L 6 AS 339/23 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 10 AS 74/23 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 339/23 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Zu den Voraussetzungen der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung im sozialgerichtlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.

2. Ansprüche auf Rückzahlung von Darlehen nach § 42a SGB II unterliegen einer Verjährungsfrist von 30 Jahren.
 


I.    Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 18. September 2023 wird zurückgewiesen.

II.    Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.


Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Vollstreckung einer Forderung des Antragsgegners von 1.439,36 Euro. 

Der 1983 geborene Antragsteller erhielt bis August 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) von dem Antragsgegner. In diesem Rahmen bewilligte dieser ihm auf entsprechenden Antrag mit Bescheid vom 9. Oktober 2014 ein Darlehen in Höhe von 1.744,16 Euro zur Beseitigung der Folgen eines Wasserschadens. Hinsichtlich der Tilgung sah der Bescheid vor, dass sie während des Leistungsbezugs durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 39,10 Euro erfolge. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 93 f. der elektronischen Akte des Antragsgegners, Band II (eLA II) – ebenso wie auf die weiteren im Folgenden unter Angabe der Fundstelle aufgeführten Unterlagen – Bezug genommen. Ein Widerspruch gegen diesen Bescheid ist nicht ersichtlich. Anschließend führte der Antragsgegner die im Bescheid verfügte Aufrechnung mit dem Darlehensrückforderungsanspruch gegen den Anspruch des Antragstellers auf laufende Leistungen zum Lebensunterhalt auf, und zwar bis einschließlich Juni 2015 (vgl. Bl. 53 der zum Vollstreckungsvorgang elektronisch vorgelegten Akte des Antragsgegners – im Folgenden eLA Vollstr. –); ab Juli 2015 unterblieb die Aufrechnung auf Grund einer EDV-Umstellung, so ein interner Vermerk des Antragsgegners vom 23. Juli 2020 (eLA Vollstr. Bl. 6). Es verblieb ein Restbetrag in Höhe von 1.431,36 Euro, der bis heute offen ist. 

Die Zentralkasse der Bundesagentur für Arbeit, die die Einziehung der Forderung übernommen hatte, teilt dem Antragsgegner mit Schreiben vom 14. Juli 2020 mit, dass die Forderung nicht vollständig eingegangen sei. Der Antragsgegner forderte daraufhin den Antragsteller unter einer Adresse in C-Stadt am 24. Juli 2020 (eLA Vollstr. Bl. 3) auf, den offenen Betrag in Höhe von 1.431,36 Euro aus dem Darlehensbescheid vom 9. Oktober 2014 bis zum 10. August 2020 zu überweisen. Da der Antragsteller weder auf diese Zahlungsaufforderung noch auf eine Erinnerung vom 29. April 2021 (eLA Vollstr. Bl. 11 f.) reagierte und dem Antragsgegner die aktuelle Anschrift des Antragstellers nicht bekannt war, erfolgte am 1. Juni 2021 eine Benachrichtigung des Antragstellers durch öffentlicher Aushang bei dem Antragsgegner, wonach „der Bescheid des Jobcenters Mainz vom 01.06.2021“ bei diesem eingesehen werden könne (eLA Vollstr. Bl. 14). 

