S 38 KA 452/23 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 452/23 ER
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

I. Eine gesetzliche Verpflichtung, für Plausibilitätsprüfungen einen medizinischen Fachexperten in die Prüfung mit einzubinden, besteht nicht (§§ 20, 21 SGB X). Etwas Anderes würde nur gelten, wenn es sich um reine oder schwerpunktmäßig medizinische Fragestellungen handeln würde, die einer besonderen medizinischen Sachkunde und Expertise bedürften.

II. Bei den Leistungen nach GOP 98050 bis 98052 (Corona-Testungen) handelt sich um keine GKV-Leistungen, sondern vielmehr um Leistungen nach dem Bayerischen Testkonzept. Eine parallele Abrechnung von Leistungen nach dem EBM ist möglich, sofern es sich zusätzlich um eine Erkrankung oder Symptomatik handelt, die die Ansätze rechtfertigt und die ordnungsgemäß dokumentiert ist.

III. Bei der Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung handelt es sich um eine Grundpflicht und eine der tragenden Säulen des vertrauensbasierten Vertragsarztsystems.

IV. Voraussetzung für die Aufhebung der Honorarbescheide verbunden mit einer Honorarneufestsetzung und Rückforderung im Rahmen der Plausibilitätsprüfung ist außerdem, dass der Pflichtverstoß verschuldet (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) wurde. Die mit dem pandemischen Geschehen (Corona) einhergehende hohe Belastung der Vertragsärzte führt nicht zu einer anderen Beurteilung des Verschuldens.

V. Im Rahmen der Interessenabwägung bei einer Entscheidung über einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG, wenn die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs/einer Klage als offen zu beurteilen sind, kommt es maßgeblich darauf an, ob die Vollziehung bei der Antragstellerin/dem Antragsteller zu einer existenziellen Notlage führt und insofern eine unbillige Härte darstellt. Entscheidend für die Einkommens-und Vermögenssituation ist der Zeitpunkt der Antragstellung bzw. der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts hierüber. Künftige Ereignisse, die zu Auswirkungen auf die Einkommenssituation und/oder Vermögenssituation führen können wie zum Beispiel eine weitere Plausibilitätsprüfung oder ein Strafverfahren, sind für die Beurteilung, ob eine existenzielle Notlage vorliegt, ohne Belang.


I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20.07.2023 wird abgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.


I.
Mit Schreiben vom 17.08.2023 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin, die als praktische Ärztin mit einem vollen Versorgungsauftrag zugelassen ist, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 16.08.2023 gegen den Honoraraufhebungs-und Neufestsetzungsbescheid vom 20.07.2023.
In diesem Bescheid wurden nach Plausibilitätsprüfung für die Quartal 3/20 bis 1/22 die entsprechenden Honorarbescheide zurückgenommen, das Honorar neu festgesetzt und Honorar in Höhe von 417.542,62 € zurückgefordert.

Zur Begründung wurde in dem 48 Seiten umfassenden Ausgangsbescheid ausgeführt, die Vertragsärztin habe gegen den Grundsatz der peinlich genauen Abrechnung verstoßen. Zunächst sei eine Abrechnungsprüfung für das Quartal 1/21 eingeleitet worden. Dabei sei festgestellt worden, dass die Klägerin in diesem Quartal zeitbewertete Leistungen im Umfang von 820:51 Stunden und an 13 Tagen mehr als 12 Stunden abgerechnet hatte. Parallel ermittle die Generalstaatsanwaltschaft A-Stadt-B-Stadt wegen des Verdachts des Abrechnungsbetruges (Az 111 Js 10249/22).
Im Rahmen der Abrechnungsprüfung übersandte die Antragstellerin angeforderte Patientenunterlagen und nahm mehrfach persönlich bzw. durch ihre Prozessbevollmächtigten Stellung. Vorgetragen wurde für die Widerspruchsführerin/Antragstellerin, sie sei als Hausärztin für zwei Seniorenstifte beauftragt worden, sowohl routinemäßig, als auch bei Ausbruchsgeschehen auf einzelnen Stationen PCR-Testungen auf Covid bei Bewohnern und Mitarbeitern vorzunehmen. Sie sei auch während der Corona-Pandemie mehrfach als Notärztin tätig gewesen und selbst am 31.03.2022 an Corona erkrankt. Die Vertragsärztin habe die Abrechnungen nicht selbst vorgenommen, sondern diese seien durch die Praxisangestellten bzw. durch ihren Lebensgefährten erfolgt.
Die Antragsgegnerin führte in dem Bescheid vom 20.07.2023 aus, sie habe am 18.11.2022 erstmalig Einsicht in die Ermittlungsakte der ZKG erhalten. Aus dieser sei hervorgegangen, dass bereits Zeugenvernehmungen durchgeführt wurden. Zu einer Verständigung der Beteiligten über eine Rückzahlung kam es nicht. So wurde das Rückzahlungsangebot der Beklagten in Höhe von 417.542,62 € nicht angenommen. Denn in dieser Höhe sei eine vergleichsweise Beendigung des Verfahrens nicht möglich. Vorstellbar sei aber eine vergleichsweise Lösung nach Erhöhung des Sicherheitsabschlages von 15 % auf 35 %. Dies wiederum wurde von der Beklagten abgelehnt, weshalb die Beklagte den Bescheid vom 20.07.2023 erließ.
Zur Rechtslage wurde im Bescheid vom 20.07.2023 zunächst allgemein ausgeführt, bei der Pflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung handle es sich um eine Grundpflicht jedes Vertragsarztes. Es könnten nur Leistungen abgerechnet werden, die vollständig erbracht wurden. Jeder Vertragsarzt müsse die von ihm erbrachten Leistungen dokumentieren. Die Dokumentationspflichten ergäben sich aus § 57 BMV-Ä, § 4 Abs. 5 der Satzung der KVB, § 295 Abs. 1 S. 1 Nr 2 SGB V und § 10 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns. Die bloße Abrechnung einer Gebührenordnungsposition und die Angabe einer Quartalsdiagnose genügten diesen Anforderungen nicht. Wenn eine Dokumentation fehle oder der Vertragsarzt den Nachweis einer Dokumentation nicht führen könne, gehe dies zu seinen Lasten. Die Leistungen seien dann als nicht erbracht zu werten.
Konkret vorgeworfen wurde der Antragstellerin eine Falschabrechnung kurativer Leistungen für Testpatienten (GOP 01410, 01411, 01412, 01415 und 01418, damit verbunden Wegepauschalen nach GOP 40220, 40222 und 040224, Pauschalen nach GOP 3000 ff.), obwohl überhaupt keine kurativen Leistungen erfolgten. Das Abrechnungsverhalten wurde tabellarisch und quartalsweise dargestellt. Folge davon sei eine nicht nachvollziehbare Anzahl an Arzt-Patienten-Kontakten pro Tag bis zu 239 Arzt-Patienten-Kontakte. Anhand von mehreren namentlich benannten Patientinnen/Patienten wurde aufgezeigt, dass nach Auffassung der Antragsgegnerin falsch abgerechnet wurde. Es hätten zahlreiche Zeugenbefragungen von Altenheimbewohnern und Altenheimmitarbeitern stattgefunden, die bestätigten, dass die Antragstellerin über mehrere Quartale hinweg für durchgeführte PCR-Testungen in Seniorenheimen unzulässiger Weise nicht erbrachte kurative Leistungen, vor allem Grundpauschalen und Besuchsleistungen nebst Wegepauschalen zulasten der GKV abgerechnet habe.
