S 9 U 264/20

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 264/20
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze

1. Durch das Anhalten und Aussteigen aus einem Lkw sowie das Zurücklegen einer Wegstrecke mit Richtungswechsel zu einem anderen Lkw, um einen Gegenstand zu übernehmen, der mit der versicherten Tätigkeit nichts zu tun hat, liegt eine erhebliche Zäsur in der Fortbewegung vor, so dass der Versicherungsschutz unterbrochen wird.
2. Eine mögliche Wie-Beschäftigung zwischen Eheleuten scheitert an der sogenannten typischen Sonderbeziehung, wenn die Tätigkeit nach Art, Umfang und Dauer sowie dem Grad der familiären Beziehung üblich ist.


I. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 17.06.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2020 wird abgewiesen.
II. Die Klage gegen den Bescheid der Beigeladenen vom 22.07.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2021 wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.


T a t b e s t a n d :

Streitig ist, ob ein Ereignis vom 16.01.2019 als Arbeitsunfall anzuerkennen ist.

Der am 1974 geborene  B., Ehemann der Klägerin, verstarb bei einem Unfall mit seinem Lkw am 16.01.2019 vor den Augen seiner Ehefrau (vgl. Presseberichte Akten-Id: 2, 8 Bekl.-Akte).

Aus der Verkehrsunfallanzeige vom 17.01.2019 (vgl. Akten-Id: 27, S. 10-12, 17-19 Bekl.-Akte) ergibt sich u. a. folgender Unfallhergang: Der Unfallort sei W-Straße. Es handele sich um eine Nebenstraße im Wohngebiet T-Stadt. Die Klägerin habe ihren Lkw in der Nacht vom 15.01. auf den 16.01. im W-Straße abgestellt. Das gleiche gelte für den Ehemann. Die Klägerin habe nach Fahrtantritt den W-Straße in südöstlicher Richtung befahren und nach ca. 57 m auf Höhe zu Kreuzung mit der A1-Straße ihren Lkw wieder am rechten Fahrbahnrand abgestellt. Sie habe ein falsch verstautes Paket aus der Ladefläche ihres Lkw holen und ihrem Ehemann übergeben wollen. Sie sei ausgestiegen und habe die Heckladeklappe ihres Lkw geöffnet und mit ihrem rechten Arm nach dem auf der Ladefläche bereitgelegten Paket gegriffen. Zur gleichen Zeit sei der Ehemann mit seinem Lkw vom rechten Fahrbahnrand auf Höhe des W-Straße angefahren. Er habe die Straße in südöstlicher Richtung befahren und sei nach wenigen Metern wieder stehengeblieben, nachdem seine Ehefrau ihn mit ihrem Lkw überholt habe/ vor ihm gestanden sei, um das Paket umzuladen. Der Ehemann sei ausgestiegen und zwischen den beiden Lkw zu seiner Ehefrau geeilt, um das Paket entgegenzunehmen. Als er zwischen den beiden LKW hindurchgetreten sei, habe sich einer der beiden Fahrzeuge aus bisher ungeklärten Gründen in Richtung des anderen Lkw in Bewegung gesetzt. Hierbei sei der Ehemann eingeklemmt worden.

Auch die Klägerin ist bei dem Unfall verletzt worden (insbesondere Einklemmung rechter Oberarm). Der Durchgangsarztbericht vom 16.01.2019 (Akten-Id: 29 Bekl.-Akte) enthält u. a. folgende Diagnose: Oberarmschaftfraktur rechts. Es wurden Bilder angefertigt.

Am 29.01.2019 fand ein Telefongespräch zwischen der BGHW und der Klägerin statt (vgl. Akten-Id: 29, S. 6 Bekl.-Akte). Zum Unfallhergang habe die Klägerin mitgeteilt, dass sie ihren Mann gebeten habe, ein Paket für sie zu transportieren und beim Umladen der Ware sei der Unfall dann passiert. Ihr Mann arbeite für ein anderes Unternehmen (eventuell BG Verkehr).

Am 04.02.2019 rief die Klägerin bei der BG Verkehr an (vgl. Akten-Id: 12 Bekl.-Akte) und teilte mit, dass sie bei der BGHW gemeldet sei. Es sei wohl ein Transportgewerbe, den Lkw leihe sie sich nur manchmal aus. Sie sei schon seit 2014 geringfügig selbstständig. Es sei ein Kleingewerbe. Sie habe 2 Kinder.

Am 04.02.2019 fand ein Telefongespräch zwischen BG Verkehr und BGHW statt (vgl. Akten-Id: 33 Beigeladenen-Akte). Die Klägerin habe sich bei der BGHW nicht freiwillig versichert. Eine Pflichtversicherung gäbe es bei der BGHW nicht. Somit habe die BGHW lediglich ihre Zuständigkeit festgestellt. Leistungen könnten demnach nicht erbracht werden. Laut dortigen Unterlagen habe der Mann der Klägerin bei einem Paket helfen wollen. Dabei habe sich der Lkw in Bewegung gesetzt.

Am 04.02.2019 fand ein Telefongespräch mit dem Arbeitgeber des Ehemanns statt (vgl. Akten-Id: 13 Bekl.-Akte). Das Paket sei nicht von seinem Unternehmen (N.) gewesen, sondern es handele sich wohl um ein privates Paket bzw. ein Paket der Frau des Verstorbenen. Die Frau arbeite wohl meist für S. und fahre oft Dinge zu K. nach M1-Stadt. Sie habe wohl ein Paket von sich ihrem Mann mitgeben wollen, damit er dies auf dem Weg irgendwo für sie abliefere. Ob das Paket für K. war oder anders abgeliefert werden sollte oder ein ganz privates Paket war, wisse er nicht. Auf alle Fälle habe aber das Paket nichts mit seinem Unternehmen zu tun, das sei das einzige, was er sicher sagen könne. Näheres ließe sich aus der Staatsanwaltschaftsakte entnehmen.

Mit Bescheid vom 04.02.2019 (Akten-Id: 15 Beigeladenen-Akte) lehnte die Beigeladene die Anerkennung des Ereignisses vom 16.01.2019 als Versicherungsfall ab. Zum Zeitpunkt des Ereignisses vom 16.01.2019 habe die Klägerin nicht zum versicherten Personenkreis der BGHW gehört.

Am 05.02.2019 fand ein weiteres Telefongespräch mit dem Arbeitgeber des Ehemanns statt (vgl. Akten-Id: 15 Bekl.-Akte). Der Verstorbene habe den Lkw am Vortag mit nach Hause genommen und sollte am Unfalltag vor Arbeitsbeginn noch mal in die Spedition kommen. Manchmal habe der Lkw privat für den Nachhauseweg und dann am Folgetag für die Herfahrt in die Spedition genutzt werden können.

