L 7 SO 1635/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SO 905/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 1635/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 2. April 2019 aufgehoben und der Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 21. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 27. Februar 2017 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 11. Juli 2017 und 8. Februar 2018 sowie des Bescheides vom 1. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 9. Februar 2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20. November 2018, jeweils in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 2. April 2019, verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. September 2017 bis 30. November 2018 Leistungen nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu bewilligen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen.



Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung höherer Leistungen für die Kosten der Unterkunft im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) für die Zeit von September 2017 bis einschließlich November 2018.

Die 1956 geborene Klägerin bewohnt alleine eine Wohnung in M mit einer Wohnfläche von 93,58 qm. Der Vermieter der Klägerin teilte ihr mit Schreiben vom 12. September 2016 (Bl. 1216 d. Verwaltungsakte) mit, dass die monatliche Nettokaltmiete ab dem 1. Januar 2017 von 565,00 EUR auf 675,00 EUR zuzüglich Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 185,00 EUR (insgesamt 860,00 EUR) erhöht werde und bat um ihre Zustimmung, welche die Klägerin am 25. Oktober 2016 erteilte (Bl. 1222 d. Verwaltungsakte).

Die Klägerin bezog ab dem 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017 eine Witwenrente in Höhe von 574,21 EUR netto monatlich von der Deutschen Rentenversicherung B (Bl. 1227 d. Verwaltungsakte), in der Zeit von Juli 2017 bis Juni 2018 betrug die Witwenrente 583,83 EUR (Bl. 1297 d. Verwaltungsakte) und in der Zeit ab 1. Juli 2018 602,64 EUR (Bl. 1345 d. Verwaltungsakte). Sie bezieht außerdem seit vielen Jahren Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

Bereits mit Bescheid vom 13. September 2006 hatte der Beklagte die Klägerin aufgefordert, einen günstigeren Wohnraum zu mieten. Die Klägerin wies in der Folge unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung darauf hin, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, einen Umzug zu organisieren sowie eine neue angemessene Unterkunft zu suchen. Mit Bescheid vom 17. Oktober 2006 (Bl. 186 d. SG-Akte) änderte der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 13. September 2006 ab und bewilligte Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten. Der Bescheid enthielt insoweit folgenden Hinweis: „Aus diesem Grund werden Ihnen die Kosten der Unterkunft ab dem 01.11.2006 nicht auf die Mietobergrenze gekürzt, sondern werden von unserer Seite aus die tatsächlichen Kosten der Unterkunft übernommen. Wir behalten uns jedoch vor, nur die angemessenen Kosten der Unterkunft bei der Ermittlung Ihres sozialhilferechtlichen Bedarfes zu berücksichtigen, sobald Sie gesundheitlich in der Lage sind, eine angemessene Wohnung zu suchen und einen Umzug zu organisieren.“ In der Folgezeit übernahm der Beklagte die Kosten der Unterkunft jeweils in tatsächlicher Höhe.

Mit Bescheid vom 21. November 2016 (Bl. 1229 d. Verwaltungsakte) bewilligte der Beklagte sodann Leistungen für die Zeit vom 1. Dezember 2016 bis zum 30. November 2017 in Höhe von monatlich 537,63 EUR (ab Dezember 2016) bzw. 524,79 EUR (ab Juli 2017). Dabei wurden Unterkunftskosten nur in Höhe von 695,00 EUR (Kaltmiete: 565,00 EUR, Nebenkosten: 130,00 EUR) berücksichtigt. Die höhere Miete aufgrund der Mieterhöhung werde nicht berücksichtigt, da die bisherigen berücksichtigten Kosten der Unterkunft bislang schon über den angemessenen Kosten einer Unterkunft für eine Person in M von derzeit 350,00 EUR lägen. Es stehe der Klägerin frei, die Kosten der Unterkunft zu reduzieren, z.B. durch Umzug oder Untervermietung.

Hiergegen erhob die Klägerin am 9. Dezember 2016 Widerspruch (Bl. 1236 d. Verwaltungsakte). Die Übernahme der erhöhten Kaltmiete sowie der Nebenkosten sei zu Unrecht abgelehnt worden. Umzug und Untervermietung seien ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar. Für eine Untervermietung bedürfe es zudem der Zustimmung des Vermieters.

