S 31 KR 137/20

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig sind die Rückerstattung von Krankenhausbehandlungskosten sowie die Herausgabe einer Behandlungsdokumentation.

Die im Jahr 1944 geborene und bei der Klägerin gesetzlich krankenversicherte Frau V T wurde in der Zeit vom 00. bis 00.00.2017 im Krankenhaus der Beklagten vollstationär behandelt. In den nach § 301 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) von der Beklagten an die Klägerin übermittelten Daten wurde die Diagnose T82.7 als Hauptdiagnose angegeben. Die Diagnosegruppe T82 wird bei „Komplikationen durch Prothesen, Implantate oder Transplantate im Herzen und in den Gefäßen“ herangezogen. Die Nebendiagnose T82.7 beschreibt eine „Infektion und entzündliche Reaktion durch sonstige Geräte, Implantate oder Transplantate im Herzen und in den Gefäßen“. Ferner wurde der OPS-Kode 5-399.7 („andere Operationen an Blutgefäßen: Entfernung von venösen Kathetherverweilsyndromen (z.B. zur Chemotherapie oder zur Schmerztherapie“) genannt. Bei dieser Prozedur handelt es sich um eine Operation, die nach dem „Vertrag nach § 115b Abs. 1 SGB V – Ambulantes Operieren und sonstige stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus (AOP-Vertrag)“ als regelhaft ambulant abrechenbare Leistung aufgeführt ist.

Für diese stationäre Behandlung stellte die Beklagte der Klägerin am 08.11.2017 Kosten in Höhe von 2.729,01 EUR in Rechnung, die die Klägerin vollständig beglich.

Mit Schreiben vom 07.06.2019 forderte die Klägerin die Beklagte auf, den Fall zu stornieren und als ambulante Operation gemäß § 115b SGB V abzurechnen. Zur Begründung führte sie aus, dass die Beklagte ihren Informationspflichten nicht nachgekommen sei. Bei ambulant durchführbaren Operationen müsse das Krankenhaus die Notwendigkeit der stationären Behandlung begründen. Das habe sie nicht getan, so dass die Rechnung nicht fällig und daher auch die 6-Wochen-Frist zur Einleitung eines Prüfverfahrens durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) nicht abgelaufen sei. Eine Begründung für die stationäre Behandlung ergäbe sich auch nicht aus dem übersandten Datensatz.

Am selben Tag beauftragte die Klägerin den MDK mit der Begutachtung des streitigen Falles.

In einer Prüfanzeige vom 11.06.2019 bat der MDK die Beklagte um Übersendung von Patientenunterlagen, um die Notwendigkeit der stationären Behandlung überprüfen zu können.

 

Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin auf elektronischem Wege am 19.06.2019 mit, dass die Versicherte aufgrund einer Infektion des Ports stationär aufgenommen worden sei. Es sei eine intravenöse Antibiose über den gesamten Aufenthalt erfolgt. Die Entfernung des Ports sei nicht geplant gewesen.

In einem Schreiben vom 24.06.2019 lehnte die Beklagte eine MDK-Begutachtung wegen der Nichteinhaltung der gesetzlich vorgesehenen 6-Wochen-Frist ab.

Mit der am 16.12.2019 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Rückerstattung der gezahlten Kosten für den stationären Aufenthalt der Versicherten Simon. Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Rückzahlungsanspruch daraus folge, dass die Beklagte die vom MDK am 11.06.2019 angeforderten Patientenunterlagen nicht innerhalb der vierwöchigen Frist des § 7 Abs. 2 der „Vereinbarung  über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1c SGB V  (Prüfverfahrensvereinbarung – PrüfvV)  gemäß § 17c Absatz 2 KHG“ übermittelt habe. Die Beklagte sei daher mit Einwendungen ausgeschlossen. Die Beklagte habe kein Recht, die Übersendung der Patientenunterlagen zu verweigern. Sie habe nämlich gegen ihre Pflichten verstoßen, bei regelhaft ambulant durchführbaren Operationen den Grund der stationären Aufnahme mitzuteilen. Aus dem Datensatz nach § 301 SGB V ergebe sich dieser Grund gerade nicht. Der Verweis auf die Diagnose T82.7 genüge nicht. Für den Fall, dass das Gericht von der Nichtanwendbarkeit der PrüfvV bzw. nicht von einem materiell-rechtlichen Ausschluss wegen Versäumung der dort genannten Fristen ausgehen sollte, sei die Beklagte zur Herausgabe der Patientenunterlagen an den MDK und im Anschluss daran, für den Fall der Rechnungsminderung durch den MDK, zur Erstattung des zu viel gezahlten Betrages zu verurteilen.