Aus den Angaben des Arbeitgebers des Ehemannes vom 11.02.2019 (Akten-Id: 21 Bekl.-Akte) ergibt sich u. a., dass der Kläger scheinbar einen Karton seiner Ehefrau mitnehmen sollte. Mehr sei leider nicht bekannt. Es sei bekannt, dass dieser Karton nicht von dem Arbeitgeber in Auftrag gegeben worden sei.

Am 28.03.2019 sei die Klägerin persönlich bei der BG Verkehr erschienen (vgl. Gesprächsnotiz Akten-Id: 32 Bekl.-Akte). Die Klägerin habe erwähnt, dass ihr Mann unbedingt ihr Paket habe mitnehmen wollen, da seine Route an diesem Tag bei dem gleichen Betrieb vorbeigeführt habe, wo dies anzuliefern gewesen wäre und er gemeint habe, dass es unsinnig sei, wenn sie beide extra dorthin fahren würden. Sie habe eigentlich zunächst trotzdem selbst vorbeifahren wollen, aber mit ihm nicht streiten wollen und ihm daher dann gesagt, dass er dann halt das Paket von ihr haben könne, wenn er es unbedingt wolle, um glücklich zu sein.

Mit Schreiben vom 05.04.2019 (Akten-Id: 40 Bekl.-Akte) bat die BG Verkehr die BGHW über den Versicherungsschutz für den Ehemann zu entscheiden.

Mit Schreiben vom 24.04.2019 (Akten-Id: 42 Bekl.-Akte) teilte die BGHW der BG Verkehr mit, dass sie über Leistungen entscheiden werde, wenn die BG Verkehr über ihre Zuständigkeit oder die Ablehnung entschieden habe.

Mit Bescheid vom 17.06.2019 (Akten-Id: 55 Bekl.-Akte) wurde die Anerkennung des Ereignisses vom 16.01.2019 als Arbeitsunfall abgelehnt. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (in Form von Leistungen bei Tod) seien nicht zu gewähren. Zum Unfallzeitpunkt habe sich der Ehemann der Klägerin im Hinblick auf seine Tätigkeit in dem bei der BG Verkehr versicherten Unternehmen nicht bei versicherter Tätigkeit befunden. Die Handlungstendenz der Klägerin sowie die Handlungstendenz des Ehemannes würden sich zum Zeitpunkt der kurzen Unterbrechung dessen Tätigkeit in erster Linie auf das Umladen des Paketes, das im Lkw der Klägerin gelegen habe, gerichtet haben. Der Ehemann der Klägerin habe sich somit zum Zeitpunkt des Ereignisses im Hinblick auf seine Beschäftigung bei der Firma N. nicht bei versicherter Tätigkeit befunden. Es wurde darauf verwiesen, dass eine gesonderte Prüfung der BGHW erfolge, ob der Verstorbene "Wie-Beschäftiger" gewesen sei.

Dagegen wurde Widerspruch eingelegt (Akten-Id: 67, 69 Bekl.-Akte). Mit Schreiben vom 09.12.2019 (Akten-Id: 76 Bekl.-Akte) teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit, dass sich die BG Verkehr und die BGHW den Ball hin und her spielen würden. Der Sohn der Klägerin sei bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben gekommen (August 2019). Mit Schreiben vom 02.01.2020 (Akten-Id: 78 Bekl.-Akte) teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit, dass der Verstorbene gerade seinen Lkw fertig gemacht habe, um mit diesem zur Arbeit zu fahren. Er habe auch nicht seine Tätigkeit unterbrochen, sondern sei damit beschäftigt gewesen, den Lkw fertig zu machen. Er habe damals den Lkw gestartet, die Fahrerkarte bereits eingelegt und habe die Scheiben abkratzen und den Lkw fertig machen wollen. Er habe damals der Klägerin, die direkt mit ihrem Lkw vor dem Verunfallten gestanden sei, etwas sagen wollen. Die Klägerin habe neben der Hebebühne gestanden und habe diese mit dem Schalter ein Stück heruntergelassen. Der Verstorbene habe sich in diesem Zeitpunkt noch in seinem Lkw befunden. Er sei dann aus dem Lkw ausgestiegen und sei zwischen die Lkw gekommen und habe der Klägerin etwas sagen wollen. In diesem Moment sei der Lkw des Verunfallten nach vorne gerollt. Somit habe der Verunfallte den Lkw gestartet, um in die Arbeit zu fahren. Er sei nur nochmals aus dem Lkw ausgestiegen, um etwas seiner Ehefrau mitzuteilen. Jedoch sei es hierbei nicht um das Paket bzw. eine Unterbrechung der Tätigkeit, sondern vielmehr um einen Kommunikationsaustausch gegangen. Dabei sei der Lkw des Verunfallten selbstständig auf diesen gerollt.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2020 (Akten-Id: 87 Bekl.-Akte) zurückgewiesen. Die Beklagte begründete dies damit, dass der Versicherungsschutz entfalle, wenn der Arbeitsweg aus privatennützlichen, eigenwirtschaftlichen Gründen unterbrochen werde. Der Versicherungsschutz lebe erst dann wieder auf, wenn die privatnützliche Tätigkeit beendet sei und der Weg wieder aufgenommen werde. Nach den Ermittlungen habe sich der Ehemann schon auf dem Arbeitsweg befunden und habe diesen unterbrochen, um ein Paket von der Klägerin entgegenzunehmen. Dafür habe er den Lkw angehalten, sei ausgestiegen und sei zu der Klägerin an die Laderampe gekommen, um das Paket entgegenzunehmen. Die Handlungstendenz sei insofern zum Unfallzeitpunkt nicht auf die Wegezurücklegung zur Arbeit ausgerichtet gewesen. Indem er ausgestiegen sei, habe er den Arbeitsweg unterbrochen. Da es sich nicht um ein Paket gehandelt habe, dass er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit für seinen Arbeitgeber transportieren sollte, sei die Wegeunterbrechung aus privaten, eigenwirtschaftlichen Gründen erfolgt. Es handele sich auch nicht in eine unerhebliche Unterbrechung. Durch das Anhalten und Aussteigen aus dem Fahrzeug sei es zu einer erkennbaren Zäsur des versicherten Weges gekommen. Auch eine Kommunikation, wie vom Bevollmächtigten der Klägerin vorgetragen, stünde nicht im Zusammenhang mit dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Auch dies wäre eine private Verrichtung und sei zudem erst im Rahmen des Widerspruchsverfahrens geltend gemacht worden. Die Erstangaben seien in diesem Zusammenhang glaubwürdiger.