Eine von dem Beklagten beabsichtigte amtsärztliche Begutachtung durch das Gesundheitsamt L lehnte die Klägerin unter Hinweis auf ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen ab und legte hinsichtlich des geplanten Termins eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2017 (Bl. 1244 d. Verwaltungsakte) bewilligte der Beklagte der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 21. November 2016 und Zuerkennung von Nebenkosten in Höhe von 185,00 EUR ab dem 1. Januar 2017 bis zum 30. November 2017 monatlich Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von 598,93 EUR (ab Januar 2017) bzw. 586,09 EUR (ab Juli 2017 wegen Wegfall der Berücksichtigung der Versicherungen); im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Kaltmiete berücksichtige er weiterhin nur in Höhe von 565,00 EUR.

Mit Schreiben vom 1. März 2017 (Bl. 1248 d. Verwaltungsakte) forderte der Beklagte die Klägerin auf, ihre Aufwendungen für ihre Unterkunft zu senken und teilte die für sie maßgebliche Mietobergrenze einschließlich der Höhe der kalten Betriebskosten mit.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2017 hat die Klägerin am 28. März 2017 beim Sozialgericht (SG) Heilbronn Klage erhoben (S 11 SO 905/17) sowie um einstweiligen Rechtsschutz (S 11 SO 904/17 ER) nachgesucht. Sie hat sinngemäß vorgebracht, aus gesundheitlichen Gründen nicht umziehen zu können. Außerdem stimme ihr Vermieter einer Untervermietung nicht zu. Sie zahle derzeit die Miete vollständig an ihren Vermieter. Ihr verblieben daher nur 311,84 EUR und somit fast 100,00 EUR weniger als der vorgesehene Regelsatz.

Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 2. Mai 2017 abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat das Landessozialgericht (LSG) B mit Beschluss vom 27. Juni 2017 (L 7 SO 2275/17 ER) zurückgewiesen.

Bereits mit Änderungsbescheid vom 21. Juni 2017 (Bl. 1271 d. Verwaltungsakte) hat der Beklagte den Bescheid vom 21. November 2016 für die Zeit ab dem 1. Juli 2017 aufgehoben und für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis zum 31. August 2017 wegen der Rentenanpassung der Altersrente Leistungen in Höhe von 575,17 EUR bewilligt. Ab September 2017 hat der Beklagte der Klägerin Leistungen in Höhe von 300,62 EUR bewilligt. Eine Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft könne nur noch bis zur Mietobergrenze erfolgen. Dem hiergegen erhobenen Widerspruch hat der Beklagte mit Bescheid vom 8. Februar 2018 (Bl. 1317 d. Verwaltungsakte) für die Zeit ab September 2017 insoweit abgeholfen, als dass er Kosten der Unterkunft in Höhe der bisherigen Miete von 750 EUR weiterbewilligt hat.

Mit Änderungsbescheid vom 11. Juli 2017 (Bl. 1276 d. Verwaltungsakte) bewilligte der Beklagte der Klägerin wegen der Berücksichtigung einer Privat-Haftpflicht sowie einer Hausratversicherung (Bl. 1275 d. Verwaltungsakte) für die Zeit ab Juli 2017 Leistungen in Höhe von 588,13 EUR monatlich und für die Zeit ab September 2017 in Höhe von 313,58 EUR.

Mit amtsärztlichem Zeugnis vom 2. August 2017 (Bl. 1281 d. Verwaltungsakte) hat die D nach persönlicher Untersuchung der Klägerin festgestellt, dass eine Umzugsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich eine Wohnung zu suchen, nicht gegeben sei. Die Klägerin leide unter verschiedenen körperlichen Funktionsbeeinträchtigungen, die zu deutlichen Einschränkungen im körperlichen Bereich führten. Im Vordergrund stünde allerdings eine sehr schwere chronifizierte psychiatrische Erkrankung auf dem Boden einer Persönlichkeitsstörung. Trotz regelmäßiger fachärztlicher und medikamentöser Behandlung habe eine anhaltende Stabilisierung bisher nicht erreicht werden können. Die Klägerin sei aufgrund ihrer psychischen Störung in ihrer psychischen Belastbarkeit und ihrer Stresstoleranz gemindert. Sie leide unter ausgeprägten Schlafstörungen mit Gedankenkreisen, großer innerer Unruhe mit hohem Bewegungsdrang, Konzentrations- und Gedächtniseinschränkungen und einer vielfältigen vegetativen Symptomatik. Insbesondere stünden der Klägerin im Rahmen ihrer psychischen Erkrankung keine Verhaltensmuster zur Verfügung, mit Stress adäquat umgehen zu können, sich Hilfe organisieren und annehmen zu können und planvoll zu handeln. Die Überwindung der langjährig verfestigten pathologischen Verhaltensmuster sei nicht mehr zu erwarten.

