L 8 AL 1596/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 1377/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 1596/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.05.2022 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Weiterbildungsprämie.

Die Klägerin ist ausgebildete Heilerziehungspflegerin und arbeitete vom 01.11.2014 bis zum 31.05.2016 als Heilerziehungspflegerin im Haus K sowie vom 01.06.2016 bis zum 31.07.2019 im M-haus B als Heilerziehungspflegehelferin. Seit dem 01.08.2019 arbeitete sie im G-Heim in der sozialen Betreuung. Mit ihrer Ausbildung durfte sie dort nicht alle Tätigkeiten als Altenpflegerin ausüben, weil sie die erforderliche altenpflegerische Grundausbildung nicht absolviert hatte.

Die Klägerin sprach deshalb bei der Beklagten vor, wo man am 03.12.2019 in einem Vermerk festhielt, dass die Klägerin in der Altenpflege nur voll eingesetzt werden könne, wenn sie über den Abschluss der examinierten Altenpflegerin verfüge. Die Ausbildung könne nach Rücksprache der Klägerin mit dem Regierungspräsidium um zwei Jahre verkürzt werden, wenn die Klägerin im April Jahr 2020 in die Ausbildung einsteige. Ein Schulplatz an der evangelischen Samariterstiftung sei sichergestellt. Die Klägerin sei nicht geringqualifiziert, weil sie über eine abgeschlossene Ausbildung verfüge und keine Berufsentfremdung vorliege. Eine Förderung sei deshalb nur über § 82 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) möglich. Dort müsse der derzeitige Arbeitgeber mit mindestens 50 % der Lehrgangskosten beteiligt werden.

Die Klägerin kündigte mit Schreiben vom 17.12.2019 das Arbeitsverhältnis im G-Heim innerhalb der Probezeit.

Die Klägerin meldete sich am 30.12.2019 zum 01.01.2020 arbeitslos und teilte mit, dass sie eine Ausbildung als Altenpflegerin absolvieren wolle. Ihr Arbeitgeber wolle ihr die Ausbildung nicht ermöglichen, somit habe sie das Arbeitsverhältnis gelöst. Sie habe sich bereits im Dezember 2019 beim Haus N in P um eine neue Stelle und auch die Weiterbildung beworben. Man habe ihr dort bereits signalisiert, dass man ihr ab April die Weiterbildung ermöglichen wolle.

Mit Bescheid vom 28.01.2020 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 01.01.2020 bis zum 24.03.2020 fest, da die Klägerin das Beschäftigungsverhältnis durch eigene Kündigung gelöst habe.

Mit Bescheid vom 28.01.2020 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 01.04.2020 bis zum 23.12.2020 in Höhe eines Leistungsbetrages von 46,21 € täglich. Vom 01.01.2020 bis zum 24.03.2020 ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen der Sperrzeit. Über den Zeitraum vom 25.03.2020 bis zum 31.03.2020 sei noch nicht entschieden worden. Hierüber erhalte die Klägerin ein gesondertes Schreiben.

Die Klägerin erhob gegen die Feststellung der Sperrzeit im Bescheid vom 28.01.2020 mit Schreiben vom 29.01.2020 Widerspruch, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2020 zurückwies.

Die Beklagte stellte gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 02.03.2020 die Notwendigkeit einer beruflichen Qualifizierung fest und erteilte einen Bildungsgutschein für die Ausbildung zur examinierten Altenpflegerin, welchen die Klägerin am 11.03.2020
unterschrieben durch die Samariter Stiftung, Evangelische Fachschule für Altenpflege in L, vorlegte.

Am 01.04.2020 nahm die Klägerin eine Beschäftigung im Seniorenheim R auf. Die Beklagte hob mit Bescheid vom 25.03.2020 die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab dem 01.04.2020 auf.

Mit Bescheiden vom 13.07.2020, 25.11.2020 und 29.04.2021 bewilligte die Beklagte für die Maßnahme in der Zeit vom 01.04.2020 bis 31.03.2021 Fahrtkosten „gemäß den §§ 81, 83 SGB III“.

Am 25.03.2021 bestand die Klägerin mit jeweils ausreichender Leistung im schriftlichen, mündlichen und praktischen Teil die staatliche Prüfung in der Altenpflege nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Altenpflegegesetz.

Unter dem 25.03.2021 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zahlung einer Weiterbildungsprämie von 1.500,00 € für das Bestehen der Abschlussprüfung und fügte das Zeugnis vom 25.03.2021 bei.

Eine Vermittlungsfachkraft der Beklagten leitete den Antrag am 29.03.2021 „mit positiver Stellungnahme“ im Haus weiter und bestätigte gegenüber der Klägerin mit E-Mail vom selben Tag, dass die Weiterbildungsprämie bewilligt und zur Auszahlung weitergeleitet worden sei. Weder der Inhalt der „positiven Stellungnahme“, noch die genannte E-Mail befinden sich in der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte.