Dagegen wurde Klage beim Sozialgericht München erhoben, eingegangen am 12.06.2020 (ursprüngliches Aktenzeichen S 33 U 264/20). Der Bevollmächtigte der Klägerin begründete die Klage damit, dass der verunfallte Ehemann bei Arbeitsbeginn den Lkw gestartet und die Fahrkarte eingelegt habe. Die Scheiben mussten abgekratzt werden und der Verunfallte sei nochmals um den Lkw herumgegangen. Hinter dem Lkw des Verunfallten sei ein Lkw gestanden, der von der Ehefrau des Verunfallten gefahren wurde. Auch dieser habe sich im Stand befunden. Der Verunfallte sei den Lkw herumgegangen und habe seiner Ehefrau etwas sagen wollen. In diesem Augenblick sei der Lkw losgerollt und der Ehemann sei zwischen den beiden LKW eingeklemmt worden.

Parallel ermittelte die Beigeladene (BGHW). Mit Schreiben vom 08.07.2019 (Akten-Id: 17 Beigeladenen-Akte) bat die Beigeladene die Klägerin um Beantwortung von Fragen zur Beschäftigung ihres Ehemannes. Mit Schreiben vom 19.07.2019 (Akten-Id: 19 Beigeladenen-Akte) teilte die Klägerin der Beigeladenen mit, dass ihr Mann nur für die Firma N. gearbeitet habe und nicht für die Klägerin. Die Klägerin habe ihre Firma ganz alleine geführt und auch alleine gearbeitet.

Am 15.07.2019 hat ein Gespräch zwischen der Klägerin und Herrn S. stattgefunden (vgl. Akten-Id: 67 Beigeladenen-Akte, roter Band). Die Klägerin hat angegeben, dass es sich nicht um ein privates Paket gehandelt habe, sondern um einen Auftrag, den die Klägerin für ihre Firma bekommen habe. Solche Gefälligkeitsleistungen seien vorher nicht vorgekommen. Ihr eigener Lkw habe vorne gestanden, seiner dahinter.

Mit Bescheid vom 22.07.2019 (Akten-Id: 20 Beigeladenen-Akte) lehnte die Beigeladene die Anerkennung des Ereignisses vom 16.01.2019 als Arbeitsunfall ab. Der verstorbene Mann der Klägerin gehöre nicht zum versicherten Personenkreis der BGHW. Es habe kein Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Ehemann der Klägerin und dem Unternehmen der Klägerin bestanden. Es habe sich vielmehr um eine Gefälligkeitsleistung im Rahmen der Ehe gehandelt. Daher scheide auch ein Versicherungsschutz als "Wie-Beschäftigter" aus. Leistungen seien nicht zu erbringen.

Dagegen wurde Widerspruch eingelegt (Akten-Id: 24 Beigeladenen-Akte).

Mit Bescheid vom 10.07.2019 (Akten-Id: 31 Beigeladenen-Akte) hat die BG Verkehr die Anerkennung des Ereignisses vom 16.01.2019 im Hinblick auf die Klägerin abgelehnt. Die Klägerin sei zum Unfallzeitpunkt als Lkw-Fahrerin für eigenes Unternehmen tätig gewesen. Für das Unternehmen der Klägerin habe sich die BGHW für zuständig erklärt.

Mit Beschluss vom 15.09.2020 erfolgte die Beiladung der BGHW zum Verfahren S 33 U 264/20 (vgl. Bl. 30 SG-Akte).

Die Beigeladene teilte mit Schreiben vom 07.10.2020 (Bl. 36 SG-Akte) mit, dass die Klägerin seit dem 05.03.2014 Mitglied der Beigeladenen mit dem Gewerbezweig Kleintransporter sei. Anzeige von versicherungspflichtigem Personal sei nicht erfolgt. Eine formelle Eintragung des Unternehmens in das Unternehmensverzeichnis sei nicht erfolgt. Eine Begründung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 22.07.2019 sei bisher nicht eingereicht worden.

Mit Schreiben vom 23.11.2020 (Bl. 40 f. SG-Akte) hat der Bevollmächtigte der Klägerin Stellung genommen. Er hat aus seinem Schreiben vom 02.01.2020 zitiert. Der Lkw des Ehemanns sei ins Rollen geraten. Die Klägerin habe neben der Hebebühne gestanden und habe diese mit dem Schalter ein Stück heruntergelassen. Der Ehemann habe sich in diesem Zeitpunkt noch in seinem Lkw befunden. Er sei aus dem Lkw ausgestiegen und sei zwischen die LKW gekommen. Er habe seiner Ehefrau noch etwas sagen wolle. In diesem Moment sei sein Lkw nach vorne gerollt, wo sich der Unfall ereignet habe. Er sei nur nochmals aus dem Lkw ausgestiegen, um etwas seiner Ehefrau mitzuteilen. Jedoch sei es hierbei nicht um das Paket bzw. eine Unterbrechung der Tätigkeit gegangen, sondern vielmehr um einen Kommunikationsaustausch. Die Beklagte selbst habe den Unfall abgelehnt und sei der Ansicht, dass der Unfall aufgrund einer eigenen Tätigkeit von der Klägerin geschehen sei und somit die Beigeladene eintrittspflichtig für den Schaden wäre.

Am 03.12.2020 fand eine nichtöffentliche Sitzung des Sozialgerichts München statt (vgl Sitzungsniederschrift Bl. 64 ff. SG-Akte). Der Bevollmächtigte der Klägerin erklärte: Die Klägerin und ihr Ehemann würden beide ihre LKW im W-Straße abgestellt haben. Dort sei genug Platz, die Fahrzeuge zu parken. Am Abend vor dem Unfall sei der Klägerin durch den Disponenten mitgeteilt worden, dass ein Paket woanders hingefahren werden soll. Es habe dann einen Streit mit dem Mann gegeben, ob dieser das Paket mitnimmt. Sie habe dann entschieden, dass sie das Paket fahre. Am Unfalltag seien die Klägerin und ihr Mann zu den LKW gegangen und würden diese fertig gemacht haben. Es habe Schnee gelegen. Die LKW hätten daher vom Schnee befreit werden müssen. Als ihr Mann seinen LKW noch fertig gemacht habe, sei sie mit ihrem LKW vor ihn gefahren und habe die Laderampe geöffnet, um das Paket in ihr Führerhaus zu nehmen. Am Parkplatz selbst sei dies nicht möglich gewesen, da dort ein großer Schneehaufen gelegen habe. Sie sei ausgestiegen und hinter ihren Lkw gelaufen. Ihr Mann sei zu diesem Zeitpunkt schon im Führerhaus gewesen, sei dann ebenfalls ausgestiegen und habe ihr etwas zugebrüllt, was sie nicht verstanden habe, da sein LKW gelaufen sei. Er sei dann zwischen die LKW getreten und habe ihr zugerufen, dass ein Bus komme. Dann sei auch schon der LKW nach vorne gerollt.

