L 2 SO 1092/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 125/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 1092/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Dem (selbst aufstockend Grundsicherung beziehenden) Angehörigen der Verstorbenen (hier des Bruders) ist die Übernahme der Bestattungskosten nicht im Sinne von § 74 SGB XII zumutbar, nachdem er das Erbe wegen deutlicher Überschuldung (zum Zeitpunkt des Todes standen einem Guthaben von 1.078,04 € ca. 44.000 € Verbindlichkeiten gegenüber) ausgeschlagen hatte und danach keinerlei Informationen mehr hinsichtlich des aktuellen Kontostandes (einschließlich möglicher Gutschriften) sowie eines dennoch bestehenden möglichen Anspruches auf Übernahme der Bestattungskosten durch den Nachlasspfleger erhalten hatte.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 15. März 2023 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.



Gründe


I.

Zwischen den Beteiligten steht die Übernahme von Bestattungskosten im Streit.

Die 1950 geborene Schwester des Klägers, M1, verstarb im Januar 2021. Die Schwester des Klägers lebte zuletzt in einer stationären Pflegeeinrichtung und erhielt vom Beklagten Hilfe zur Pflege. Der Kläger veranlasste die Bestattung seiner Schwester. Hierdurch entstanden Kosten in Höhe von 3.239,77 € (für Leichenschau, Gebühren für Feuerbestattung, Friedhof und Bestattungskosten), die im Februar und März 2021 fällig wurden. Der Kläger (geb. 1952), der als Rentner vom Beklagten aufstockende Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bezieht, war nicht in der Lage, diese Kosten zu bezahlen.

Anfang Januar 2021 (siehe Schreiben des Beklagten an den Kläger vom 12. Januar 2021), mit Formantrag vom 25. Januar 2021 (Posteingang 17. Februar 2021), beantragte der Kläger beim Beklagten die Übernahme der Bestattungskosten. Vom Nachlassgericht erhielt der Beklagte mit Schreiben vom 15. Januar 2021 die Mitteilung, dass nur der Kläger als Erbe in Betracht komme.  Wegen Überschuldung seiner verstorbenen Schwester (offene Verbindlichkeiten rund 44.000,00 €) schlug der Kläger zunächst mit formlosem Schreiben vom 26. Januar 2021 und in der Folge zur Niederschrift beim Amtsgericht - Nachlassgericht – A1 am 16. Februar 2021 das Erbe aus. In der Folge schlugen auch die Kinder des Klägers die Erbschaft jeweils aus (so Auskunft des Nachlassgerichts vom 22. August 2023).
Am 22. Juni 2021 bestellte das Nachlassgericht - bei gleichzeitiger Information des Beklagten hierüber - den Notarassessor R1 zum Nachlasspfleger. Dieser wies den Beklagten mit Schreiben vom 29. Juni 2021 (Bl. 358 Verwaltungsakte - VA -) auf die Überschuldung hin und auch darauf, dass alle in Betracht kommenden Erben die Erbschaft ausgeschlagen hätten, und bat ferner um Mitteilung über Forderungen des Beklagten gegen den Nachlass.

Am 13. Juli 2021 teilte die S1kasse Z1, bei der das Girokonto der verstorbenen Schwester des Klägers geführt worden war, dem Nachlasspfleger mit, sie mache aus einer titulierten Darlehensforderung eine Rückzahlung in Höhe von 2.448,17 € geltend.

Ausweislich des vom Nachlasspfleger erstellten Nachlassverzeichnisses vom 27. Juli 2021 (Bl. 360 VA) bestand am Todestag auf dem Girokonto ein Guthaben von 1.078,04 € und standen dem gegenüber Verbindlichkeiten aus einer Beitragsforderung der DAK in Höhe von 38.902,37 €, des Z2-Klinikums gGmbH wegen der Leichenschau in Höhe von 175,77 € (Anmerkung: richtigerweise lautet der Betrag auf 165,77 €), die schon erwähnte Forderung aus Kontokorrentkredit der S1kasse Z1 in Höhe von 2.448,00 €, sowie 1.283,67 € der H1 Inkasso und 1.138,97 € der H2 Inkasso, insgesamt 43.948,78 € (Anmerkung: richtigerweise 43.938,78 €).