Mit Bescheid vom 31.03.2021 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Weiterbildungsprämie ab. Die Weiterbildungsprämie könne nicht bewilligt werden, da bereits ein Berufsabschluss erworben worden sei. Eine Zahlung der Weiterbildungsprämie sei nur nach § 81 SGB III möglich. Da die Weiterbildung über § 82 SGB III gefördert worden sei, könne dem Antrag nicht entsprochen werden. Eine Prämie könne nicht gewährt werden.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Die Ausbildungsprämie sei in dem der Klägerin ausgehändigten Merkblatt Nr. 6 genannt. Die Zahlung sei ihr gegenüber sogar in Aussicht gestellt worden. Über eine Änderung der Maßnahme sei sie nicht informiert worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Notwendigkeit einer beruflichen Weiterbildung nach § 81 Abs. 1, Abs. 2 SGB III habe nicht vorgelegen, da die Klägerin über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Heilerziehungspflegerin verfüge und keine Berufsentfremdung im Sinne des § 81 Abs. 2 Nr. 1 SGB III vorgelegen habe. Dagegen hätten die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Förderung der beruflichen Weiterbildung nach § 82 SGB III vorgelegen. Der Bildungsgutschein vom 11.03.20 für die Gültigkeitsdauer sei „gem. § 81 Abs. 4 SGB III" ausgestellt, da diese Vorschrift auch im Rahmen von Förderungen nach § 82 SGB III anzuwenden sei, was sich aus § 82 Abs. 4 S. 1 SGB III ergebe. Keinesfalls könne sich die Klägerin auf einen „Vertrauensschutz" berufen, zumal es darauf vorliegend nicht ankomme. Nur der Vollständigkeit halber werde darauf hingewiesen, dass die Klägerin von ihrer zuständigen Vermittlungsfachkraft von Anfang an, insbesondere aber im Gespräch am 03.12.2019, darüber informiert worden sei, dass eine Förderung ihrer Bildungsmaßnahme zur examinierten Altenpflegerin nur über § 82 SGB III erfolgen könne.

Die Klägerin hat am 18.05.2021 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie hat zur Klagebegründung ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren vertieft. Von Anfang an habe sie offen kommuniziert, dass sie sich darum bemühe, die angestrebte Ausbildung zu verkürzen und die angestrebte Qualifizierung innerhalb eines Jahres erlangen zu können. Das Regierungspräsidium Stuttgart habe aufgrund der Vorausbildung bestätigt, dass die Ausbildung in der Altenpflege um maximal zwei Jahre verkürzt werden könne. Den Beruf der Heilerziehungspflegerin habe die Klägerin nach Ende ihrer Ausbildung sechs Jahre ausgeübt. Da dieser Beruf es lediglich erlaube, in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung zu arbeiten und nicht in einer Pflegeeinrichtung, sei mit der Beklagten eine Förderung erörtert worden. Da im September 2020 der Ausbildungsberuf zur Altenpflegerin durch den Beruf der Pflegefachfrau abgelöst worden sei, was einem völlig neuen Ausbildungskonzept entsprochen und einer Verkürzung der Ausbildungszeit im Wege gestanden hätte, habe die Beklagte dem Förderungsersuchen zugestimmt. Sie verweise erneut auf die fehlende Transparenz im Merkblatt Nr. 6, wonach nicht einmal im Ansatz darauf hingewiesen werde, dass man nach einem bestimmten Paragraphen gefördert werden müsse. Natürlich mache es Sinn, Menschen zu belohnen, die keinen Berufsabschluss vorweisen können, um diese in ihrem Durchhalten zum Abschluss der Ausbildung zu motivieren. Die Beklagte sei sich aber auch darüber im Klaren gewesen, dass sie durch die Ausbildung wesentlich bessere Berufschancen erlange.

Die Beklagte hat unter Ergänzung ihrer Ausführungen im Widerspruchsbescheid zur Klageerwiderung vorgetragen, dass der Klägerin der Antrag auf eine Weiterbildungsprämie tatsächlich zugesendet worden sei. Auch habe die neu für die Klägerin zuständige Vermittlungsfachkraft per E-Mail am 29.03.2021 mitgeteilt, die Weiterbildungsprämie sei bewilligt und zur Auszahlung weitergeleitet. Eine einfache E-Mail erfülle die für eine Zusicherung nach § 34 SGB X erforderliche Schriftform allerdings nicht. Aus dieser E-Mail könne die Klägerin die Zahlung einer Weiterbildungsprämie, für welche die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen würden, nicht herleiten.