Die Klägerin ergänzte: Es sei ein Strafverfahren gegen sie wegen fahrlässiger Körperverletzung eingeleitet worden (Staatsanwaltschaft M1-Stadt Az: XYZ), das im Juli 2019 eingestellt worden sei. Im Anschluss an ihren Krankenhausaufenthalt am 16.01.2019 sei sie von der Polizei als Beschuldigte vernommen worden. Vor Ort sei wohl ebenfalls versucht worden, sie zu vernehmen. Die Polizei habe sie etwas gefragt. Sie habe ein bisschen etwas sagen können. Sie habe wohl auch frierend auf einer Parkbank gesessen. Die Polizei habe sie in einen Bus verbringen müssen.

Der Klägerin wurde der Polizeibericht von PHM H., eine Gesprächsnotiz mit der Beigeladenen sowie eine Notiz über ein persönliches Gespräch mit Mitarbeitern der Beklagten vorgehalten, aus denen sich ergebe, dass der Ehemann das Paket übernehmen sollte und dieser auch selbst schon mit dem LKW ein Stück gefahren sei. Die Klägerin erklärte hierauf: Ihr Mann sei nicht gefahren. Die einzige Bewegung auf der Fahrerkarte sei das Anrollen des LKW gewesen. Aus ihrer Sicht sei bereits am Vorabend geklärt gewesen, dass sie das Paket ausfahren soll und nicht ihr Mann.

Der Bevollmächtigte der Klägerin wurde darauf hingewiesen, dass er schriftsätzlich vorgetragen habe, dass der LKW des Ehemannes vor dem LKW der Klägerin gestanden habe, als es zum Unfall kam. Der Bevollmächtigte der Klägerin erklärte daraufhin, dass dies versehentlich vorgetragen worden sei.

Die Bevollmächtigte der Beigeladenen erklärte, dass bisher nur ein Bescheid ergangen sei, gegen den Widerspruch eingelegt worden sei. Eine Widerspruchsbegründung sei noch nicht erfolgt.

Das Gericht hat die Akte XYZ der Staatsanwaltschaft M1-Stadt beigezogen. Aus der Verfügung von Staatsanwalt O. vom 14.06.2019 ergibt sich u. a., dass das Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin eingestellt wurde. Aus den Gründen ergibt sich folgender Unfallhergang: "[...] Die Beschuldigte fuhr ihren Lkw dabei zunächst am stehenden Lkw ihres Gatten vorbei und hielt vor diesem, um ihm ein Paket von der Ladefläche ihres Lkws zu geben, dass er aufgrund einer Änderung auszufahren hatte. Die Lkw kamen hintereinander zum Stehen mit einem Abstand von etwa 5 m, wobei die Fronten des Lkws jeweils Richtung Süden zeigten. Die Beschuldigte verließ daraufhin ihren Lkw, öffnete hinten die Ladeluke und griff das zu übergebene Paket heraus. In der Zwischenzeit kam ihr Ehemann ebenfalls zum Heck des Lkw der Beschuldigten. Ein technisches Sachverständigengutachten ergab, dass zu diesem Zeitpunkt sich der Lkw des Getöteten in Bewegung setzte und auf den Lkw der Beschuldigten auffuhr. [...]"

Es liegt unfallanalytisches Gutachten vom 29.04.2019 (Bl. 41 ff. Akte Staatsanwaltschaft) vor.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 05.01.2021 (Bl. 73 ff. SG-Akte) wurde den Beteiligten mitgeteilt, dass der Rechtsstreit aufgrund einer Änderung im Geschäftsverteilungsplan nun unter dem Aktenzeichen S 9 U 264/20 geführt werde.

Mit Schreiben vom 09.06.2021 (Bl. 77 SG-Akte) teilte die Beigeladene mit, dass der Rechtsanwalt mitgeteilt habe, dass eventuell mit einer Rücknahme der Klage durch seine Mandantin zu rechnen sei. Die Beigeladene würde daher das Widerspruchsverfahren vorläufig ruhen lassen und erlasse vorerst keinen Widerspruchsbescheid.

Der Bevollmächtigte der Klägerin bat dann mehrfach um Fristverlängerung zur Stellungnahme.

Mit Schreiben vom 08.09.2021 (Bl. 89 SG-Akte) teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit, dass die Klägerin bei der Staatsanwaltschaft 5 Tage nach dem Unfall ausgesagt habe, dass aufgrund einer telefonischen Auftragsänderung von der Firma S. ein Paket hinten aus ihrem Lkw in den Lkw des Mannes umgeladen werden musste. Die Klägerin habe alles durchgelesen und gesagt, dass die Angelegenheit auch in der Folgezeit für sie sehr belastend gewesen sei. Nachdem sie aber die obige Aussage kurz nach dem Unfall getätigt habe, müsse der Vorfall so geschehen sein.

Mit Schreiben vom 25.10.2021 (Bl. 93 SG-Akte) teilte die Beklagte mit, dass der Arbeitgeber des Klägers am 04.02.2019 mitgeteilt habe, dass das Paket nicht sein Unternehmen betroffen habe. Somit sei die Beklagte weiterhin der Meinung, dass ihre Zuständigkeit nicht gegeben sei.

Mit Schreiben vom 02.11.2021 (Bl. 97 SG-Akte) teilte die Beigeladene mit, dass der Sachverhalt dem Widerspruchsausschuss in seiner nächsten turnusmäßigen Sitzung zur Entscheidung vorgelegt werde.

Der Widerspruch gegen den Bescheid der Beigeladenen vom 22.07.2019 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2021 (Bl. 6 f. SG-Akte S 9 U 9/22) zurückgewiesen. Die Beigeladene begründet dies damit, dass es sich um eine Gefälligkeitsleistung zwischen Eheleuten gehandelt habe. Bei der im Unfallzeitpunkt beabsichtigten Paketübernahme selbst handele es sich um eine Tätigkeit mit einem geringen Zeitaufwand von wenigen Minuten, die nach Art, Umfang und Dauer in den Rahmen einer unter Eheleuten üblichen Gefälligkeitsleistung falle. Auch das anschließende Ausliefern des Paketes hätte beim Ehemann der Klägerin keinen nennenswerten Mehraufwand verursacht, da die Empfängeranschrift auf seiner eigenen Tour gelegen habe, die er ohnehin gefahren wäre. Es handele sich ausschließlich um eine Tätigkeit im Rahmen familiärer Verbundenheit. Eine "Wie-Beschäftigung" sei nicht gegeben. Auf dem Widerspruchsbescheid befindet sich Eingangsstempel des Bevollmächtigten der Klägerin vom 06.12.2021 (vgl. Bl. 6 SG-Akte S 9 U 9/22).

