L 9 U 2066/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 2083/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 2066/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 21. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 05.10.2016 streitig.

Der am 1971 geborene Kläger erlitt am 05.10.2016 einen Arbeitsunfall, als er im Rahmen seiner Beschäftigung als Triebfahrzeugführer beim Überqueren der Gleise in eine 1,5 Meter tiefe Baugrube stürzte. Die Hohenzollerische Landesbahn AG meldete der Beklagten den Unfall mit Unfallanzeige vom 19.10.2016.

Der Durchgangsarzt B stellte die Erstdiagnosen laterale Tibiakopffraktur links und Deckplattenfraktur BWK12 (richtig: BWK 11). Im Behandlungsbericht der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des SRH Krankenhauses S vom 17.10.2016 nach stationärer Behandlung vom 05.10.2016 bis 15.10.2016 wurden eine dislozierte laterale Tibiakopfimpressionsfraktur links und eine Deckplattenimpressionsfraktur BWK11 diagnostiziert. Am 11.10.2016 wurde am linken Knie eine offene Reposition mit arthroskopischer Assistenz und eine laterale Platten-Kompressions-Osteosynthese durchgeführt. Der Beklagten lag der OP-Bericht vom 11.10.2016 vor. Vom 13.12.2016 bis 18.01.2017 wurde eine stationäre Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T durchgeführt. Im Befund- und Entlassbericht vom 24.01.2017 wurden persistierende Beschwerden vor allem des linken Kniegelenks mit Bewegungseinschränkung nach plattenosteosynthetisch versorgter lateraler Tibiakopfimpressionsfraktur am 11.10.2016 nach Tibiakopffraktur BWK11-Deckplattenimpressionsfraktur vom 05.10.2016 diagnostiziert. Im Verlauf habe sich eine zunehmende Beschwerdesymptomatik im Bereich des linken oberen Sprunggelenks außenknöchelbetont gezeigt, weshalb eine Überweisung zum MRT erfolgt sei. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Ausmaß werde in diesem Fall voraussichtlich verbleiben. Am 24.01.2017 stellte der Kläger sich bei M vor, am 06.02.2017 wurde eine Kernspintomographie des linken Sprunggelenks durchgeführt. Im entsprechenden Bericht vom 07.02.2017 wurden unspezifische Knochenödeme insbesondere im Talus und geringer in der distalen Tibia, DD: Inaktivitätsosteoporose, Überlastung, ferner unverändert die Vernarbung des Ligamentum fibulo-talare anterius und des Ligamentum deltoideum beschrieben. Am 06.09.2017 erfolgte eine MRT des linken Kniegelenks; bildmorphologisch war insgesamt kein Nachweis einer eindeutigen und traumatisch bedingten Kniebinnenpathologie gegeben. Vom 30.08.2017 bis 27.09.2017 gewährte die Beklagte dem Kläger eine tätigkeitsorientierte Rehabilitation (TOR) in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. Im entsprechenden Abschlussbericht vom 28.09.2017 wurden Restbeschwerden im Bereich des Kniegelenks links mit endgradiger Bewegungseinschränkung nach plattenosteosynthetisch versorgter lateraler Tibiakopffraktur am 11.10.2016, eine stattgehabte BWK11-Deckplattenimpressionsfraktur vom 05.10.2016 und anhaltende Sprunggelenksbeschwerden sowie ein Belastungsdefizit des linken oberen Sprunggelenks bei Knochenödem insbesondere im Talus (DD: Inaktivitätsosteoporose) beschrieben.

Eine Wiedereingliederungsmaßnahme wurde abgebrochen, der Kläger war zunächst bis zum 31.10.2017 krankgeschrieben und führte vom 01.11.2017 bis Ende Februar 2018 eine durch den Arbeitgeber finanzierte Fortbildung zum Fahrdienstleiter durch.