Das SG hat mit Schreiben vom 07.10.2022 einen rechtlichen Hinweis erteilt und darauf hingewiesen, es teile nicht die bereits früher vertretene Auffassung der Beklagten, wonach eine Aufstiegsqualifikation nicht von § 131a Abs. 3 SGB III erfasst werde. Soweit die Beklagte vertrete, eine Weiterbildungsprämie sei im Rahmen von § 82 SGB III nicht möglich, werde diese Auffassung ebenfalls nicht geteilt, weil sich aus der Gesetzesbegründung zu § 131a SGB III ergebe, dass die Förderung insbesondere auch für „beschäftigte Arbeitnehmer mit Betreuungs- und Familienpflichten“ gedacht sei. Entsprechend sei davon auszugehen, dass die Prämie auch Personen zustehe, die wie die Klägerin einen Bildungsgutschein über § 82 Abs. 4 SGB III erhalten hätten. Das SG habe auch bereits mit Urteil vom 26.01.2021 - S 2 Al 4180/19 - entschieden, dass eine Weiterbildungsprämie nicht das Fehlen eines staatlich anerkannten Berufsabschlusses erfordere und auch bei einer Aufstiegsweiterbildung in Betracht komme. Die Beklagte habe ihre Berufung (L 3 Al 697/21) zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) zurückgenommen und daher diese Auffassung faktisch akzeptiert.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 02.12.2021 daran festgehalten, dass nur geringqualifizierte Beschäftigte eine Prämie erhalten könnten, die an einer berufsabschlussorientierten Weiterbildung teilnähmen und bei denen die sonstigen Voraussetzungen des § 131a Abs.3 SGB III erfüllt seien.
Die Ausführungen der vom SG zitierten Gesetzesbegründung zu § 131a Abs.3 SGB III bezögen sich auf die Teilnahme an einer mehrjährigen abschlussbezogenen Weiterbildung, die hohe Anforderungen an Motivation und Durchhaltevermögen für die erwachsenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellten. Dies gelte insbesondere auch für beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Klägerin habe jedoch nicht an einer mehrjährigen abschlussbezogenen Weiterbildung teilgenommen. Ihre Weiterbildung habe lediglich den Zeitraum vom 01.04.2020 bis 31.03.2021, also genau ein Jahr, umfasst. Die Förderung der Teilnahme an der Umschulung der Klägerin sei nach § 82 SGB III erfolgt. Dieser regele abweichend von den in § 81 SGB III festgelegten Bedingungen die Förderung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch im Rahmen eines bestehenden und nicht konkret bedrohten Arbeitsverhältnisses. Hierbei könnten grob zwei Gruppen von Beschäftigten unterschieden werden, geringqualifizierte Beschäftigte, die an Weiterbildungen teilnehmen möchten, die zu einem Berufsabschluss führen und alle sonstigen Beschäftigten wie die Klägerin. Die Förderung geringqualifizierter Beschäftigter erfolge im Ergebnis auf Grundlage des § 81 Abs. 2 SGB III, der vorrangig einen Rechtsanspruch begründe. In allen anderen Fallgestaltungen könne eine Förderung nach Maßgabe des § 82 SGB III erfolgen, so auch im Falle der Klägerin. Nach Auffassung der Beklagten könne die Gewährung einer Prämie nur unter den in § 131a Abs. 3 SGB III festgelegten Bedingungen erfolgen. Nach diesen setzte die Gewährung einer Prämie u.a. die Teilnahme an einer nach § 81 SGB III geförderten Weiterbildung voraus. Beschäftigte, die wie die Klägerin direkt auf Grundlage des § 82 SGB III gefördert würden, könnten keine Prämie erhalten. Somit könnten nach Auffassung der Beklagten nur geringqualifizierte Beschäftigte eine Prämie erhalten, die an einer berufsabschlussorientierten Weiterbildung teilnähmen und bei denen die sonstigen Voraussetzungen des § 131a Abs.3 SGB III erfüllt seien.

Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 10.05.2022 unter Aufhebung des Bescheides vom 31.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2021 verurteilt, der Klägerin eine Weiterbildungsprämie von 1.500,00 € zu zahlen. Es liege zwar keine schriftliche Zusicherung gemäß § 34 SGB X vor, da es hierfür an dem erforderlichen Schriftformerfordernis mangele. Jedoch habe die Klägerin nach § 131a Abs. 3 Nr. 2 SGB III Anspruch auf die Gewährung einer Weiterbildungsprämie in Höhe von 1.500 €. Die Gewährung einer Prämie nach § 131a Abs. 3 SGB III setzte nicht voraus, dass der oder die Nachfragende noch nicht über einen staatlich anerkannten Berufsabschluss verfüge. Die Prämie sei auch nicht ausgeschlossen, wenn durch die Weiterbildung eine höhere Qualifikation erreicht werde. Bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes ergebe sich für das SG eindeutig, dass die Weiterbildung im Rahmen von § 131a Abs. 3 Nr. 2 SGB III nicht tatsächlich mindestens zwei Jahre dauern müsse, weil der Gesetzgeber es dann auch so formuliert hätte. Der verwendete Passus „zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf führt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist“ gebe zu erkennen, dass allein die von den einschlägigen Vorschriften festgelegte Ausbildungsdauer maßgeblich sei. Diese betrage nach § 4 Abs. 1 S. 1 AltenpflG drei Jahre. Dass die Klägerin aufgrund ihrer Vorqualifikation eine Verkürzung der Ausbildungsdauer auf ein Jahr habe erreichen können, ändere nichts an der Qualität des erreichten Abschlusses, welcher durch den genannten Passus sichergestellt werden solle.


