L 22 R 478/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 4 R 565/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 478/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Bei der von § 8 Abs. 2 SGB VI zum Ausschluss der Pflicht zur Nachentrichtung von Beiträgen vorausgesetzten Versorgung muss es sich um eine lebenslange Versorgung nach den Vorschriften oder Grundsätzen des Beamtenrechts oder entsprechender kirchenrechtlicher Regelungen handeln. Der unbestimmte Rechtsbegriff ist eng in einem dienstrechtlichen Verständnis auszulegen.

 

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. April 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren und das Verfahren vor dem Sozialgericht auf 13.490,69 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über die Durchführung der Nachversicherung eines bei der Beklagten Versicherten, dessen Berufung ins Beamtenverhältnis bei der Klägerin unwirksam war, für den Zeitraum vom 1. April 1998 bis 13. August 1999.

 

Der im September 1948 geborene und im Mai 2015 verstorbene P (im Folgenden: Versicherter) war von Januar 1969 bis März 1998 Laufbahnbeamter in verschiedenen niedersächsischen Gemeinden bzw. Landkreisen, zuletzt in der Gemeinde A. Dort schied er aus dem Dienstverhältnis aus, weil er zum 1. April 1998 zum Amtsdirektor der Klägerin gewählt wurde. Mit Bescheid vom 13. August 1999 stellte der Amtsausschuss der Klägerin fest, dass die Ernennung nichtig sei, weil die Ernennungsurkunde gegen formelle Vorschriften verstoße. Dieser Bescheid wurde nach Urteil des VG Potsdam vom 8. November 2006 und Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 15. Juni 2008, , bestandskräftig. Daraufhin erfolgte für sämtliche durch den Versicherten zurückgelegten Dienstverhältnisse vor April 1998 die Nachversicherung bei der Beklagten, wodurch der Versicherte bei der Beklagten versichert wurde und die allgemeine Wartezeit erfüllte. Auch gegenüber der Klägerin machte die Beklagte die Nachversicherung geltend. Dazu erließ sie den Bescheid vom 19. März 2012 und stützte sich dabei auf § 8 Abs. 2 SGB VI, weil der Versicherte ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der (letzten) versicherungsfreien Beschäftigung ausgeschieden sei und keine Aufschubgründe (mehr) für die Nachversicherung vorliegen würden.

 

Gegen diesen Bescheid wandte sich die Klägerin mit Widerspruch vom 30. März 2012 und verwies zur Begründung auf das laufende Amtshaftungsverfahren des Versicherten gegen die Klägerin. Beide Parteien jenes Rechtsstreites schlossen vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht einen gerichtlichen Vergleich (Beschluss vom 09.07.2013), wonach der Versicherte von der Klägerin einen vererblichen Betrag von 350.000 Euro beanspruchen konnte, wovon ein Betrag von 110.000 Euro sofort und der Restbetrag nach Wahl des Versicherten in Teilbeträgen von 24.000 Euro bis zu 50.000 Euro jährlich bis zur Gesamterfüllung der Zahlungsverpflichtung der Klägerin zu zahlen war. Die Klägerin teilte der Beklagten mit Schreiben vom 16. Mai 2013 nur mit, dass nach einer vergleichsweisen Einigung mit dem Versicherten für die nächsten zehn Jahre (beginnend 2014) ein monatlicher Betrag i.H.v. 2.000 Euro durch die Klägerin geleistet werde, um die Differenz zwischen seinen jetzigen Rentenbezügen und den potentiellen Rentenleistungen auszugleichen. Damit seien alle Forderungen des Versicherten gegen die Stadt abgegolten. Der Vergleichstext wurde der Beklagten nicht zur Kenntnis gegeben.