Im Februar 2022 wurde der Einziehungsvorgang – soweit nachvollziehbar aus technischen Gründen – neu begonnen. Nach einer weiteren Zahlungserinnerung vom 22. März 2022 durch die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Recklinghausen – Inkasso-Service –, die – offenbar auf Grund der neu begonnenen Vollstreckung – auf eine „am 21.02.2022 fällige Forderung in Höhe von 1.431,36 €“ Bezug nahm und in der beigefügten Forderungsaufstellung auf eine Forderung „KdU – Tilgung Darlehen Unterkunft/Heizung 01.10.2014-31.10.2014“ und einen „Bescheid über Darlehensbewilligung Jobcenter Mainz 04.02.2022“ mit Fälligkeit am „21.02.2022“ Bezug nahm (eLA Vollstr. Bl. 32 ff.), meldete sich der Antragsteller am 25. März 2022 zunächst telefonisch und teilte dann mit einer E-Mail von demselben Tage (eLA Vollstr. Bl. 36) mit, dass er das Schreiben vom 21. Februar 2022 nicht erhalten habe. Er könne sich erinnern, 1.700,- Euro geliehen und in Raten zurückgezahlt zu haben. Da ihm keine Unterlagen vorlägen, möchte er zunächst herausfinden, um „welchen Vertrag“ es sich handele. Mit weiterer E-Mail vom 28. März 2022 (eLA 39) widersprach er der Forderung und berief sich zur Begründung unter Verweis auf das Urteil vom Bundessozialgerichts vom 4. März 2021 – B 11 AL 5/20 R – auf Verjährung. Nach weiterer Korrespondenz erhob der mittlerweile anwaltlich vertretene Antragsteller mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 4. Mai 2022 (eLA Vollstr. Bl. 60 f.) (nochmals) die Einrede der Verjährung und machte darüber hinaus insbesondere geltend, ein „angeblicher ‚Bewilligungsbescheid‘ vom 21.02.2022“ sei nicht bekannt und es erschließe sich auch nicht, was ein solcher mit einem Darlehen in 2014 zu tun haben sollte. Im Übrigen seien „bereits die den Forderungen zugrundeliegenden o.g. Aufhebungs- und Erstattungsbescheide sowie Mahnungen“ nicht bekannt.

Am 16. März 2023 erhob der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten in der Hauptsache Klage zum Sozialgericht Kassel, mit der er die Feststellung begehrt, dass dem Antragsgegner keine Forderung zustehe. Hilfsweise beantragt er die Feststellung, dass die Forderung verjährt sei. Das Verfahren ist beim Sozialgericht unter dem Aktenzeichen S 10 AS 82/23 weiter anhängig.

Während des bereits laufenden Klageverfahrens mahnte die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Recklinghausen – Inkasso-Service –, mit Schreiben vom 5. Mai 2023 (eGA SG Bl. 4 f.) im Namen des Antragsgegners die Forderung an, auf Grund von Mahnkosten nunmehr in Höhe von 1.439,36 Euro. Zugleich drohte sie die Vollstreckung im Falle der Nichtzahlung an. In der Forderungsaufstellung ist unverändert ein „Bescheid über Darlehensbewilligung“ vom „04.02.2022“ aufgeführt.

Anschließend kündigte das Hauptzollamt Gießen – Sachgebiet Vollstreckung – (eGA SG Bl. 6 ff.) als Vollstreckungsbehörde für die Bundesagentur mit Schreiben vom 17. Juni 2023 die Vollstreckung einer Geldforderung in Höhe von 1.431,36 Euro sowie von Mahngebühren in Höhe von 8 Euro an. Zur Bezeichnung der Forderung nahm auch sie auf einen „Ursprungsbescheid“ vom 4. Februar 2022 und daneben auf einen Bescheid vom 5. Mai 2023 Bezug.

Daraufhin hat der Antragsteller am 22. August 2023 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und beantragt, „die Vollstreckung aus dem Bescheid vom 04.02.2022 und 09.10.2014 vorläufig einzustellen“ (elektronische Gerichtsakte des Sozialgerichts – eGA SG – Bl. 1 f.). Die Vollstreckung sei unzulässig. Einen Bescheid vom 4. Februar 2022 gebe es nicht. Daher könne aus einem solchen Bescheid auch nicht vollstreckt werden. Zudem sei die Forderung aus dem Darlehensbescheid vom 9. Oktober 2014 durch Aufrechnung erloschen. Die letzte Ratentilgung sei am 30. Juni 2015 erfolgt. Ein offener Restbetrag wäre daher nach Auffassung des Antragstellers im August 2015 zur Zahlung in einer Summe fällig gewesen sei. Sofern die Aufrechnung also nicht erfolgt sei, wäre die Forderung verjährt. Die 30-jährige Verjährungsfrist sei nicht einschlägig. Zudem bestehe ein Anordnungsgrund, da der Antragsteller nicht dulden müsse, dass gegen ihn unzulässig vollstreckt werde. Auf die Frage eines Pfändungsschutzkontos komme es in diesem Zusammenhang nicht an.