Abweichendes folge auch nicht aus der § 131a Abs. 3 SGB III zu Grunde liegenden Gesetzesbegründung. Soweit in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen werde, dass die Teilnahme an einer „mehrjährigen abschlussbezogenen Weiterbildung“ besondere Anforderungen an das Durchhaltevermögen stelle, könne daraus abweichend von der Auffassung der Beklagten nicht abgeleitet werden, dass ausschließlich „tatsächlich“ mehrere Jahre dauernde Ausbildungen zu einer Weiterbildungsprämie führen sollten. Die Gesetzesbegründung argumentiere für den Normalfall, in dem die reguläre Ausbildungsdauer absolviert werden müsse. Hätte der Gesetzgeber wirklich die Gewährung einer Weiterbildungsprämie für Fälle der Verkürzung der Ausbildungsdauer auf weniger als zwei Jahre vornehmen wollen, hätte er dies in der Gesetzesbegründung ausreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, was jedoch nicht der Fall sei. Die vorliegend über § 82 SGB III erfolgte Förderung der Ausbildung schließe die Gewährung einer Weiterbildungsprämie nach § 131a Abs. 3 Nr. 2 SGB III nicht aus. § 82 SGB III sei eine Sonderregelung zu § 81 SGB III, was in der amtlichen Überschrift des § 82 SGB III („Förderung beschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“) und in § 82 Abs. 1 S. 1 Eingangssatz SGB III („können abweichend von § 81 […] gefördert werden“) zum Ausdruck komme. Unter Berücksichtigung der oben zitierten Gesetzesbegründung zu § 131a Abs. 3 SGB III („dies gilt für Arbeitslose, aber insbesondere auch für beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Betreuungs- und Familienpflichten“) stehe außer Zweifel, dass der Gesetzgeber davon ausgehe, dass die Gewährung einer Weiterbildungsprämie nach § 131a Abs. 3 SGB III auch bei beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern möglich seien sollte. Beachte man ferner, dass § 82 Abs. 4 S. 1 SGB III in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung bzw. § 82 Abs. 7 S. 1 SGB III in der seit dem 01.01.2021 geltenden Fassung ausdrücklich auf das Bildungsgutscheinverfahren des § 81 Abs. 4 SGB III verweise, sei anzunehmen, dass durch den Passus „die an einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen“ ausschließlich die Notwendigkeit der Durchführung des Bildungsgutscheinverfahrens, welches auch im Rahmen von § 82 SGB III zur Anwendung komme, klargestellt werden sollte. Denn ein genereller Ausschluss von über § 82 SGB III geförderten Maßnahmen lasse sich mit der Gesetzesbegründung nicht in Einklang bringen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 18.05.2022 zugestellte Urteil am 31.05.2022 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.
Entgegen der Auffassung des SG ergebe sich ein Anspruch auf eine Weiterbildungsprämie auch nicht aus § 131a SGB III. Die Gewährung einer Weiterbildungsprämie könne nur unter den in § 131a Abs. 3 SGB III festgelegten Bedingungen erfolgen. § 131a Abs. 3 SGB III setze seinem Wortlaut nach die Teilnahme an einer nach § 81 SGB III geförderten Weiterbildungsmaßnahme voraus. Folglich könnten nur geringqualifizierte Beschäftigte eine Prämie erhalten, die an einer berufsabschlussorientierten Weiterbildung teilnähmen und bei denen die sonstigen Voraussetzungen des § 131a Abs. 3 SGB III erfüllt seien. Der Gesetzgeber habe zwischen arbeitslosen, von Arbeitslosigkeit bedrohten oder geringqualifizierten (§ 81 SGB III) und beschäftigten (§ 82 SGB III) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unterschieden. Beschäftigte, die auf der Grundlage des § 82 SGB III gefördert würden, könnten deshalb keine Weiterbildungsprämie erhalten. Der Gesetzeswortlaut sei eindeutig. § 82 SGB III eröffne „abweichend von § 81“ die Förderung beschäftigter Arbeitnehmer und enthalte eigenständige Anspruchsvoraussetzungen. Mit der in § 131a Abs. 3 SGB III enthaltenen Verweisung auf eine Förderung nach § 81 SGB III habe der Gesetzgeber die Erbringung der Weiterbildungsprämie auf den erstgenannten Personenkreis beschränkt. Wäre dieses Ergebnis vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen, so hätte es der Einschränkung in § 131a Abs. 3 SGB III nicht bedurft. Lediglich bezüglich der Ausführung der Leistungen greife § 82 Abs. 7 SGB III auf das Bildungsgutscheinverfahren des § 81 Abs. 4 SGB III zurück. Auch dieser Rückgriff wäre nicht erforderlich gewesen, wenn der Gesetzgeber keine förderungsrechtlich relevante Unterscheidung zwischen den §§ 81 und 82 SGB III hätte vornehmen wollen.