 

Den Widerspruch begründete die Klägerin sodann dahingehend, dass durch den Vergleich zwar keine Versorgungsleistungen im klassischen, rentenrechtlichen Sinne in Form bis ans Lebensende geleisteter Zahlungen gewährt worden seien. Dies sei für einen Anspruchsausschluss aber auch nicht erforderlich im Hinblick auf den mit § 8 Abs. 2 SGB VI verfolgten Sicherungszweck. Gefordert werde nach der Kommentarliteratur eine bestimmte, durch das Gesetz selbst nicht weiter konkretisierte Qualität der Versorgung. Insoweit werde im Sinne eines Mindestniveaus gefordert, dass die Versorgung/Versorgungsanwartschaft mindestens die aus einer Nachversicherung erwachsende Rentenanwartschaft erreichen müsse. Des Weiteren werde gefordert, dass es sich um eine lebenslange Versorgung an den Berechtigten handeln müsse. Diese Voraussetzungen würden auf Basis des geschlossenen Vergleichs und der geleisteten Ausgleichszahlungen erfüllt. Aus dem Erfordernis einer lebenslangen Versorgung des Berechtigten lasse sich bei Berücksichtigung des mit der Nachversicherung letztlich verfolgten Absicherungszwecks nicht herleiten, dass nur einer monatlich bis zum Lebensende gewährten Leistung eine anspruchsausschließende Wirkung zukomme. Auch eine Kapitalisierung der entsprechenden Leistungen im Sinne einer Einmalzahlung (oder in näher bestimmten Teilzahlungen) sei möglich und entfalte anspruchsausschließende Wirkung, sofern rechnerisch die voraussichtlich bis zum Lebensende entstehenden Versorgungsnachteile mit in die Bemessung des Ausgleichsbetrages eingeflossen seien. Im Falle des Versicherten sei die Klage ausdrücklich darauf gerichtet gewesen, die Klägerin zu verpflichten, den Versicherten auch in versorgungsrechtlicher Hinsicht so zu stellen, als sei er rechtswirksam zum Amtsdirektor ernannt worden. Dieser Gesichtspunkt sei in den vereinbarten Vergleichsbetrag eingepreist worden. Ein unversorgtes Ausscheiden liege damit nicht vor. Ein doppelter Nachteilsausgleich sei durch § 8 SGB VI nicht vorgesehen.

 

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2014 zurück. Während der Zeit vom 1. April 1998 bis 13. August 1999 sei der Versicherte als versicherungsfrei nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI behandelt worden und gehöre deshalb zum nachversicherungspflichtigen Personenkreis (BSG, Urteil vom 26.10.1965, 11/1 RA 98/63). Da die Zahlung von 2.000 Euro monatlich für die nächsten zehn Jahre nicht bis zum Lebensende zugesagt worden sei, müsse davon ausgegangen werden, dass die Zahlung nicht die beamtenrechtliche Altersversorgung ersetzen solle. Es sei auch zu bedenken, dass die Nachversicherung nicht allein dem Versicherten zugutekäme, sondern die Nachversicherungsbeiträge der Versichertengemeinschaft zustünden. Ein Vergleichsvertrag über eine Versorgung, die die Nachversicherung ausschließen solle, ginge deshalb zulasten der Versichertengemeinschaft, was erhöhte Anforderungen an die Wirksamkeit der Vereinbarung in Bezug auf das bestehende Dreiecksverhältnis stelle.

 

Die Klägerin hat am 3. Juli 2014 Klage erhoben. Zur Klagebegründung hat sie auf das Vorbringen im Widerspruchsverfahren verwiesen.

 

Das Sozialgericht Potsdam hat durch Urteil vom 12. April 2018 den angefochtenen Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben. Für die Voraussetzungen der Nachversicherung komme es auf § 8 SGB VI an. Nach Auffassung der Kammer liege im vorliegenden Fall ein unversorgtes Ausscheiden nach Nichtigkeitsfeststellung eines vermeintlichen Beamtenverhältnisses als Amtsdirektor nicht vor. Der geschlossene Vergleich über einen Zahlungsbetrag von 350.000 Euro, der in zwei Tranchen von 110.000 Euro als Einmalzahlung sowie 240.000 Euro in Teilbeträgen von mindestens 24.000 Euro jährlich zu leisten gewesen sei, entspreche dem in § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB VI genannten versorgungsrechtlichen Aspekt, da der Verlust der Versorgungsanwartschaft nach beamtenrechtlichen Grundsätzen durch diese vergleichsweise Regelung kompensiert worden sei.