Dagegen wurde Klage erhoben, beim Sozialgericht München eingegangen am 07.01.2022 (ursprüngliches Aktenzeichen S 23 U 9/22).

Mit Schreiben vom 10.01.2022 (Bl. 106 SG-Akte) teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit, dass die Klägerin damals direkt nach dem Unfall befragt worden sei und unterschiedliche Angaben gemacht habe. Fakt sei, dass der Unfall passiert sei, als die Klägerin und ihr Ehemann sich bei ihrer Arbeit befanden. Entscheidend werde am Ende sein, ob tatsächlich eine Tätigkeit im Rahmen der Klägerin gegeben war oder des tödlich verunglückten Ehemanns.

Mit Schreiben vom 01.02.2022 (Bl. 19 ff. SG-Akte S 9 U 9/22) teilte die Beigeladene mit, dass der Widerspruchsbescheid vom 18.11.2021 am 02.12.2021 zur Post gegeben worden sei. Der Versand sei mittels Einschreiben mit Rückschein erfolgt. Laut Rückschein sei der Widerspruchsbescheid am 04.12.2021 zugestellt worden. Die Klage sei daher verfristet. Aus der Klagebegründung würden sich verschiedene Möglichkeiten dazu ergeben, welcher Tätigkeit der Verstorbene im Unfallzeitpunkt gerade nachgegangen sei. Es gäbe hier unterschiedliche Erinnerungen. Auf welche Erinnerung sich der Bevollmächtigte der Klägerin im weiteren Verfahren nun berufen wolle, gehe aus dem Vortrag vom 07.01.2022 nicht hervor. Im Erörterungstermin vom 03.12.2020 habe die Klägerin noch angegeben, sie habe - wohl nach einem vorangegangenen Streit - das Paket selbst ausfahren wollen. In der Widerspruchsbegründung vom 08.09.2021 hingegen sei bestätigt worden, dass der Grund für die Fahrtunterbrechung eine beabsichtigte Übergabe eines Paketes an den Verunfallten gewesen sei.

Mit Schreiben vom 09.02.2022 (Bl. 28 SG-Akte S 9 U 9/22) teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit, dass zwar auf dem Schreiben der Beklagten stehe, dass es ein Einschreiben mit Rückschein sei. In der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten habe weder der unterfertigende Rechtsanwalt noch dessen Rechtsanwaltsfachangestellte ein Einschreiben mit Rückschein angenommen. Der 04.12.2021 sei ein Samstag gewesen und es habe sich an diesem Tag niemand in der Kanzlei befunden. Vielmehr sei es so, dass das Einschreiben mit Rückschein sich am Montag, den 06.12.2021, im Briefkasten befunden habe und der Rückschein bereits abgetrennt gewesen sei. Der Rückschein möge vorgelegt werden. Der 06.01.2021 sei ein gesetzlicher Feiertag.

Nach Anhörung der Beteiligten wurden die Streitsachen S 9 U 264/20 und S 9 U 9/22 (ehemals S 23 U 9/22) mit Beschluss vom 14.02.2022 (Bl. 123 f. SG-Akte) gemäß § 113 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung verbunden und unter dem Aktenzeichen S 9 U 264/20 fortgeführt.

Mit Schreiben vom 16.02.2022 (Bl. 133 SG-Akte) teilte die Beigeladene mit, dass laut Sendungsverlauf das Einschreiben an eine Person mit dem Namen "H." als Empfangsberechtigten zugestellt worden sei. Die Beigeladene übersandte Rückschein und Sendungsverfolgung (Bl. 134 f. SG-Akte).

Mit Schreiben vom 03.03.2022 (Bl. 140 SG-Akte) teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit, dass eine Fristversäumung nicht vorliegen würde. Das Schreiben sei erstmalig am 06.12.2021 zugegangen. Die Klägerin habe unterschiedliche Erinnerungen.

Mit Schreiben vom 16.03.2022 (Bl. 148 SG-Akte) teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit, dass die Kanzlei am Samstag nicht besetzt sei. Somit sei es auch gar nicht möglich, dass das Schreiben an einem Samstag per Übergabe zugestellt werden konnte. Vielmehr sei davon auszugehen, dass dieses Schreiben der Postbote bzw. die Postbotin unterschrieben und eingeworfen habe. Das Schreiben sei am Montag vom unterfertigenden Rechtsanwalt in Empfang genommen worden, als der Briefkasten geöffnet worden sei. Entsprechend sei auch das Schreiben gestempelt worden. Eine Person mit den Namen "H." sei dem Unterfertigenden auch nicht bekannt.

Mit Schreiben vom 24.03.2022 (Bl. 153 SG-Akte) teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit, dass Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII in Betracht komme. Tatsächlich sei der Verstorbene nicht im Rahmen einer familiären Verbundenheit tätig gewesen. Vielmehr sei es so, dass ein Paket, welches die Klägerin ausfahren sollte, in dem Lkw des Ehemanns gelegen habe. Dieses habe die Klägerin benötigt, um dieses auszufahren.

Mit Schreiben vom 20.04.2022 (Bl. 158 SG-Akte) nahm die Beigeladene Stellung. Die nun erfolgte Sachverhaltsdarstellung weiche nochmals von den bisher vorgetragenen Versionen ab.

