L 18 AL 97/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18.
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 9 AL 235/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 97/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

 

 

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 24. August 2020 wird zurückgewiesen.

 

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 

Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz.

 

Die Beteiligten schlossen am 5. Dezember 2013 einen Vertrag („Maßnahmenfreigabe“), wonach der Kläger für den seinerzeit vor Änderung der Rechtsträgerschaft in die beklagte GmbH (vgl notarieller Umwandlungsbeschluss vom 18. September 2017) bestehenden Verein zur Förderung von Qualifizierung und Qualitätsmanagement in der Personal- und Arbeitsvermittlung (PeV <P>; Rechtsvorgänger) die im Vertrag benannten Qualifizierungsmaßnahmen (Bewerbertraining, Orientierung und Aktivierung, Selbstvermarktungsstrategie für Akademiker) durchführen sollte, die der Rechtsvorgänger ihm vergüten sollte (Stundensatz einheitlich 45,- €). P hatte zum Nachweis der Zulassung nach § 10 der Anerkennungs- und Zulassungsverordnung – Weiterbildung – (AZWV) eine Bescheinigung der D GmbH (D) vom 3. November 2011, gültig bis 2. November 2014, vorgelegt, aus der sich ergab, dass er zugelassener Träger der beruflichen Weiterbildung sei. Nachdem er dem Kläger im Mai 2014 mitgeteilt hatte, dass durch die D ein Zertifikatentzug erfolgt sei und daher alle Maßnahmen einzustellen bzw keine neuen Maßnahmen zu beginnen seien, er sich aber um eine neue Zertifizierung bemühe, schlossen der Kläger und P am 17. Juli 2014 einen weiteren inhaltsgleichen Vertrag „Maßnahmenfreigabe“. Zuvor hatte P ein Zertifikat der DEGmbH (E) für die Zeit vom 26. Juni 2014 bis 25. Juni 2019 erhalten, auf dessen Inhalt verwiesen wird. Der Kläger kündigte den Vertrag vom 17. Juli 2014 am 19. August 2014.

 

Mit der im Februar 2015 beim Amtsgericht Dessau-Roßlau erhobenen Klage hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung zuletzt erklärt, keine höheren Schadensersatzansprüche als 4.000,- € geltend  zu machen. Nach Verweisung an das Landgericht (LG) Dessau wegen einer zwischenzeitlich erhobenen Widerklage des P hat dieses das Verfahren an das Sozialgericht (SG) Cottbus verwiesen (Beschluss vom 8. März 2016). Das SG hat die auf Zahlung von Schadensersatz iHv 4.000,- € gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 24. August 2020). Die von P erhobene Verjährungseinrede greife durch. Der Kläger habe schon den geltend gemachten Gesamtschadensanspruch nicht hinreichend konkretisiert. Aus welchen konkreten Schadenspositionen sich die geltend gemachte Summe von 4.000,- € ergebe, sei unklar geblieben.

 

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hemme auch eine Teilklage auf Schadensersatz die Verjährung aller Teilansprüche und wirke die später erfolgte Konkretisierung zurück. Die Beklagte sei schadensersatzpflichtig, weil der Entzug des Zertifikats im Mai 2014 von P schuldhaft verursacht worden sei und dieser die Rechtswidrigkeit des Vertrages vom 5. Dezember 2013 gekannt habe.

 

Der Kläger beantragt,

 

die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Cottbus vom 24. August 2020 zur Zahlung von 4.000,- € nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit 21. Januar 2016 zu verurteilen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

 

Auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

 

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

Entscheidungsgründe

 

 

Die Zulässigkeit des Rechtswegs war auf den – bindenden - Verweisungsbeschluss des LG hin nicht mehr zu prüfen (vgl § 202 Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm § 17a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz <GVG>). Die örtliche Zuständigkeit des SG prüft das Rechtsmittelgericht nicht mehr (§ 98 SGG iVm § 17a Abs. 5 GVG).

 

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte – das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen - kann sich als Rechtsnachfolgerin von P (im Wege des bloßen Formwechsels nach § 1 Abs. 1 Nr 4 Umwandlungsgesetz nach Maßgabe des Umwandlungsbeschlusses vom 18. September 2017) auf Verjährung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs iHv 4.000,- € berufen.

 

Ausgehend von der maßgebenden Regelverjährungsfrist von drei Jahren (vgl §§ 195, 199 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>) für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB, der auf einem vom Kläger behaupteten Schadenseintritt im Jahr 2014 beruht, endete die Verjährungsfrist am 31. Dezember 2017.

