L 21 AS 1257/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
21
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 24 AS 645/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 21 AS 1257/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AS 224/22 BH
Datum
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.5.2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Der Kläger begehrt die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 25.000,- € als Leistung zur Eingliederung von Selbständigen nach dem Zwei­ten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

 

Der 1962 geborene Kläger ist in verschiedenen künstlerischen Bereichen selbständig tätig. Seit dem Jahr 2010 bezog er vom Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Bereits im Juni 2012 beantragte der Kläger bei dem Beklagten ein Darlehen in Höhe von 25.000,- €, um damit Arbeits- und Betriebsmittel anzuschaffen. Im Rahmen des Antragsverfahrens holte der Beklagte zwei Beraterberichte des Vereins „G e.V.“ ein. In beiden Berichten wurden die wirtschaftliche Tragfähigkeit und die mögliche Gewinnerzielung der selbständigen Tätigkeit des Klägers negativ beurteilt, so dass die Gewährung des begehrten Darlehens vom Beklagten abgelehnt wurde. Diese Ablehnungsentscheidung wurde vom Sozialgericht Düsseldorf mit Urteil vom 25.6.2014 (S 12 AS 468/13) bestätigt.

 

Am 31.7.2014 stellte der Kläger beim Beklagten erneut einen Antrag auf Gewährung eines Darlehens in Höhe von 25.000,- € als Leistung zur Eingliederung von Selbständigen auf der Basis der bereits im Jahr 2012 eingereichten Unterlagen. Nachdem der Kläger keine Änderungen im Vergleich zum vorherigen Antragsverfahren darlegen konnte, lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 5.11.2014 ab. Den Widerspruch des Klägers vom 3.12.2014 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.1.2015 zurück. Es sei nicht ersichtlich, dass eine erneute Einschaltung einer fachkundigen Stelle zu einer anderen Bewertung der Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit des Klägers führe. Die bisherigen Einschätzungen seien vielmehr bestätigt worden. Der Kläger habe in den vergangenen Jahren seit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit keine Umsätze gehabt bzw. keine Gewinne generiert, die auf eine Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit hinweisen würden.

 

Mit seiner am 24.2.2015 vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, dass der Beklagte willkürlich gehandelt habe. Zudem hat er auf seinen vorherigen Vortrag verwiesen.

 

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

 

den Bescheid vom 5.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.1.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen in Form eines Darlehens in Höhe von 25.000,- € für die Anschaffung von Arbeits- und Betriebsmitteln zu gewähren.

 

Der Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Zur Begründung hat er sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid bezogen.

 

Mit Urteil vom 13.5.2019 hat das SG Düsseldorf die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

 

Die zulässige Klage des Klägers sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung des von ihm begehrten Darlehens.

 

Gemäß § 16c Abs. 1 Satz 1 SGB II könnten erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit aufnehmen oder ausüben, Darlehen und Zuschüsse für die Beschaffung von Sachgütern erhalten, die für die Ausübung der selbständigen Tätigkeit notwendig und angemessen seien. Nach § 16c Abs. 3 Satz 1 SGB II könnten Leistungen zur Eingliederung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit aufnehmen oder ausüben, nur gewährt werden, wenn zu erwarten sei, dass die selbständige Tätigkeit wirtschaftlich tragfähig sei und die Hilfebedürftigkeit durch die selbständige Tätigkeit innerhalb eines angemessenen Zeitraums dauerhaft überwunden oder verringert werde. Zur Beurteilung der Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit solle die Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle verlangen (§ 16c Abs. 3 Satz 2 SGB II).

 

Der Beklagte habe sich bei seiner Ablehnungsentscheidung wie im vorherigen Antragsverfahren auf die Beraterberichte des Vereins „G e.V.“ stützen können. Es sei nicht ersichtlich, dass die Berater dieses Vereins nicht über die erforderliche Sachkunde verfügten (Hinweis auf Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 25.6.2014 - S 12 AS 468/13). Eine weitere Stellungnahme habe mangels geänderter Voraussetzungen nicht eingeholt werden müssen. Die Beurteilung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit und der möglichen Überwindung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit habe auf der Grundlage der bereits eingeholten Beraterberichte erfolgen können. Mangels positiver Wirtschaftsprognose sei die Ablehnung des Beklagten nicht zu beanstanden.

 

Der Kläger hat gegen das ihm am 3.7.2019 zugestellte Urteil am 1.8.2019 Berufung erhoben. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen.