Leistungen nach § 131a Abs. 3 SGB III würden zu einem ausdrücklich genannten Zweck (Prämie) erbracht. Bei seiner Auslegung habe das SG den genannten Zweck der Weiterbildungsprämie nicht entsprechend berücksichtigt, indem es der tatsächlichen Ausbildungsdauer keine rechtliche Bedeutung zugemessen habe. So habe das LSG Nordrhein-Westfalen auf die Gesetzesmaterialien hingewiesen, wonach die Weiterbildungsprämien Anreize setzen sollten, eine mehrjährige Weiterqualifizierung durchzuhalten (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.01.2021 – L 9 AL 1/19 –, Rdnr. 31; juris). Auch das BSG habe aktuell auf die Anforderungen einer mehrjährigen Ausbildung hingewiesen (BSG, Urteil vom 09.03.2022 – B 7/14 AS 31/21 R –, Rdnr. 26; juris).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.05.2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin hat zur Berufungserwiderung auf ihr bisheriges Vorbringen und auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen. Zudem hat sie vorgetragen, dass der Gesetzgeber zwischen einer Förderung nach § 81 und § 82 SGB III zwar im Hinblick auf die Personengruppen nach ihrem Bildungsstand oder anderen beruflichen Eignungen Unterschiede definiert habe, im Grunde schienen diese Gesetzesgrundlagen jedoch nicht ohne eine Verknüpfung zueinander Anwendung zu finden. Eine Förderung nach diesen Paragraphen setze einheitlich voraus, dass die Teilnehmenden einen Abschluss eines Ausbildungsberufes erlangten, dessen allgemeine Ausbildungsdauer mindestens zwei Jahre voraussetze. Damit werde gerade nicht die Auslegung der Beklagten bestätigt, denn nach deren Sichtweise müsste im Wortlaut gemeint sein, dass der Teilnehmende mindestens eine zweijährige Maßnahme absolvieren müsse, was im Gesetzestext so nicht aufgenommen worden sei. Einen Abschluss zu erlangen, den man im Wege der Förderung anstrebt, erfordere gleich der Ausgangslage eines Teilnehmenden grundsätzlich Durchhaltungsvermögen. Wenn die Beklagte dann zudem den infrage kommenden Teilnehmerkreis mit einem Merkblatt versorge, dass die Weiterbildungsprämie ohne jede Einschränkung erwähne, dann möge dies nicht unbedingt einen Anspruch hierauf darzustellen, dennoch bilde es für jedermann einen Anreiz, die gemeinsam erörterte und in die Wege geleitete Maßnahme erfolgreich abzuschließen.

Die Berichterstatterin hat das Verfahren mit den Beteiligten am 11.07.2022 nichtöffentlich erörtert.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 09.08.2022 vorgetragen, dass
der Auslegung des SG die Rechtsprechung des BSG entgegenstehe. Dieses habe in seinem Urteil vom 03.11.2021 – B 11 AL 2/21 R –, ebenfalls ergangen zu § 131a Abs. 3 SGB III, dargelegt, dass der eindeutige Wortlaut einer Norm eine Auslegungsgrenze bilde. Daraus habe das BSG abgeleitet, dass es von Bedeutung sei, dass der Gesetzgeber bei der Regelung des § 131a Abs. 3 SGB III mehrjährige Weiterbildungen, die hohe Anforderungen an „Motivation und Durchhaltevermögen“ stellten, vor Augen gehabt habe und in solchen Konstellationen die Lernbereitschaft und das Durchhaltevermögen honorieren wollte. Jedenfalls dann, wenn die Weiterbildung ein Jahr oder kürzer dauere, liege bereits keine mehrjährige Weiterbildung vor, die eine teleologische Extension rechtfertige.

