S 18 KR 8/23

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 18 KR 8/23
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

I.     Die Klage wird abgewiesen.
II.   Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Berufung wird zugelassen.
IV. Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

T a t b e s t a n d :


Zwischen den Beteiligten ist die Vergütung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 220,27 € streitig, welche im Rahmen eines Erörterungstermins gemäß § 17 c Abs. 2b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) entstanden sind.

Die Klägerin betreibt ein Plankrankenhaus nach § 108 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Beklagte ist eine gesetzliche Krankenversicherung. Die bei der Beklagten Versicherte C. (K) wurde im Zeitraum 22.03.2022 bis 25.03.2022 bei der Klägerin vollstationär behandelt. Die Klägerin rechnete den Behandlungsfall unter Zugrundelegung der DRG K06B mit Rechnung vom 04.04.2022 und einem Gesamtbetrag von 5.262,32 € ab.
Die Beklagte beglich den Rechnungsbetrag, beauftragte aber den Medizinischen Dienst (MD) mit der Überprüfung des Behandlungsfalls zur Frage, ob die Nebendiagnosen (ND) korrekt seien. Der MD zeigte mit Prüfanzeige vom 14.04.2022 den Auftrag zur Einzelfallprüfung an.
Der MD vertrat in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 21.10.2022 die Ansicht, dass die ND J96.09 (akute respiratorische Insuffizienz, andernorts nicht klassifiziert: Typ nicht naher bezeichnet) zu streichen sei, weil keine klinischen Zeichen einer respiratorischen Insuffizienz vorgelegen oder dokumentiert worden seien. Die Beklagte bat daher die Klägerin um Rechnungskorrektur, da nach Streichung der ND J96.09 die DRG K06D angesteuert werde mit einem Mindererlös von 1.408,93 €. Die Klägerin widersprach dem Ergebnis des MD- Gutachtens und wies darauf hin, dass ausweislich der Patientenunterlagen bei K pulsoxymetrisch eine Sauerstoffsättigung von 90% vorgelegen habe, weshalb anschließend eine Sauerstofftherapie eingeleitet worden sei. Es werde sich auf den Schlichtungsausschluss berufen (15.10.2020) berufen, wonach die ND J96.- kodiert werden könne, wenn eine erniedrigte Sauerstoffsättigung vorliege, welche durch Pulsoxymetrie nachgewiesen sei. Die streitige ND sei daher zu Recht kodiert worden. Die Beklagte teilte der Klägerin mit, dass diese Stellungnahme für sie nicht nachvollziehbar sei und daher ein Erörterungsverfahren eingeleitet werde. Dieses solle schriftlich durchgeführt werden. Es werde um Übersendung der an den MD zugesandten Unterlagen gem. § 9 Abs. 6 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV 2022) gebeten. Zudem könnten die Behandlungsunterlagen übermittelt werden, dies sei aber nur als Angebot zu verstehen.
Mit Schreiben vom 28.11.2022 zeigte der Bevollmächtigte der Klägerin seine anwaltliche Vertretung an und führte aus, dass bereits eine fehlerhafte Datenübermittlung durch die Beklagte vorgelegen habe. Die Klägerin habe das Ergebnis des MD Gutachtens begründet bestritten. Sofern die Beklagte sich dem begründeten Bestreiten nicht anzuschließen vermag, müsse die Datenmeldung nach der Datenübermittlungsvereinbarung durch die Datenmeldung "EKK04" erfolgen. Die INV-Meldung der Beklagten entspreche nicht den zwingenden Vorgaben der Datenübermittlungsvereinbarung nach § 301 SGB V, so dass auf das begründete Bestreiten der Klägerin bislang noch nicht korrekt eingegangen worden sei. Hilfsweise werde zudem vorgetragen, dass ausweislich der Patientenakte und unter Berücksichtigung des Schlichtungsausschusses die Voraussetzungen zur Kodierung der streitigen ND vorgelegen hätten. Als Anlage war die Entscheidung des Schlichtungsausschusses sowie die vollständige Patientenakte und der Dokumentationsbogen zum Erörterungsverfahren gemäß § 10 PrüfvV beigefügt. Die Beklagte teilte daraufhin mit, dass nach Sichtung der Behandlungsunterlagen die Einwände in Gänze nachvollzogen werden könnten und die Kodierung der ND J96.09 akzeptiert werde. Das Erörterungsverfahren sei damit beendet und schickte den Dokumentationsbogen mit Bestätigung der ND an die Klägerin zurück.