Nach dem Tod der Schwester am 6. Januar 2021 fanden auf ihrem Girokonto im Jahr 2021 (neben den monatlich anfallenden Kontogebühren) noch folgende Buchungen statt:
6. Januar 2021: Guthaben 1.078,04 €
15. Januar: Abbuchung 559,44 € - Rücküberweisung überzahlter Leistungen an den Beklagten
24. März: Zufluss 3.077,68 € - Rücküberweisung von Heimentgelt
20. Juli: Abbuchung 2.448,17 € -Darlehensforderung der S1kasse
21. Juli: Auflösung des Kontos mit einem Restguthaben von 1.063,00 €.

Das Restguthaben wurde für die Gebühren des Nachlassgerichts und der Nachlasspflegschaft verbraucht.

Mit Bescheid vom 15. Oktober 2021 (Bl. 371 VA) lehnte der Beklagte den Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten ab. Die hier angefallenen Bestattungskosten der Firma B1 in Höhe von 1.637,00 €, Friedhofsgebühren der Stadt A1 in Höhe von 942,00 € sowie der Gebührenbescheid für die Feuerbestattung in Höhe von 495,00 €, insgesamt 3.239,77 € (einschließlich der vom Beklagten nicht ausdrücklich erwähnten Leichenschaugebühr in Höhe von 165,77 €) seien anzuerkennender Bedarf. Jedoch sei zu prüfen gewesen, ob der vorhandene Nachlass zur Deckung der Bestattungskosten ausreiche. Ausweislich der Akten sei nach Rückerstattung des Heimentgeltes ein Nachlass in Höhe von 3.596,28 € vorhanden gewesen, mit dem die anerkennungsfähigen Bestattungskosten komplett hätten gedeckt werden können. Daher sei der Antrag abzulehnen gewesen.

Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 2022 zurückgewiesen.

Dagegen hat der Kläger am 20. Januar 2022 beim Sozialgericht (SG) Reutlingen Klage erhoben. Zur Begründung hat die Bevollmächtigte des Klägers vorgetragen, der Kläger habe keinen Zugriff auf den Nachlass gehabt. Der S1kasse habe wegen ihrer Darlehensforderung gegenüber seiner Schwester ein AGB-Pfandrecht zugestanden, das auch für den Nachlasspfleger einen Zugriff auf das Kontoguthaben zur Begleichung der Bestattungskosten ausgeschlossen habe. Die Bestattungskosten seien nicht vorrangig gewesen.

Der Beklagte war dem entgegengetreten und hat ausgeführt, die Bestattungskosten seien gegenüber dem AGB-Pfandrecht bevorrechtigt gewesen. Das Pfandrecht sei erst sechs Monate nach dem Tod der Schwester des Klägers geltend gemacht worden. Es gehe zu Lasten des Klägers, dass er sich nicht rechtzeitig an den Nachlasspfleger gewandt habe.