 

Gegen das am 14. Juni 2018 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 29. Juni 2018 eingelegten Berufung. Soweit das Sozialgericht meine, der Versicherte sei nicht unversorgt ausgeschieden, weil die Klägerin ihm im Rahmen eines Vergleichsvertrages monatliche Zahlungen i.H.v. 2.000 Euro für die nächsten zehn Jahre zu leisten habe, sei dem entgegenzuhalten, dass eine die Nachversicherung ausschließende Versorgung auf Lebenszeit angelegt und in der Höhe der aus einer Nachversicherung erwachsenden Rentenanwartschaft mindestens gleichwertig sein müsse. Auf Nachfrage des Gerichts hinsichtlich des Kostenstreitwertes hat die Beklagte klargestellt, dass der Nachversicherungsbeitrag 13.490,69 Euro ausmachen würde.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

            die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

 

Entscheidend komme es darauf an, ob die dem Versicherten auf Grundlage des gerichtlichen Vergleichs gewährten Leistungen auf einen lebenslangen Ausgleich abzielten und gerade auch die Nachteile abgelten würden, die durch die Nichtbegründung eines Versorgungsverhältnisses für den Nachversicherungszeitraum entstünden. Die Ausführungen der Beklagten zum Inhalt der getroffenen Auszahlungsregelung sei nicht zutreffend wiedergegeben, da eine Zahlung von monatlichen Raten von 2.000 Euro über zehn Jahre nicht getroffen worden sei. Es sei die Höhe der vereinbarten Ausgleichszahlung herauszustellen, durch die gewährleistet sei, dass die im Vergleichswege gewährte Versorgung der aus einer Nachversicherung erwachsenden Rentenanwartschaft mindestens gleichwertig sei. Dies sei auch mit Blick darauf anzunehmen, dass die mit einer Nachversicherung für einen Zeitraum von weniger als 18 Monaten verbundene Rentenanwartschaft überschaubar ausfallen dürfte. Bereits die erste Teilzahlung aus dem Vergleich von 110.000 Euro übersteige den Nachversicherungsbetrag um ein Vielfaches. Damit sei der Versicherte in die Lage versetzt worden, eine weitere Altersvorsorge aufzubauen, die den Rentennachteil, der durch die Nachversicherung kompensiert werden solle, ausgleiche. Die Klägerin hat den Beschluss des Brandenburgischen OLG vom 9. Juli 2013 eingereicht. Gegen eine Gleichstellung des Begriffs der „Versorgung“ in § 8 Abs. 2 SGB VI mit einer Versorgung im beamtenrechtlichen Sinne sprächen sowohl teleologische Gesichtspunkte als auch die Gesetzeshistorie bzw. der beim Erlass des SGB VI zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers. Die Entstehungsgeschichte bestätige, dass mit der Neukodifizierung der Nachversicherungsvorschriften durch § 8 SGB VI keine Änderung gegenüber der bestehenden Rechtslage beabsichtigt gewesen sei, während die Vorgängerregelungen auch eine Abfindung habe genügen lassen, um die Nachversicherungspflicht entfallen zu lassen. Soweit der Senat im Hinweisschreiben vom 28. Juli 2023 ausführe, dass die Regelung eines Schadensersatzes im Zweifel nur die Funktion haben könne, über die gesetzliche Versicherung hinausgehende Versorgungslücken zu kompensieren, möge dies für Zweifelsfälle zutreffend sein. Vorliegend komme diese Erwägung aber nicht zum Tragen, da die Ausgleichszahlung – betätigt durch die Entstehungsgeschichte des zugrunde liegenden Vergleichs – nachweislich den Zweck gehabt habe, sämtliche Versorgungsnachteile umfassend auszugleichen. Zweifel in dieser Hinsicht bestünden nicht.

 

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG erklärt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten gemäß §§ 153, Abs. 1, 136 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat kann gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten dazu ihr Einverständnis erklärt und umfassend Gelegenheit gehabt haben, ihre Sachverhaltsdarstellung und ihre Rechtsauffassungen vorzubringen und klarzustellen.

 

Die zulässige Berufung ist begründet.