Gemessen an den vom BSG formulierten Maßstäben könne die Gewährung einer Weiterbildungsprämie nach §131 a Abs. 3 SGB III auf Förderungen nach § 82 SGB III nicht ausgeweitet werden, da dem der Wortlaut des Gesetzestextes („Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die an einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen, …“) entgegenstehe. Hierbei handele es sich auch um kein Versehen des Gesetzgebers, welches zu
einer auslegungsfähigen Gesetzeslücke führen würde. Denn mit der Einführung des § 82 SGB III des Qualifizierungschancengesetzes vom 18.12.2018 (BGBl. I 2018, Nr. 48, S. 2651) habe der Gesetzgeber den förderungsfähigen Personenkreis erweitert und die Neuerungen in dieser Vorschrift zusammengefasst.
Die sich aus § 82 SGB III ergebende Förderung richte sich nach dem Willen des Gesetzgebers demnach in erster Linie an Arbeitgeber, um diese unabhängig von Ausbildung und Lebensalter ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihrer Betriebsgröße bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung zu unterstützen. Damit komme deutlich zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber die Gewährung der Weiterbildungsprämie ausdrücklich an den Personenkreis richten wolle, der in § 81 SGB III definiert sei. Hiervon sei der Personenkreis nach § 82 SGB III bewusst abgegrenzt worden, da für die Qualifizierungsanpassung dieses Personenkreises der Arbeitgeber verantwortlich sei. Folgerichtig habe der Gesetzgeber die Weiterbildungsprämie nach § 131a Abs. 3 SGB III nicht auf den Personenkreis des § 82 SGB III ausgeweitet, da es sich bei der Weiterbildungsprämie wie dargelegt um eine Förderung der Motivation und des Durchhaltevermögens der betroffenen Person handele, die sich jedoch nicht an den Arbeitgeber richte. Schließlich sei dem Gesetzesentwurf der sich für die Beklagte ergebende Verwaltungsaufwand zu entnehmen (S. 33, 23. Absatz). Ein Verwaltungsaufwand für zusätzliche Weiterbildungsprämien für den neu definierten Personenkreis aus § 82 SGB III sei dort ebenfalls nicht enthalten. Die streitgegenständliche Rechtsfrage, ob auch nach § 82 SGB III geförderte Personen nach § 131a Abs. 3 SGB III prämienbegünstigt seien, habe grundsätzliche Bedeutung, da sie vom BSG bislang noch nicht ausdrücklich geklärt worden sei. Die Rechtsfrage sei im vorliegenden Fall klärungsfähig, so dass hilfsweise beantragt werde, die Revision zuzulassen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und dem weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden konnte, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Beklagte zu Recht im angefochtenen Urteil vom 10.05.2022 unter Aufhebung des Bescheides vom 31.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2021 verurteilt, der Klägerin eine Weiterbildungsprämie von 1.500,00 € zu zahlen.

Die Klage auf Gewährung einer Weiterbildungsprämie i. H. v. 1.500 € ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG zulässig (vgl. hierzu zuletzt BSG, Urteil vom 25.05.2022 – B 11 AL 29/21 R –, juris Rdnr. 12).

Nach § 131a Abs. 3 Satz 1 SGB III i.d.F. vom 20.05.2020 erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die an einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen, die zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf führt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist, folgende Prämien, wenn die Maßnahme vor Ablauf des 31. Dezember 2023 beginnt:
1. nach Bestehen einer in diesen Vorschriften geregelten Zwischenprüfung eine Prämie von 1.000 € und
2. nach Bestehen der Abschlussprüfung eine Prämie von 1.500 €.

Die Klägerin hat eine Ausbildung als Heimerziehungspflegerin durchlaufen. Vom 01.04.2020 bis zum 31.03.2021 absolvierte sie eine Ausbildung zur Altenpflegerin im Seniorenheim R. Mit Bildungsgutschein vom 11.03.2020 hat die Beklagte der Klägerin die Weiterbildung zur staatlich geprüften Altenpflegerin bei der Evangelischen Berufsfachschule für Altenpflege der Samariter Stiftung in L vom 01.04.2020 bis zum 31.03.2021 nach § 81 Abs. 4 SGB III gefördert und dies mit Bescheid vom 02.03.2020 gegenüber der Klägerin nach § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB III festgestellt. Infolge der Vorausbildung konnte die Klägerin die gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Pflegeberufegesetz (PflBG) dreijährige Ausbildungsdauer nach § 12 PflBG um eineinhalb Jahre verkürzen. Dies hat das Regierungspräsidium Stuttgart am 19.02.2020 bestätigt. Die Klägerin hat am 25.03.2021 die staatliche Prüfung in der Altenpflege nach § 2 Abs. 1 des Altenpflegegesetzes vom 17.11.2000 bestanden. Der Senat stellt dies anhand des Prüfungszeugnisses vom 25.03.2021 fest. Die Klägerin hat somit eine nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB III geförderte berufliche Weiterbildung absolviert. Alle tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Förderung sind erfüllt, was zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig ist.