 

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.729,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.12.2019 zu zahlen,

hilfsweise, für den Fall der Nichtanwendbarkeit der Prüfverfahrensvereinbarung beziehungsweise der dort genannten Ausschlussfristen, die Beklagte zu verurteilen, die Behandlungsdokumentation über die in der Zeit vom 00.00.2017 bis 00.00.2017 erfolgte vollstationäre Behandlung der Versicherten V T dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung X-M zur Prüfung vorzulegen und

die Beklagte für den Fall, dass die Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung X-M zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt, zu verurteilen, der Klägerin die zu viel gezahlten Kosten des Behandlungsfalles der Versicherten V T zu erstatten.
 

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass ein Erstattungsanspruch nicht bestehe, weil die Klägerin die 6-Wochen-Frist zur Einleitung des Prüfverfahrens nicht gewahrt habe. Aus den übersandten Daten nach § 301 SGB V, insbesondere der Hauptdiagnose, sei der Grund der stationären Aufnahme ersichtlich gewesen, so dass sie ihren Informationspflichten ausreichend nachgekommen und die 6-Wochen-Frist abgelaufen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urt. v. 21.03.2013 – B 3 KR 28/12 R) sei die Übermittlung der Daten nach § 301 SGB V in vielen Fällen – so auch hier – ausreichend. Aus der mitgeteilten Hauptdiagnose und dem Alter der Versicherten sei der Grund der stationären Behandlung ausreichend ersichtlich gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. 

Die Klage ist hinsichtlich des Hauptantrages als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unmittelbar zulässig, denn es geht bei einer auf Rückzahlung von Behandlungskosten für eine Versicherte gerichteten Klage einer Krankenkasse gegen ein Krankenhaus um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen; die Einhaltung einer Klagefrist war nicht geboten (st. Rspr., vgl. BSG, Urt. v. 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R, juris).

Die Klage ist jedoch hinsichtlich des Hauptantrages unbegründet, da der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht besteht.

Der Klägerin steht kein Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte zu. Der aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung zwischen den Beteiligten voraus (vgl. BSG, Urt. v. 17.12.2009 – B 3 KR 13/08 R, juris). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Klägerin hat die ihr in Rechnung gestellten Kosten der stationären Behandlung ihrer Versicherten T im Krankenhaus der Beklagten vom 00.00.2017 bis 00.00.2017 dem Grunde und der Höhe nach mit Rechtsgrund geleistet. Die hier streitige stationäre Behandlung war im Sinne des § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V erforderlich, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden konnte. Anhand der durch die Beklagte übermittelten Daten nach § 301 SGB V stellt sich die streitige Abrechnung im Ergebnis als richtig dar. Weitere Einwände der Klägerin gegen die streitige Abrechnung konnte die Kammer nicht prüfen, weil wegen Nichteinhaltung der 6-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V in der hier maßgeblichen, bis zum 31.12.2019 gültigen Fassung (im Folgenden: a.F.) die Behandlungsunterlagen einem partiellen Beweisverwertungsverbot unterliegen und insoweit präkludiert sind.

Im Einzelnen:

Da die Krankenkassen gehindert sind, selbst in ärztliche Behandlungsunterlagen Einsicht zu nehmen, sind diese bei der Prüfung von Abrechnungen auf die Mitwirkung der Krankenhäuser und des MDK angewiesen. Es bestehen aus diesem Grund wechselseitige Auskunfts-, Prüf- und Mitwirkungspflichten zwischen Krankenhäusern, Krankenkassen und dem MDK, die nach ständiger Rechtsprechung des BSG auf drei Ebenen bestehen (vgl. dazu und im Folgenden BSG, Urt. v. 21.03.2013 – B 3 KR 28/12 R, juris). Danach ist das Krankenhaus zunächst auf der ersten Stufe verpflichtet, die wesentlichen Aufnahme- und Behandlungsdaten nach § 301 Abs. 1 SGB V an die Krankenkasse zu übermitteln. Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist in § 301 Abs. 1 SGB V abschließend und enumerativ aufgelistet, welche Angaben der Krankenkasse bei einer Krankenhausbehandlung von Versicherten auf jeden Fall zu übermitteln sind, u.a. auch gem. § 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V der „Grund der Aufnahme“. Bei regelhaft ambulant erbringbaren Operationen hat das Krankenhaus entsprechend dem Grundsatz „ambulant vor stationär“, im Rahmen des § 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB Angaben dazu zu machen, warum eine im Regelfall ambulant durchführbare Versorgung im konkreten Einzelfall stationär vorgenommen worden ist.