 

Entgegen der Annahme des Klägers ist die Verjährung des Klageanspruchs nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB durch die Klageerhebung gehemmt worden. Denn der Kläger hat die Schadensersatzansprüche (vgl zu deren Gesamtaufstellung iHv 18.632,48 € den Schriftsatz vom 23. August 2017) im Hinblick auf den geltend gemachten Teilbetrag iHv 4.000,- € mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2018 nicht hinreichend individualisiert und hat dies auch bis zur Entscheidung des Rechtsmittelgerichts nicht getan. Zwar trifft die Auffassung des Klägers zu, dass - anders als im gerichtlichen Mahnverfahren (vgl BGH, Urteil vom 21. Oktober 2008 – XI ZR 466/07 – juris- bzw bei der Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren) - bereits die Erhebung einer Teilklage, mit der mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, deren Summe den geltend gemachten Teil übersteigt, die Verjährung aller Teilansprüche hemmt und die Bestimmung, bis zu welcher Höhe bzw in welcher Reihenfolge die einzelnen Teilansprüche verfolgt werden, nachgeholt werden kann, also „zurückwirkt“, und der Kläger zudem eine entsprechende Individualisierung bis zum Urteil nachholen kann (vgl BGH, Urteil vom 6. Mai 2014 – II ZR 217/13 – juris – Rn 16 mwN).

 

Eine solche Individualisierung ist jedoch mit dem Schriftsatz vom 24. Oktober 2018 nicht erfolgt. Dort hat der Kläger ausgeführt, der Betrag von 4.000,- € umfasse „insbesondere“ die im Folgenden aufgeführten Kostenpositionen, deren Einzelwerte indes addiert einen Betrag von 4.027,96 € ergeben. Weder eine hinreichend bestimmte Reihenfolge noch eine konkrete Aufteilung der aufgezeigten Teilansprüche auf den (nur) geltend gemachten Gesamtbetrag von 4.000,- € lässt sich dem Vorbringen entnehmen, das im Übrigen auch offen lässt („insbesondere“), ob noch weitere Schadenspositionen Gegenstand der Teilklage sein sollen oder eben nicht. Es kann aber nicht Aufgabe des Gerichts sein, insbesondere nicht nach den ausführlichen Hinweisen des SG im Schreiben vom 19. Februar 2019 und in der angefochtenen Entscheidung, aus den aufgeführten Teilansprüchen selbst zu bestimmen, welche und in welcher Reihenfolge der Kläger nunmehr verfolgt. Dies gilt schon dann, wenn – wie hier – der Gesamtbetrag der aufgeführten Ansprüche den geltend gemachten Teil übersteigt, sei es auch nur unwesentlich.

 

Selbst wenn hier von einer hinreichenden Konkretisierung im Schriftsatz vom 24. August 2018 auszugehen wäre, wäre die Klage indes nicht begründet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nach § 280 Abs. 1 BGB sind nicht dargetan. Eine schuldhafte (vgl §§ 280 Abs. 1 Satz 2, 276 BGB) Verletzung einer vertraglichen Pflicht durch P ist nicht feststellbar.

 

Für die Zeit bis zur Mitteilung des Zertifikatsentzugs im Mai 2014 folgt dies schon daraus, weil P jedenfalls bis dahin im Besitz eines Zertifikats der D – einer zugelassenen Zertifizierungsstelle - vom 3. November 2011 war, das auch ersichtlich nicht auf einen Schulungsort begrenzt war, sondern trägerbezogen erteilt wurde (vgl § 10 Abs. 1 und 2 der bis 5. April 2012 geltenden AZWV und Hinweis in der Zulassung, dass P „in der Region bundesweit für … ein zugelassener Träger für die Förderung der beruflichen Weiterbildung … ist). Die verwendete Anschrift bezeichnete lediglich den Sitz von P, nicht die Schulungsorte. Dieses Zertifikat war P auch nicht vor Mai 2014 entzogen worden. Vielmehr war P noch im Oktober 2013 von der D(vgl Schreiben vom 16. Oktober 2013) – und damit nach Inkrafttreten der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV) am 6. April 2012 -  mitgeteilt worden, dass das Zertifikat „weiterhin seine Gültigkeit behält“. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der P bei Vertragsabschluss bekannt war, dass ein Entzug des Zertifikats durch die fachkundige Stelle iSv § 181 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) in der hier anwendbaren, ab 1. April 2012 geltenden Fassung drohte, sind nicht ersichtlich. Letztlich führte der – kurzfristige – Entzug des Zertifikats zum Wegfall der Geschäftsgrundlage des Vertrages vom 5. Dezember 2013, weil damit dessen Grundlage entfallen war, und hätte den Kläger zur Kündigung gemäß § 313 Abs. 3 BGB berechtigt. Eine solche Kündigung hat der Kläger indes bis zum Abschluss eines neuen inhaltsgleichen Vertrages am 17. Juli 2014 nicht ausgesprochen. Darüber hinaus trägt jede Partei die aus einem Vertrag ersichtlichen Risiken grundsätzlich selbst (vgl etwa BGHZ 129, 236,253).