Das SG hat im Urteil vom 10.05.2022 zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zahlung einer Weiterbildungsprämie nach § 131a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB auch im vorliegenden Fall einer nach § 82 SGB III geförderten Maßnahme erfüllt sind. Das Tatbestandsmerkmal "die an einer nach § 81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen" in § 131a Abs. 3 SGB III verweist lediglich auf die Erforderlichkeit der Durchführung des Bildungsgutscheinverfahrens (§ 81 Abs. 4 SGB III); die Gewährung einer Weiterbildungsprämie ist deshalb auch bei einer nach § 82 SGB III erfolgenden Förderung der Weiterbildung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Auch steht der Zahlung der Weiterbildungsprämie nicht entgegen, dass die Ausbildungsdauer vorliegend infolge der bereits vorhandenen Qualifikation von 3 Jahren auf 1 Jahr verkürzt werden konnte. Für das Tatbestandsmerkmal "die zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf führt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist" in § 131a Abs. 3 SGB III kommt es auf die Regelausbildungsdauer an. Eine Verkürzung der Ausbildungsdauer auf ein Jahr wegen Anrechnung eines erworbenen Abschlusses steht einer Prämiengewährung nicht entgegen. Auch weist das SG zutreffend darauf hin, dass die E-Mail vom 29.03.2021 keine Zusicherung nach § 34 SGB X beinhaltet, da eine einfache E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur nicht das Formerfordernis des § 36a Abs. 2 SGB I erfüllt und somit nicht die erforderliche Schriftform formgültig ersetzt. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Der Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren führt nicht zu einer anderweitigen Bewertung der streitigen Rechtsfrage.

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Wortlaut des § 131a Abs. 3 SGB III der Gewährung einer Weiterbildungsprämie nicht entgegen. Zwar erfasst § 131a Abs. 3 Satz 1 SGB III Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die an einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen. Dies schließt jedoch die Gewährung einer Weiterbildungsprämie für das Durchlaufen einer Maßnahme nach § 82 SGB III nicht aus. Das SG hat bereits im angefochtenen Urteil vom 10.05.2022 zutreffend angeführt, dass § 82 SGB III eine Sonderregelung zu § 81 SGB III darstellt, was sich bereits aus der amtlichen Überschrift des § 82 SGB III („Förderung beschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“) und dem Eingangssatz in § 82 Abs. 1 S. 1 Eingangssatz SGB III („können abweichend von § 81 […] gefördert werden“) ergibt (vgl. Reichel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl., § 82 SGB III Rdnr. 11). Aus der Tatsache, dass § 82 SGB II nach seiner Neufassung zum 01.01.2019 nunmehr die Voraussetzungen der Förderung beschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer regelt, und § 81 SGB II nunmehr nur noch die Förderung der beruflichen Weiterbildung arbeitsloser, von Arbeitslosigkeit bedrohter oder solcher geringqualifizierter Personen, die über keinen Berufsabschluss verfügen (§ 81 Abs. 1 S 1 Nr. 1, Abs. 2) erfasst, schließt die Geltung des § 131a Abs. 3 SGB für den Personenkreis nach § 82 SGB III nicht aus. Diesbezüglich verweist die Gesetzesbegründung zu § 131a Abs. 3 SGB III (vgl. BT-Drucks. 18/8042 S. 27) nicht nur auf Arbeitslose, sondern auch auf beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Betreuungs- und Familienpflichten. Der Gesetzgeber hat somit den Kreis der Berechtigten nicht allein auf Personen beschränkt, die nach § 81 SGB III gefördert werden können. Der Senat kann daher nicht erkennen, dass der Gesetzgeber die Gewährung der Weiterbildungsprämie ausschließlich dem Personenkreis nach § 81 SGB III vorbehalten wollte.
Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren vorträgt, dass für die Förderung der Motivation und des Durchhaltewillens des Personenkreises nach § 82 SGB III der Arbeitgeber verantwortlich sei, ist dies der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen. Dass im Gesetz kein Verwaltungsaufwand für zusätzliche Weiterbildungsprämien für den Personenkreis aus § 82 SGB III aufgeführt wird, spricht nicht gegen die Förderung, da es sich bei § 82 SGB III um eine Sondervorschrift zu § 81 SGB III handelt, und es somit keiner gesonderten Aufschlüsselung des Verwaltungsaufwandes bedarf. Insofern weist das SG zutreffend darauf hin, dass bereits § 82 Abs. 4 S. 1 SGB III in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung bzw. § 82 Abs. 7 S. 1 SGB III in der seit dem 01.01.2021 geltenden Fassung ausdrücklich auf das Bildungsgutscheinverfahren des § 81 Abs. 4 SGB III verwiesen hat und somit durch den Passus und Verweis in § 131 Abs. 3 SGB III auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die an einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen, ausschließlich die Notwendigkeit der Durchführung des Bildungsgutscheinverfahrens, welches auch im Rahmen von § 82 SGB III zur Anwendung kommt, klargestellt werden sollte. Der Senat kann in Übereinstimmung mit dem SG keinen generellen Ausschluss von über § 82 SGB III geförderten Maßnahmen in der Gesetzesbegründung zu § 131a Abs. 3 SGG III feststellen.