Der Antragsgegner hat demgegenüber die Auffassung vertreten, die Verjährungsfrist betrage gemäß § 52 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) 30 Jahre. Durch die Nennung eines falschen Datums in einer Zahlungserinnerung werde keine Unzulässigkeit der Vollstreckung begründet. Ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht. Es sei nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller ohne die Eilentscheidung wesentliche Nachteile drohten. Er könne seine monatlichen Ausgaben durch die Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos mit darin eingeräumtem Sockelbetrag bestreiten. 

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch Beschluss vom 18. September 2023 (eGA SG Bl. 112 ff.) abgelehnt. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit (§ 51 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG) sei gegeben, da der Antragsteller sich gegen die Berechtigung des Antragsgegners wende, die Forderung geltend zu machen. Dies stehe in einem rechtlichen Zusammenhang mit der Verwaltungstätigkeit nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (Verweis auf Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, § 51 Rn. 39, 29 a).

Statthaft sei ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Denn gegen die Vollstreckungsankündigung sei kein Widerspruch gegeben. Dieser komme mangels Regelungswirkung nicht die Qualität eines Verwaltungsaktes zu (Verweis auf BSG, Urteil vom 25. Juni 2015 – B 14 AS 38/14 R – m.w.N.). 

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung lägen jedoch nicht vor. Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die Vollstreckungsvoraussetzung seien gegeben. Der Darlehensbescheid vom 9. Oktober 2014 sei, da er nicht innerhalb der Widerspruchsfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG angefochten worden sei, nach § 77 SGG bestandskräftig geworden. Gründe für die Einstellung der Vollstreckung lägen nach summarischer Prüfung im Eilverfahren nicht vor. Wie der Antragsteller letztendlich mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten selbst einräume, sei die Restforderung aus dem Darlehensbescheid vom 9. Oktober 2014 in Höhe von 1.431,36 Euro nicht durch Aufrechnung erloschen. Diese Resterstattungsforderung sei auch nicht verjährt. Die vom Antragsteller erhobene Einrede der Verjährung greife nicht durch, da die Verjährungsfrist nicht vier Jahre, sondern gemäß § 52 Abs. 2 SGB X 30 Jahre betrage. Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB X hemme ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen werde, die Verjährung dieses Anspruchs. Sei ein Verwaltungsakt im Sinne des § 52 Abs. 1 unanfechtbar geworden, betrage die Verjährungsfrist 30 Jahre (§ 52 Abs. 2 SGB X). Entgegen der Auffassung des Antragstellers betrage die Verjährungsfrist für die Darlehensrückzahlungsansprüche aus einem unanfechtbaren Darlehensbescheid 30 Jahre (Verweis auf jurisPK-SGB II § 42 a, Rn. 93, 94; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Juli 2019 – L 19 AS 2151/18). Das vom Antragsteller in Bezug genommene Urteil des Bundessozialgerichts vom 4. März 2021 – B 11 AL 5/20 R – betreffe dagegen die Verjährung von Erstattungsforderungen bei Aufhebungen. Es liege auch keine Verwirkung vor. Im hiesigen Fall fehle es schon an einem Verwirkungsverhalten. Ein bloßes Unterlassen der weiteren Durchsetzung der Forderung durch den Antragsgegner erfülle die Anforderung an ein vertrauensbegründendes Verwirkungsverhalten nicht. Der Antragsgegner habe zu keiner Zeit, auch nicht konkludent, zum Ausdruck gebracht, von der Geltendmachung der Erstattungsforderung absehen zu wollen. Auch sei dem Vortrag des Antragstellers weder ein Vertrauenstatbestand noch ein Vertrauensverhalten zu entnehmen. Im Übrigen seien keine Gründe vorgetragen oder ersichtlich, die gegen die Vollstreckung sprächen. Zutreffend weise der Antragsgegner in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Mitteilung eines unzutreffenden Bescheiddatums in der Vollstreckungsankündigung, die kein Verwaltungsakt sei, nicht zur Unzulässigkeit der Vollstreckung führe.