Das SG hat mit Urteil vom 15. März 2023 den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Oktober 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Januar 2022 verpflichtet, die Kosten der Bestattung der Schwester des Klägers zu übernehmen.
Das SG hat hierbei die Auffassung vertreten, dass ausgehend von der hier maßgeblichen gesetzlichen Regelung in § 74 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) die erforderlichen Kosten einer Bestattung zu übernehmen seien, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden könne, die Kosten zu tragen.
Die streitgegenständlichen Bestattungskosten in Höhe von 3.239,77 € (wobei in der Bezifferung des Klägers vom 30.  Mai 2022 offensichtlich die 165,77 € für die Leichenschau fehlten) seien erforderliche Bestattungskosten. Den vorliegenden Rechnungen sei zu entnehmen, dass eine sehr einfache Bestattung durchgeführt worden sei.
Der Kläger sei auch, obwohl er das Erbe ausgeschlagen habe, zur Veranlassung und Finanzierung der Bestattung verpflichtet gewesen. Erben, die (vorrangig) nach § 1968 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Kosten der Beerdigung hätten tragen müssen, seien nicht vorhanden. Damit habe den Kläger als Bruder der Verstorbenen die Kostentragungspflicht nach §§ 21 Abs. 1 Nr. 1, 31 Bestattungsgesetz Baden-Württemberg (BestattG BW) getroffen.
Dem Kläger könne nicht zugemutet werden, die Kosten zu tragen. Der Kläger sei - wie auch seine verstorbene Schwester - Empfänger von aufstockenden Leistungen nach dem SGB XII, er sei mithin selbst bedürftig. Nach den im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Antrag eingereichten Unterlagen sei bei ihm kein Schonvermögen vorhanden, das im Ansatz für die Bestattungskosten ausgereicht hätte.
Es treffe zu, dass auf dem Konto der Schwester des Klägers nach der Rücküberweisung des Heimentgelts in der Zeit vom 24. März 2021 bis 20. Juli 2021 ein Guthaben vorhanden gewesen sei, das zur Begleichung der Bestattungskosten ausgereicht hätte. Jedoch habe der Kläger nach Ausschlagung des Erbes keinen Zugriff auf dieses Konto mehr gehabt.
Weiter treffe zu, dass der Kläger sich wegen der Begleichung der offenen Bestattungskosten an den Nachlasspfleger hätte wenden können. Dass er dies nicht getan habe, führe jedoch nicht zu der Annahme, dass ihm die Tragung der Bestattungskosten deswegen nun zuzumuten sei. Er sei dazu nicht in der Lage. Unabhängig vom Streit zwischen den Beteiligten um die Bedeutung des AGB-Pfandrechts der S1kasse stehe fest, dass das Geld auf dem Konto der Schwester inzwischen schlicht nicht mehr vorhanden sei.  Der Nachlasspfleger, den die Hauptverantwortung bei der Kontenabwicklung getroffen habe, sei - wie seinem im Gerichtsverfahren vom Kläger vorgelegten Schreiben klar zu entnehmen sei - nicht gewillt, an diesem Zustand im Sinne einer Rückabwicklung von Transaktionen und Begleichung der Bestattungskosten etwas zu ändern.
Soweit der Beklagte der Auffassung sei, das ABG-Pfandrecht der S1kasse sei zu Lasten des Klägers zu Unrecht geltend gemacht worden oder der Nachlasspfleger habe zu Lasten des Klägers nicht sorgfältig gehandelt, stehe es dem Beklagten frei, dies nach einer Überleitung gemäß § 93 SGB XII selbst mit der S1kasse oder dem Nachlasspfleger zu klären. Dem Kläger sei ein Rechtsstreit mit der S1kasse oder dem Nachlasspfleger angesichts sehr fragwürdiger Erfolgsaussichten nicht zuzumuten. Dabei sei zu bedenken, dass die Gläubiger der Bestattungskosten schon lange auf ihr Geld warten würden und dem Beklagten, der umgehend über die Bestellung des Nachlasspflegers informiert worden sei und bei dem zu diesem Zeitpunkt das Verfahren nach § 74 SGB XII schon lange gelaufen sei, selbst auf den Nachlasspfleger hätte zugehen können und zwar noch vor der Ausübung des Pfandrechts am 20. Juli 2021. Es sei nachvollziehbar, dass der Kläger nach der Ausschlagung des deutlich überschuldeten Erbes nicht daran gedacht habe, dass vom Konto der Schwester doch noch etwas „zu holen“ sein könnte. Dass er - und wohl auch der Beklagte - nicht an die Option der Rücküberweisung von Heimkosten gedacht habe, sei verständlich. Über die maßgeblichen Kontostände sei von Januar bis Juli 2021 letztlich nur die Bank und der Nachlasspfleger informiert gewesen.