Mit Schreiben vom 23. August 2017 (Bl. 64 d. SG-Akte) hat der Vermieter gegenüber der Klägerin bestätigt, dass die von ihr angemietete Wohnung wie im Mietvertrag festgehalten nicht untervermietet werden dürfe. Auf die Mieterhöhung vom 12. September 2016 werde zudem auch nicht verzichtet.

Mit Bescheid vom 1. Dezember 2017 (Bl. 1305 d. Verwaltungsakte) in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 9. Februar 2018 (Bl. 1319 d. Verwaltungsakte) in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20. November 2018 (Bl. 1347 d. Verwaltungsakte) hat der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 1. Dezember 2017 bis einschließlich November 2018 Grundsicherungsleistungen für Dezember 2017 in Höhe von 588,13 EUR, für die Zeit von Januar bis einschließlich Juni 2018 in Höhe von 595,13 EUR und für die Zeit von Juli 2018 bis einschließlich November 2018 in Höhe von 576,97 EUR bewilligt. Zur Begründung hat der Beklagte daran festgehalten, dass die Klägerin eine unangemessen große und teure Wohnung bewohne. Auf der Grundlage des amtsärztlichen Zeugnisses vom 2. August 2017 sei der Beklagte weiterhin bereit, für den Bewilligungszeitraum Mietkosten von 750 EUR (Kaltmiete 565 EUR ohne Mieterhöhung, Nebenkosten 185 EUR) zu berücksichtigen, nicht jedoch die Mieterhöhung. Letztere sei nicht mit ihm abgesprochen gewesen. Die Klägerin sei vielmehr aufgefordert, die Problematik der unangemessen teuren Wohnung mit ihrem Vermieter zu besprechen. Möglicherweise bestehe die Möglichkeit, dass dieser von der Mieterhöhung Abstand nehme, wenn die Klägerin darlege, vom Beklagten den erhöhten Mietzins nicht zu erhalten. Dauerhaft vermöge die Klägerin allerdings nicht in der Wohnung zu bleiben. So habe die Klägerin zumindest zu ihrem Sohn Julian Kontakt, welcher bereits eine Anzeige zur Wohnungssuche für sie aufgegeben habe. Zudem könnte die Klägerin auch durch den Sozialpsychiatrischen Dienst im Hause unterstützt werden.

Mit Beschluss vom 23. Oktober 2017 hat das Sozialgericht Heilbronn einen weiteren Antrag auf einstweilige Anordnung der Klägerin vom 9. Oktober 2017 abgelehnt (Az.: S 11 SO 3334/17 ER). Eine Beschwerde hiergegen hat die Klägerin nicht eingelegt.

Gegen den Bescheid vom 1. Dezember 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2018 hat die Klägerin am 6. März 2018 Klage erhoben (Az.: S 11 SO 758/18).

Mit Beschlüssen vom 26. Februar 2018 und 6. April 2018 hat die Kammer die Rechtsstreitigkeiten S 11 SO 905/17, S 11 SO 4033/17 (Untätigkeitsklage) sowie S 11 SO 758/18 unter dem Aktenzeichen S 11 SO 905/17 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
 
Zur weiteren Ermittlung des medizinischen Sachverhalts hat das SG die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich befragt. Diesbezüglich wird hinsichtlich der Auskunft des U auf Bl. 71 ff. d. SG-Akte, hinsichtlich der Auskunft des K auf Bl. 120 ff. d. SG-Akte, hinsichtlich der Auskunft des H auf Bl. 131 ff. d. SG-Akte und hinsichtlich der Auskunft des V auf Bl. 148 d. SG-Akte Bezug genommen.

Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat das SG das nervenärztliche Gutachten der E vom 24. Januar 2019 erhoben (Bl. 213 d. SG-Akten). Diese hat bei der Klägerin folgende Diagnosen gestellt: V.a. kombinierte Persönlichkeitsstörung, Dysthymie, Agoraphobie mit Panikstörung, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, HWS- und LWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen ohne neurologische Ausfälle, Migräne accompagne, Tinnitus aurium. Die Klägerin sei in ihren Fähigkeiten zur Planung und Strukturierung von Aufgaben, ihrer Flexibilität und Umstellungsfähigkeit, ihrer Durchhaltefähigkeit, ihrer Selbstbehauptungsfähigkeit und ihrer Gruppenfähigkeit zumindest mittelschwer beeinträchtigt. Die Fähigkeit, sich an Regeln und Routinen anzupassen, fachliche Kompetenzen anzuwenden und Spontanaktivitäten zu initiieren, sei leicht beeinträchtigt, ebenso die Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit. Die Klägerin sei seit Juli 2016 nicht in der Lage, sich eigenständig um einen Wohnungswechsel (sei es im selben Ort oder in räumlicher/regionaler Nähe zur bisherigen Wohnung) zu bemühen. Diese Einschränkungen lägen im Wesentlichen in der diagnostizierten Persönlichkeitsstörung und den daraus resultierenden Einschränkungen des geistigen Fähigkeitsprofils begründet. Mit der notwendigen Unterstützung sei der Klägerin ein Umzug zumutbar. Dabei seien verschiedene Faktoren zu berücksichtigen: Die Klägerin benötige genügend Zeit zur Vorbereitung (3 bis 4 Monate), sie benötige bei der Vermittlung einer Wohnung entsprechende Unterstützung (z.B. Vermittlung einer Sozialwohnung), die Wohnung müsse eine angemessene Größe haben und sie benötige Unterstützung beim Umzug selbst. Aufgrund der Agoraphobie mit Panikstörung und der bestehenden Persönlichkeitsstörung sei die Klägerin nicht in der Lage, alleine mit öffentlichen Verkehrsmitteln (also ohne Begleitperson) zu reisen.  

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG den Klageanspruch für den Zeitraum Januar bis einschließlich August 2017 anerkannt und die Klägerin das Teilanerkenntnis angenommen.

Mit Urteil vom 2. April 2019 hat das SG die Klage abgewiesen, soweit sie über das Teilanerkenntnis des Beklagten hinausgeht. Im allein noch streitigen Zeitraum vom 1. September 2017 bis einschließlich 30. November 2018 sei es der Klägerin möglich und zumutbar gewesen, ihre Aufwendungen durch einen Wohnungswechsel zu senken. Die Klägerin habe auch unter Berücksichtigung ihrer gesundheitlichen Einschränkungen bei individueller Beurteilung der Umstände des Einzelfalls nicht alles ihr Mögliche und Zumutbare getan, um ihre erheblich unangemessen hohen Unterkunftskosten spätestens ab September 2017 zu senken. So wäre es ihr ohne weiteres möglich gewesen, regelmäßig die kostenfreien Wochenblätter nach Wohnungsanzeigen zu durchsuchen und beim potentiellen Vermieter anzurufen. Hierbei hätte sie sich bei Bedarf durch ihren Sohn und/oder dessen Verlobte unterstützen lassen können. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Gutachten der E. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte sogar bereit sei, für etwaige Maklerkosten und Umzugskosten aufzukommen.  

Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 15. April 2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14. Mai 2019 Berufung bei dem LSG B eingelegt und zur Begründung vorgetragen, sie sei aufgrund ihrer eingeschränkten Mobilität nicht in der Lage, sich selber ohne Mithilfe Dritter Wohnungen anzuschauen. Sie habe sich daher vorrangig an Makler gewandt, welche ihr jedoch keine einzige Wohnung hätten anbieten können, die den Anforderungen des Beklagten entspreche. Auch in den kostenfreien Wochenblättern, die sie durch die Nachbarin erhalten habe, habe sie keinen Wohnraum finden können. Eine Unterstützung durch ihren Sohn und dessen Verlobte sei nicht möglich, weil beide ebenfalls psychisch erkrankt und gesundheitlich nicht in der Lage seien, die Probleme der Klägerin zu lösen. Aufgrund ihrer Erkrankung lebe sie sehr zurückgezogen und habe keinen großen Bekanntenkreis. Ihr stünden deshalb auch keine anderen Personen zur Verfügung, die ihr bei der Wohnungssuche helfen könnten. Zu ihrer Tochter habe sie keinen Kontakt. Sie habe mehrfach bei dem Beklagten um Unterstützung nachgesucht. Mit Schreiben vom 9. April 2019 habe sie beim Beklagten konkret Leistungen nach § 68 Abs. 1 SGB XII, insbesondere zur Erlangung eines angemessenen Wohnraums einschließlich der Unterstützung beim Umzug, sowohl personeller als auch finanzieller Art, beantragt. Ein Bescheid hierzu liege bis heute nicht vor. Bislang habe der Beklagte lediglich zugesagt, Maklerkosten zu übernehmen und in Aussicht gestellt, auch die Umzugskosten zu übernehmen. Allein die Übernahme der Maklerkosten bringe jedoch keinen Vorteil für die Klägerin, da die Makler ihr keine passende Wohnung anzubieten hätten. Sie sei zudem bei der Stadt M wegen einer Sozialwohnung gemeldet.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 2. April 2019 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 21. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 27. Februar 2017 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 11. Juli 2017 und 8. Februar 2018 und des Bescheides vom 1. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 9. Februar 2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20. November 2018, jeweils in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 2. April 2019, zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 1. September 2017 bis 30. November 2018 Leistungen nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Klägerin sei es möglich, eine angemessene andere Wohnung zu finden. Da sie nach eigenen Angaben über kein ausgeprägtes soziales Umfeld verfüge, sei sie nicht an die Gemeinde M gebunden. Es sei der Kläger daher zumutbar, die Wohnungssuche auf den gesamten Landkreis auszudehnen. In diesem größeren Umfeld seien angemessene Wohnungen zu finden. Auch wenn die Voraussetzungen für eine Mietsenkung rechtswirksam erst seit März 2017 vorlägen, sei der Klägerin tatsächlich schon seit November 2006 bekannt, dass ihre Wohnung zu groß und zu teuer sei. Ihr sei der Umzug auch zumutbar, dies ergebe sich aus dem Gutachten der E.

Seit November 2019 ist für die Klägerin eine Betreuung eingerichtet (vgl. Betreuerausweis vom 15. November 2019, Bl. 100 der Senatsakte). Hinsichtlich des im Rahmen des Betreuungsverfahrens eingeholten Gutachtens des M1 vom 24. Oktober 2019 wird auf Bl. 80 der Senatsakte Bezug genommen.

Am 10. August 2021 hat die Berichterstatterin mit den Beteiligten einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.    


Entscheidungsgründe

1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (vgl. § 124 Abs. 2 SGG), ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da die Klägerin Geldleistungen in Höhe von insgesamt 1.650 EUR begehrt, so dass der Beschwerdewert von 750 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) überschritten ist. 

2. Die Berufung ist auch begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 21. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 27. Februar 2017 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 11. Juli 2017 und 8. Februar 2018 und der Bescheid vom 1. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 9. Februar 2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20. November 2018 jeweils in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 2. April 2019, mit welchen der Beklagte Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. September 2017 bis 30. November 2018 unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 750 EUR bewilligt hat. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 i.V.m. § 56 SGG) und begehrt ausschließlich höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung, die einen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (st. Rspr., vgl. nur BSG, Urteil vom 6. August 2014 – B 4 AS 55/13 RBSGE 116, 254 – juris Rdnr. 12; Urteil vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 42/13 R – juris Rdnr. 10; Urteil vom 23. März 2010 – B 8 SO 24/08 R – juris Rdnr. 9).

Die Klägerin hat für die Zeit vom 1. September 2017 bis zum 30. November 2018 einen Anspruch auf höhere Leistungen der Grundsicherungen im Alter und bei Erwerbsminderung unter Berücksichtigung der tatsächlich anfallenden Unterkunftskosten in Höhe von 860 EUR.