Der Antragsteller hat noch an demselben Tag Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts erhoben. Eine Begründung hat er trotz Erinnerungen vom 5. Oktober 2023 und vom 4. November 2023 nicht vorgelegt. 

Er beantragt sinngemäß, 
den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 18. September 2023 aufzuheben und die Zwangsvollstreckung aus den (vermeintlichen) Bescheiden vom 9. Oktober 2014 und vom 4. Februar 2022 vorläufig einzustellen.

Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hat mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2023 auf entsprechende Anfrage des Gerichts ausdrücklich erklärt, dass „die Vollstreckung aus dem Bescheid vom 09.10.2014 und nicht aus dem Bescheid vom 04.02.2022 betrieben wird“.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vom Antragsgegner übermittelten Verwaltungsakten Bezug genommen.


II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nicht entsprochen.

1. Der Senat hat den Rechtsweg nicht mehr zu prüfen (§ 98 Satz 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz), hat aber auch keine Zweifel, dass das Sozialgericht seine Zuständigkeit zu Recht angenommen hat.

2. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere nach § 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 143, § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft sowie nach § 173 Satz 1 Halbs. 1 in Verbindung mit § 65a SGG form- und fristgerecht erhoben.

3. Der Antrag ist, soweit er die Vollstreckung aus einem vermeintlichen Bescheid vom 4. Februar 2022 betrifft, (jedenfalls inzwischen) bereits unzulässig. Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2023 ausdrücklich erklärt, aus dem Bescheid vom 9. Oktober 2014 und nicht aus dem Bescheid vom 4. Februar 2022 – den es als solchen gar nicht gibt – zu vollstrecken. Es kann danach offenbleiben, ob auch unabhängig von dieser Erklärung und aus Sicht des Antragstellers in ausreichendem Maße zu erkennen war, dass es dem Antragsgegner durchgängig nur um die Vollstreckung der Forderung aus dem Bescheid vom 9. Oktober 2014 ging und die – allerdings wiederholte – Nennung eines Bescheides vom 4. Februar 2022 nur die Folge eines allein technischen Neubeginns der Vollstreckung im Februar 2022 ohne inhaltliche Relevanz war. Jedenfalls auf Grund der Erklärung vom 12. Oktober 2023 steht hinreichend eindeutig fest, dass sich der Antragsgegner einer (weiteren und über die Forderung aus dem Bescheid vom 9. Oktober 2014 hinausgehenden) Forderung aus einem vermeintlichen Bescheid vom 4. Februar 2022 nicht berühmt und eine solche nicht vollstrecken will. Der Senat sieht keinen Anlass, an dieser Erklärung einer öffentlich-rechtlich gebundenen juristischen Person zu zweifeln. 
Der Antragsteller hat damit das Ziel, sich einer Vollstreckung aus dem (vermeintlichen) Bescheid vom 4. Februar 2022 nicht ausgesetzt zu sehen, erreicht, ohne dass er hierfür gerichtlicher Hilfe bedürfte. Damit fehlt es (zumindest inzwischen) an einem Rechtsschutzbedürfnis, soweit sich sein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz auf die Vollstreckung aus dem vermeintlichen Bescheid vom 4. Februar 2022 bezieht.