Auch nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 09.03.2022 - B 7/14 AS 31/21 R -, juris Rdnr. 30) war ausweislich der Materialien zum AWStG (Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung <Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz - AWStG> vom 18.7.2016, BGBl I 1710) eine Gleichbehandlung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an beruflicher Weiterbildung bei der Prämienzahlung intendiert. Der Gesetzgeber habe auch mit dem Gesetz zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung vom 12.12.2019 (BGBl I 2522) seine Absicht untermauert, einem möglichst großen Kreis von erfolgreichen Weiterzubildenden den Zugang zu Weiterbildungsprämien zu eröffnen. Die Eröffnung des Zugangs zur Prämie für Weiterbildung bei schulischer Berufsbildung fügt sich auch in das umfassende gesetzgeberische Regelungskonzept aus § 81 Abs. 2, § 131a Abs. 3 Nr. 2 und § 180 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt 1 SGB III ein (vgl. BSG, a. a. O.). Insofern ist nach dem gesetzgeberischen Willen eine Öffnung, und nicht wie von der Beklagten angeführt, eine Eingrenzung des Anwendungsbereichs auf den Personenkreis ohne Berufsabschluss beabsichtigt. Zumindest hätte eine solche Begrenzung einen hinreichend klaren Eingang in den Gesetzestext finden müssen.

Auch soweit die Beklagte unter Verweis auf die Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 03.11.2021 - B 11 AL 2/21 R -, juris) anführt, dass der eindeutige Wortlaut einer Norm eine Auslegungsgrenze bilde, und dass daher nur mehrjährige Weiterbildungen honoriert werden sollen, und bei einer einjährigen oder kürzeren Ausbildung keine teleologische Extension gerechtfertigt sei, überzeugt dies den Senat nicht. So betrifft die Entscheidung des BSG vom 03.11.2021 (BSG, a. a. O.) nur den Fall der Gewährung einer Prämie nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 SGB III. Zudem führt das BSG in der Entscheidung aus, dass der Anwendungsbereich des § 131a Abs. 3 SGB III auch eröffnet sei, wenn eine sog. Externenprüfung mit verkürzter Weiterbildungsdauer durchgeführt worden sei. § 131a Abs. 3 SGB III stelle nicht auf die Dauer der konkreten Weiterbildungsmaßnahme ab, sondern auf die für den Ausbildungsberuf abstrakt in den bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften festgelegte Ausbildungsdauer. Die Entscheidung vom 03.11.2021 spricht somit gerade dafür, dass die Gewährung einer Weiterbildungsprämie nach § 131 Abs. 3 Nr. 2 SGB III auch im Fall einer verkürzten Ausbildungsdauer möglich ist. Dies zeigt auch die Fallgestaltung im Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 18.01.2021 (L 9 AL 1/19 -, juris Rdnr. 3), in welcher die dortige Beklagte bei einer Ausbildungsdauer von unter 2 Jahren unstreitig die Prämie nach § 131 Abs. 3 Nr. 2 SGB III gewährt hat.

Die Rechtsauffassung des Senats wird auch durch die zuletzt ergangene Entscheidung des BSG (Urteil vom 25.05.2022, B 11 AL 29/21 R -, juris) gestützt. Diese Entscheidung befasst sich zwar nur mit der Frage der Gewährung einer Weiterbildungsprämie nach § 131a Abs. 3 Nr. 1 SGB III im Falle einer aus zwei Prüfungsteilen bestehenden gestreckten Abschlussprüfung. Jedoch bejaht das BSG ausdrücklich die Analogiefähigkeit von § 131a Abs. 3 SGB III und weist auf die Absicht des Gesetzgebers hin, einem möglichst großen Kreis von Arbeitnehmern den Zugang zu Weiterbildungsprämien zu eröffnen (BSG, a. a. O., Rdnr. 20).

Der Anspruch steht im vorliegenden Fall auch nicht im Ermessen der Beklagten. Ob die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer durch Übernahme der Weiterbildungskosten während der Teilnahme an einer solchen Maßnahme gefördert werden soll, steht zwar - bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen - im Ermessen der Beklagten. Dieses hat sie auszuüben, ehe sie einen Bildungsgutschein ausstellt, sodass es nach Erteilung eines Bildungsgutscheins keine Rolle mehr spielt (vgl. BSG, Urteil vom 25.05.2022, B 11 AL 29/21 R -, juris Rdnr. 22). Ein Entschließungsermessen hinsichtlich des "Ob" der Prämienzahlung ist dem Beklagten bei Vorliegen der Voraussetzungen aus § 131a Abs. 3 SGB III nicht mehr eröffnet (vgl. BSG, Urteil vom 09.03.2022, B 7/14 AS 31/21 -, juris Rdnr. 17).

Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der streitigen Rechtsfrage (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.

Rechtskraft
Aus
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