Mit Kostennote vom 07.12.2022 stellte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin der Beklagten die Kosten seiner Vertretung im Erörterungsverfahren in Höhe von 220,27 € in Rechnung. Die Beklagte wies die Kostennote des Prozessbevollmächtigten zurück und bat ihn, sich wegen einer Erstattung derselben an seine Mandantin zu wenden. Mit Schreiben vom 09.12.2022 stellte der Prozessbevollmächtigt die Kosten seiner Vertretung im Erörterungsverfahren der Klägerin in Rechnung.

Mit Schreiben vom 10.01.2023 erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg.

Zur Begründung wird vorgetragen, dass der Klägerin ein Zahlungsanspruch aus den §§ 280 Abs. 1 in Verbindung mit 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog, zustehe. Es liege eine Pflichtverletzung der Beklagten nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB analog vor, denn die außergerichtliche Geltendmachung unbegründeter Ansprüche stelle eine Pflichtverletzung in Form einer Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB dar. Gleiches gelte auch für die Abwehr begründeter Ansprüche. Denn sowohl bei
der Geltendmachung unbegründeter Ansprüche als auch bei der Abwehr begründeter Ansprüche läge eine unberechtigte Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung vor. Die Beklagte habe veranlasst, dass sich der Unterfertigte einschalte, da sie den MD eingeschaltet und im Anschluss daran ein Erörterungsverfahren initiiert habe. Zudem stelle auch die "Ausübung" eines in Wirklichkeit nicht bestehenden Gestaltungsrechts
eine Rücksichtnahmepflichtverletzung dar. Zweifel an einer Krankenhausabrechnung seien insoweit vergleichbar sind mit der Ausübung eines Gestaltungsrechts.
Durch die Prüfung der Abrechnung der Klägerin auf Richtigkeit und Ordnungsgemäßheit gemäß § 275c Abs. 1 S. 1, S. 3 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1 PrüfvV 2021 und ihrer fehlerhaften leistungsrechtlichen Entscheidung habe die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass die Abrechnung aus ihrer Sicht nicht korrekt sei (§ 8 Satz 2 PrüfvV).
Der Schaden erstrecke sich auch auf die Durchsetzung des Anspruchs verursachten Kosten eines Rechtsanwalts, wenn die Inanspruchnahme eines Anwalts erforderlich und zweckmäßig gewesen sei. Diese sei gegeben, denn nach § 17c Abs. 2b Satz 3 KHG könnten Einwendungen und Tatsachenvortrag in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Krankenhausabrechnung im gerichtlichen Verfahren nicht geltend gemacht werden, wenn sie im Rahmen der Erörterung nach Satz 1 nicht oder nicht innerhalb der in der Verfahrensregelung nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 8 vorgesehenen Frist, deren Lauf frühestens mit dem Inkrafttreten der Verfahrensregelung beginnt, schriftlich oder elektronisch gegenüber der anderen Partei geltend gemacht worden sind und die nicht fristgemäße Geltendmachung auf von der Krankenkasse oder vom Krankenhaus zu vertretenden Gründen beruht. Um diese materielle Präklusion aus § 17c Abs. 2b Satz 3 KHG zu vermeiden, sei es erforderlich und zweckmäßig gewesen, einen Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwälte für die Einleitung und ordnungsgemäße Durchführung des Erörterungsverfahrens zu beauftragen.