Mit Schreiben vom 17.06.2022 (Bl. 172 SG-Akte) teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit, dass das Schreiben vom 24.03.2022 richtiggestellt werden müsse. Das Paket, über welches die Beklagte mit ihrem Ehemann am Vorabend gestritten habe, wer es ausfahren soll, habe im Lkw der Klägerin gelegen. Sie habe dieses Paket aus ihrem Lkw im Ladebereich holen wollen, um es in ihr Führerhaus vorzunehmen. Somit sei es so, dass der verunfallte Ehemann selbst seine eigene Tätigkeit aufgenommen habe, als er seinen Lkw angelassen und vom Schnee befreit habe. Er habe sich somit nur um seinen Lkw gekümmert. Es habe hier nur unterschiedliche Versionen darüber gegeben, ob der verunfallte Ehemann das Paket an sich genommen habe oder übernehmen habe sollen. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Es sei auch nicht beabsichtigt gewesen. Als die Lkw beschlagnahmt worden seien, habe das Paket noch in dem Lkw der Klägerin auf der Ladefläche gelegen. Die Klägerin stelle nochmals ausdrücklich richtig, dass es zwar am Vortag Streitigkeiten darüber gegeben habe, wer das Paket ausfahren solle, dies aber an dem Morgen des Unfalltages nicht mehr zur Diskussion gestanden habe. Dies habe immer in dem Lkw der Klägerin gelegen. Sie habe das Paket aus ihrem Ladebereich in ihr Führerhaus nehmen wollen. Der Ehemann sei verunfallt, als er bereits seine eigene Tätigkeit aufgenommen habe.

In der nichtöffentlichen Sitzung am 20.09.2022 (vgl. Sitzungsniederschrift Bl. 195 f. SG-Akte) wies die Vorsitzende auf die Möglichkeit der Verfristung der Klagen hin. Der Bevollmächtigte der Klägerin zeigte Schreiben der Beklagten vom 11.05.2020, welches ihm am 13.05.2020 zugegangen sei. Mit dem Schreiben vom 11.05.2020 wurde der Bescheid vom 14.04.2020 an den Bevollmächtigten übermittelt. Damit wäre die Klage nicht verfristet. Die Vorsitzende wies zudem auf den Rückschein sowie Sendungsverfolgung zum Widerspruchsbescheid vom 18.11.2021 hin. Danach sehe es für die Vorsitzende so aus, als ob die gleiche Person bei Postmitarbeiter/Zusteller sowie Empfangsberechtigter unterschrieben habe. Name und Vorname der Empfangsbestätigung sind leer. Bei der Sendungsverfolgung ist dann "H." als Empfänger angegeben.

In der nichtöffentlichen Sitzung am 20.09.2022 bestätigten der Bevollmächtigte der Klägerin und die Klägerin das Unfallereignis wie im Schreiben vom 17.06.2022 geschildert. Danach habe die Klägerin das Paket aus ihrem Lkw in ihr Führerhaus vornehmen wollen. Der Mann habe seinen Lkw fahrbereit gemacht. Die Vorsitzende wies darauf hin, dass hier auch Vorbereitungshandlungen (Lkw von Schnee befreien, Scheiben kratzen) in Betracht kommen. Die Vorsitzende wies aber ausdrücklich darauf hin, dass mehrere unterschiedliche Angaben zum Unfallhergang gemacht worden seien, sich das Gericht von einem Unfallhergang überzeugen müsse und verbleibende Zweifel zu Lasten der Klägerin gehen würden.

Die Vorsitzende hörte die Beteiligten in der nichtöffentlichen Sitzung am 20.09.2022 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG an. Die Beteiligten erklärten sich mit der Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden.

Mit Schreiben vom 04.10.2022 (Bl. 202 SG-Akte) teilte die Beklagte mit, dass aufgrund der Vielzahl der vorgebrachten Schilderungen, welche Handlungen der Ehemann der Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalles unternahm, Zweifel an dem geschilderten Ereignis bestehen würden. Es werde die Meinung vertreten, dass der geschilderte Hergang überzeugen müsse und verbleibende Zweifel zu Lasten der Klägerin gehen würden.


Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17.06.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2020 zu verurteilen, das Ereignis vom 16.01.2019 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Beigeladene unter Aufhebung des Bescheides vom 22.07.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2021 zu verurteilen, dass Ereignis vom 16.01.2019 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt
die Klageabweisung.

Die Beigeladene beantragt
    die Klageabweisung

Das Gericht hat die Akte XYZ der Staatsanwaltschaft M1-Stadt, die Akte S 9 U 9/22 des Sozialgerichts München sowie die Akten der Beklagten und der Beigeladenen beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Akten Bezug genommen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Das Gericht konnte gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme hatten.

Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht (§§ 87, 90, 92 SGG) beim zuständigen Sozialgericht München eingelegt und ist zulässig. Hinsichtlich der Fristen folgt das Gericht den Ausführungen des Bevollmächtigten der Klägerin. Mit Schreiben der Beklagten vom 11.05.2020, welches am 13.05.2020 zugegangen ist, wurde der Widerspruchsbescheid vom 14.04.2020 an den Bevollmächtigten übermittelt. Mit Klageerhebung am 12.06.2020 ist die Frist dieser Klage gewahrt. Hinsichtlich der zweiten Klage nimmt das Gericht Bezug auf den Rückschein sowie die Sendungsverfolgung zum Widerspruchsbescheid vom 18.11.2021. Danach hat das Gericht Zweifel an der ordnungsgemäßen Zustellung, weshalb hier von einem Zugang an den Klägerbevollmächtigten erst am 06.12.2021 (Eingangsstempel) ausgegangen werden kann. Mit Klageerhebung am 07.01.2022 ist auch die Frist für diese Klage gewahrt.

In der Sache erweist sich die Klage dann allerdings als unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 17.06.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Unfall vom 16.01.2019 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Auch der Bescheid der Beigeladenen vom 22.07.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Auch die Beigeladene hat es zu Recht abgelehnt, den Unfall vom 16.01.2019 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Es ist dabei grundsätzlich erforderlich (z. B. Bundessozialgericht [BSG], Urt. v. 30.01.2007, B 2 U 8/06 R, juris), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl. BSG, Urt. v. 15.11.2016, B 2 U 12/15 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 37; Urt. v. 05.07.2016, B 2 U 16/14 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 58; Urt. v. 17.12.2015, B 2 U 8/14 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 55). Für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ist das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen auf Grund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) keine Voraussetzung. Dies ist Voraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urt. v. 12.04.2005, B 2 U 11/04 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 14; Urt. v. 12.04.2005, B 2 U 27/04 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 15).

Unstreitig ist das Unfallereignis: Der Ehemann der Klägerin wurde zwischen 2 Lkw eingeklemmt und tödlich verletzt.

Fraglich sind im vorliegenden Fall die versicherte Tätigkeit, der innere/ sachliche Zusammenhang bzw. die Unfallkausalität, welche nach Überzeugung des Gerichts nicht gegeben sind.

Das Gericht möchte hier voranstellen, dass sehr viele unterschiedliche und z. T. widersprüchliche Angaben zum Unfallhergang gemacht worden sind. Dabei hat das Gericht Verständnis für die Tragik des Ereignisses und die besondere Belastung sowie Betroffenheit der Klägerin. Das Gericht muss allerdings im Hinblick auf die gesetzlichen Voraussetzungen der gesetzlichen Unfallversicherung von einem konkreten Unfallhergang überzeugt sein (Vollbeweis). Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten der Klägerin.