Des Weiteren liege eine Falschabrechnung von Leistungen bei weiteren Patienten vor. So seien in großem Umfang Leistungen abgerechnet worden, deren vollständige Erbringung nicht nachgewiesen sei. So dokumentiere die Antragstellerin zu Besuchen regelmäßig nur wenige, nicht aussagekräftige Stichworte, Diagnosen und/oder Rezepte. In einigen Fällen notiere sie lediglich die Ziffer ohne weitere Anmerkungen (einige Beispiele werden genannt). Im Übrigen habe auch der Prozessbevollmächtigte der Vertragsärztin anlässlich eines persönlichen Gesprächs am 15.03.2023 ausgeführt, dass Besuche wie Wegepauschalen zwar erbracht worden seien, jedoch deren Abrechnung "nicht ganz korrekt" erfolgt sei. Selbst die Vertragsärztin habe erklärt, sie habe ihr Dokumentationsverhalten mittlerweile angepasst. Auch dies spreche im Umkehrschluss dafür, dass das Dokumentationsverhalten in der Vergangenheit nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Im Ergebnis sei also festzuhalten, dass die Vertragsärztin die Leistungen nach den GOPs 01410 und 01413 EBM durch alle Prüfquartale hinweg oftmals fehlerhaft abgerechnet habe. Auch bei anderen abgerechneten Ziffern, wie beispielsweise den GOP 02300, 01100, 01101, 03220, 03221, 03222 EBM seien gravierende Dokumentationsmängel festzustellen. Zusammenfassend lägen quartals-und leistungsübergreifend so gravierende Dokumentationsmängel vor, dass das tatsächliche Leistungsgeschehen nicht nachvollziehbar sei und die vollständige Leistungserbringung für kaum eine Leistung belegt sei. Die Antragsgegnerin zeigte hierzu verschiedene Beispiele mehrseitig, tabellarisch, geordnet nach den Quartalen 3/20 bis 1/22 auf. Dabei wurden u.a. der Behandlungstag, die konkrete Dokumentation und die Begründung für den Dokumentationsmangel angegeben.
Die Vertragsärztin habe gegen ihre Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung schuldhaft, nämlich wissentlich und willentlich verstoßen, weshalb von einem vorsätzlichen Handeln auszugehen sei. In dem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass die Vertragsärztin unter anderem im KVB-Rundschreiben vom 29.06.2020 explizit darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass die GOP 98051 und 98052 EBM die korrekten Ziffern für die Abrechnung von PCR-Testungen bei symptomfreien Personen im Rahmen des Bayerischen Testangebots seien und kein kurativer Behandlungsschein zulasten der GKV durch Einlesen der Versichertenkarte anzulegen sei. Auch auf der Homepage der KVB vom 15.09.2020 seien diese Informationen enthalten. Hinzu komme, dass sich die Vertragsärztin am 23.03.2021 bezüglich der Abrechnung von Corona-Leistungen bei der Service-und Beratungsabteilung der KVB erkundigt habe und auf das Merkblatt "SARS-COV-2-Tests Übersicht Veranlassung & Abrechnung" hingewiesen worden sei.
Hinsichtlich des restlichen Leistungsspektrums sei die Antragsgegnerin überzeugt, dass die Vertragsärztin bei Abgabe der Sammelerklärung die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und deshalb zumindest grob fahrlässig gehandelt habe. So habe sie auch eingeräumt, keinerlei Kontrollmechanismen etabliert und die Abrechnung allein ihren Angestellten überlassen zu haben. Aufgrund der Falschabrechnungen sei die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung in Wegfall geraten.
Hinsichtlich der Honorarneufestsetzung und Rückforderung bestehe ein weites Schätzungsermessen. Für die Berechnung der Rückforderungssumme seien die Referenzquartale 3/20, 1/21 und 1/22 und die jeweils festgestellte Quote fehlerhaft abgerechneter Leistungen herangezogen worden. Das Abrechnungsverhalten der GOP 01410 sowie der Versichertenpauschalen nach GOP 03000 ff. auch in anderen Quartalen sei mit dem Abrechnungsverhalten in den Referenzquartalen vergleichbar. Die Vertragsärztin habe in den Prüfquartalen einen Großteil des GKV-Honorars durch die Versichertenpauschalen und Besuchsleistungen generiert (laut Tabelle: zwischen 69,83 % und 77,30 % des Gesamthonorars). Im Rahmen der zulässigen Schätzung werde das restliche ausbezahlte GKV-Honorar vollständig zurückgefordert. Zur Berücksichtigung von Unwägbarkeiten werde ein Sicherheitsabschlag von 15 % gewährt, der als sachgerecht anzusehen sei. Die vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin dargelegten Argumente für die Erhöhung des Sicherheitsabschlags auf 35 % würden nicht durchgreifen. Auch eine Erhöhung des Sicherheitsabschlags auf 20 % sei aufgrund der hohen Fallzahl nicht angezeigt.
Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 16.08.2023 ließ die Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.07.2023 einlegen. Dem folgte das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 17.08.2023 an das Sozialgericht München mit dem Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Der Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr 2 SGG sei zulässig und auch begründet.
Vorweg sei jedoch darauf hinzuweisen, dass die vorausgegangenen Vergleichsgespräche und Angebote mit der Antragsgegnerin stets ohne Präjudiz geführt und unterbreitet worden seien. Vergleichsangebote der Antragstellerin habe die Antragsgegnerin abgelehnt. Von dem Gesamthonorar, betreffend den Zeitraum der Plausibilitätsprüfung, also Quartale 3/20 bis 1/22 in Höhe von 733.777,21 € würden 56 % zurückgefordert, weshalb sich die Antragstellerin zu einer gerichtlichen Klärung gezwungen sehe. Des Weiteren sei klarzustellen, dass - anders als im streitgegenständlichen Bescheid dargestellt - kein Eingeständnis dahingehend erfolgt sei, wonach eine Falschabrechnung vorliegen würde. Gegenteiliges werde bestritten.
Der streitgegenständliche Bescheid sei rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren Rechten. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin führte aus, mittels der Patientenbeispiele in dem angefochtenen Bescheid gelinge der Antragsgegnerin nicht der erforderliche Nachweis der Falschabrechnung. Dies betreffe beide Komplexe, auf die sich die Plausibilitätsprüfung beziehe.
Was den ersten Komplex betreffe "Falschabrechnung kurativer Leistungen für Test-Patienten", so sei zwischen kurativen Behandlungen und kurativen Leistungen zu unterscheiden. Die Corona-Testung (ICD-10-Kodierung "Gesundheitsuntersuchung (Z00.0,G)) sei weder eine Gesundheitsuntersuchung im originären Sinn jener Kodierung, noch werde sie vom Tatbestand des § 25 SGB X erfasst. Die erfolgten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakte im Zusammenhang mit kurativen Fällen berechtigten zum Ansatz der Versichertenpauschalen nach EBM-GOP 03000 bis 03005. Ebensowenig seien die abgerechneten Besuchsziffern nach EBM-GOP 01410 und 01413 zu beanstanden. Eine Leistungsabrechnung sei grundsätzlich auch dann zulässig, wenn der obligate Leistungsinhalt vor Ort nicht (mehr) erfüllt sei (vgl Kölner Kommentar zum EBM). Auch die Abrechnungen der (Mit-) Besuche seien korrekt erfolgt. Soweit die Antragsgegnerin in dem Zusammenhang auf eine gesteigerte Ansatzhäufigkeit hinweise, sei diese Thematik der Wirtschaftlichkeitsprüfung zuzuordnen.