 

Gegenstand des Rechtsstreites ist eine isolierte Anfechtungsklage i.S.v. § 54 Abs. 1 SGG, die den Anspruch auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 19. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2014 verfolgt. Die Beklagte hat mit diesem Bescheid nur dem Grunde nach über die Nachforderung von Beiträgen für den Zeitraum vom 1. April 1998 bis 13. August 1999 entschieden (vgl. BSG Urteil vom 03.02.2022, B 5 R 34/21 R, RdNr. 12). Ein konkreter Zahlungsbetrag ist bislang nicht durch entsprechenden Verwaltungsakt festgesetzt worden. Den Nachversicherungsbetrag hat die Beklagte zwischenzeitlich konkretisiert.

 

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. April 2016 ist aufzuheben, denn der Bescheid der Beklagten vom 19. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2014 ist nicht rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine Nachversicherung des Versicherten durch die Klägerin bei der Beklagten lagen vor. Ermächtigungsgrundlage für das Nachversicherungsbegehren der Beklagten ist § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB VI.

 

Nach § 8 Abs. 2 SGB VI gilt:

Nachversichert werden Personen, die als

  1. Beamte oder Richter auf Lebenszeit, auf Zeit oder auf Probe, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sowie Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst,
  2. sonstige Beschäftigte von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts, deren Verbänden einschließlich der Spitzenverbände oder ihrer Arbeitsgemeinschaften,
  3. satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen oder Angehörige ähnlicher Gemeinschaften oder
  4. Lehrer oder Erzieher an nicht-öffentlichen Schulen oder Anstalten

versicherungsfrei waren oder von der Versicherungspflicht befreit worden sind, wenn sie ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden sind oder ihren Anspruch auf Versorgung verloren haben und Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung (§ 184 Abs. 2) nicht gegeben sind.

 

Diese Vorschrift befugt die Beklagte zum Vorgehen durch Verwaltungsakt auch gegenüber öffentlich-rechtlichen Körperschaften. Im vorliegenden Fall liegt in personeller Hinsicht ein Nachversicherungsfall vor. Dabei kann der Senat offenlassen, ob dies aus Nr. 1 oder Nr. 2 der Vorschrift folgt, weil die Rechtsfolge nach beiden Varianten eintreten würde. Die Dienstverpflichtung des Versicherten als Beamter auf Zeit war ex tunc nichtig. In derartigen Fällen scheidet rentenrechtlich eine ex-post-Betrachtung, wonach der Betroffene bis zur Nichtigkeitsfeststellung als Beamter behandelt werden könnte, aus. Insofern erscheint fraglich, ob unmittelbar der personelle Anwendungsbereich nach Nr. 1 eröffnet ist, während Nr. 2 mit seiner weiten Fassung „sonstige Beschäftigte“ jedenfalls den Eintritt der Rechtsfolge bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen sicherstellt. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung erfolgt eine teleologisch auf den Zeitraum der Tätigkeit als Beamter abstellende Auslegung des Beamtenbegriffs (in diesem weiteren Sinne zur Vorgängerregelung des AVG: BSG, Urteil vom 23.07.1986,1 RA 35/85, juris-RdNr. 14 ff., insbesondere 19 m.w.N.; BSG, Urteil vom 26.10.1965, 11/1 RA 98/63; Liebich in Hauck/Noftz SGB VI, Werkstand: 3. Ergänzungslieferung 2023, § 8 SGB VI, RdNr. 79 m.w.N.; Kuszynski in Kreikebohm/Roßbach SGB VI, 6. Aufl. 2021, RdNr. 15; zur Rechtsstellung: BAG, Urteil vom 08.12.1959, 3 AZR 323/56, juris-RdNr. 18 ff.). Diese Rechtsprechung berücksichtigt zutreffend den gesetzgeberischen Absicherungszweck. Bis zu dem die Nichtigkeit der Berufung ins Beamtenverhältnis feststellenden Verwaltungsakt war der Versicherte als versicherungsfrei behandelt worden.