Unter Berücksichtigung aller gemachten Angaben ist das Gericht davon überzeugt, dass sich das Ereignis so zugetragen hat, wie die Staatsanwaltschaft M1-Stadt im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen die Klägerin (Akte XYZ) abschließend annimmt: "[...] Die Beschuldigte fuhr ihren Lkw dabei zunächst am stehenden Lkw ihres Gatten vorbei und hielt vor diesem, um ihm ein Paket von der Ladefläche ihres Lkws zu geben, dass er aufgrund einer Änderung auszufahren hatte. Die Lkw kamen hintereinander zum Stehen mit einem Abstand von etwa 5 m, wobei die Fronten des Lkw jeweils Richtung Süden zeigten. Die Beschuldigte verließ daraufhin ihren Lkw, öffnete hinten die Ladeluke und griff das zu übergebene Paket heraus. In der Zwischenzeit kam ihr Ehemann ebenfalls zum Heck des Lkw der Beschuldigten. Ein technisches Sachverständigengutachten ergab, dass zu diesem Zeitpunkt sich der Lkw des Getöteten in Bewegung setzte und auf den Lkw der Beschuldigten auffuhr. [...]" Dies wurde gegenüber dem Gericht mit Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin vom 08.09.2021 auch bestätigt.

Die übrigen Schilderungen und Abweichungen sind nach Überzeugung des Gerichts allein Möglichkeiten und Mutmaßungen. Das reicht unter Berücksichtigung der Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherung und des Beweismaßstabes allerdings nicht aus für eine Anerkennung als Versicherungsfall.

Das BSG hat zu Wegeunfällen ausgeführt, dass das Zurücklegen von Wegen in aller Regel nicht die Ausübung der versicherten Tätigkeit selbst darstellt, sondern eine der versicherten Tätigkeit vor- oder nachgelagerte Tätigkeit ist, die zu der eigentlichen Tätigkeit, weswegen das Beschäftigungsverhältnis eingegangen wurde, in einer mehr (z. B. bei Betriebswegen) oder weniger engen Beziehung (z. B. Weg zur Arbeit) steht, und dass die Beurteilung des Versicherungsschutzes auf Wegen spezielle Probleme aufwirft. Daher sind bei der Prüfung des sachlichen Zusammenhangs zwei Prüfungsschritte zu unterscheiden: Zunächst die Zurechnung des Weges zu der (grundsätzlich) versicherten Tätigkeit nach §§ 2, 3, 6 SGB VII im Hinblick darauf, ob es sich um einen Betriebsweg gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII oder einen anderen unter Versicherungsschutz stehenden Weg nach § 8 Abs. 2 SGB VII handelt, und, wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, die Zurechnung der Verrichtung zur Zeit des Unfalls zu diesem unter Versicherungsschutz stehenden Weg (m. w. N. BSG, Urt. v. 04.09.2007, B 2 U 24/06 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 24, LSG Berlin-Brandenburg Urt. v. 12.12.2014, L 3 U 196/13, BeckRS 2015, 65581).

Ein Betriebsweg ist nach Überzeugung des Gerichts nicht gegeben. Werden Wege in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt, dann besteht Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 1 SGB VII. Ein solcher Weg ist aus Sicht des Gerichts bei Annahme des oben dargestellten Ereignisses (Staatsanwaltschaft M1-Stadt) aber nicht gegeben. Der Ehemann der Klägerin hat sich zum Zeitpunkt des Unfallereignisses nicht unmittelbar auf einem Weg für seinen Arbeitgeber, Firma N., befunden. Ein unmittelbares Betriebsinteresse am Zurücklegen des Weges aus der versicherten Tätigkeit bei der Firma N. ergibt sich nicht.

Für das Gericht ist schon zweifelhaft, ob der Ehemann der Klägerin seinen Arbeitsweg überhaupt begonnen hat. Eine Fortbewegung hin zur Arbeit hat nicht stattgefunden. Laut unfallanalytischem Gutachten der Staatsanwaltschaft vom 29.04.2019 (S. 18 ff.) hat sich der Lkw des Ehemannes zwischen 05:57:58 Uhr und 05:58:00 Uhr ca. 1,1 m bewegt mit einer Geschwindigkeit von max. 2 km/h. Zwischen 05:58:10 Uhr und 05:58:18 Uhr hat sich der Lkw des Ehemanns der Klägerin dann mit einer maximalen Geschwindigkeit von 4 km/h ca. 5 m bewegt. Dabei ist es zum Unfall gekommen.

Hier hat der Ehemann der Klägerin aber jedenfalls seinen Weg aus privaten. eigenwirtschaftlichen Gründen unterbrochen. Die Handlungstendenz war auf die Annahme eines Paketes gerichtet, welches nichts mit seiner versicherten Tätigkeit bei der Firma N. zu tun hatte. Selbst unter Annahme, dass der Ehemann der Klägerin bereits einen versicherten Weg angetreten hat, liegt eine wesentliche Unterbrechung vor, denn durch das Verlassen des Lkw (um der Klägerin ein Paket abzunehmen) liegt eine deutliche Zäsur vor. Eine Unterbrechung wäre nur dann geringfügig und unbeachtlich, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit anzusehen ist. Das ist der Fall, wenn sie nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung auf das ursprünglich geplante Ziel führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann (vgl. m. w. N. BSG, Urteil v. 23.01.2018, B 2 U 3/16 R, SozR 4-2700 § 8 Nr 64). Das ist hier aber nicht gegeben. Der Ehemann der Klägerin musste seinen Lkw anhalten, aussteigen, zur Klägerin hingehen, darauf warten, dass die Klägerin das Paket aus ihrem Lkw holt, um es dann zu nehmen. Das alles ist dem privaten Bereich des Ehemanns der Klägerin zuzurechnen und gehört nicht zeitlich und räumlich zu seiner versicherten Tätigkeit. Die Grenze der unwesentlichen Unterbrechung ist hier nach Auffassung des Gerichts überschritten. Erst mit der Fortführung des ursprünglichen Weges (Besteigen seines Lkw, um zu seiner Arbeit zu kommen) hätte wieder eine versicherte Tätigkeit vorgelegen. Das Anhalten und Aussteigen aus dem Lkw sowie das Zurücklegen der Wegstrecke zum Lkw der Frau mit Richtungswechsel sprechen für eine erhebliche Zäsur in der Fortbewegung, so dass der Versicherungsschutz unterbrochen wird (vgl. LSG Bayern Urt. v. 27.03.2013, L 2 U 284/12, BeckRS 2014, 68381).