Im ersten Rentengutachten vom 15.12.2017 beschrieb M als wesentliche Unfallfolgen eine stattgehabte osteosynthetisch versorgte laterale Tibiakopffraktur mit verbliebener geringgradiger Bewegungseinschränkung des Kniegelenks, mit verbliebener Muskelminderung im Ober- und Unterschenkel, mit radiologisch nachgewiesener Kalksalzdemineralisation sowohl im Bereich des Knie- als auch des Sprunggelenks, eine stattgehabte BWK11-Deckplattenimpressionsfraktur mit verbliebener Druck- und Klopfschmerzhaftigkeit über den Dornfortsätzen und eingeschränkter Beweglichkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule sowie eine stattgehabte Kontusion/Distorsion des linken Sprunggelenks mit verbliebenem Belastungsdefizit des linken oberen Sprunggelenks bei Knochenödem, insbesondere im Talus, DD Inaktivitätsosteoporose. Die durch die Verletzungsfolgen bedingte MdE betrage vom 01.11.2017 bis 05.10.2018 20 v.H., danach werde sie voraussichtlich unter 20 v.H. betragen. S1 führte in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 12.01.2018 aus, das Gutachten erscheine hinsichtlich der MdE von 20 v.H. nicht ausreichend begründet. Die Kniefunktion betrage rechts 0-0-140° (links 0-0-145°), es bestehe also keine Funktionseinschränkung, die Bänder seien stabil. Ferner sei eine stabil verheilte BWK11-Fraktur ohne wesentliche Deformierung gegeben.

Mit Bescheid vom 24.01.2018 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab, da die Erwerbsfähigkeit nicht über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls bzw. nach dem Ende des Verletztengeldanspruchs um 20 v.H. gemindert sei. Als Folgen des Versicherungsfalls wurden anerkannt: Ohne wesentliche Folgen ausgeheilte BWK11-Fraktur, geringgradige Muskelminderung nach operativ versorgter, knöchern ausgeheilter Tibiakopffraktur rechts mit noch einliegendem Osteosynthesematerial, folgenlos verheilte Distorsion des linken Sprunggelenks. Der Bescheid wurde hinsichtlich der Bezeichnung der Unfallfolgen mit Schreiben vom 27.06.2018 in „Tibiakopffraktur links“ korrigiert.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2018 wurde der Widerspruch des Klägers, mit dem er sich gegen die Ablehnung der Verletztenrente wandte, zurückgewiesen. Die durch M angenommene MdE von 20 v.H. sei nicht ausreichend begründet. M habe den BWK11-Bruch als stabil verheilt beschrieben, was keine MdE begründe. Die Beweglichkeit für das rechte (gemeint linke) Knie von Extension/Flexion von 0-0-145 bei stabilen Bandverhältnissen rechtfertige nach der unfallmedizinischen Fachliteratur ebenfalls keine MdE, da keine funktionellen Einschränkungen vorlägen.

Hiergegen hat der Kläger am 27.09.2018 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und weiterhin die Gewährung einer Verletztenrente begehrt.