Zum Komplex "Falschabrechnung von Leistungen bei weiteren Patienten" habe die Antragsgegnerin die fehlende bzw. ungenügende Patientendokumentation beanstandet. In dem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass sich die Dokumentationserfordernisse grundsätzlich nach der jeweiligen medizinischen Behandlung richteten. Insofern hänge die Dokumentation von den Umständen des Einzelfalles und insbesondere der Art der erbrachten Leistungen ab. Diese Voraussetzungen würden von der Antragstellerin erfüllt. Sie behandle nahezu ausnahmslos Heimbewohner in den von ihr betreuten Senioren-/Pflegeheimen. Die Patienten seien persönlich und seit jeher der Antragstellerin bekannt. Es dürfe daher insofern nicht verkannt werden, dass unter diesen Umständen eine Dokumentation grundsätzlich knapper ausfallen könne als bei Patienten, die dem Behandler tendenziell unbekannt seien und die ihren (Fach-) Arzt nur äußerst selten aufsuchten. Bei der Dokumentation der Antragstellerin seien die Kopf-Angaben, Diagnosen und Rezeptausstellungen auch in einem Gesamtkontext zu lesen, insbesondere, weil sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang stünden. Auch habe die Antragsgegnerin die seitens der Antragstellerin regelmäßig dokumentierte Angabe einer Tagesdiagnose als eigene Dokumentation gänzlich unberücksichtigt gelassen. Mit diesen individuellen Tagesdiagnosen würden ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt und dazu getroffene individuelle Feststellungen dokumentiert.
Nachdem die Rechtsprechung fordere, dass die Dokumentation für einen fachkundigen Dritten selbsterklärend sei, sei es notwendig gewesen, einen medizinischen Sachverständigen zur Prüfung der Patientendokumentation hinzuzuziehen. Eine solche Hinzuziehung sei nicht erfolgt, sodass dies als Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht der Antragsgegnerin nach § 20 Abs. 2 SGB X zu werten sei. Ebenfalls würden die von der Antragsgegnerin benannten Patientenbeispiele mit konkret genannten Datumsangaben und EBM-Gebührenordnungspositionen keine Falschabrechnungen jener EBM-GOPs an jenen Tagen beweisen. Zu den quartalsweise von der Antragsgegnerin aufgeführten Beispielfällen nahm der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin einzeln Stellung.
Auch liege ein Verschulden nicht vor. Die Antragstellerin verwahre sich gegen den Vorwurf der vorsätzlichen Falschabrechnung. Mangels Falschabrechnung liege auch kein grob fahrlässiges Handeln vor. Weder das von der Antragsgegnerin veröffentlichte Rundschreiben vom 29.06.2020, noch das auf der Homepage veröffentlichte Merkblatt vom 15.09.2020 sowie das zugefaxte interne Merkblatt vom 23.03.2021 enthielten den von der Antragsgegnerin behaupteten Hinweis, dass kein kurativer Behandlungsschein zulasten der GKV durch Einlesen der Versicherungskarte anzulegen sei. Bei der Darstellung der Sonder-GOPs 98050 bis 98052 sei nicht einmal ein Abrechnungsausschluss zu den Versicherten-bzw. Grundpauschalen oder den (Mit-) Besuchsziffern enthalten, wie dies üblicherweise im EBM geregelt sei. Somit sei es für die Antragstellerin nicht erkennbar, dass sie aufgrund eines Abrechnungsausschlusses falsch abrechnen würde. Allenfalls sei von einer leichten Fahrlässigkeit, nicht jedoch von einem Vorsatz auszugehen. Auch habe die Antragstellerin nicht grob fahrlässig gehandelt. Für das Maß der Fahrlässigkeit seien die Urteils-und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen des Arztes sowie die besonderen Umstände des Einzelfalles maßgeblich. Bei den Sonder-GOPs 98050 bis 98052 handle es sich um Leistungen, die erst wenige Tage zuvor entwickelt worden seien. Deshalb seien Informationen zu Abrechnungsausschüssen nicht vorhanden gewesen. Bei diesem Sachverhalt könne weder auf eine vorsätzliche Falschabrechnung, noch auf eine grob fahrlässige Falschabrechnung geschlossen werden.
Die Garantiewirkung der Abrechnungs-Sammelerklärung sei daher nicht in Wegfall geraten. Höchst hilfsweise werde aber hierzu vorgetragen, dass die Ausführungen der Antragsgegnerin zur Schätzung nicht überzeugend seien, die sich das Gericht zu eigen machen könnte. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin führte hierzu insbesondere aus, die seitens der Antragsgegnerin durchgeführten Auswertungen seien nicht repräsentativ, da mindestens 10 % der Ansätze jenes Quartals zu überprüfen seien. Je weniger überprüft werde, desto ungenauer sei das Prüfergebnis. Eine Abweichung könne nur durch eine erhebliche Erhöhung des Sicherheitsabschlages - gewährt wurde ein Sicherheitsabschlag in Höhe von 15 % - ausgeglichen werden. Bezüglich der übrigen abgerechneten Leistungen sei es notwendig gewesen, einen medizinischen Sachverständigen zur Beantwortung der Frage hinzuzuziehen, ob die eingereichte Patientendokumentation für einen fachkundigen Dritten nachvollziehbar ist. Im Falle einer 100-prozentigen Fehlerquote sei ein Sicherheitsabschlag von nur 15 % nicht nachvollziehbar. Zu beanstanden sei auch, dass der Mitbesuch nach der EBM-Nr 01413 unter Heranziehung der Feststellungen der Antragsgegnerin bei den Regressermittlungen nicht berücksichtigt wurde. Schließlich hätte auch berücksichtigt werden müssen, dass die Antragstellerin als "hausärztliche Einzelkämpferin" weit mehr Patienten versorgt habe als der Fachgruppendurchschnitt. Nachdem die Antragstellerin bereits vor der Corona-Pandemie überdurchschnittliche Fallzahlen aufwies, könne die gegenständliche Problematik mit Versichertenpauschalen bei Corona-(Test-) Patienten die weit überdurchschnittliche Fallzahl nicht erklären. Im Hinblick auf die überdurchschnittliche Fallzahl hätte die Antragsgegnerin einen Sicherheitsabschlag von mindestens 20 % ansetzen müssen.
Für den Fall, dass nicht von offensichtlichen Erfolgsaussichten einer Klage/eines Widerspruchs auszugehen sei, würde jedenfalls die Interessenabwägung den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen. Die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes hätte für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. So betrage die Rückforderungssumme 56 % (417.542,62 €) des in diesem Zeitraum abgerechneten Gesamt-GKV-Honorars. Bringe man die Betriebsausgaben in Abzug, so verblieben der Antragstellerin ca. 10.000 € aus dem GKV-Honorar für das gesamte Jahr 2021. Des Weiteren würde eine Vollziehung des Bescheides auch mit Blick auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren eine unbillige Härte dahingehend bewirken, dass die dortige Schadensermittlung, basierend auf den Auskünften der Antragsgegnerin, unhinterfragt übernommen würde, ohne dass sich jemals ein Mediziner als fachkundiger Dritter mit dem Dokumentationsverhalten der Antragstellerin konkret befasst hätte. Schließlich sei auch mit einer Abrechnungsprüfung durch die Antragsgegnerin für die Folgequartale zu rechnen.