Erschließen sich aufgrund der übermittelten Daten die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung oder der weiteren Abrechnungsvoraussetzungen den medizinisch in der Regel nicht besonders ausgebildeten Mitarbeitern der Krankenkasse nicht selbst, hat die Krankenkasse auf der zweiten Stufe ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V einzuleiten und beim MDK eine gutachterliche Stellungnahme einzuholen, die auf der Grundlage der vom Krankenhaus der Krankenkasse zur Verfügung gestellten Unterlagen, also insbesondere den Angaben nach § 301 SGB V, zu erstellen ist. Dieses Prüfverfahren ist gemäß § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V a.F. spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten. Lässt sich unter Zugrundelegung dieser Sozialdaten nach § 301 SGB V ein abschließendes Ergebnis nicht finden, so hat das Krankenhaus schließlich auf der dritten Stufe auch alle weiteren Angaben zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, die im Einzelfall zur Beantwortung der Prüfanfrage der Krankenkasse durch den MDK benötigt werden. Auf dieser Grundlage ist der MDK ermächtigt, die erforderlichen Sozialdaten beim Krankenhaus anzufordern. Das Krankenhaus wiederum ist zu deren Vorlage verpflichtet, weil in einem solchen Fall allein durch die Angaben gemäß § 301 SGB V und einen etwaigen Kurzbericht eine zuverlässige Beurteilung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit oder anderer Fragen der Abrechnung nicht möglich ist.

Diese so beschriebene Mitwirkungspflicht des Krankenhauses auf der dritten Stufe entfällt allerdings gemäß § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V a.F., wenn die Krankenkasse einen entsprechenden Prüfauftrag an den MDK nicht innerhalb der 6-Wochen-Frist erteilt hat. Die fehlende oder verspätete Einleitung der Prüfung bewirkt ein sich auch auf das Gerichtsverfahren erstreckendes partielles Beweisverwertungsverbot (BSG, Urt. v. 16.05.2012 – B 3 KR 14/11 R, juris). In der Folge kann das Krankenhaus die Übersendung weiterer Unterlagen verweigern, ohne dass dies zu seinen Lasten ginge.

Voraussetzung für den Wegfall der Mitwirkungspflicht ist jedoch, dass die Krankenhäuser die Krankenkassen über die von ihnen abgerechneten Versorgungen nach Maßgabe ihrer Mitwirkungsobliegenheiten, insbesondere aus § 301 SGB V, ordnungsgemäß informiert haben (vgl. BSG, Urt. v. 21.03.2013 – B 3 KR 28/12 R, juris). Fehlt es an diesen Mindestangaben, die die Krankenkasse insbesondere zur ordnungsgemäßen Abrechnung und zur Überprüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung benötigt, tritt mangels formal ordnungsgemäßer Abrechnung die Fälligkeit der abgerechneten Forderung nicht ein (vgl. BSG, Urt. v. 21.03.2013 – B 3 KR 28/12, juris). Mangels Fälligkeit kann dann auch die 6-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V a.F. nicht zu laufen beginnen.

Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, hat die Beklagte zunächst ihrer Informationsobliegenheit auf der ersten Stufe Genüge getan. Insbesondere war aus den nach § 301 SGB V übermittelten Daten der Grund der stationären Aufnahme ausreichend ersichtlich. In den nach § 301 SGB V übermittelten Daten wurde die Diagnose T82.7 als Hauptdiagnose kodiert. Die Diagnosegruppe T82 wird bei „Komplikationen durch Prothesen, Implantate oder Transplantate im Herzen und in den Gefäßen“ herangezogen. Die Diagnose T82.7 beschreibt eine „Infektion und entzündliche Reaktion durch sonstige Geräte, Implantate oder Transplantate im Herzen und in den Gefäßen“. Ferner wurde der OPS-Kode 5-399.7 („andere Operationen an Blutgefäßen: Entfernung von venösen Kathetherverweilsyndromen (z.B. zur Chemotherapie oder zur Schmerztherapie“) erwähnt. Bei dieser Prozedur handelt es sich zwar um eine Operation, die nach dem AOP-Vertrag als regelhaft ambulant abrechenbare Leistung aufgeführt ist. Aus der mitgeteilten Hauptdiagnose T82.7 und dem Alter der Versicherten ist nach Auffassung der Kammer der Grund der (ausnahmsweise) stationär durchgeführten Operation aber hinreichend ersichtlich gewesen, auch für den medizinisch nicht geschulten Krankenkassenmitarbeiter. Denn anhand der Hauptdiagnose war ersichtlich, dass es zu einer „Infektion oder entzündlichen Reaktion“ eines Implantats gekommen war, so dass der Regelfall der ambulanten Behandlung nach dem OPS-Kode 5-399.7 nicht vorlag.

Eine bestimmte Form für die Begründung der Notwendigkeit einer stationären Behandlung bei regelhaft ambulanten Maßnahmen sieht das Gesetz nicht vor und wird vom BSG auch nicht verlangt. Das BSG geht selbst davon aus, dass in vielen Fällen die Krankenkasse die notwendigen Angaben schon zweifelsfrei dem vom Krankenhaus nach § 301 Abs. 1 SGB V übermittelten Datensatz entnehmen könne (BSG, Urt. v. 21.03.2013 – B 3 KR 28/12 R, juris). So liegt der Fall auch hier.

Eine weitere medizinische Begründung oder Konkretisierung war nicht erforderlich. Dies folgt nicht zuletzt auch aus Sinn und Zweck der Regelung in § 301 SGB V und dem beschriebenen dreistufigen Verfahren selbst. Die Leistungsüberprüfung obliegt in medizinischer Hinsicht dem MDK, sodass die Krankenkassen bei medizinischen Zweifelsfragen und Fragestellungen nach § 275 Abs. 1 SGB V verpflichtet sind, den MDK einzuschalten. Dieser ist quasi als fachlicher Mittler zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern vorgesehen, nicht weisungsabhängig und seine Mitglieder sind nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen (§ 275 Abs. 5 S. 1 SGB V). Daraus folgt, dass die Krankenkassen selbst keine medizinischen Erhebungen durchführen und von den Leistungserbringern auch keine entsprechenden Auskünfte einholen dürfen – es sei denn, es handelt sich um eine medizinische Begründung bei Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung (§ 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 letzte Alt. SGB V) oder der maßgebliche Landesvertrag nach § 112 SGB V sieht dies ausdrücklich vor. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass keine übersteigerten Anforderungen an die Mitteilung des Grundes der stationären Aufnahme gestellt werden dürfen. Die Prüfung, ob die vom Krankenhaus genannten Gründe für eine stationäre Behandlung vorliegen und medizinisch stichhaltig sind, ist vielmehr dem MDK vorbehalten.

Auf der zweiten Stufe hätte die Klägerin daher bei Zweifeln, insbesondere über die Notwendigkeit der stationären Behandlung, ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V innerhalb der 6-Wochen-Frist des 275 Abs. 1c S. 2 SGB V a.F. nach Eingang der Abrechnung vom 08.11.2017 einleiten müssen. Dies ist allerdings nicht innerhalb der genannten Frist geschehen, sondern erst etwa anderthalb Jahre später.

Durch die Nichteinhaltung der Frist des 275 Abs. 1c S. 2 SGB V a.F. entfällt nicht nur die weitere nachgelagerte Mitwirkungspflicht der Beklagten, sondern weitere Unterlagen sind auch im Gerichtsverfahren präkludiert und unterliegen einem partiellen Beweisverwertungsverbot. Weitere Angaben und Unterlagen, die das Gericht zur Prüfung der Abrechnung grundsätzlich heranziehen könnte, muss die Beklagte daher nicht vorlegen, vielmehr ist eine Bewertung allein auf Grundlage der aktenkundigen Daten und Unterlagen zulässig.

