfe nicht dargelegt. Insoweit war nur der Regelbedarf für eine alleinstehende Person von monatlich 432 € (in 2020) bzw. monatlich 446 € (in 2021) zu berücksichtigen. Den Mietvertrag für die Wohnung in der U-Straße 10, Z, hat der Kläger erst zum 01.03.2021 abgeschlossen. Eine Wohnung in der C-Straße hat es unstreitig nicht gegeben. Die Wohnung in der I-Straße ist bereits vor dem hier streitgegenständlichen Leistungszeitraum geräumt worden. Ob die monatliche Miete von 129 € für den Lagerraum in der N-Straße als Unterkunftsbedarf herangezogen werden kann, woran angesichts fehlender Angaben zum „Lagergut“ erhebliche Bedenken bestehen, kann der Senat offenlassen.

Denn der Kläger verfügte über erhebliche finanzielle Mittel, deren Herkunft er nicht dargelegt hat. Der Kläger bezieht nunmehr seit März 2020 keine Leistungen und macht geltend über kein Einkommen und Vermögen zu verfügen. Dies ist aber nachweisbar falsch, weil er Anfang 2021 insgesamt 3.315 € ([6 x 395 € Miete] + 895 € Kaution) an den Zeugen F, Vermieter der Mietwohnung U-Straße 10, gezahlt hat. Ebenso konnte der Kläger im September 2021 insgesamt 2.070 € (690 € Miete + 1.380 € Kaution) an den Vermieter seiner D1er Wohnung für Kaution und Miete zahlen. Die Befragung der Zeugin V hat ferner ergeben, dass der Kläger mindestens in der Zeit August 2019 bis Dezember 2021 monatlich 129 € an die Fa. D gezahlt hat. Ferner finanziert der Kläger nunmehr seit mindestens März 2021 seinen Lebensunterhalt auch im Übrigen, ohne dass es zu einer erkennbaren sozialen Verelendung des Klägers gekommen wäre. Allein in 2021 hat der Kläger mithin Miet-, Kaution- und Lagerkosten von rund (3.315 € Zeuge F + 2.070 € Vermieter O + [12 x 129 € =] 1.548 € Fa. D =) 6.933 € aufgebracht. Addiert man die Regelbedarfe für 2021 hinzu, die zur Überzeugung des Senats jedenfalls in Pandemiezeiten das soziokulturelle Existenzminimum darstellen, musste der Kläger weitere (12 x 446 € =) 5.352 € aufbringen. Mithin trug der Kläger allein in 2021 rund 12.285 € an Regelbedarf und tatsächlichen Unterkunftskosten/ Lagerkosten. Der Kläger bestritt diese Kosten von monatlich mehr als 1.000 € durch Barmittel, ohne auf die Guthaben auf seinen insgesamt acht Konten zurückgreifen zu müssen, die der Kläger selbst im Frühjahr 2022 mit 183 € beziffert hat.

Einen darbenden Eindruck macht der Kläger dabei nicht. Er ist in der Lage Telekommunikations- und Reisedienstleistungen in Anspruch zu nehmen. So ist gerichtsbekannt, dass der Kläger Telefon-, Fax- und Internetdienstleistungen in Anspruch nimmt. Weiter ist gerichtsbekannt, dass der Kläger Justizangehörige (nicht nur der Sozialgerichtsbarkeit) an zahlreichen Standorten in Nordrhein-Westfalen (teilweise auch in ihrem privaten Wohnumfeld) aufsucht und ihnen nachstellt. Dies setzt denknotwendig voraus, dass der Kläger entweder den ÖPNV nutzt oder gar die Kosten für einen Pkw aufbringen kann. Die Zeugin Y hat zudem glaubhaft geschildert, dass der Kläger auch nach Zahlung von 3.315 € an den Zeugen F noch über erhebliche Barmittel verfügte, die er in zwei großen Geldbündel mit sich trug.