Darüber hinaus sei die Beauftragung eines Rechtsanwalts nach dem Rechtsgedanken des § 162 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) notwendig gewesen.
Die Vorschrift sei analog anwendbar, da eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage vorliegen. Im Sozialgerichtsgesetz und auch im
Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist die Erstattungsfähigkeit von Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts nicht geregelt. Es sei nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber dies bewusst nicht normiert habe. Ebenso bestehe eine Analogie zu § 63 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Außerdem sei bei Leistungsbeschaffungsbeziehungen von Krankenkassen die Ersatzfähigkeit von Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden nach § 280 Absatz 1, Absatz 2, 286 Absatz 1 BGB anerkannt worden (BSG, Urteil vom 02.07.2013 B 1 KR 18/12 R, juris).
Die Rechtsprechung habe in Sachverhaltskonstellationen wie der vorliegenden, in welcher Bürger und/oder Institutionen bei gesetzlich normierter materieller Präklusion vorgerichtlich Rechtsanwälte mit der Wahrnehmung Ihrer rechtlichen Interessen beauftragt haben, stets die Einschaltung der Bevollmächtigten als notwendig und die Übernahme der dafür entstehenden Kosten als rechtmäßig angesehen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB analog nicht bestehe. Gemäß § 275 SGB V hätten die Krankenkassen die Pflicht, in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, bei der Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung, eine
gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung
einzuholen. Auch sei es im Allgemeinen gerade nicht so, dass schon die Geltendmachung einer unberechtigten Forderung eine Pflichtverletzung darstelle. Die Beklagte sei vorliegend einer gesetzlichen Pflicht zur Prüfung der Abrechnung nachgekommen. Dass ihre Zweifel an der Abrechnung der Klägerin, welche zur Beauftragung des MD geführt hätten, nicht gänzlich unberechtigt gewesen seien, habe das für die Beklagte zunächst positive Gutachten des MD gezeigt. Das anschließend durchgeführte Erörterungsverfahren nach § 17c Abs. 2b KHG i.V.m. §§ 9 ff. PrüfvV sei durch den Gesetzgeber vorgegeben worden, nach Durchsicht der Behandlungsunterlagen habe die Beklagte dann ihre Einwände gegen zurückgezogen. Dieses Vorgehen entspreche dem gesetzgeberischen Willen. Eine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung sei an keiner Stelle ersichtlich auch ein fahrlässiges Handeln der Beklagte liege nicht vor. Der Hinweis auf mögliche Präklusionswirkungen sei verfehlt. Bereits in früheren Fassungen der PrüfvV seien materielle Präklusionsfristen enthalten gewesen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 220,27 Euro zzgl. Zinsen mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.12.2022 zu zahlen.

2. Die Klägerin beantragt die Zulassung der Berufung sowie die Zulassung der Sprungrevision.

 

Die Beklagte
  beantragt, die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhaltes auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der gerichtlichen Streitakte des vorliegenden Verfahrens verwiesen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :


Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist gemäß § 51 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch über privatrechtliche Streitigkeiten der gesetzlichen Krankenversicherung eröffnet.

Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG die richtige Klageart gewählt (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13, juris; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr. 3). Es handelt sich um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr. 5).

Die Klage ist allerdings unbegründet. Ein Erstattungsanspruch für die der Klägerin im Erörterungsverfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.

I.
Ein Anspruch aus § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit §§ 280 Abs. 1 i.V.m. 241 Abs. 2 BGB analog ist nicht gegeben. Das Rechtsverhältnis zwischen Vertragskrankenhäusern und gesetzlichen Krankenkassen richtet sich nach §§ 107 ff SGB V und somit nach öffentlichem Recht. Auf Regelungen des Privatrechts - hier nach §§ 241 ff BGB - kann in entsprechender Anwendung (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V) nur zurückgegriffen werden, wenn eine Regelungslücke und zwischen den Beteiligten ein dem privatrechtlichen-rechtlichen Schuldverhältnis vergleichbare Leistungs- und Obhutsbeziehung besteht (Grüneberg in Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 81, Auflage 2022, § 280 Rn. 10). Eine Regelungslücke besteht, denn die Kostenfolge der Einschaltung eines Rechtsanwalts im Erörterungsverfahren nach § 9 PrüfvV ist nicht geregelt.
Krankenkassen und zugelassene Krankenhäuser stehen in einem auf Dauer angelegten öffentlich-rechtlich geregelten Leistungsverhältnis, das neben den Hauptleistungspflichten weitere, in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Nebenpflichten begründet und durch zahlreiche untergesetzliche Normen sowie vertragliche Vereinbarungen näher ausgestaltet wird. Dementsprechend kann grundsätzlich auf die Regelungen der §§ 241 ff BGB in analoger Weise zurückgegriffen werden. Die Klägerin beruft sich auf eine Verletzung von Rücksichts- und Sorgfaltspflichten durch die Beklagte (§ 280 BGB analog). Eine solche lässt sich nach Ansicht der Kammer aber nicht begründen.
Allein die Beauftragung des MD mit der Prüfung nach § 275c Abs. 1 Satz 1 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit den §§ 6 ff. PrüfvV stellt keine Pflichtverletzung der Beklagten dar. Die Beauftragung des MD zur Prüfung ist eine Rechtspflicht der Beklagten aus § 275c Abs. 1 SGB V, soweit die Krankenkasse Zweifel an der korrekten Abrechnung des Krankenhauses hat. Die Erfüllung einer Rechtspflicht durch ein Handeln schließt eine Pflichtverletzung im Sinn von §§ 280 Abs. 1 i.V.m. 241 Abs. 2 BGB durch diese Handlung aus. Vielmehr stellt gerade die Einhaltung der gesetzlichen Prüfungsanforderungen und der Anforderungen der PrüfvV die Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interesse der Beteiligten und damit auch der Klägerin dar. Auch hat die Beklagte weder ein Gestaltungsrecht zu Unrecht ausgeübt, den ihr Handeln stand im Einklang mit dem im SGB V und der PrüfvV geregelten Grundsätze, noch hat sie ein in Wirklichkeit nicht bestehendes Gestaltungsrecht ausgeübt. Es steht der Beklagten bei Zweifeln an der Rechnungslegung zu, eigene mögliche Erstattungsansprüche zu prüfen.
Vorliegend hat die Beklagte unter Bezugnahme auf das MD-Gutachten der Klägerin mitgeteilt, dass ihrer Ansicht nach die Abrechnung nicht wirtschaftlich bzw. korrekt gewesen ist. Die Beklagte ist dabei nicht verpflichtet, eine eigene Plausibilitätskontrolle des MD Gutachtens im Hinblick auf medizinische Aspekte durchzuführen. Vielmehr kann sie (auch ohne sich des Vorwurfs einer Pflichtverletzung ausgesetzt zu sehen) bei ihrer Beurteilung auf das Ergebnis der MD-Prüfung stützen.
Das weitere Vorgehen der Beklagten entsprach den Regelungen des § 9 PrüfvV, so dass auch insoweit keine Pflichtverletzung gesehen werden kann.
Lediglich ergänzend wird ausgeführt, dass die Beklagte, selbst wenn man eine Pflichtverletzung konstruieren könnte, diese nicht zu vertreten hätte (Verschulden gem. § 276 BGB). In Betracht käme allenfalls ein fahrlässiges Handeln. Fahrlässig handelt nach § 276 Abs. 2 BGB, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Eine Sorgfaltspflichtverletzung drängt sich vorliegend nicht auf.