In ihrer Replik beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 20.07.2023 abzuweisen. Denn es würden weder Erfolgsaussichten in dem anhängigen Widerspruchsverfahren bestehen, noch wäre dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Interessen Vorrang zu gewähren.
Zum allgemeinen Verfahrensgang betonte Antragsgegnerin, die Darstellung der Antragstellerin sei nicht zutreffend. Vielmehr habe die Antragstellerin wiederholt Abrechnungsfehler eingeräumt. Beispielhaft wurden die Einlassungen der Antragstellerin bei dem Plausibilitätsgespräch am 15.03.2023, bei der persönlichen Übergabe von Patientendokumentationen am 15.09.2022, die Telefonnotiz vom 14.09.2023 sowie das Schreiben des ehemaligen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 19.08.2022 genannt. In letzterem sei ausgeführt worden, die Antragstellerin habe aufgrund Überlastung im Praxisalltag ihre Abrechnung vollständig auf ihr Praxispersonal übertragen. Das Praxisteam setzte sich nun einmal monatlich zusammen, um Abrechnungsfehler zu klären und um künftig nochmalige/weitere Falschabrechnungen zu vermeiden. Das impliziere in der Gesamtschau bereits im Umkehrschluss das Eingeständnis, dass es bis dato zu Falschabrechnungen gekommen sei. Schließlich habe der Prozessbevollmächtigte im Gespräch eine Beendigung des Verfahrens durch einen Vergleich in Höhe von 257.941,40 €, zuletzt mit Schreiben vom 15.05.2023 einen Vergleich in Höhe von 319.297 € vorgeschlagen. Dass ein proaktives Angebot zur Zahlung einer solch enormen Summe lediglich "des Friedens Willen" erfolgt sei, erscheine unglaubwürdig.
Hinsichtlich des Komplexes "Falschabrechnung kurativer Leistungen für Coronatest-Patienten" sei festzuhalten, dass die Versichertenpauschalen nicht nur einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt pro Quartal vergüteten. So werde mit den Pauschalen unter anderem auch die allgemeine und fortgesetzte ärztliche Betreuung eines Patienten in Diagnostik und Therapie bei Kenntnis seines häuslichen und familiären Umfeldes ... mit den Pauschalen abgegolten und kalkulatorisch berücksichtigt. Somit setze die Abrechnung der Versichertenpauschale auf Originalschein einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt im Rahmen einer kurativen Behandlung voraus.
Die Antragstellerin (richtigerweise: Antragsgegnerin) zweifle nicht daran, dass sich die Antragstellerin persönlich bei den Patienten zur Abstrichnahme in den Seniorenheimen befunden hatte. Entgegen den Ausführungen des Bevollmächtigten der Antragstellerin entspreche jedoch die reine Abstrichentnahme keiner kurativen Behandlung, die die Abrechnung einer Versichertenpauschale hätte rechtfertigen können. Die von der Antragstellerin durchgeführten Corona-Testungen hätten rein präventiven Charakter gehabt, wie auch aus der Stellungnahme der Antragstellerin vom 19.01.2022 hervorgehe. Dieses Bild werde auch bestätigt durch die zahlreich geprüften Dokumentationen. Eine Erkrankung oder weitere Symptomatik, die die Antragstellerin behandelte, sei nicht erkennbar gewesen. Wenn aus der Dokumentation hervorgegangen wäre, dass die Antragstellerin neben reinen Routine-Testungen aufgrund von konkreten Erkrankungssymptomen Testungen durchgeführt hatte bzw. in dem Quartal eine sonstige kurative Leistungserbringung neben den routinemäßigen Corona-Testungen nachvollziehbar gewesen wäre, wäre die Abrechnung der Versichertenpauschale zulässig gewesen. Gerade dies sei jedoch nicht der Fall gewesen.
Auch sei es zur Falschabrechnung von Besuchsleistungen (GOP 01410 und 01413 EBM) gekommen. Denn die reine Durchführung von Corona-Testungen ohne weitere kurative Behandlungsmaßnahmen berechtige nicht zur Abrechnung von Besuchsleistungen nach der GOP 01410 und 01413 EBM, da diese eine kurative Behandlung voraussetzten und im Übrigen bereits durch die Pauschalen GOP 98051 und 98052 vergütet würden. Vorauszusetzen sei vielmehr, dass sich die Symptomatik bzw. die Erkrankung, weswegen der Arzt den Patienten aufsucht, in nachvollziehbarer Weise aus den Dokumentationen ergebe. Ob die Erkrankungssymptome dann gegebenenfalls nicht mehr vorgelegen hätten, bis der Arzt beim Patienten ist, sei irrelevant. Entscheidend sei jedoch, dass sich die Dringlichkeit, wegen derer der Besuch des Arztes ursprünglich ausgelöst wurde, in nachvollziehbarer Weise aus den Dokumentationen ergebe. Aus den eingereichten Dokumentationen seien lediglich Corona-Abstriche hervorgegangen, jedoch keine gesondert abrechenbaren Besuchsleistungen, womit eine Falschabrechnung der GOP 01413 und 03005 EBM vorliege. Es sei ab dem Quartal 2/2020 zu einer rapiden Steigung der Ansatzhäufigkeit gekommen. Noch im Quartal 4/2019 sei die GOP 01413 EBM lediglich zweimal mit einer Vergütung in Höhe von 22,94 € in Ansatz gebracht worden, während im Quartal 1/2021 diese GOP 501 mal mit einer Vergütung von 39.361,23 € angesetzt worden sei. Entgegen den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin bestünden keine rechtlichen Zweifel, im Rahmen der Plausibilitätsprüfung die Steigerung der Ansatzhäufigkeit als Indiz für eine Falschabrechnung heranziehen zu können. Die Fehlerquoten bei der GOP 01410 EBM hätten zwischen 56,67 % und 70,41 % gelegen. Damit habe die Antragsgegnerin Besuchsleistungen sehr wohl auch neben den Abstrichentnahmen anerkannt, soweit die Abrechnungsvoraussetzungen erfüllt gewesen waren.
Hinsichtlich des Komplexes "Falschabrechnung bei weiteren Patienten" wurde darauf hingewiesen, dass insgesamt 513 Patientendokumentationen angefordert und von der Antragsgegnerin vollumfänglich überprüft wurden. Insofern handle es sich um eine repräsentative Prüfmenge. Es könne dahinstehen, ob die Dokumentationen bei Altenheimbewohnern, die bereits einige Zeit betreut und regelmäßig besucht wurden, knapper ausfallen könnten. Jedenfalls sei die alleinige Angabe einer GOP, von Diagnosen und Rezeptausstellungen nicht geeignet, den obligaten Leistungsinhalt von weiteren, streitgegenständlichen GOP oder auch der Versichertenpauschale nachzuweisen. Vielmehr müsse die Dokumentation die konkrete Erkrankung sowie die vom Arzt getroffenen Behandlungsmaßnahmen enthalten. Auch die Angabe von Tagesdiagnosen könne eine ordnungsgemäße Dokumentation nicht ersetzen. Dass die Dokumentation der Abrechnungsziffer und einer Diagnose grundsätzlich nicht ausreiche, um den Leistungsinhalt hinreichend nachzuweisen, entspreche der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (zusammenfassend zuletzt BSG, Urteil vom 11.10.2022, Az B 6 KA 8/22 B; LSG Bayern, Urteil vom 20.10.2021, Az L 12 KA 4/20).