Dies alles verdeutlicht, dass der Kläger sehr wohl über finanzielle Mittel verfügt hat und zur Überzeugung des Senats weiterhin verfügt, sodass seine gegenteiligen Angaben beim Beklagten wahrheitswidrig erfolgten. Wer aber über erhebliche finanzielle Zustände wahrheitswidrig Angaben macht, hat den ihm obliegenden Nachweis der Hilfebedürftigkeit nicht erbracht. Steht aufgrund der vorstehenden Feststellungen und Erwägungen fest, dass die bei Antragstellung gemachten Angaben des Klägers in wesentlichen Teilen nicht der Wahrheit entsprachen, so ist der Grundsicherungsträger allein aus diesem Grunde berechtigt gewesen, den Leistungsantrag abzulehnen. Die Rechtmäßigkeit der Bewilligung unterhaltssichernder Leistungen hängt materiell-rechtlich davon ab, dass nach der Berücksichtigung anrechenbaren Einkommens und Vermögens ein ungedeckter Bedarf verbleibt (§ 9 Abs. 1 SGB II), wofür in verfahrensrechtlicher Hinsicht den jeweiligen Anspruchsteller die materielle Beweislast trifft. Leistungen können deshalb nicht rechtmäßig gewährt werden, wenn der Nachweis der Bedürftigkeit nicht geführt und eine abschließende Aufklärung insoweit nicht möglich ist (vgl. Urteil des Senats vom 12.04.2018 – L 7 AS 2073/15; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 12.09.2013 – L 15/6 AS 1102/09).

Der Kläger, der trotz ursprünglicher Anordnung des persönlichen Erscheinens, nicht zum Verhandlungstermin erschienen ist, obwohl aus den Gesamtumständen ersichtlich wird, dass er Kenntnis von der Ladung hatte, erklärt diese offenen Widersprüche nicht. So macht er etwa nicht geltend, das Geld sei ihm von einem Dritten darlehensweise zur Verfügung gestellt worden etc. Dies würde auch die Benennung des Darlehensgebers nebst ladungsfähiger Anschrift erforderlich machen. Vielmehr geht der Kläger davon aus, dass es entgegen der objektiven Sachlage ausreiche schlicht zu behaupten, völlig mittellos zu sein. Hierin geht der Kläger aber fehl. Dies erst recht, weil die beim Senat anhängigen Verfahren gezeigt haben, dass die Angaben des Klägers sorgfältig zu überprüfen und zu hinterfragen sind, weil dieser seiner prozessualen Wahrheitspflicht nicht nachkommt. Insofern verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG zunächst auf die zahlreichen Widersprüche im klägerischen Sachvortrag, die das Sozialgericht mit den angefochtenen Gerichtsbescheiden vom 14.04.2021 herausgearbeitet hat. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Kläger gegenüber dem Sozialgericht und Senat behauptet hat, seit März 2021 in der U-Straße 10, Z, zu leben. Die übereinstimmenden Angaben/Aussagen der Zeugen F und Y haben aber den Senat davon überzeugt, dass der Kläger diese Wohnung zwar (mit ungeklärten Barmitteln) angemietet, kurze Zeit später aber an einen Dritten (Herrn G) untervermietet hat. Letzteres hat der Kläger sogar mit undatiertem Schriftsatz, dem Senat am 13.07.2021 zugefaxt, unstreitig gestellt. Wo der Kläger in der Zeit vom 01.03.2021 bis 26.09.2021 gelebt hat und aus welchen finanziellen Mittel er dies ggf. finanziert hat, ist daher weiterhin ungeklärt. Weiter hat der Kläger zunächst gegenüber dem Jobcenter D1 suggeriert, er verfüge über kein Konto (mehr) und sei deswegen auf Barzahlungen vom Jobcenter angewiesen, obwohl ein Kontoabrufungsverfahren hervorgebracht hat, dass der Kläger über insgesamt acht aktive Konten verfügt. Ebenso hat der Kläger zunächst bestritten, dass er parallel zu seinem Antrag in D1 (bei einem laufenden Klageverfahren für Leistungen in Z) auch Leistungen in A1 beantragt hat und dies im Nachhinein mit einer „Kurzschlusshandlung“ unzureichend begründet, ohne den Antrag in A1 aber jemals formell zurückzunehmen, weswegen dort ein Versagungsbescheid ergehen musste. Weiter hat der Kläger gegenüber dem Senat suggeriert, der Lagervertrag bei der Fa. D stehe kurz vor der Kündigung mit nachfolgender Räumung, ohne dass bisher eine Kündigung insoweit ausgesprochen worden wäre. Dass der Kläger auch gegenüber seinen Vermietern falsche Angaben zu nicht existierenden Beschäftigungen (Banker, Altenpfleger) und vorausgegangenen Wohnanschriften (E-Straße statt der geräumten Wohnung in der I-Straße) gemacht hat, macht die Einlassungen des Klägers ebenfalls insgesamt unglaubhaft.