II.
Auch ein Anspruch als Verzugsschaden gem. §§ 280 Abs. 1, Abs.2 i.V.m 286 Abs. 1 BGB analog scheidet aus. Die Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwaltes sind im Zivilrecht nach § 286 BGB als Verzugsschaden zu ersetzen, wenn sie aus Sicht des Gläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Das Bundessozialgericht hat bereits im Jahr 2007 entschieden, dass Krankenkassen vorbehaltlich abweichender landesvertraglicher Regelung dem Grunde nach verpflichtet sind, den durch die verspätete Zahlung der Krankenhausvergütung entstandenen Verzugsschaden zu ersetzen (BSG, Urteil vom 15.11.2007 - B 3 KR 1/07 R -, BSGE 99, 208-217, SozR 4-2500 § 69 Nr. 3, SozR 4-2500 § 109 Nr. 5, SozR 4-7610 § 286 Nr. 1, Rn. 9). Vorliegend liegt aber kein Verzug vor. Die Beklagte hat die Rechnung der Klägerin in vollem Umfang beglichen. Auch eine doppelte Analogie führt zu keinem Anspruch der Klägerin. Unterstellt, die Grundsätze des § 286 BGB wären auch auf den Fall analog anwendbar, dass zwar kein Verzug vorliegt, aber ein drohender Erstattungsanspruch, bestünde kein Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten der Klägerin. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 15.11.2007 - B 3 KR 1/07 R klargestellt, dass höhere Anforderungen als im Zivilrecht an die Geltendmachung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten im öffentlich-rechtlichen Verwaltungsverfahren gestellt werden. Es führt dazu wie folgt aus: "Die Verfahrensvorschriften des öffentlichen Rechts gewähren Anspruch auf die Erstattung solcher Gebühren grundsätzlich erst ab Einschaltung des Bevollmächtigten im Vorverfahren und dies auch bei erfolgreichem Widerspruch nur, wenn dessen Zuziehung notwendig war (§ 63 Abs. 2 SGB X; ähnlich § 80 Abs. 1 VwVfG). Voraussetzung dafür ist, dass der Beteiligte es für erforderlich halten durfte, in diesem Verfahrensabschnitt durch einen Rechtsanwalt unterstützt zu werden. Dies ist der Fall, wenn schwierige Sach- oder Rechtsfragen eine Rolle spielen und deshalb vom Standpunkt einer vernünftigen Person ohne spezielle Rechtskenntnisse in der gegebenen Konstellation die Zuziehung eines Rechtsbeistandes geboten gewesen wäre (stRspr, vgl. etwa BSG SozR 1300 § 63 Nr. 12 S 44 f; SozR 3-1500 § 63 Nr. 7 S 13; SozR 4-1300 § 63 Nr. 4 Rn. 19; ähnlich BVerwG Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 34 S 43 und Nr. 36 S 3 betr. § 80 Abs. 2 VwVfG und § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO; ebenso BVerwG VIZ 1999, 414 f; vgl. auch BFHE 119, 5, 9 betr. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO)."
Ein Krankenhaus kann nach Ansicht des BSG in einfach gelagerten Abrechnungsfällen von der Krankenkasse keinen Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden beanspruchen. Übertragen auf den vorliegenden Fall war der Abrechnungsfall weder von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, denn streitig war ein Betrag von lediglich 1.408,93 €, noch von rechtlicher Bedeutung, vielmehr betraf es einen rein medizinischen Sachverhalt. Der Sachverhalt war auch entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten nicht deshalb schwierig, weil § 17c Abs. 2b KGH materielle Präklusionsvorschriften enthält. Wie das Erörterungsverfahren durchzuführen ist, ist in der PrüfvV dezidiert geregelt. Es ist sowohl der Krankenkasse, als auch dem Krankenhaus zumutbar, die Regelungen der PrüfvV auch ohne Einschaltung einer Anwaltskanzlei zu verstehen und umzusetzen. Es handelt sich bei der Umsetzung der Vorgaben des § 17c Abs. 2b KHG und der PrüfvV gerade nicht um Rechtsfragen von besonderer rechtlicher Schwierigkeit, die die Einschaltung eines Anwalts (in jedem Fall) erforderlich machen würden. Das Krankenhaus kann insbesondere einer Präklusion entgegenwirken, indem es fristgerecht die Patientenunterlagen (vollständig) vorlegt. Eines Anwalts bedarf es hierfür nicht.