Ein Verstoß gegen § 20 Abs. 2 SGB X liege nicht vor. Die Beiziehung eines medizinischen Fachexperten sei aus der Sicht der Antragsgegnerin nicht notwendig gewesen, zumal die Patientendokumentationen überwiegend kaum inhaltlich Relevantes enthielten, was die Expertise eines Mediziners erfordert hätte. Eine Pflicht zur Einbeziehung eines medizinischen Fachexperten existiere jedenfalls nicht. Davon unabhängig sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei der zuständigen Sachbearbeiterin, die die Auswertung durchgeführt habe, definitiv nicht um einen medizinischen Laien gehandelt habe, sondern um eine hierfür hinreichend qualifizierte Fachkraft, an deren ausreichender Qualifikation keine Zweifel bestünden.
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin Patientenbeispiele angeführt habe, um die vermeintliche Korrektheit der einzelnen Ansätze darzulegen, sei darauf hinzuweisen, dass die Dokumentationen der Antragsgegnerin vorgelegen hätten und im Rahmen ihrer Auswertung umfassend berücksichtigt wurden. Die dargelegten Argumente des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin liefen aber ins Leere (Die Dokumentation bei einzelnen Patienten wurde abgebildet, aus der sich nach Auffassung der Antragsgegnerin ein Verstoß gegen die geltenden Dokumentationspflichten ergebe).
Die Pflichtverletzung sei auch schuldhaft erfolgt. Die festgestellten Abrechnungsfehler beruhten auf vorsätzlichen Falschangaben der Antragstellerin bei Abgabe der jeweiligen Sammelerklärungen, soweit es sich um die unzulässige Abrechnung kurativer Leistungen bei rein präventiv erbrachten Corona-Test-Leistungen handelte. Im Rundschreiben sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die elektronische Gesundheitskarte für die Abstrichentnahme nicht einzulesen sei. Dies bedinge im Umkehrschluss, dass auch kein kurativer Behandlungsschein zulasten der GKV anzulegen sei, da das Einlesen der Versichertenkarte bei kurativen Behandlungsleistungen zulasten der GKV obligat sei. Ein ausdrücklicher, schriftlich niedergelegter Abrechnungsausschuss sei deshalb vorliegend nicht notwendig gewesen. Auch aus der Leistungsbeschreibung der GOP 98050 ff. ergebe sich zweifelsfrei, dass diese bereits die Vergütung insbesondere für den Besuchsaufwand samt Wegepauschalen enthielten. Sowohl das Rundschreiben vom 26.09.2020, als auch das Merkblatt vom 15.09.2020 hätten ausdrücklich den Hinweis enthalten, dass Voraussetzung für die Abrechnung nach dem Bayerischen Testkonzept die Prüfung durch den jeweiligen Vertragsarzt sei, ob nicht vorrangig eine Abrechnung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht komme. Auch hieraus werde deutlich, dass es sich bei den Leistungen nach dem Bayerischen Testkonzept gerade nicht um vertragsärztliche Leistungen zulasten der GKV handle. Mit der Abrechnung der GOP 01410/01413 EBM und den Versichertenpauschalen sowie der GOP 98050 ff. habe sich die Antragstellerin die einmalige tatsächliche Leistungserbringung (präventive Corona-Testung) doppelt vergüten lassen. Letztendlich komme es aber nicht darauf an, ob die fehlerhafte Abrechnung in Zusammenhang mit Corona-Testungen vorsätzlich erfolgt sei. Denn die Garantiefunktion der Sammelerklärung entfalle bereits bei einer einzigen grob fahrlässigen Falschangabe in der Abrechnung des Vertragsarztes mit der Folge, dass der Honorarbescheid für das ganze Quartal rechtswidrig sei.
Auch am Vorliegen einer grob fahrlässigen Falschabrechnung hinsichtlich des restlichen Leistungsspektrum seitens der Antragsgegnerin bestünden keine Zweifel. So habe die Antragstellerin selbst mehrfach eingeräumt, dass Abrechnungsfehler passiert seien und deswegen die Praxisstruktur entsprechend angepasst worden sei. Es sei auch ausgeführt worden, die Antragstellerin habe ihre Praxisorganisation überprüft und zusätzliche Prüfstufen eingebaut. In diesem Zusammenhang sei ihr zudem aufgefallen, dass von den Mitarbeitern Herrn Ka. bzw. Herrn Ku. Merkzettel zur Abrechnung von Corona-Leistungen erstellt worden seien, die von ihr jedoch vorab nicht auf inhaltliche Richtigkeit geprüft worden seien. Insgesamt habe sie auf die Richtigkeit der Abrechnung durch ihre Angestellten vertraut. All dies belege, dass sich die Antragstellerin nicht ansatzweise mit den einzelnen Abrechnungsvoraussetzungen beschäftigt habe. Abschließend sei zudem darauf hinzuweisen, dass ein Arzt dazu verpflichtet sei, seine Abrechnung zu überprüfen und peinlich genau abzurechnen (BSG, Urteil vom 24.11.1993, Az 6 RKa 70/91). Damit korrespondiere eine "Holschuld" dahingehend, dass sich jeder Vertragsarzt fortlaufend und eigenständig mit den maßgeblichen Abrechnungsvorschriften auseinandersetzen und diese beachten müsse. Dieser Pflicht sei die Antragstellerin vorliegend definitiv nicht nachgekommen, was anhand der gravierenden Abrechnungsfehler deutlich werde.
Schließlich sei auch die Rückforderungsberechnung der Antragsgegnerin rechtlich nicht zu beanstanden. Die sachlich-rechnerische Richtigstellung sei für jedes Quartal erfolgt. Die Antragsgegnerin habe in den Referenzquartalen stets eine repräsentative Menge an Ansätzen der Versichertenpauschale nach GOP 03000 ff. EBM überprüft. (Quartal 3/20: 115 Ansätze (= 8,84 %); Quartal 1/21: 135 Ansätze (= 8,30 %); Quartal 1/22: 165 Ansätze (= 10,03 %). Der vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin genannte Richtwert von 10 % stelle keine verbindliche Angabe dar. Bei der GOP 01410 EBM seien teilweise sogar über 40 % der Ansätze überprüft worden (Quartal 3/20: 240 Ansätze (= 41,45 %); Quartal 1/21: 137 Ansätze (= 22,73 %); Quartal 1/22: 168 Ansätze (= 40,24 %). Trotzdem sei großzügiger Weise ein Sicherheitsabschlag in Höhe von 15 % gewährt worden.
Ebenfalls sei die Anzahl der Referenzquartale mehr als ausreichend. Die Antragsgegnerin habe eine "enorme Anzahl an vollständigen Patientenunterlagen" angefordert (zunächst 132 und später nochmals 485). Anhand dieser Unterlagen seien gravierende Abrechnungsfehler über das ganze Leistungsspektrum hinweg festgestellt worden.
Auch bezüglich des restlichen Leistungsspektrums (GOP 01413, 02300, 03220) sei eine Menge von Ansätzen überprüft worden. Dabei habe die Prüfquote sogar regelmäßig bei über 40 % bis hin zu 100 % gelegen (wird im Einzelnen ausgeführt). Die so ermittelten Fehlerquoten hätten regelmäßig im Bereich über 90 % bis zu 100 % betragen. Somit sei das übrige Leistungsspektrum in der Gesamtschau leistungsübergreifend bis auf wenige Einzelfälle als implausibel anzusehen. Vor diesem Hintergrund sei auch der gewährte Sicherheitsabschlag als großzügig zu bewerten.