Anhand der durch die Beklagte übermittelten Angaben nach 301 Abs. 1 SGB V kann die Kammer  vorliegend nicht feststellen, ob und dass die streitige Abrechnung fehlerhaft ist. Die Kammer kann insbesondere aufgrund der Angaben nach § 301 Abs. 1 SGB V nicht feststellen, dass die Behandlung ambulant hätte erbracht werden können. Im Gegenteil: Die Angaben nach § 301 Abs. 1 SGB V und die Mitteilung der Beklagten an die Klägerin vom 19.06.2019 sprechen eher für die Notwendigkeit der stationären Behandlung. Da im Ergebnis die Einwände der Klägerin nicht zur Überzeugung der Kammer nachgewiesen werden können, geht dies – als Folge der Nichteinhaltung der 6-Wochen-Frist – zu Lasten der Klägerin.

Ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin folgt vorliegend auch nicht daraus, dass die Beklagte die vom MDK angeforderten Patientenunterlagen nicht innerhalb der vierwöchigen Frist des § 7 Abs. 2 PrüfvV übermittelt hat. § 7 Abs. 2 PrüfvV setzt voraus, dass das Krankenhaus die vom MDK angeforderten Unterlagen nicht fristgerecht übermittelt hat. Nur dann soll nach § 7 Abs. 2 PrüfvV der Vergütungsanspruch nur auf den unstrittigen Betrag beschränkt sein, wobei § 7 Abs. 2 S. 3 und 4 PrüfvV eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist beinhaltet (vgl. BSG, Urt. v. 18.05.2021 – B 1 KR 32/20 R, Terminbericht juris).

Die Voraussetzungen von § 7 Abs. 2 PrüfvV liegen jedoch schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin den MDK nicht innerhalb der 6-Wochen-Frist gemäß § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V a.F. beauftragt hat. Die oben dargelegten Grundsätze gelten auch im Rahmen von § 7 PrüfvV, was nicht zuletzt auch aus § 4 S. 1 PrüfvV folgt, wonach die Krankenkasse bei Auffälligkeiten der Rechnung innerhalb von sechs Wochen eine Prüfung durch den MDK zu veranlassen hat. Tut sie dies nicht, kann sie sich auch nicht auf § 7 Abs. 2 PrüfvV berufen. Es kommt hier daher auf die Frage, ob und in welchem Umfang die Beklagte mit Einwendungen nach der PrüfvV präkludiert wäre, im Ergebnis nicht an.

Der Hilfsantrag ist zwar zulässig, aber ebenfalls unbegründet.

Der Hilfsantrag ist als sogenannter echter Hilfsantrag zulässig. Er wurde unter der innerprozessualen Bedingung der Erfolgslosigkeit des Hauptantrages gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung ist eingetreten, so dass über den Hilfsantrag zu entscheiden ist.

Der Klägerin steht es gemäß § 56 SGG auch frei, mehrere Klagebegehren in einer Klage zu verfolgen. Die Voraussetzungen von § 56 SGG liegen vor, denn die Begehren der Klägerin mit Haupt- und Hilfsantrag richten sich jeweils gegen dieselbe Beklagte, sie stehen im Zusammenhang und dasselbe Gericht ist zuständig.

Der Hilfsantrag stellt sich als Stufenklage dar. Bei dieser ist nacheinander über verschiedene Anträge zu entscheiden, wobei ein Anspruch auf dem anderen aufbaut (vgl. Keller, in:  Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., 2020, § 56 Rn. 5). Die Klägerin begehrt auf der ersten Stufe die Herausgabe der Behandlungsdokumentation an den MDK X-M und auf der zweiten Stufe eine etwaige Erstattung von zu viel gezahlten Behandlungskosten für den Fall einer Abrechnungsminderung nach erfolgter MDK-Prüfung.