Die Klägerin gehört zum leistungsberechtigten Personenkreis.

Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB XII (in der Fassung vom 24. März 2011) i. V. m. §§ 41 ff. SGB XII (in der Fassung vom 21. Dezember 2015, im Folgenden jeweils ohne Zusatz zitiert) erhalten Personen Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel SGB XII, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.  

Die Klägerin ist dauerhaft voll erwerbsgemindert, sie hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einen Antrag auf Grundsicherungsleistungen gestellt. Sie konnte ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht (vollständig) aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und § 90 SGB XII bzw. § 43 SGB XII bestreiten.

Nach § 42 Nr. 4 1. Halbsatz i. V. m. § 35 SGB XII, jeweils in der vom 1. Januar 2016 geltenden Fassung vom 21. Dezember 2015, bzw. nach § 42 Nr. 4a SGB XII i. V. m. § 42 a SGB XII, jeweils in der vom 1. Juli 2017 geltenden Fassung vom 22. Dezember 2016 i. V. m. § 35 SGB XII in der vom 1. Juli 2017 geltenden Fassung vom 22. Dezember 2016 (im Folgenden jeweils ohne Zusatz zitiert), sind Leistungsberechtigten neben dem Regelsatz und Mehrbedarf Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu gewähren. Dabei werden die Bedarfe für die Unterkunft nach § 35 Abs. 1 S. 1 SGB XII (sowohl in der Fassung vom 21. Dezember 2015 als auch in der Fassung vom 22. Dezember 2016) grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt. Übersteigen die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie insoweit als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 27 Abs. 2 SGB XII zu berücksichtigen sind, anzuerkennen (Abs. 2 Satz 1). Dies gilt so lange, als es diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (Abs. 2 Satz 2). Diese befristete Bestandsschutzregelung gilt auch entsprechend bei einer Mieterhöhung (BSG, Urteil vom 23. August 2012 – B 4 AS 32/12 R – juris Rdnr. 27) oder beim Auszug eines Mitbewohners (BSG, Urteil vom 16. April 2013 – B 14 AS 28/12 R – juris Rdnr. 20). Will der Träger der Sozialhilfe die tatsächlichen Aufwendungen nicht als Bedarf berücksichtigen, weil er sie als unangemessen hoch ansieht, hält er mit anderen Worten die Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 Satz 2 SGB XII für gegeben, um seine Leistungspflicht auf angemessene Aufwendungen für die Unterkunft zu beschränken, muss er grundsätzlich ein Kostensenkungsverfahren durchführen. Hierbei hat er zunächst zu bestimmen, welche Kosten der Unterkunft er im Sinne des § 35 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XII als angemessen ansieht. 

Der Begriff der Angemessenheit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Konkretisierung durch die Verwaltung grundsätzlich gerichtlich voll überprüfbar ist (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R – Rdnr. 16ff.). Die Ermittlung des angemessenen Umfangs der Aufwendungen für die Unterkunft hat dabei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes im Rechtskreis des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II), welche für den Bereich des SGB XII ebenfalls Anwendung findet (vgl. nur BSG, Beschluss vom 15. Mai 2020 – B 8 SO 1/20 B – juris Rdnr. 3) in zwei größeren Schritten zu erfolgen: Zunächst sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (= Bruttokaltmiete) zu ermitteln; dann ist die konkrete (= subjektive) Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen, einschließlich eines Umzugs, zu prüfen (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 - B 14 AS 24/18 R - juris Rdnr. 19 m. w. N.).

Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen hat hierbei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes unter Anwendung der Produkttheorie („Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis“) in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen, in dem insbesondere die aufzuwendende Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept festzulegen ist (BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 - B 14 AS 24/18 R - juris Rdnrn. 20 ff. m. w. N.).