Dass die Antragstellerin mehr Patienten als der Fachgruppendurchschnitt behandelt habe, sei ebenfalls im Rahmen der Prüfung entsprechend § 12 Abs. 3 Ziffer 1e) der Abrechnungsprüfungs-Richtlinien berücksichtigt worden.
Abgesehen von den fehlenden Erfolgsaussichten im anhängenden Widerspruchsverfahren wäre auch dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Interessen kein Vorrang zu gewähren. So habe der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin die Unbilligkeit der Vollziehung der Rückforderung nicht glaubhaft vorgetragen. Denn es sei sogar erklärt worden, dass es der Antragstellerin trotz des Regresses immer noch möglich sei, kostendeckend zu arbeiten. Zudem habe die Antragstellerin durch die Abstrichentnahmen in den Quartalen 3/20 bis 1/22 allein 243.589 € generiert. All dies spreche auch gegen eine existenzielle Bedrohung und unbillige Härte einer Vollziehung durch die Antragsgegnerin. Hinzu komme, dass die Antragstellerin einen Stundungsantrag gestellt habe, über den noch nicht entschieden worden sei. Im positiven Fall der Entscheidung würde es der Antragstellerin ermöglicht, die Rückforderung nach und nach zurückzuzahlen, sodass die Liquidität der Antragstellerin gewährleistet sei.
Dem stünde das Interesse der Antragsgegnerin an der Vollziehung des Bescheides gegenüber. Zu Unrecht ausgezahlte Honorare gingen zulasten der Bayerischen Ärzteschaft. Unter Hinweis auf den Beschluss des Sozialgerichts München vom 28.04.2021 (Az S 38 KA 62/21 ER) sei bei einer ernsthaften Gefährdung der Rückzahlungsforderung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung - was dem gesetzlich bestimmten Regelfall entspreche - bei der Vornahme der Interessenabwägung von großem Gewicht.

II.
Bei dem Antrag (Schriftsatz vom 17.08.2023) handelt es sich um einen Antrag nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG.
Dieser Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, betreffend den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20.07.2023, ist zulässig, aber unbegründet.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Wie die Antragsgegnerin zutreffend ausgeführt hat, entfalten Widersprüche oder Anfechtungsklagen gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung keine aufschiebende Wirkung (§ 85 Abs. 4 S. 6 SGB V). Rechtsschutz kann die Antragstellerin gem. § 86b Abs. 1 Ziff. 2 SGG nur erlangen, indem seitens des Gerichts die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt wird.
Im Rahmen der summarischen Prüfung der Begründetheit des Antrags sind die öffentlichen und privaten Interessen abzuwägen. Bei der Abwägung der gegenteiligen Interessen sind auch die Erfolgsaussichten in einem Hauptsacheverfahren von Bedeutung. Leitlinie ist, dass bei einem offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakt, wenn der Betroffene in seinen subjektiven Rechten verletzt ist, das Gericht die aufschiebende Wirkung wiederherstellt. Denn am Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein öffentliches Interesse. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, ist von einem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug auszugehen. Zu beachten ist die Wertung des Gesetzgebers. Hat der Gesetzgeber für bestimmte Fallgruppen bestimmt (§ 86a Abs. 2 Nr. 2 - 4 SGG), dass Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung entfalten, ist daraus der grundsätzliche Vorrang des Vollziehungsinteresses herzuleiten. Eine solche Regelung stellt § 85 Abs. 4 S. 6 SGB V dar.
Bei summarischer Prüfung des Bescheides der Antragsgegnerin sind zunächst formelle Mängel nicht erkennbar.
Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin vertritt die Meinung, die Antragsgegnerin hätte die Unterlagen durch einen medizinischen Fachexperten überprüfen lassen müssen, was nicht geschehen ist. Nach § 20 Abs. 1 SGB X gilt der Untersuchungsgrundsatz. Danach ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen. Sie bedient sich dabei der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 21 Abs. 1 SGB X). Eine gesetzliche Verpflichtung, für Plausibilitätsprüfungen einen medizinischen Fachexperten in die Prüfung mit einzubinden, besteht nicht. Ein Ermessensverstoß ist nicht ersichtlich. Etwas Anderes würde nur gelten, wenn es sich um reine oder schwerpunktmäßig medizinische Fragestellungen handeln würde, die einer besonderen medizinischen Sachkunde und Expertise bedürften. Dies war hier nicht der Fall. Wie die Antragsgegnerin vorgetragen hat, erfolgte die Prüfung und Auswertung der Abrechnungen von einer qualifizierten Sachbearbeiterin, was auch in den Bescheidgründen zum Ausdruck kommt. Insofern bestand für die Antragsgegnerin keine Veranlassung, die Prüfung durch einen medizinischen Fachexperten ganz oder teilweise vornehmen zu lassen.
Bei summarischer Prüfung bestehen in materieller Hinsicht ebenfalls keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 20.07.2023.
Die Antragsgegnerin kam aufgrund des Aufgreifkriteriums "Quartalsarbeitszeit" und "Tagesarbeitszeit" 1/21 - festgestellt wurden, dass die Klägerin im Quartal 1/21 zeitbewertete Leistungen im Umfang von 820:51 Stunden und an 13 Tagen mehr als 12 Stunden abgerechnete - zu dem Ergebnis, dass Auffälligkeiten bestehen.
Nach Anforderung von zahlreichen Unterlagen bei der Antragstellerin erfolgte eine Prüfung der von der Antragstellerin vorgenommenen Corona-Testungen neben den kooperativen Leistungen (1. Komplex). Die Antragstellerin hat neben den Testungen nach den GOP 98050 bis 98052 Versichertenpauschalen (03000 bis 03005), Besuchsleistungen (GOP 01410, 01413) und Wegepauschalen abgerechnet. Dies war nach summarischer Prüfung unzulässig. Zutreffend ist, dass kein ausdrücklicher Abrechnungsausschluss oder Hinweise bei den GOP 03000 bzw. 98050 vorhanden war. Dies erklärt sich aber daraus, dass es sich um unterschiedliche Abrechnungssysteme handelt. Die Leistungen nach GOP 98050 bis 98052 sind nämlich keine GKV-Leistungen. Vielmehr handelt es sich um Leistungen nach dem Bayerischen Testkonzept. Die Zahlung erfolgte nicht durch die Krankenkassen, sondern durch den Freistaat Bayern. Es war deshalb auch nicht möglich, Abrechnungsausschlüsse zu regeln. Grundsätzlich können Leistungen nach den GOP 98050 bis 98052 neben anderen kurativen Leistungen in Ansatz gebracht werden. Voraussetzung ist aber, dass es sich um eine Erkrankung oder Symptomatik handelt, die die Ansätze rechtfertigt. Dies ist zu dokumentieren. Dass eine Erkrankung oder eine weitere Symptomatik vorliegt, ist aber in der Dokumentation der Antragstellerin nicht erkennbar. Insofern ist der Ansatz der Versichertenpauschalen GOP 03000 ff. und der Besuchsziffern 01410 und 01413 nicht nachvollziehbar. Im Übrigen schließt die GOP 98050 ff. Wegeleistungen mit ein. Auch die Antragsgegnerin bestreitet nicht, dass die Antragstellerin einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt hatte. Ein solcher genügt jedoch nicht für den Ansatz der GOP 03000 EBM. Zum Leistungsgehalt gehört nicht nur der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt, sondern, dass die Abrechnung der Versichertenpauschale im Rahmen einer kurativen Behandlung erfolgte. Die Erkrankung bzw. Symptomatik, weshalb die Behandlung stattfand, war nicht erkennbar. Wie die Antragsgegnerin ausführte, kam es somit zu einer doppelten Vergütung.