Die Zulässigkeit der Stufenklage folgt aus § 202 SGG i.V.m. § 254 ZPO (vgl. BSG, Urt. v. 28.02.2007 – B 3 KR 12/06 R, juris). Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Klägerin auf Rückzahlung gezahlter Vergütung klagt ohne zu wissen, ob ein solcher Anspruch überhaupt besteht und diesen auch (noch) nicht beziffern kann. Hauptanwendungsfall der Stufenklage ist auf der ersten Stufe eine Auskunftserteilung, auf deren Grundlage dann der mit der zweiten Stufe verfolgte Zahlungsanspruch beziffert werden kann. Dies folgt aus § 254 ZPO, demnach auf der ersten Stufe auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses geklagt werden kann, um dann auf der zweiten Stufe den Anspruch entsprechend beziffern und einklagen zu können. Dabei umfasst die „Rechnungslegung“ im Sinne von § 254 ZPO Informationsansprüche jeglicher Art (vgl. BSG, Urt. v. 13.11.2012 – B 1 KR 24/11 R, juris) und kann daher auch die Herausgabe von Behandlungsunterlagen umfassen. Denn das Auskunfts- und Informationsbegehren der Klägerin zielt hier darauf ab, die medizinischen Voraussetzungen des von der Beklagten in Rechnung gestellten Vergütungsanspruchs zu prüfen, aus denen sich unmittelbar Folgerungen für dessen Höhe ergeben. Dieser Auskunftsanspruch in Form eines Herausgabeanspruchs von Behandlungsunterlagen ist daher zulässig (vgl. BSG, Urt. v. 13.11.2012 – B 1 KR 24/11 R, juris).

Der Hilfsantrag ist jedoch unbegründet, da bereits auf der ersten Stufe ein Anspruch auf Herausgabe der Behandlungsdokumentation nicht besteht. Der Herausgabeanspruch bzgl. der die Versicherte betreffenden Unterlagen an den MDK kann sich vorliegend nur aus § 276 Abs. 2 S. 2 SGB V ergeben. Danach sind die Leistungserbringer verpflichtet, versichertenbezogene Daten unmittelbar an den MDK zu übermitteln, sofern die Krankenkassen oder der MDK diese Daten für eine gutachterliche Stellungnahme oder Prüfung nach § 275 Abs. 1-3 und 3b, § 275c oder § 275d SGB V von den Leistungserbringern angefordert haben. Die Übermittlung der Sozialdaten im Sinne des § 276 Abs. 2 SGB V geschieht in der Regel durch die vorübergehende Überlassung der Behandlungsunterlagen.

Zwar ist im Verfahren sowohl der MDK als auch die Krankenkasse berechtigt, Daten anzufordern, der Anspruch auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen an den MDK steht jedoch allein der Krankenkasse zu.

Dieser Anspruch auf Herausgabe scheitert jedoch vorliegend ebenfalls an der Nichteinhaltung der 6-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V a.F. Voraussetzung des Herausgabeanspruchs nach § 276 Abs. 2 S. 2 SGB V ist die Erteilung eines von den Vorgaben des § 275 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V gedeckten Prüfauftrages durch die Krankenkasse an den MDK. Ein solcher Auftrag liegt hier zwar vor. Gemäß § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V a.F. ist die Prüfung spätestens jedoch sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen. Diese Frist wurde vorliegend nicht eingehalten. Die Beklagte kann, wie bereits ausgeführt, entsprechend die Herausgabe der Patientenakte verweigern, ohne dass dies zu ihren Lasten ginge.

Da bereits auf der ersten Stufe der Herausgabeanspruch nicht besteht, ist über einen etwaigen Erstattungsanspruch auf der zweiten Stufe nicht mehr zu entscheiden.

Abschließend weist die Kammer darauf hin, dass eine Beiladung des MDK nach § 75 Abs. 2 SGG nicht in Betracht kommt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn durch die Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtsphäre des Dritten, also hier des MDK, unmittelbar eingegriffen würde (st. Rspr., vgl. etwa BSG, Urt. v. 08.04.1992 – 6 RKa 24/90, juris). Bei MDK-Prüfungen sind die Beziehungen zwischen MDK und Krankenkasse auf der einen und der Krankenkasse und dem Krankenhaus auf der anderen Seite aber nicht einheitlich, sondern getrennt zu sehen. Für das Krankenhaus und seine Leistungsvergütung sind allein die allgemeinen Abrechnungsbeziehungen zur Krankenkasse maßgeblich. In dieses Abrechnungsverhältnis ist der MDK nicht derart eingebunden, dass mit der Entscheidung darüber in seine Rechtssphäre unmittelbar eingegriffen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Da die Stufenklage bereits auf der ersten Stufe abgewiesen wurde, konnte die Kammer vollumfänglich über die Kosten entscheiden.

Rechtskraft
Aus
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