Das SG hat K mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 02.02.2019 hat der Gutachter nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 29.01.2019 als Folgen des Arbeitsunfalls ein lokales unteres Thorakalsyndrom nach stabiler BWK11-Deckplattenimpressionsfraktur, nach lateraler Tibiakopffraktur links, offener Reposition und winkelstabiler Plattenosteosynthese am 11.10.2016 sowie physiotherapeutischer Nachbehandlung eine Bewegungseinschränkung des linken Knies um 10 Grad für die Beugung, eine muskulär kompensierte Instabilität des äußeren Seitenbandes des linken Knies, eine Muskelminderung des linken Ober- und Unterschenkels, radiologisch sichtbare Veränderungen des linken Knies (initiale Sekundärarthrose), eine Belastungsminderung des linken Beines und „gemäß dem Bescheid vom 24.01.2018“ eine folgenlos verheilte Distorsion des linken Sprunggelenks beschrieben. Weitere Gesundheitsstörungen auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet seien eine stattgehabte fibulare Kapselbandruptur des oberen linken Sprunggelenks, ein Tarsaltunnel-Syndrom links (Operation 2003), Senk-Spreiz-Füße beidseits und ein leichtes X-Bein beidseits. Außerhalb des orthopädisch-unfallchirurgischen Fachgebiets bestünden eine Adipositas, ein Bluthochdruck und eine Migräne. Die unfallbedingte MdE schätze er mit 10 v.H. ein. Die von M festgestellten Gesundheitsstörungen des linken oberen Sprunggelenks könne er nicht dem Arbeitsunfall zuordnen.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.05.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Die – näher dargelegten – Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente lägen nicht vor. Der Kläger habe am 05.10.2016 einen Arbeitsunfall erlitten, als er nach dem Durchgangsarztbericht von B vom selben Tag beim Überqueren der Gleise in eine 1,5 Meter tiefe Gleisgrube gestürzt sei. Er habe sich dabei, wie sich aus dem Behandlungsbericht der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des SRH Krankenhauses S vom 17.10.2016 ergebe, eine dislozierte laterale Tibiakopfimpressionsfraktur links und eine Deckplattenimpressionsfraktur BWK11 zugezogen. Als Folge des Arbeitsunfalls vom 06.10.2016 bestünden ein nach stabiler BWK11-Deckplattenimpressionsfraktur lokales unteres Thorakalsyndrom, nach lateraler Tibiakopffraktur links, offener Reposition und winkelstabiler Plattenosteosynthese am 11.10.2016 sowie physiotherpeutischer Nachbehandlung eine Bewegungseinschränkung des linken Knies um 10 Grad für die Beugung, eine muskulär kompensierte Instabilität des äußeren Seitenbandes des linken Knies, eine Muskelminderung des linken Ober- und Unterschenkels, radiologisch sichtbare Veränderungen des linken Knies (initiale Sekundärarthrose) sowie eine Belastungsminderung des linken Beins. Diese Unfallfolgen würden auf der Grundlage des überzeugenden Gutachtens von K festgestellt. Soweit M als Unfallfolgen ein verbliebenes Belastungsdefizit des linken oberen Sprunggelenks bei Knochenödem, insbesondere im Talus, DD Inaktivitätsosteoporose, beschrieben habe, könne sich das SG dieser Beurteilung angesichts des Gutachtens von K nicht anschließen. Dieser habe zutreffend ausgeführt, dass ein Gesundheitserstschaden nicht beschrieben worden sei und auch in der kernspintomographischen Untersuchung des linken oberen Sprunggelenks vom 06.02.2017 keine dem Unfall zuzuordnenden weiteren Gesundheitsschäden bezeichnet würden. Nach der unfallmedizinischen Fachliteratur sei bei einem stabil verheilten Wirbelbruch, der keine oder nur eine geringe Fehlstatik aufweise (Keilwirbel unter 10 Grad), und ggf. einschließlich Höhenminderung der angrenzenden Bandscheibe ohne wesentliche segmentbezogene Funktionsstörung eine MdE unter 10 v.H. anzunehmen. Dies habe auch K in seinem Gutachten zutreffend ausgeführt. Erst bei statisch wirksamem Achsenknick (Keilwirbelbildung von mehr als 25 Grad), ggf. Höhenminderung der angrenzenden Bandscheibe mit deutlicher segmentbezogener Funktionsstörung oder verbliebener segmentaler Instabilität (muskulär teilkompensiert) oder Versteifung von zwei Segmenten der Lendenwirbelsäule (einschließlich BWK12/LWK1) oder der Halswirbelsäule (unterhalb HWK2) komme nach der Literatur eine MdE von 20 v.H. in Betracht. Wie K schlüssig dargelegt habe, wirkten sich die Versteifungen von darüber gelegenen BWK-Segmenten, also beispielsweise BWK11 und höher, geringer aus und seien somit mit einer MdE von unter 20 v.H. zu bewerten. K habe überzeugend ein stabiles Ausheilungsergebnis ohne Fehlstatik und ausweislich der gefertigten Funktionsaufnahmen ohne verbliebene segmentale Instabilität beschrieben. Eine Bandscheibenbeteiligung im Sinne von schwerwiegenden spondylotischen Abstützungsreaktionen habe er zwischen BWK 10 und 11 nicht feststellen können. Auf der Grundlage der Gutachtenliteratur habe er damit überzeugend aufgrund der Unfallfolgen im Bereich der Wirbelsäule eine MdE von unter 20 v.H., de facto sogar unter 10 v.H. beschrieben. Hinsichtlich der Unfallfolgen im Bereich des linken Knies sei festzustellen, dass nach der unfallmedizinischen Fachliteratur bei Bewegungseinschränkungen eines Kniegelenks (Streckung/Beugung) von 0-0-120° eine MdE von 10 v.H. anzunehmen sei. Wie K schlüssig dargelegt habe, habe die Beweglichkeit sowohl bei der Untersuchung für das erste Rentengutachten als auch bei der Untersuchung für das Gerichtsgutachten über dieser Grenze gelegen. M habe allerdings einen inkompletten Hocksitz erhoben, während dieser bei K vollständig habe durchgeführt werden können. Dabei sei die Einschränkung der Beugefähigkeit unter Berücksichtigung der unfallmedizinischen Fachliteratur nicht mit einer messbaren MdE verbunden. K habe allerdings bei der Untersuchung eine leichte Außenbandinstabilität für das linke Knie festgestellt. Unter Berücksichtigung des Längsschnittverlaufs und unter Beachtung seiner Untersuchungsergebnisse sei er schlüssig von einer muskulär kompensierten leichten Instabilität ausgegangen. Zusammenfassend habe er schlüssig ausgeführt, dass bei dem Kläger insbesondere komplexe Funktionsabläufe wie das Gehen und die Ausdauer beim Gehen beeinträchtigt seien. Die Gesamt-MdE von 10 v.H. sei überzeugend. Der Beurteilung von M habe schon deshalb nicht gefolgt werden können, weil er seine MdE-Einschätzung auf der Grundlage der Annahme von Unfallfolgen auch im Bereich des linken Sprunggelenks getroffen habe. Anhaltspunkte für einen Stützrententatbestand seien nicht gegeben.