Was die sonstigen Leistungen betrifft (2. Komplex), hat die Antragsgegnerin die Implausibilität damit begründet, es lägen erhebliche Dokumentationsmängel vor. Bei summarischer Prüfung durch das Gericht bestätigt sich die Ansicht der Antragsgegnerin, die Antragstellerin habe gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen, indem sie ihrer Dokumentationspflicht grundsätzlich nicht genügt hat.
Bei der Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung handelt es sich um eine Grundpflicht und eine der tragenden Säulen des vertrauensbasierten Vertragsarztsystems. Diese Pflicht ergibt sich aus § 32 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV, § 15 Abs. 1 S. 1 BMV-Ä, § 14 Abs. 1 S. 1 EKV-Ä, § 57 BMV-Ä bzw. § 10 Abs. 1 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns und Art. 18 Abs. 1 Ziffer 3 Heilberufekammergesetz (HKaG). Sie ist aus der Überlegung heraus entwickelt worden, dass nur ein geringer Teil der Abrechnungen überprüft werden kann. Insofern ist sie grundlegend für die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung und gilt nicht nur für die Behandlungs-sondern auch für die Verordnungstätigkeit (BSG, Urteil vom 20.03.2013, Az B 6 KA 17/12 R, Rn. 43 nach juris). Die Dokumentation dient dem Vertragsarzt zum Nachweis der ordnungsgemäßen Abrechnung seiner von ihm erbrachten ärztlichen Leistungen, aber auch dem Patienten im Rahmen von Strafverfahren oder im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses. Erfolgt keine Dokumentation oder kann der Nachweis einer Dokumentation nicht geführt werden, entfällt die Garantiewirkung der Abrechnungssammelerklärung und die abgerechneten Leistungen gelten als nicht erbracht (BayLSG, Urteil vom 7.7.2004, Az L 3 KA 510/02; SG Marburg, Urteil vom 13.9.2017, S 12 KA 349/16; SG München, Urteil vom 25.07.2018, Az S 38 KA 645/16). Die Dokumentation ist immer dann ordnungsgemäß und erfüllt den oben beschriebenen Zweck, wenn ein fachkundiger Außenstehender ohne weiteres in der Lage ist, zu beurteilen, ob die jeweiligen Leistungsbestandteile erfüllt sind.
Der Verstoß gegen die Pflicht zur peinlich-genauen Abrechnung hat zur Folge, dass damit die Garantiewirkung der Abrechnungs-Sammelerklärung (§ 35 Abs. 2 BMV-Ä, § 34 Abs. 1, § 35 Abs. 2 EKV-Ä), die eine eigenständige Voraussetzung für die Entstehung eines Anspruchs eines Vertragsarztes auf Vergütung der von ihm erbrachten Leistungen darstellt. Ein einer solchen Abrechnungssammelerklärung nachfolgender Honorarbescheid ist rechtswidrig ist (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 17.09.1997, Az 6 RKa 86/95 Rn. 19f. (juris); BSG, Urteil vom 22.03.2006, Az B 6 KA 76/04 R).
Die Dokumentation der von der Antragstellerin erbrachten Leistungen ist bei summarischer Prüfung notleidend, weil entweder überhaupt nicht vorhanden oder unzureichend. Der bloße Ansatz einer Gebührenordnungsposition vermag eine ordnungsgemäße Dokumentation nicht zu ersetzen.
Voraussetzung für die Aufhebung der Honorarbescheide verbunden mit einer Honorarneufestsetzung und Rückforderung im Rahmen der Plausibilitätsprüfung ist außerdem, dass der Pflichtverstoß verschuldet (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) wurde. Während der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin der Auffassung ist, allenfalls sei der Antragstellerin leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen, vertritt die Antragsgegnerin die Meinung, beim ersten Komplex handle es sich sogar um Vorsatz, beim zweiten Komplex um grobe Fahrlässigkeit. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Rundschreiben vom 29.06.2020 Hinweise zur Abrechnung im Zusammenhang mit Corona-Testungen gegeben. Weitere Hinweise enthält das Merkblatt auf der Homepage vom 15.09.2020. Außerdem wurde der Antragstellerin die Kopie eines Merkblattes am 23.03.2021 zugeleitet. Ein Verschulden bzw. Mitverschulden der Antragsgegnerin ist nicht ersichtlich. Vielmehr hat diese alles getan, um auf die Besonderheiten der Abrechnung im Zusammenhang mit Corona-Testungen hinzuweisen. Auch inhaltlich sind die gegebenen Hinweise klar genug und nicht zu beanstanden. Zwar wurde dort nicht ausgeführt, dass kein kurativer Behandlungsschein durch Einlesen der Karte anzulegen ist. Vielmehr wurde zum Ausdruck gebracht, dass die elektronische Gesundheitskarte für die Abstrichnahme nicht einzulesen ist. Dies bedingt im Umkehrschluss, wie die Antragsgegnerin ausführt, dass kein kurativer Behandlungsschein zulasten der GKV anzulegen ist, da das Einlesen der Versichertenkarte bei kurativen Behandlungsleistungen zulasten der GKV obligat ist.
Einzuräumen ist, dass damals eine besondere Situation vorherrschte und die Regierungen und insbesondere alle Beteiligten im Gesundheitswesen mit einer Situation konfrontiert waren, die alle vor große Herausforderungen stellte. Das pandemische Geschehen belastete sowohl die medizinische Versorgung stationär, als auch ambulant. Die große Verantwortung der Vertragsärzte ging einher mit einer hohen Arbeitsbelastung. Dies alles vermag die Antragstellerin aber nicht zu exkulpieren. Denn die Herausforderungen betrafen nicht nur die Antragstellerin, sondern sämtliche an der Gesundheitsversorgung Beteiligte. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass allein der Umstand, dass die Antragstellerin sich nicht um die Abrechnung kümmerte, sich auf Dritte (Lebensgefährten, Praxispersonal) verließ, als grobe Fahrlässigkeit zu werten ist. Denn mit der Abrechnungssammelerklärung garantiert die Antragstellerin für die Richtigkeit der Abrechnung. Die Delegation der Abrechnung auf Dritte ohne eigene und abschließende Überprüfung und Kontrolle durch den Vertragsarzt selbst entspricht nicht dem einer ordnungsgemäßen Abrechnung und der damit verbundenen Garantiefunktion. Im Ergebnis kann dahinstehen, ob die Antragstellerin vorsätzlich gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen hat (1. Komplex). Jedenfalls legen die Gesamtumstände nahe, dass zumindest eine grobe Fahrlässigkeit vorliegt.
Selbstverständlich kann aus dem Umstand, dass zwischen der Antragsgegnerin und der Antragstellerin bzw. deren Prozessbevollmächtigten Vergleichsverhandlungen geführt wurden und beide Seiten Vergleichsangebote unterbreiteten, nicht unmittelbar abgeleitet werden, die Antragstellerin habe die Pflichtverstöße und ihr Verschulden eingeräumt. Ein Schuldanerkenntnis im Sinne von § 781 BGB ist nicht zustande gekommen. Allerdings deutet viel darauf hin, dass Abrechnungsfehler vorliegen, wenn ein Vergleichsangebot von der Seite der Antragstellerin in erheblicher, auch nomineller Höhe (ca. 3/4 der Rückforderung) unterbreitet wird. In dem Fall ist zu vermuten, dass auch die Antragstellerin hierzu Veranlassung sah und zwar nicht allein um den Rechtsfrieden wieder herzustellen.