Zuletzt sprechen auch weitere Umstände gegen eine Hilfebedürftigkeit des Klägers. So behauptet dieser wiederholt drohende oder gar bestehende Obdachlosigkeit, geht aber auf eine vom Sozialgericht Duisburg und nachfolgend auch vom Beklagten zugesprochene Umzugszusicherung für eine Wohnung nicht ein, weil diese „renovierungsbedürftig“ sei (so geschehen nach dem zusprechenden Beschluss im Verfahren S 61 AS 3567/20 ER). Wäre der Kläger wirklich obdachlos und würde in einem Abbruchhaus leben, hätte er sich zur Überzeugung des Senats nicht von der Renovierungsbedürftigkeit dieser Wohnung abhalten lassen, diese jedenfalls als erste Anlaufstation anzumieten. Der Senat stimmt mit dem Sozialgericht darin überein, dass auch renovierungsbedürftige Wohnungen jedenfalls zu Wohnzwecken allgemein gegenüber einem Leben ohne Wohnung (oder in einem Abbruchhaus) vorzugswürdig erscheinen. Gegen die Obdachlosigkeit spricht auch, dass sämtliche Zeugen berichtet haben, dass die Bekleidung und das äußere Erscheinungsbild des Klägers zu jeder Zeit gegen eine Obdachlosigkeit sprechen bzw. gesprochen haben. Mithin ist ungeklärt, wo der Kläger nach seiner Räumung in der I-Straße ab Frühjahr 2021, also im hier streitgegenständlichen Leistungszeitraum, gewohnt hat.

Dass der Antragsteller seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann, geht auch aus dem prozessualen Vorgehen des Klägers hervor. Andernfalls wäre es unverständlich, dass der Kläger einen beim Sozialgericht Düsseldorf erfolgreichen Eilantrag im Beschwerdeverfahren zurücknimmt, obwohl er vom Sozialgericht teilweise im Verfahren   S 5 AS 267/22 ER Leistungen zugesprochen bekommen hat, diese aber – ohne Rücksprache mit dem Gericht oder sonstiger juristischer Beratung - als „nicht vollstreckungsfähig“ ansah. Wäre die wirtschaftliche Situation derart prekär, wie er geltend macht, hätte er nicht den Luxus einen zusprechenden Eilbeschluss durch Antragsrücknahme wertlos zu machen.

Gegen die Hilfebedürftigkeit des Klägers spricht vor allem, dass letztlich völlig ungeklärt ist, wovon der Kläger, dessen Erwerbsbiographie seit mindestens einem Jahrzehnt „leer“ ist, der in dieser Lebensperiode aber überwiegend nicht im Leistungsbezug stand und der vor allem seit März 2021 überhaupt keine Leistungen mehr erhält, lebt. Der letzte reguläre Leistungsbezug des Klägers endete im April 2017, mithin vor mehr als fünf Jahren. Mit Ausnahme von einstweiligen Leistungen in Höhe des Regelbedarfs in der Zeit vom 22.04.2020 bis 28.02.2021 hat der Kläger keine Leistungen erhalten. Zur Überzeugung des Senats ist es unmöglich, einen so langen Zeitraum ohne bzw. nur ganz geringfügige Leistungen zu überbrücken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

 

Rechtskraft
Aus
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