III.
Auch die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO analog liegen nicht vor. Nach § 162 Abs. 1 VwGO sind Kosten die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. Nach Abs. 2 sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt.
Für eine analoge Anwendung des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist mangels einer Regelungslücke kein Raum. Zwar enthält weder § 17c Abs. 2b KHG, noch die PrüfvV eine Regelung über Anwaltskosten im Erörterungsverfahren. Die konstatierende Regelungslücke ist jedoch nicht erkennbar planwidrig und daher auch nicht im Wege einer analogen Anwendung zu schließen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber in diesem Bereich eine Regelungslücke offengelassen hat, die er in Kenntnis der Regelungslücke zwingend geschlossen hätte. § 162 VwGO (ebenso wie § 63 SGB X) enthält eine Kostenregelung für ein zwingend vorgeschriebenes Vorverfahren im Subordinationsverhältnis zwischen Bürger und Behörde. Sie gewährt Anspruch auf die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren grundsätzlich erst ab Einschaltung des Bevollmächtigten im Vorverfahren und dies auch bei erfolgreichem Widerspruch nur, wenn dessen Zuziehung notwendig war. Das Vorverfahren ist Sachurteilsvoraussetzung für ein sich ggf. anschließendes Klageverfahren. Übertragen auf den vorliegenden Fall ist zwar die Durchführung eines Erörterungsverfahrens für ein späteres Klageverfahren auch zwingend vorgesehen. Anders als bei § 162 VwGO regelt § 17c Abs. 2b KHG aber nicht das Verhältnis eines Bürgers zum Staat. In Bezug auf Leistungserbringung und Vergütung stehen Krankenhaus und Krankenkasse nicht in einem Verhältnis der Über- und Unterordnung, sondern der Gleichordnung. Auch stehen Krankenhäuser und Krankenkassen - anders als der Bürger zum Staat - in einem auf Dauer angelegten öffentlich-rechtlich geregelten Leistungsverhältnis. Es drängt sich daher nicht auf, dass der Gesetzgeber in Unkenntnis der Sach- und Rechtslage es planwidrig unterlassen hat, eine Regelung für die Kosten des Erörterungsverfahrens zu treffen.


IV.
Auch ein Anspruch nach § 63 Abs. 2 SGB X analog scheidet unter Berücksichtigung der unter Ziff. III ausgeführten Grundsätze aus.

V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit den §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 und 2 VwGO.

VI.
Die Berufung und Sprungrevision ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG, §§ 160 f SGG zuzulassen, da die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung ist. Das zwingend durchzuführende Erörterungsverfahren wurde in das Gesetz neu aufgenommen, die Frage, ob eine Regelungslücke hinsichtlich der Kosten des "Vorverfahrens" besteht und insofern die Lücke kraft Analogie zu schießen ist, ist von grundsätzlicher Bedeutung.

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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