Der Beklagte verfügt, wie der Senat – auch für den hier streitgegenständlichen Zeitraum –  bereits entschieden hat (Senatsurteil vom 22. April 2021– L 7 AS 4054/18 – juris) über ein schlüssiges Konzept. Ungeachtet dessen, dass die im Streitzeitraum geschuldeten tatsächlichen Kosten der Unterkunft gemessen an dieser Angemessenheitsobergrenze nicht angemessen im Sinne von § 35 SGB XII gewesen sind, was hier indes einer abschließenden Prüfung nicht bedarf, rechtfertigen die bei der Klägerin in dem in Rede stehenden Zeitraum vorliegenden Besonderheiten des Einzelfalls und insbesondere ihre gesundheitlichen Einschränkungen ausnahmsweise die weitere Übernahme selbst unangemessener Kosten der Unterkunft und Heizung durch den Beklagten.

Unabhängig von der Frage einer wirksamen Kostensenkungsaufforderung, war es der Klägerin in dem hier noch streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. September 2017 bis 30. November 2018 unzumutbar, durch einen Wohnungswechsel ihre Aufwendungen zu senken.

Der vorliegende Fall rechtfertigt die Annahme eines seltenen Ausnahmefalles der Unzumutbarkeit eines Umzuges insbesondere aus gesundheitlichen Gründen. An die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. auch zum Folgenden BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R - juris Rdnrn. 32 ff.; Urteil vom 20. August 2009 - B 14 AS 41/08 R - juris Rdnrn. 36 f.). Die Möglichkeit und Zumutbarkeit umgehender und nachzuweisender Kostensenkungsbemühungen – auch durch Umzug – sind in aller Regel anzunehmen. Die Norm sieht damit selbst bei Vorliegen von „Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit“ vor, dass „in der Regel“ spätestens nach sechs Monaten nur noch die Aufwendungen in Höhe der Referenzmiete erstattet werden sollen (Regelfall). Da einerseits das Recht jedoch auch von Hilfebedürftigen bei der Suche von Alternativwohnungen „nichts Unmögliches oder Unzumutbares“ verlangen kann, andererseits aber die Übernahme überhöhter Kosten der Unterkunft und Heizung angesichts der genannten Rechtsfolgenanordnung exzeptionellen Charakter haben soll, sind im Rahmen der Bestimmung der Ausnahmen vom Regelfall strenge Anforderungen an die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit zu stellen. Die Erstattung nicht angemessener Kosten der Unterkunft und Heizung bleibt der durch sachliche Gründe begründungspflichtige Ausnahmefall und die Obliegenheit zur Kostensenkung bleibt auch bei Unmöglichkeit oder subjektiver Unzumutbarkeit bestehen; unangemessen hohe Kosten der Unterkunft und Heizung werden auch bei Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen nicht zu angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung.

Das BSG erkennt aber bei älteren Menschen an, dass sie typisierend immobiler als der Durchschnitt der Bevölkerung sind, weil mit zunehmendem Alter die Anpassungsfähigkeit weiter abnimmt und die Anfälligkeit für Erkrankungen zunimmt und dass wegen des erfahrungsgemäß veränderten Aktionsradius die Wohnung und Wohnumgebung für das körperliche und psychische Wohl des alten Menschen immer mehr an Bedeutung gewinnen (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 2010 – B 8 SO 24/08 R – juris Rdnr. 20).