 

Für den Versicherten bestand ein versorgungsloser Zustand, den das Gesetz mit zwei Varianten als Tatbestandsmerkmal vorsieht: das versorgungslose Ausscheiden aus der Beschäftigung und der Verlust einer Versorgung. Der Versicherte ist ohne Anspruch oder Anwartschaft auf Versorgung aus der Beschäftigung ausgeschieden. Ein Verlust der Versorgung (zweite Variante) liegt dann vor, wenn der Anspruch auf eine lebenslange Versorgung nach den Vorschriften oder Grundsätzen des Beamtenrechts oder entsprechender kirchenrechtlicher Regelungen nicht mehr gegeben ist (Dankelmann in jurisPK SGB VI, 3. Aufl. Stand: 20.06.2023, RdNr. 52). Beamtenrechtliche Versorgungsansprüche hatte der Versicherte wegen der Nichtigkeit der Berufung als Amtsdirektor ex tunc nicht erlangt. Die zweite Variante ist jedoch nach der gesetzgeberischen Vorgabe irrelevant, wenn ein Anspruch auf Versorgung oder eine Anwartschaft auf Versorgung bei Ausscheiden bestanden hat.

 

Bei der gesetzlich geforderten Versorgung bzw. der darauf gerichteten Anwartschaft handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der unter Beachtung des gesetzlichen Normzwecks und der normativen Vorprägung auf den Einzelfall anzuwenden ist. Die Form der Versorgung ist gesetzlich nicht ausdrücklich vorgegeben. Aus dem Zusammenhang erschließt sich indes, dass es sich um eine lebenslange Versorgung nach den Vorschriften oder Grundsätzen des Beamtenrechts oder entsprechender kirchenrechtlicher Regelungen handeln muss. Der Senat ist der Auffassung, dass insofern die Formulierung eng in einem dienstrechtlichen Verständnis auszulegen ist. Soweit in der Literatur ein offeneres Verständnis als ausreichend angesehen wird, etwa in dem Sinne, dass eine im konkreten Fall erfolgte Regelung lediglich im Hinblick auf den Absicherungszweck qualitative Mindestkriterien zu erfüllen habe und lediglich den beamtenrechtlichen Grundsätzen, kirchenrechtlichen Regelungen entsprechen oder gemeinschaftsüblich sein (Liebich a.a.O. RdNr. 110) oder zumindest rentenrechtlichen Maßstäben genügen müsse (von Koch in BeckOK, § 8 SGB VI, 68. Edition, Stand: 01.12.2021, RdNr. 11), überzeugt dies den Senat nicht.

 

Das Rechtsinstitut der Nachversicherung schützt entgeltlich beschäftigte Personen, die in dieser Beschäftigung rentenversicherungsfrei oder befreit waren, vor einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Benachteiligung im Rentenversicherungsschutz (BSG, Urteil vom 29.07.1997, 4 RA 107/95, juris-RdNr. 17). Die Regelungsgeschichte des § 8 SGB VI kann zum Ausgangspunkt die Vorstellungen des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vom 7. März 1989, also einer Mehrheit der damaligen Bundestagsfraktionen, die neben den Regierungsfraktionen auch die größte Oppositionsfraktion einbezog, nehmen, die auch unverändert Gesetz wurden. Danach sollte im Rahmen der Neukodifikation die Vorschrift des § 8 Abs. 2 SGB VI dem bis dahin geltenden Recht im Wesentlichen entsprechen (BT-Drs. 11/4124 S. 152). Satz 1 sollte lediglich die bisherigen Regelungen der §§ 1232 RVO und 9 AVG ersetzen. Darüber hinaus führte der Gesetzesentwurf (ebd.) aus: „Ein Verlust des Anspruchs auf Versorgung liegt auch vor, wenn der Anspruch tatsächlich nicht erfüllt wird. Der Begriff der Versorgung umfaßt auch die Versorgung etwaiger Hinterbliebener. Aufschubgründe sollen künftig bereits dem Eintritt des Nachversicherungsfalls entgegenstehen.“ Der Nachversicherungsschutz sollte also insofern verstärkt werden, als eine tatsächliche Nichterfüllung des Versorgungsanspruches zu verzeichnen ist. § 1232 Abs. 1 RVO normierte: „Scheiden Personen aus der Beschäftigung, während der sie nach § 1229 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 oder nach § 1231 Abs. 1 versicherungsfrei waren, aus, ohne daß ihnen nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen eine lebenslängliche Versorgung oder an deren Stelle eine Abfindung oder ihren Hinterbliebenen eine diesen Vorschriften, Grundsätzen oder Regelungen entsprechende Versorgung auf Grund des Beschäftigungsverhältnisses gewährt wird, so sind sie für die Zeit, in der sie sonst in der Rentenversicherung der Arbeiter versicherungspflichtig gewesen wären, nachzuversichern.“ Gleichlautend, lediglich unter Verweis auf die entsprechenden Vorschriften des AVG über die Versicherungsfreiheit bestimmte § 9 Abs. 1 AVG die Nachversicherungsregelung. Eine Abfindung „an Stelle“ einer beamtenrechtlichen oder kirchenrechtlichen „lebenslänglichen Versorgung“ genügte zum Ausschluss der Nachversicherung. Erkennbar hat der Gesetzgeber die neukodifizierte Norm verschlankt und die Möglichkeit der Abfindung im Normtext für entbehrlich gehalten. Dies spricht dafür, dass eine für alle Beteiligten klarere und im Verwaltungsalltag einfacher zu handhabende Lösung angestrebt wurde, die gerade eine aufwändige Aufklärung und Bewertung entbehrlich machen sollte, was eine Abfindung „an Stelle“ einer lebenslänglichen Versorgung wäre. Der Senat misst daher dem Umstand, dass die in den Vorgängerregelungen ausdrücklich akzeptierten Abfindungen aus dem Gesetzeswortlaut bei sonst gleichbleibenden Zwecken der Vorschrift entfernt wurden, einen inhaltlichen Regelungswillen des Gesetzgebers im Sinne der angesprochenen Vereinfachung und Stärkung der Regelungsklarheit bei, auch wenn sich dies aus den formulierten Motiven des Gesetzesentwurfs nicht unmittelbar ergibt.