Gegen den ihm am 27.05.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 26.06.2019 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe bereits im Dezember 2002 einen Arbeitsunfall erlitten. Beim Aussteigen aus einem Zug habe er sich einen Bänderriss im Bereich des linken oberen Sprunggelenks zugezogen. Dieses Unfallgeschehen sei der Beklagten als Arbeitsunfall gemeldet und als solcher anerkannt worden. Er habe deswegen im Jahr 2003 operiert werden müssen. Die durch M im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall vom 05.10.2016 festgestellten bzw. aufgrund des Unfalls erneut aufgetretenen und bis heute wahrgenommenen Gesundheitsstörungen im Bereich des linken oberen Sprunggelenks stünden daher in einem direkten Zusammenhang mit den Unfallfolgen des Arbeitsunfalls vom 05.10.2016. Er berufe sich auf das Gutachten des M, der von einer MdE von 20 v.H. zumindest bis zum 05.10.2018 ausgegangen sei. Im Bereich des linken Kniegelenks bestünden weiterhin Einschränkungen der Funktionalität und Beweglichkeit. Gleiches gelte auch für die festgestellten Schmerz- und Beschwerdezustände im Bereich des linken Sprunggelenks. K verkenne in Kenntnis des Arbeitsunfalls aus dem Jahr 2002 die in diesem Zusammenhang erneut unfallbedingt aufgetretenen gesundheitlichen Probleme. Aufgrund der Unfallfolgen könne er seine bisherige Tätigkeit als Lokführer nicht mehr ausüben und habe (erfolgreich) eine Umschulung zum Disponenten bzw. Zugleiter durchlaufen müssen. Die Unfallfolgen hätten auch Auswirkungen auf sein Privatleben. So bestünden regelmäßig schmerzbedingt erhebliche Schlafstörungen. Das Aufstehen falle ihm aufgrund der Schmerzen ebenfalls schwer. Er leide unter permanenten Schmerzen im Knie bzw. im Bereich des linken Sprunggelenks. Ein freies Aufrichten aus bzw. bei gebeugtem Knie sei nicht möglich, sondern nur unter Zuhilfenahme von Gegenständen, an denen er sich festhalten bzw. hochziehen könne. Auch allgemein sei kein flüssiger Gang, sondern nur ein verzögerter und leicht hinkender Gang möglich. Im BWK-Bereich hätten sich die Beeinträchtigungen verschlimmert. Ihm sei es nicht möglich, sich frei und ohne Einschränkungen vom Liegen bzw. nach längerem Sitzen aufzurichten bzw. aufzustehen. Gleiches gelte für die Benutzung eines PKW. Er könne beim Einsteigen auf der Fahrerseite seine Beine erst dann in den Wagen heben, wenn er sich zuvor hingesetzt habe. Längere Fahrten bzw. Geh-/Treppenstrecken seien somit nur noch mit regelmäßigen Pausen möglich.