4. Im Übrigen, also hinsichtlich der Vollstreckung aus dem Bescheid vom 9. Oktober 2014, ist die Beschwerde unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

a) Zu Recht ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass vorliegend einstweiliger Rechtsschutz auf der Grundlage des (vorrangigen) § 86b Abs. 1 SGG nicht in Betracht kommt. Weder bei einer Zahlungserinnerung noch bei einer Vollstreckungsankündigung noch bei ihrer Anordnung handelt es sich um Verwaltungsakte, hinsichtlich derer das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs des Antragstellers anordnen (oder feststellen) könnte. Der Antragsteller kann sein Rechtsschutzziel, also die Abwendung der weiteren Vollstreckung der Darlehensrückforderung, daher nur durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG erreichen (vgl. so auch u.a. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Dezember 2018 – L 34 AS 2224/18 B ER –, juris, Rn. 11).
Dabei ist der Senat der Auffassung, dass vorliegend eine einstweilige Anordnung in Form der Sicherungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG statthaft ist. Der Antragsteller wehrt sich gegen die Fortführung der Zwangsvollstreckung wegen der Darlehensrückforderung des Antragsgegners und die damit gegebenenfalls verbundenen Eingriffe in ihm zustehende Rechtspositionen. Es geht ihm insoweit um die Abwehr der Veränderung des gegenwärtigen Rechtszustandes, nicht, wie dies für die Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG typisch, um die Erweiterung seines Rechtskreises. 

b) Letztlich könnte dies im Übrigen sogar offenbleiben, da, unabhängig davon, ob ein Antrag auf Erlass einer Sicherungs- oder einer Regelungsanordnung der zutreffende Rechtsbehelf ist, die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vorliegen (vgl. zu deren inhaltlicher Nähe im Übrigen Meyer-Ladewig/Keller/B. Schmidt, SGG – Kommentar, 14. Aufl. 2023, § 86b Rn. 25). 