 

Mit der engen Auslegung durch den Senat wird der Zielsetzung der Regelung entsprochen. Konsequenz ist, dass bei Fehlen einer entsprechenden dienstrechtlichen Versorgung die Nachversicherung zwingend ist. Dies ist im Beamtenrecht auch für Fehler der Unwirksamkeit eines Beamtenverhältnisses inzwischen geklärt (Beschluss OVG für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 28.11.2000, 2 L 243/99, juris-RdNr. 6). Die Regelung eines Schadensersatzes, der im Zweifel auch nur die Funktion haben kann, über die gesetzliche Versicherung hinausgehende Versorgungslücken zu kompensieren, kann nicht als Versorgung bewertet werden.

 

Im Falle des Versicherten bestand kein Anspruch mehr auf eine dienstrechtliche Versorgung. Die zu seinen Gunsten mit dem Vergleich begründeten Zahlungsverpflichtungen der Klägerin wurden im Zuge eines Amtshaftungsprozesses geschlossen, nachdem die Nichtigkeit der Berufung ins Beamtenverhältnis rechtskräftig festgestellt war. Einen irgendwie gearteten dienstrechtlichen Charakter konnten die Zahlungsansprüche daher nicht haben, weil es an einem entsprechenden Rechtsverhältnis fehlte. Es konnte sich mithin nicht um eine Versorgung in einem dienstrechtlichen Sinne, sondern in der Sache nur um Schadensersatz handeln. Mangels entsprechender Versorgung trat mithin der Nachversicherungsfall ein, dem auch keine rechtshemmenden Einwendungen im Sinne eines Aufschubs der Beitragszahlung (§ 184 Abs. 2) mehr entgegen stehen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a SGG, 154 Abs. 1, 2 VwGO.

 

Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage der Auslegung des Versorgungsbegriffs zugelassen.

 

Die Streitwertentscheidung ergeht nach §§ 63 Abs. 2, 40 GKG. Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich wegen § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Der Streitwert ist nach Absatz 2 Satz 1 der Vorschrift durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt wegen Satz 2 nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird. Es kommt also auf den Wert der Sache aus der Sicht der Berufungsklägerin und Beklagten zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung an. Dieser entspricht bei einem Nachentrichtungsstreit dem Betrag der nachzuversichernden Beiträge. Der Senat konnte die unzutreffende Streitwertbestimmung des Sozialgerichts auch für das erstinstanzliche Verfahren korrigieren (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG). Der maßgebliche Streitwert im Verfahren vor dem Sozialgericht hatte denselben Umfang wie im Berufungsverfahren. Die Streitwertentscheidung ist nicht anfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Sätze 2 und 3 GKG).

 

Rechtskraft
Aus
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