Auch das mögliche private Gespräch wäre als eigenwirtschaftlich grundsätzlich nicht geschützt. In eine versicherte Tätigkeit eingeschobene private Verrichtungen haben eine Unterbrechung des Versicherungsschutzes für ihre Dauer ab dem ersten Verrichtungsmoment zur Folge (s. o.).

Ricke nimmt bei kurzfristigen Unterbrechungen Versicherungsschutz an, wenn unabhängig von der Unterbrechung weiterbestehende Gefahren aus dem versicherten Bereich bestehen (z. B. durch einen auf den Gehsteig geratenen PKW, beim Kauf an einem Kiosk) (BeckOGK/Ricke, Stand: 01.08.2022, SGB VII § 8 Rn. 62). Hier ist der Kläger von seinem eigenen Lkw tödlich verletzt worden, weshalb zumindest auch an den versicherten Bereich zu denken ist. Es bestehe nach Ricke kein Versicherungsschutz bei Gefahren allein aus der privaten Tätigkeit ohne mitwirkende "versicherte" Umstände. Versicherungsschutz wäre zu bejahen, wenn sich die unterbrechenden Tätigkeiten unabhängig von persönlichen Belangen situationsbedingt so ergeben, dass sich die Versicherten aus ihrer vertretbaren Sicht glauben, nicht entziehen zu können, z. B. wegen gesellschaftlicher Gepflogenheiten. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Das Gericht sieht im konkreten Fall aber auch nicht überwiegend die Realisierung einer betriebseigenen, weiterbestehenden Gefahr. Denn der Aufenthalt des Klägers zwischen den Fahrzeugen diente allein dem unversicherten persönlichen Lebensbereich. Ohne diese private Unterbrechung wäre der Ehemann der Klägerin nicht zwischen den Lkw gewesen und verletzt worden. Damit ist nach Überzeugung des Gerichts die Gefahr, auch im Hinblick darauf, dass eine Bewegung in Richtung Arbeitsplatz noch nicht stattgefunden hat, weit überwiegend aufgrund der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit gegeben.

Auch eine "Wie-Beschäftigung", über die ggf. die Beigeladene das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen hätte, ist hier abzulehnen. Dies scheitert an der sogenannten typischen Sonderbeziehung zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann. Dabei können verwandtschaftliche Beziehungen den Versicherungsschutz als "Wie-Beschäftigter" ausschließen, wenn die Tätigkeit nach Art, Umfang und Dauer sowie dem Grad der familiären Beziehung üblich ist. Je enger eine Gemeinschaft ist, umso eher erhalten Tätigkeiten ihr Gepräge gerade aus der Gemeinschaft (vgl. vertiefend Spellbrink/Bieresborn: Die Wie-Beschäftigung in der Gesetzlichen Unfallversicherung, NJW 2019, 3745). Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich eine "Wie-Beschäftigung" gerade nicht. Eine über die "selbstverständliche" eheliche Einstands- und Beistandspflicht hinausgehende Mitarbeit ist nicht vorgetragen.

Der Versicherungsschutz ist auch mit Blick auf eine mögliche vorbereiteten Handlung abzulehnen (Bereitmachen des Lkw, um die Fahrt antreten zu können, Befreien von Schnee). Dabei sind vorbereitende Handlungen, die die versicherte Tätigkeit überhaupt erst ermöglichen oder diese erleichtern, grundsätzlich unversichert. Nur in Ausnahmefällen können solche Tätigkeiten versichert sein, wenn sie in einem besonders engen sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Dazu kann das Befreien des Fahrzeugs von Eis und Schnee zählen (vgl. BeckOGK/Ricke, Stand: 01.08.2022, SGB VII § 8 Rn. 341.1). Der Unfallversicherungsschutz umfasst dabei grundsätzlich alle Tätigkeiten, die wesentlich dem Unternehmen zu dienen bestimmt sind. Dabei wird auch auf die Sichtweise und die Wertung der die Verrichtung ausübenden Person abgestellt, wobei die "Sicht des Versicherten" (subjektive Handlungstendenz) in den objektiv gegebenen Verhältnissen oder objektiv nachzuvollziehenden Umständen eine ausreichende Stütze finden muss (Bereiter-Hahn/ Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung - Handkommentar, § 8 Rn. 6.1 m. w. N.). Die Vorbereitungshandlung muss dann mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit oder der Wegezurücklegung so eng verbunden sein, dass beide bei natürlicher Betrachtungsweise eine Einheit bilden (m. w. N. LSG Berlin-Brandenburg Urt. v. 12.12.2014, L 3 U 196/13, BeckRS 2015, 65581). Maßgeblich ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch objektive Umstände des Einzelfalls bestätigt wird. Dabei sind Kriterien wie Unvorhergesehenheit sowie Relation des noch zurückzulegenden Weges zu den ergriffenen Maßnahmen geeignet, der Entscheidung über die Handlungstendenz des Versicherten zugrunde gelegt zu werden. Erklärungen des Versicherten können die abgeleitete Handlungstendenz durch derartige objektive Umstände bestätigen bzw. widerlegen. Im zu entscheidenden Fall kann allerdings nicht bewiesen werden, dass der Ehemann der Klägerin lediglich sein Fahrzeug bereitmachen wollte, um zur Arbeit zu gelangen. Dagegen sprechen insbesondere die zeitnah zum Unfallereignis gemachten Angaben der Klägerin und die Dokumentation der Staatsanwaltschaft. Auch im Übrigen lässt sich diese Handlungstendenz nicht belegen. Es sind keinerlei Gegenstände erwähnt oder in den Ermittlungsakten beschrieben worden, mit denen der Kläger von außen seinen Lkw hätte von Schnee befreien wollen, z. B. Besen o. ä. Bauart eines Lkw (steil verlaufende Front, Frontscheibe zum Befreien nur schwer erreichbar) und allgemeine Lebenserfahrung sprechen ebenso gegen diesen Vortrag. Bei Schnee und Eis im Januar kann auch nicht von einer völligen Überraschung und Unvorhergesehenheit ausgegangen werden. Letztlich scheitert das Vorbringen jedenfalls am Vollbeweis.

Auch der Vortrag der Klägerin, sie habe das Paket selbst zu sich ins Führerhaus nehmen wollen, ist im Ergebnis im Vollbeweis nicht bewiesen, würde aber nach Überzeugung des Gerichts auch nicht zur Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall führen.

Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben und war abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

 

 

Rechtskraft
Aus
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