Der Kläger beantragt,

der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 21. Mai 2019 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, ihm unter Abänderung des Bescheids vom 24. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. August 2018 eine Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 5. Oktober 2016 ab dem 1. November 2017 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie stützt sich auf die Feststellungen in den angefochtenen Bescheiden und die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid. Darüber hinaus hat sie den Wiedererkrankungsbericht des M vom 08.04.2019 vorgelegt. Auf Aufforderung des Senats hat sie Unterlagen zum Versicherungsfall vom 02.12.2002 (Az. 070302401200214096) vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 21.05.2019 abgewiesen; der Bescheid vom 24.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.08.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein solcher Anspruch nicht besteht, weil die durch den im angefochtenen Bescheid anerkannten Arbeitsunfall vom 05.10.2016 verursachten Gesundheitseinschränkungen die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert haben. Das SG hat dies unter Auswertung der vorliegenden Gutachten, der sich hieraus abzuleitenden, als unfallbedingt anzuerkennenden Funktionsstörungen sowie der Empfehlungen der gehörten Sachverständigen ausführlich, sorgfältig und im Ergebnis überzeugend begründet. Dabei hat das SG die in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze berücksichtigt und anhand dieser belegt, weshalb eine MdE in rentenberechtigendem Grad nicht erreicht wird. Der Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen des SG nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht deswegen gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück.

Ergänzend und zu den Einlassungen im Berufungsverfahren weist der Senat darauf hin, dass auch er sich nicht davon überzeugen konnte, dass die Gesundheitsstörungen im Bereich des linken oberen Sprunggelenks, die M in seinem Gutachten vom 15.05.2017 als „stattgehabte Kontusion/Distorsion des linken Sprunggelenks mit verbliebenem Belastungsdefizit des linken oberen Sprunggelenks bei Knochenödem, insbesondere im Talus, DD Inaktivitätsosteoporose“ bezeichnet hat, dem Arbeitsunfall vom 05.10.2016 zuzurechnen sind. Die Beklagte hat eine folgenlos verheilte Distorsion des linken Sprunggelenks als Folge des Arbeitsunfalls anerkannt, obwohl weder im Bericht des B über die Erstversorgung vom 05.10.2016 noch im stationären Behandlungsbericht des SRH Krankenhauses S vom 17.10.2016 noch im Aufnahmebefund der BG Klinik T vom 13.12.2016 Befunde (und Beschwerden) im Zusammenhang mit dem linken oberen Sprunggelenk erwähnt werden. Erst während der Rehabilitationsmaßnahme in der BG Klinik T wird über eine zunehmende Beschwerdesymptomatik im Bereich des linken oberen Sprunggelenks (außenknöchelbetont) berichtet. Die in der Folge veranlasste Kernspintomographie des linken oberen Sprunggelenks vom 06.02.2017 zeigte unspezifische Knochenödeme, insbesondere im Talus und geringer in der distalen Tibia (DD: Inaktivitätsosteoporose, Überlastung) und unverändert eine Vernarbung des Lig. fibulo-talare anterius des Lig. deltoideum. K legt auch für den Senat überzeugend dar, dass die festgestellten Gesundheitsstörungen des linken oberen Sprunggelenks unter Beachtung der d-ärztlichen Angaben und der Angabe der SRH Klinik S zur Bezeichnung der Unfallfolgen sowie unter Beachtung des Diagnoseteils im BGSW-Verfahren nicht dem Arbeitsunfall zuzuordnen sind. Auch in der kernspintomographischen Untersuchung werden nach den überzeugenden Ausführungen von K keine dem Unfall vom 09.10.2016 zuzuordnenden weiteren Gesundheitsschäden bezeichnet. Eine Außenbandplastik, wie im Befundbericht vom 06.07.2017 angegeben, wurde nicht durchgeführt. Vielmehr wurde 2003 durch M ein Tarsaltunnel-Syndrom erfolgreich operativ behandelt. Hierbei handelt es sich, wie K beschreibt, um ein Nervenengpass-Syndrom des durch den Tarsaltunnel verlaufenden Nervus tibialis. Ein Tarsaltunnel-Syndrom kann häufig nach traumatischen Schädigungen des oberen Sprunggelenks auftreten. Eine derartige Schädigung in Form eines Bänderrisses ist bei dem Kläger im Jahr 2002 abgelaufen und nach Einschätzung von K möglicherweise ursächlich für das später operativ zu behandelnde Tarsaltunnel-Syndrom gewesen. Eine Neurolyse führte dazu, dass keine weiteren Beschwerden bestanden. Die im MRT 2017 nun festgestellten unspezifischen Knochenödeme sind nach Einschätzung von K als Inaktivitätsosteoporose zu interpretieren. Posttraumatische Veränderungen fanden sich am oberen und unteren Sprunggelenk nicht. Unabhängig davon, dass eine Distorsion des Sprunggelenks in den zeitnah nach dem Unfall erhobenen Befunden nicht dokumentiert wurde, wäre diese jedenfalls, wie von der Beklagten im angefochtenen Bescheid festgestellt, folgenlos verheilt und führt nicht zu einer Erhöhung der aufgrund des Arbeitsunfalls vom 05.10.2016 festzustellenden MdE von 10. v.H.