aa) Dem Antragsteller geht es jedenfalls primär, wenn nicht ausschließlich um die Einstellung der Zwangsvollstreckung, weil er diese als solche für unzulässig hält (und nicht nur um die Abwehr einzelner Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder die Art und Weise der Zwangsvollstreckung, wofür die Sozialgerichte im Übrigen nicht zuständig wären). Der auf die (nur) vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung gerichtete Antrag ist erkennbar (und zu Recht) allein dem Charakter des einstweiligen Rechtsschutzes geschuldet, in dessen Rahmen prinzipiell nur vorläufige Entscheidungen möglich sind; in der Sache hält der Antragsteller die (weitere) Zwangsvollstreckung für dauerhaft ausgeschlossen.
Es ist jedoch kein Grund dafür ersichtlich, warum der Antragsgegner gehindert sein sollte, den Darlehensrückzahlungsanspruch durchzusetzen. Insoweit fehlt es an einem Anordnungsanspruch, also einer materiellen Rechtsposition, deren (vorläufigen) Schutz der Antragsteller verlangen könnte. Die Vollstreckung des Rückzahlungsanspruchs aus dem Bescheid vom 9. Oktober 2014 als solche begegnet keinen Bedenken.
Die Vollstreckung richtet sich nach § 40 Abs. 8 Alt. 1 SGB II in Verbindung mit dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes (VwVG), da es sich bei dem Antragsgegner um eine gemeinsame Einrichtung im Sinne von § 44b SGB II handelt.
Der Antragsteller kann, da er die Darlehensrückzahlung selbst schuldet, unproblematisch als Vollstreckungsschuldner in Anspruch genommen (§ 2 Abs. 1 Bst. a VwVG). Die Voraussetzungen für die Einleitung der Zwangsvollstreckung nach § 3 Abs. 2 VwVG waren und sind gegeben: Der Senat hat keinen Zweifel, dass der Darlehensbescheid vom 9. Oktober 2014, mit dem gleichzeitig dessen Rückführung ab 1. November 2014 verfügt wurde, dem Antragsteller bekanntgegeben und damit wirksam wurde (vgl. § 39 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X) und damit ein Leistungsbescheid im Sinne von § 3 Abs. 2 Bst. a VwVG vorliegt. Da der Antragsteller keine Rechtsbehelfe gegen den Bescheid eingelegt hat, ist dieser auch bindend geworden (§ 77 SGG) und damit grundsätzlich vollstreckbar (vgl. § 5 Abs. 1 VwVG i.V.m. § 251 Abgabenordnung – AO –). Der Rückforderungsanspruch ist zudem fällig (§ 3 Abs. 2 Bst. b VwVG): Die teilweise Stundung, die mit der auf 39,10 Euro monatlich beschränkten Aufrechnung verbunden war, endete mit dem Ausscheiden des Antragstellers aus dem Leistungsbezug. Danach wurde der noch nicht getilgte Darlehensbetrag sofort fällig (§ 42a Abs. 4 Satz 1 SGB II). Der Senat kann offenlassen, ob und gegebenenfalls welche Konsequenzen es für die Zwangsvollstreckung hat, wenn sich der Leistungsträger entgegen der Soll-Vorschrift aus § 42a Abs. 4 Satz 2 SGB II nicht zuvor um eine Rückzahlungsvereinbarung bemüht. Jedenfalls wenn – wie hier – der Darlehensnehmer seine Rückzahlungspflicht vollständig und nachhaltig bestreitet, erscheint der Abschluss einer Rückzahlungsvereinbarung als von vorneherein ausgeschlossen, so dass hierauf gerichtete Bemühungen des Jobcenters entbehrlich sind, ohne dass dies die Rechtmäßigkeit der Zwangsvollstreckung in Frage stellen könnte. Die Wochenfrist aus § 3 Abs. 2 Bst. c VwVG ist längst abgelaufen. Der Antragsteller wurde zudem von Seiten des Antragsgegners (mehrfach) gemahnt, so dass auch diese Soll-Voraussetzung der Vollstreckung aus § 3 Abs. 3 VwVG erfüllt ist. Dass der Antragsgegner in seinen Schreiben an den Antragsteller wiederholt auf einen vermeintlichen Bescheid aus dem Jahre 2022 Bezug genommen hat, dürfte sich hinsichtlich der Mahnung jedenfalls inzwischen als unschädlich erweisen, weil dem Antragsteller die Zusammenhänge telefonisch erläutert wurden und ihm (dadurch) erkennbar bewusst wurde, dass die Rückzahlung des Darlehens aus dem Jahre 2014 geltend gemacht und angemahnt wurde.
Entgegen der Auffassung des Antragtellers sind auch Einwendungen gegen den zu volltreckenden Verwaltungsakt oder Gründe, die zu einer Einstellung oder auch nur Beschränkung der Zwangsvollstreckung führen müssten (§ 5 Abs. 1 VwVG i.V.m §§ 256 AO), nicht erkennbar. Für eine vollständige Rückführung des Darlehens ist nichts erkennbar. Der Antragsteller hat sich zwar gegenüber dem Antragsgegner darauf berufen, nach seiner Erinnerung habe er das Darlehen aus dem Jahre 2014 vollständig ausgeglichen (vgl. z.B. seine E-Mail vom 18. April 2022, eLA Vollstr. Bl. 48). Belege – oder auch sonstige Mittel der Glaubhaftmachung – hierfür hat er nicht vorgelegt.
Vor allem ist der Anspruch des Antragsgegners auf Darlehensrückzahlung entgegen dem zentralen Vorbringen des Antragstellers nicht verjährt. Wird das Darlehen – wie hier – durch Verwaltungsakt gewährt, beträgt die Verjährungsfrist für den der Darlehensgewährung immanenten Rückzahlungsanspruch nach § 52 Abs. 2 SGB X 30 Jahre (vgl. für viele LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Juli 2019 – L 19 AS 2151/18 –, juris, Rn. 50; Bittner, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 42a (Stand: 23.12.2022) Rn. 93; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz SGB II, 9. EL 2023, § 42a SGB 2, Rn. 149). Eines gesonderten, auf die Durchsetzung des Rückzahlungsanspruchs gerichteten Verwaltungsaktes bedarf es hierfür nach summarischer Prüfung nicht, da die Rückzahlungsverpflichtung konstitutiv zum Begriff des Darlehens gehört und das vertrauensschützende Element, das kurzen Verjährungsfristen innewohnt, daher von vornherein bei der Darlehensrückzahlung nicht systemgerecht wäre.
Auch sonst hat der Antragsteller keine Gesichtspunkte angeführt, die der Darlehensrückforderung und ihrer zwangsweisen Vollstreckung entgegengehalten werden könnten, noch sind solche bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung sonst ersichtlich.