 

Eine Pflichtverletzung des P ist auch für den Zeitraum zu verneinen, in dem er  - ab 26. Juni 2014 - über ein neues Zertifikat der DE – einer fachkundigen Stelle iSd §§ 176, 177 SGB III - nach Maßgabe von § 181 Abs. 6 SGB III in der ab 1. April 2012 geltenden Fassung und der AZAV für Maßnahmen der hier in Rede stehenden Art verfügte. Dieses Zertifikat umfasste die vom Kläger angebotenen Maßnahmen. Es war jedenfalls für den hier streitigen Zeitraum für alle Schulungsorte von P gültig und nicht nach § 181 Abs. 5 Satz 1 SGB III örtlich eingeschränkt. Denn die Prüfung der DEKRA erfolgte ortsbezogen unter Einbeziehung der Standorte (vgl § 5 Abs. 2 Satz 1 iVm Abs. 1 Satz 2 AZAV in der hier maßgebenden, bis 30. September 2020 geltenden Fassung). Die Aufstellung über zugelassene Aktivierungsmaßnahmen, gültig ab 14. Juni 2017, weist demgegenüber lediglich Umfang und Kosten der tatsächlich ausgeführten Maßnahmen aus. Auf der Grundlage des neuen Zertifikats schlossen die Beteiligten auch am 17. Juli 2014 einen neuen Vertrag.

 

Vor dem genannten Hintergrund lässt sich im Übrigen im Hinblick auf die zu fordernde Kausalität auch nicht ersehen und wurde vom Kläger auch nicht dargelegt, weshalb die im Schriftsatz vom 24. Oktober 2018 aufgezeigten Kostenpositionen durch den letztlich (nur) zweimonatigen Wegfall der Zulassung veranlasst gewesen sein sollen. Denn der Kläger war jedenfalls bis zum Entzug des Zertifikats im Mai 2014 und wiederum ab 26. Juni 2014 weder rechtlich noch tatsächlich gehindert, nach Maßgabe des Vertrages vom 5. Dezember 2013 und dann aufgrund des diesen ersetzenden Vertrages vom 17. Juli 2014 die dort bezeichneten Maßnahmen durchzuführen. Die aufgeführten Kosten für Raumausstattung, Technik, Werbung, Türschild, Stempel, Flyer und Software waren daher ohnehin schon angefallen, wie sich im Übrigen auch den entsprechenden Kostenrechnungen im Schriftsatz vom 23. August 2017 (aus der Zeit bis März 2014) entnehmen lässt, bzw waren auch für die Erfüllung des neuen Vertrages erforderlich. Die schließlich im August 2014 erfolgte Kündigung des zweiten Vertrages durch den Kläger ist ungeachtet der Frage, ob diese rechtmäßig oder rechtswidrig war, nicht der Beklagten anzulasten. Hierdurch verursachte bzw vergeblich aufgewendete Kosten waren nicht durch ein Verhalten von P veranlasst. Für den Zeitraum des Wegfalls der Geschäftsgrundlage des Vertrages vom 5. Dezember 2013 (Zeitraum zwischen Entzug des Zertifikats der D und Erteilung des Zertifikats der DE) sind Schadensersatzansprüche ebenfalls zu verneinen. Zum Einen waren die Kosten – wie dargelegt – schon veranlasst. Entgangenen Gewinn hat der Kläger für diesen Zeitraum jedenfalls zuletzt nicht mehr geltend gemacht. Für die einzig noch in Betracht zu ziehenden Mietkosten für knapp zwei Monate iHv mtl 158,40 € ist indes darauf zu verweisen, dass P eine mögliche – objektive - Verletzung einer vertraglichen Pflicht jedenfalls nicht zu vertreten hat (vgl § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ein Verschulden iSv § 276 BGB ist nicht feststellbar.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG iVm § 154 Abs. 2, 161 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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