Schließlich rechtfertigen die bei dem Kläger festzustellenden Bewegungsmaße im linken Sprunggelenk zu keinem Zeitpunkt die Feststellung einer MdE um 10 v.H., so dass aufgrund des Arbeitsunfalls vom 02.12.2002 auch kein Stützrententatbestand besteht, der einen Anspruch auf eine Verletztenrente begründen würde. Nach der unfallmedizinischen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., 2017, Seite 712 f.) ist eine MdE um 10 v.H. erst bei einer Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenks auf 0-0-30 (Heben/Senken) anzunehmen. Bei der Untersuchung durch M am 27.11.2017 war dem Kläger das Senken bis 40° möglich, bei Aufnahme am 30.08.2017 und Entlassung am 25.09.2017 aus der BG Klinik Tübingen war das Anheben jeweils um 10° und das Senken bis 40° möglich, bei der Untersuchung durch K am 29.01.2019 war das Heben bis 20° und das Senken bis 50° möglich, was dem Normwert entspricht. Eine MdE um mindestens 10 v.H. aufgrund der Gesundheitsstörungen im linken oberen Sprunggelenk war damit nicht gerechtfertigt, so dass auch ein Stützrententatbestand nicht in Betracht kommt.

Auch eine Verschlechterung der Funktionsbeeinträchtigungen im Vergleich zu den durch K am 26.01.2019 erhobenen Befunden ist nicht dokumentiert; im von der Beklagten vorgelegten Wiedererkrankungsbericht vom 08.04.2019 teilt M vielmehr mit, der Untersuchungsbefund sei im Vergleich zur Untersuchung am 01.10.2018 im Wesentlichen unverändert. In dem Bericht vom 08.04.2019 führt M außerdem aus, dass die Beschwerdesymptomatik sich „unverändert“ im Bereich der Wirbelsäule und am Kniegelenke findet. Beschwerden im Bereich des linken oberen Sprunggelenks werden gerade nicht angegeben.

Auch der Senat konnte sich daher nicht vom Vorliegen einer MdE um 20. v.H. und damit den Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente überzeugen. Für die Bemessung der MdE ist aufgrund des die gesetzliche Unfallversicherung beherrschenden Prinzips der abstrakten Schadensbemessung ausschließlich die anhand allgemeiner Erfahrungssätze zu bestimmende – durch die jeweiligen Funktionseinschränkungen verursachte – in Prozent bzw. v.H. ausgedrückte Verminderung der Möglichkeiten, sich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Lebensgrundlage in Form eines Erwerbs zu verschaffen, maßgeblich (vgl. nur Scholz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., Stand 15.01.2022, § 56 Rdnr. 17, m.w.N.). Es kommt daher nicht darauf an, ob der Kläger die zuletzt vor dem Arbeitsunfall ausgeübte Tätigkeit als Lokführer noch verrichten kann.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren unterlegen ist.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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