Bei summarischer Prüfung durch das Gericht sind die angefochtenen Bescheide auch hinsichtlich des Schätzungsermessens rechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat immerhin drei Quartale von insgesamt sieben Quartalen als Referenzquartale in die Prüfung mit einbezogen. Von einer ausreichenden Repräsentativität ist folglich auszugehen. Soweit beanstandet wurde und sich die Antragstellerin auf die Entscheidung des Sozialgerichts München (SG München, Beschluss vom 28.04.2021, Az S 38 KA 62/21 ER) hinsichtlich der Prozentzahl der überprüften Ansätze bezieht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass dort lediglich die Meinung vertreten wurde, die dort in den Quartalen überprüften Ansätze von mindestens 10 % seien ausreichend repräsentativ. Es wurde somit keine feste Größe festgelegt, die als verbindlich anzusehen wäre. Allenfalls ließe sich die genannte Prozentzahl als Richtwert verstehen, von dem grundsätzlich ausgegangen werden sollte, der jedoch - abhängig vom Einzelfall - Abweichungen zulässt. Erforderlich ist, dass die Anzahl der Ansätze vom Umfang her ausreicht, um als repräsentativ angesehen zu werden. Die Antragsgegnerin ist bei GOP 03000 ff. EBM in zwei Referenzquartalen unter einem 10-prozentigen Ansatz geblieben (Quartal 3/20: 115 Ansätze (= 8,84 %); Quartal 1/21: 135 Ansätze (= 8,30 %); Quartal 1/22: 165 Ansätze (= 10,03 %). Es handelt sich somit um eine lediglich geringfügige prozentuale Unterschreitung, die nicht zu Zweifeln an der Repräsentativität Anlass gibt, vor allem, weil hier die überprüften Ansätze in absoluten (hohen) Zahlen für eine ausreichende Repräsentativität sprechen. Bei der GOP 01410 EBM wurden teilweise sogar über 40 % der Ansätze überprüft (Quartal 3/20: 240 Ansätze (= 41,45 %); Quartal 1/21: 137 Ansätze (= 22,73 %); Quartal 1/22: 168 Ansätze (= 40,24 %), so dass sowohl, was die Prozentzahl, als auch die absoluten Zahlen betrifft, eine mehr als ausreichende Repräsentativität gewährleistet ist.
Was den Sicherheitsabschlag betrifft, um Unwägbarkeiten auszugleichen, ist jedenfalls im Rahmen des summarischen Verfahrens ein solcher in Höhe von 15 %, der gewährt wurde, rechtlich nicht zu beanstanden. Dieser Prozentsatz entspricht grundsätzlich dem in parallelen Plausibilitätsverfahren. Selbst bei einer Fehlerquote von nahezu 100 % wurde der Sicherheitsabschlag in Ansatz gebracht, was als durchaus großzügig zu werten ist.
Somit sind die Bescheide der Beklagten bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig anzusehen, sodass von einem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug auszugehen ist und aus diesem Grund der Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung abzuweisen ist.
Selbst bei einer anderen Einschätzung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs wäre allenfalls von einer ergebnisoffenen Einschätzung auszugehen. Die dann notwendige Interessenabwägung zwischen den Interessen der Antragstellerin und denen der Antragsgegnerin (Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung - Interesse der Antragsgegnerin am Sofortvollzug) führt zur Unbegründetheit und Abweisung des Antrags. Denn der Gesetzgeber hat ausdrücklich in § 85 Abs. 4 S. 6 SGB V geregelt, dass Widersprüche und Klagen gegen Honorarbescheide keine aufschiebende Wirkung entfalten. Daraus ist der grundsätzliche Vorrang des Vollziehungsinteresses der Antragsgegnerin herzuleiten. Außerdem besteht auch ein Interesse der Ärzteschaft insgesamt, dass der Plausibilitätsbescheid vollzogen wird; dies umso mehr, als der Rückforderungsbetrag erheblich ist und losgelöst von der Person der Antragstellerin grundsätzlich angesichts des Rückforderungsbetrags zu besorgen ist, dass eine spätere Vollziehung (zum Beispiel nach Rechtskraft) deutlich erschwert, wenn nicht zur sogar unmöglich wäre. Dem steht eventuell ein Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber. Ein solches vorrangig zu berücksichtigendes und das Interesse der Antragsgegnerin neutralisierendes Interesse der Antragstellerin ist insbesondere bei einer existenziellen Gefährdung anzunehmen. Eine solche wurde zwar vorgetragen, allerdings ohne entsprechende Nachweise zu erbringen. Nach den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin verbleibt dieser unter Berücksichtigung der Rückforderungssumme für das Jahr 2021 ein Überschuss in Höhe von 10.000 €. Zugegebenermaßen handelt es sich hierbei um einen Betrag, der umgerechnet auf das dann übrig bleibende monatliche Honorar knapp 500 € beträgt. Zur Beurteilung der Frage, ob die Vollziehung des Bescheides zu einer existenziellen Notlage führen würde, ist aber die Einkommens-und Vermögenssituation insgesamt heranzuziehen. Zur Vermögenssituation wurde von der Seite der Antragstellerin nichts vorgetragen. Was die Einkommenssituation betrifft, so wurde dem Vortrag der Antragsgegnerin nicht widersprochen, die Antragstellerin habe allein durch die Abstrichentnahmen in dem Zeitraum (Quartale 3/20 bis 1/22) 243.589 € generiert. Hinzu kommen dürften noch Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit, die hier nicht bekannt sind. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin ausführt, es sei mit einer weiteren Plausibilitätsprüfung für andere nachfolgende Quartale zu rechnen, ist dies für das streitgegenständliche Verfahren ohne Belang. Denn es steht weder fest, ob ein solches Plausibilitätsverfahren wirklich nachfolgt und - wenn ja - zu welchen Ergebnissen (Höhe der Rückforderung) dieses führt. Auch das Ermittlungsverfahren vor der Generalstaatsanwaltschaft A-Stadt-B-Stadt wegen des Verdachts des Abrechnungsbetruges (Az 111 Js 10249/22), dessen Ausgang noch offen steht, bedarf keiner Berücksichtigung. Maßgeblich für die Einkommens-und Vermögenssituation ist der Zeitpunkt der Antragstellung bzw. der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts hierüber. Künftige Ereignisse, die zu Auswirkungen auf die Einkommenssituation und/oder Vermögenssituation führen können, sind für die Beurteilung, ob eine existenzielle Notlage vorliegt, ohne Belang. Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass die Vollziehung der Rückforderung bei der Antragstellerin nicht zu einer existenziellen Notlage führt. Eine unbillige Härte der Vollziehung der Rückforderung ist nicht ersichtlich. Für die Antragstellerin wurde außerdem bei der Antragsgegnerin ein Antrag auf Stundung gestellt, über den noch nicht entschieden wurde. Angesichts der doch erheblichen Rückzahlungsforderung in Höhe von 417.542,62 € ist nicht auszuschließen und eher wahrscheinlich, dass die Antragsgegnerin dem Stundungsersuchen jedenfalls teilweise stattgibt.
Aus den genannten Gründen war der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20.07.2023 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

 

Rechtskraft
Aus
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