 

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

 

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.5.2019 zu ändern, den Bescheid vom 5.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.1.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen in Form eines Darlehens in Höhe von 25.000,- € für die Anschaffung von Arbeits- und Betriebsmitteln zu gewähren.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er ist der Auffassung, die Entscheidung des Sozialgerichts sei rechtlich nicht zu beanstanden.

 

Ein erster Ablehnungsantrag des Klägers gegen die Richter des Senats ist mit Beschluss vom 6.12.2021 zurückgewiesen worden. Mit am 23.3.2022 zugestelltem Schreiben ist der Kläger zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.4.2022 geladen worden. Im Laufe des Vormittags des 29.4.2022 hat der Kläger weitere Ablehnungsanträge gestellt. Zum Termin zur mündlichen Verhandlung ist der Kläger nicht erschienen. Der Senat hat im Termin zur mündlichen Verhandlung eine Vertagung abgelehnt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Ge­richtsakten des vorliegenden Verfahren, des vorherigen Verfahrens S 12 AS 468/13 und die beigezoge­nen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug ge­nommen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Senat ist durch das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 29.04.2022 nicht an einer Entscheidung gehindert gewesen. Der Senat war befugt, sowohl über dieses Ablehnungsgesuch des Klägers (§ 60 SGG) als auch in der Sache zu entscheiden, denn das Ablehnungsgesuch war rechtsmissbräuchlich bzw. offensichtlich unzulässig.

 

Ist ein Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich oder sonst offensichtlich unzulässig, dürfen die abgelehnten Richter selbst über das Gesuch entscheiden. In diesem Fall ist auch in der Regel keine gesonderte Entscheidung über das Gesuch erforderlich. Die Gründe sind dann in der Entscheidung über die Sache zu nennen (Keller, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 2020, § 60 Rn. 10d, 10e). Hier ist ein solcher Fall gegeben.

 

Ein Ablehnungsgesuch ist z.B. rechtsmissbräuchlich, wenn es allein der Verfahrensverschleppung oder der Erzwingung einer Terminsverlegung dient. Teilweise werden hierunter auch Fälle einer völlig unzureichenden Begründung subsumiert. Ein Ablehnungsgesuch ist z.B. unzulässig, wenn über den geltend gemachten Ablehnungsgrund bereits unanfechtbar entschieden worden ist, wenn die Begründung völlig ungeeignet ist bzw. keinerlei substantiierte Tatsachen angegeben werden oder ohne Individualisierbarkeit pauschal alle Mitglieder des Spruchkörpers abgelehnt werden (Nachw. bei Keller, a.a.O., Rn. 10c, 10b).

 

Der Ablehnungsantrag vom 29.4.2022 entspricht in Form und Inhalt weitgehend dem Ablehnungsantrag vom 21.10.2021, über den mit Beschluss vom 6.12.2021 unanfechtbar entschieden worden ist. Ein geordneter Vortrag zu etwaigen Ablehnungsgründen im vorliegenden Verfahren ist nicht ersichtlich. Die Ausführungen des Klägers betreffen zumindest in Teilen andere abgeschlossene Verfahren (etwa L 21 AS 1815/19 oder L 12 AS 940/17). Mit der Auflistung aller Berufsrichter des Senats ohne nähere Konkretisierung wird der Senat pauschal abgelehnt. Soweit auch RiLSG R genannt wird, war dieser am vorliegenden Verfahren gar nicht beteiligt.

 

Ein sachlicher Bezug zu den vorliegenden Verfahren insgesamt besteht allein insofern, als der Kläger die Ladung aller sechs von ihm im erkennenden Senat anhängigen Verfahren in 15minütigem Abstand rügt, was als Verhalten dem Senatsvorsitzenden zugeordnet werden kann. Im Verfahren L 21 AS 1251/19 rügt der Kläger die fehlende Beweisaufnahme in Gestalt eines Sachverständigengutachtens zu seiner selbständigen Tätigkeit, dies kann dem Berichterstatter RiLSG T bzw. erneut dem Senatsvorsitzenden zugeordnet werden.