c) Der Senat hat danach keine Bedenken, dass der Antragsgegner die Zwangsvollstreckung der Darlehensrückzahlungsforderung grundsätzlich betreiben darf. 
Allenfalls mögen Bedenken unter formalen Gesichtspunkten bestehen, ob das Vorgehen des Antragsgegners im Einzelnen mängelfrei ist: Das gilt sowohl im Hinblick auf die Beauftragung der Bundesagentur für Arbeit mit dem Inkasso, deren Voraussetzungen im Rahmen der Hauptsache zu prüfen sein werden, als auch wegen der wiederholten Nennung eines falschen Datums des zu vollstreckenden Bescheides, etwa in der Mahnung (eGA SG Bl. 4) und der Vollstreckungsankündigung vom 17. Juni 2023, obwohl der Antragsgegner inzwischen deutlich klargestellt hat, dass es (nur) um die Vollstreckung des Bescheides vom 9. Oktober 2014 geht.
Diese Bedenken können aber schon deswegen nicht zum Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung führen, weil ein Anordnungsgrund nicht ansatzweise glaubhaft gemacht ist. Bei der Sicherungsanordnung geht es insoweit um die Gefahr einer dauerhaften Rechtsvereitelung oder Erschwerung der Rechtsverwirklichung. Im Kern kommt es – insoweit wie bei der Regelungsanordnung – darauf an, welchem Beteiligten bei einer Abwägung der jeweiligen Interessen eher zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsgrundes sind (ebenso wie die des Anordnungsanspruchs) glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Daran fehlt es trotz anwaltlicher Vertretung gänzlich. Erstinstanzlich hat der Antragsteller hierzu – nach Hinweis des Antragsgegners auf die fehlende Darlegung eines Anordnungsgrundes – durch Schriftsatz vom 28. August 2023 (eGA SG Bl. 28 f.) nur sehr allgemein vorgetragen, ein Anordnungsgrund liege bei einer rechtswidrigen Vollstreckung „selbstverständlich“ vor. Dabei komme es nicht darauf an, ob er, der Antragsteller, sein Girokonto als Pfändungsschutzkonto betreibe, da er auch dadurch nicht „vollständig vor den Machenschaften“ des Antragsgegners geschützt sei. Er müsse sich nicht auf den Sockelbetrag des Pfändungsschutzkontos verweisen lassen, wenn die Vollstreckung offensichtlich unzulässig sei.
Offensichtlich unzulässig aber ist die Pfändung nach den vorangegangenen Ausführungen gerade nicht. Es hätte daher – spätestens nach den umfangreichen Ausführungen des Sozialgerichts – mehr als nahegelegen, zum Anordnungsgrund konkreter vorzutragen. Im Beschwerdeverfahren hat sich der Antragsteller aber gar nicht mehr geäußert. Die angekündigte Beschwerdebegründung hat der Antragsteller – trotz zweimaliger Erinnerung – bis heute und damit auch knapp zwei Monate nach Beschwerdeerhebung nicht vorgelegt. Ein Anordnungsgrund ist damit nicht dargetan, umso mehr als der Antragsteller sich, da er einem öffentlich-rechtlich gebundenen Verfahrensgegner gegenübersieht, darauf verlassen kann, dass ihm Gelder, die im Rahmen der Vollstreckung eingezogen werden, auch wieder ausgezahlt werden können, sollte diese sich als rechtswidrig erweisen. 

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
 

Rechtskraft
Aus
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