Bei der Klägerin ist zudem zu berücksichtigen, dass sie auf nervenärztlichem Fachgebiet unter einer Persönlichkeitsstörung, einer Dysthymie, einer Agoraphobie mit Panikstörung, einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, einem HWS- und LWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen ohne neurologische Ausfälle, einer Migräne accompagne und einem Tinnitus aurium leidet. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten der E vom 24. Januar 2019. Bei der Untersuchung durch E war der Kontakt zur Klägerin gut herstellbar und durchgängig zu halten. In der Beschwerdeschilderung war die Klägerin weitschweifig, an Details haftend, es war sehr schwer, sie zu strukturieren, immer wieder wich sie vom Thema ab, kam auf ein anderes Thema, erinnerte dann die Ausgangsfrage nicht. Die Konzentration war deutlich eingeschränkt, auch Merkfähigkeit und Gedächtnis waren eingeschränkt. Es fanden sich deutliche Auffälligkeiten im formalen Denken, Befürchtungen und Zwänge waren vorhanden. Es wurden Panikattacken und agoraphobisches Vermeidungsverhalten geschildert. Die Stimmung war allenfalls leicht zum depressiven Pol hin verschoben, der Antrieb war mäßig eingeschränkt. Die durchgeführten Symptomvalidierungstests zeigten keine Hinweise auf suboptimales Antwortverhalten. Die bei der Klägerin bestehende kombinierte Persönlichkeitsstörung führt zu einer erheblichen Einschränkung des Fähigkeitsprofils. So ist die Klägerin – nach der schlüssigen Darstellung der E, der sich der Senat anschließt – in ihren Fähigkeiten zur Planung und Strukturierung von Aufgaben, ihrer Flexibilität und Umstellungsfähigkeit, ihrer Durchhaltefähigkeit, ihrer Selbstbehauptungsfähigkeit und ihrer Gruppenfähigkeit zumindest mittelschwer beeinträchtigt. Die Fähigkeit, sich an Regeln und Routinen anzupassen, fachliche Kompetenzen anzuwenden und Spontanaktivitäten zu initiieren, ist leicht beeinträchtigt. Aufgrund dieser Einschränkungen ist die Klägerin nur mit Unterstützung in der Lage, sich eine Wohnung zu organisieren, einen Umzug zu planen und zu bewältigen. Damit ist die Klägerin im hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht in der Lage gewesen, sich eigenständig um einen Wohnungswechsel (sei es im selben Ort oder in räumlicher/regionaler Nähe zur bisherigen Wohnung) zu bemühen.

Entsprechendes ergibt sich auch aus dem von dem Beklagten erhobenen Gutachten der D vom 2. August 2017. Die Gutachterin ist hierin zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin aufgrund ihrer psychischen Störung in ihrer psychischen Belastbarkeit und ihrer Stresstoleranz gemindert ist. Danach stehen ihr im Rahmen ihrer psychischen Erkrankung keine Verhaltensmuster zur Verfügung, mit Stress adäquat umzugehen, sich Hilfe zu organisieren und annehmen zu können und planvoll zu handeln. Auch die D ist daher zu der Überzeugung gelangt, dass die Fähigkeit, sich eine Wohnung zu suchen, bei der Klägerin nicht gegeben ist. Sowohl E als auch die D gehen dabei davon aus, dass von einer Chronifizierung der Erkrankung auszugehen ist. Eine wesentliche Besserung kann auch unter Optimierung aller therapeutischen Möglichkeiten allenfalls in einem geringen Umfang erreicht werden.

Nach alledem war es der Klägerin eben gerade nicht möglich, die kostenfreien Wochenblätter, die Immobiliendatenbanken o.ä. nach Wohnungsanzeigen zu durchsuchen und umfangreiche Aktivitäten zur Wohnungssuche zu entwickeln. Hieran ändert auch die Bewilligung des Beklagten hinsichtlich der Übernahme von Maklerkosten nichts. Die Klägerin hat insofern mit verschiedenen Maklern Kontakt aufgenommen, welche jedoch keine Wohnungen im gesuchten Wohnungssegment vermitteln konnten. Sie steht zudem seit über zehn Jahren auf einer Warteliste für eine städtische Wohnung der Stadt M und seit Juni 2017 auch auf einer Warteliste für betreutes Wohnung. Weiter kann die Klägerin auch nicht darauf verwiesen werde, bei der Wohnungssuche auf die Hilfe ihres Sohnes und dessen Frau zurückzugreifen, nachdem beide ebenfalls unter psychischen Problemen leiden und bei dem Sohn der Klägerin auch ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 festgestellt ist.

Der Übernahme der tatsächlichen Kosten steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin der Mieterhöhung zugestimmt hat, ohne zuvor mit dem Beklagten Rücksprache gehalten zu haben. Eine Zusicherung nach § 35 Abs. 2 SGB XII war nicht einzuholen, nachdem es sich nicht um eine neue Unterkunft handelt. Der Vermieter der Klägerin hat im Übrigen mitgeteilt, dass einer Untervermietung nicht zugestimmt wird und an der Mieterhöhung festgehalten wird.  

Die Klägerin hat danach einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung und im Alter unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 675 EUR zuzüglich Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 185 EUR.
 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.

Rechtskraft
Aus
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