 

Allerdings ist dieselbe Rüge einer fehlenden Sachaufklärung bereits im erwähnten vorangegangenen Ablehnungsantrag vom 21.10.2021 erhoben worden, über den mit Beschluss vom 6.12.2021 unanfechtbar entschieden worden ist. Sowohl der Umfang der Sachaufklärung als auch die konkrete Ausgestaltung der Ladung von Terminen betreffen die Verfahrensführung durch das Gericht und sind grundsätzlich nicht geeignet, eine Ablehnung der zuständigen Richter zu begründen (BSG vom 21.12.2017 – B 14 AS 4/17 B, Rn. 10; BSG vom 31.8.2015 - B 9 V 26/15 B, Rn. 15; Keller, a.a.O., Rn. 8g). Eine auch nur ansatzweise Begründung, warum die monierte Verfahrensführung auf einer unsachlichen Einstellung oder Willkür beruhe und damit ausnahmsweise einen Ablehnungsantrag rechtfertigen können sollte, gibt der Kläger nicht.

 

Soweit der Kläger mit dem Ablehnungsantrag die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 29.4.2022 und eine weitere Beweisaufnahme erzwingen wollte, handelte es sich um eine rechtsmissbräuchliche Anwendung des Ablehnungsrechts (vgl. BSG vom 7.12.2017 – B 5 R 208/17 B, Rn. 13 f.). Dass es dem Kläger maßgeblich um eine Behinderung des Verfahrens ging, zeigt der Umstand, dass er die Anträge trotz Zustellung der Ladung bereits am 23.3.2022 erst unmittelbar vor dem Termin am späten Vormittag des 29.4.2022 gestellt hat.

 

Ohne dass es für die Qualifizierung der Ablehnungsanträge als unzulässig noch darauf ankäme, weist der Senat darauf hin, dass er über die sechs nacheinander geladenen Verfahren des Klägers trotz seiner Abwesenheit mit der Beklagtenseite noch fast zwei Stunden verhandelt hat, nämlich von 13:30 Uhr bis 15:25 Uhr.

 

2. Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil der Kläger ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG; „einseitige mündliche Verhandlung“, vgl. Keller, a.a.O., § 126 Rn. 4).

 

Soweit die vom Kläger am 29.4.2022 gestellten Anträge zugleich als Verlegungsantrag zu verstehen gewesen sein sollten, hat der Senat diese mit Beschluss im Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.4.2022 abgelehnt. Ein erheblicher Grund für eine Verlegung bzw. eine Vertagung des Termins im Sinne von § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO ist weder schlüssig vorgetragen worden noch sonst ersichtlich gewesen. Er ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger gestellten Ablehnungsanträgen und zwar schon wegen deren zuvor dargestellter Unzulässigkeit.

 

Eine Entscheidung noch vor Beginn des Termins und eine Bekanntgabe an den Kläger sind hier weder geboten noch überhaupt möglich gewesen (anders in dem Fall, der BSG vom 12.5.2017 – B 8 SO 69/16 B zugrunde lag). Die ersten Teile der Anträge gingen erst um 11:27 Uhr auf dem Server des LSG ein und waren nicht an den Senat, sondern den Präsidenten bzw. das Präsidium des Landessozialgerichts adressiert. Es folgten weitere, umfangreiche Schriftsätze. Vor Beginn des Termins war dem Vorsitzenden daher eine Sichtung und förmliche Beschlussfassung nicht mehr möglich. Schon der Umstand, dass die umfangreichen und redundanten Schriftsätze auch einen Verlegungsantrag enthalten könnten, war erst nach eingehender Lektüre und Würdigung im Rahmen der mündlichen Verhandlung ersichtlich. Ein „ordnungsgemäß gestellter“ Verlegungsantrag (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 7) lag jedenfalls nicht vor.

 

3. Die zulässige Berufung des Klägers ist in der Sache nicht begründet.

 

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da diese zwar zulässig, aber unbegründet ist. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da diese rechtmäßig sind. Er hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Gewährung eines Darlehens i.H.v. 25.000,- € nach § 16c SGB II in der seit dem 1.4.2012 gültigen Fassung oder auf Neubescheidung.

 

Der Senat nimmt auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Bezug und macht sich diese nach Prüfung zu Eigen (§ 153 Abs. 2 SGG).

 

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass ein Anspruch auf Neubescheidung wegen eines Ermessensfehlers schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil die – vom Beklagten und vom Sozialgericht zu Recht verneinte – Voraussetzung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit zum Tatbestand der Norm gehört (vgl. Stölting, in: Eicher u.a., SGB II, 2021, § 16c Rn. 13)

 

Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung, weil der Kläger im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt.

 

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

5. Anlass, die Revision zuzulassen (§ 160 SGG), bestand nicht.

 

Rechtskraft
Aus
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