Der Beklagte hat gegen das ihm mit Empfangsbekenntnis am 20. März 2023 zugestellte Urteil am 11. April 2023 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Zur Begründung führt der Beklagte an, die Bestattungskosten zählten zu den Erbfallschulden und diese wiederum zu den Nachlassverbindlichkeiten (vgl. § 1968 BGB). Hierbei seien die Bestattungskosten gegenüber den weiteren Nachlassverbindlichkeiten, wie z.B. Erblasserschulden, bevorrechtigt. Die Nachlassverbindlichkeiten seien grundsätzlich aus dem Nachlass zu begleichen. Erst wenn der Nachlass zur Tragung der Bestattungskosten nicht ausreiche und den zur Tragung der Bestattungskosten Verpflichteten nicht zugemutet werden könne, die Kosten zu tragen, seien gemäß § 74 SGB XII die erforderlichen Kosten einer Bestattung, hier in Höhe von insgesamt 3.239,70 € zu übernehmen.
Das Girokonto der Verstorbenen bei der S1kasse Z1 habe am Todestag, dem 6. Januar 2021, ein Guthaben von 1.078,04 € ausgewiesen. Nachdem die Verstorbene bis zum Tod Sozialhilfeleistungen für den stationären Heimaufenthalt bezogen habe, sei aus diesem Guthaben zunächst die aufgrund des Todes für den Monat Januar 2021 entstandene Überzahlung an Sozialhilfe in Höhe von 559,44 € zu begleichen gewesen. Damit habe sich der bereinigte Guthabenstand des Girokontos auf 518,60 € reduziert. Diesem Giroguthaben sei die Rückzahlung des Pflegeheims in Höhe von 3.077,68 €, welche am 24. März 2021 auf dem Girokonto der Verstorbenen eingegangen sei, hinzuzurechnen, sodass ein Nachlass von 3.596,28 € zur Deckung der Bestattungskosten in Höhe von 3.239,70 € zur Verfügung gestanden habe. Es werde insoweit ausdrücklich auf den Schriftsatz des Nachlassverwalters vom 27. Juli 2021 mit Nachlassverzeichnis und Umsatzaufstellung seit dem Todestag verwiesen. Nachdem die vor anderen Gläubigern bevorrechtigten Bestattungskosten von 3.239,70 € vollumfänglich aus dem Nachlass in Höhe von 3.596,28 € hätten gedeckt werden können, liege kein sozialhilferechtlicher Bedarf gemäß § 74 SGB XII vor.
Der in der Sozialhilfe geltende Nachranggrundsatz gebiete, dass Sozialhilfeleistungen erst dann einzusetzen seien, wenn der Bedarf nicht anderweitig durch Einkommen und Vermögen gedeckt werden könne. Dies sei hier eindeutig der Fall. Die Gutschrift des Pflegeheimes sei eindeutig dem Nachlass der Verstorbenen als bereite Mittel zuzurechnen.
Dass sich der Kläger wegen der Begleichung der Bestattungskosten nicht an den Nachlassverwalter gewandt habe, könne nicht zu Lasten des Beklagten gehen. Dem Kläger sei es wegen des Nachranggrundsatzes zumutbar, sich selbst an den Nachlassverwalter zu wenden und dort die entstandenen Bestattungskosten zur Begleichung vorzulegen und einzufordern. Die Abrechnung der Bestattungskosten aus dem vorhandenen Nachlass gehöre mitnichten zu den Aufgaben des Beklagten. Dieser habe auch nicht dafür Sorge zu tragen, dass die Bestattungskosten gegenüber dem Nachlasspfleger geltend gemacht würden. Es handele sich hierbei um einen privatrechtlichen Vorgang. Diese Abrechnung sei vom Bestattungspflichtigen selbst direkt mit dem Nachlasspfleger vorzunehmen und durchzuführen.
Ebenso wenig liege es im Verantwortungsbereich des Beklagten, dass das Guthaben aus der Rücküberweisung der Heimkosten nicht mehr zur Verfügung stehe. Das Guthaben habe in der Zeit vom 24. März 2021 bis 19. Juli 2021 als bereite Mittel auf dem Nachlasskonto, über das der Nachlasspfleger habe verfügen können, bestanden. Der Beklagte sei zwar vom Nachlasspfleger davon unterrichtet worden, dass eine Nachlasspflegschaft eingerichtet worden sei, er könne aber gegenüber dem Nachlasspfleger nur eigene Forderungen aus gewährter Sozialhilfe geltend machen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 15. März 2023 aufzuheben und
die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Die Klägerbevollmächtigte verweist u.a. darauf, dass sie bereits im erstinstanzlichen Verfahren darauf hingewiesen habe, dass die Bestattungskosten entgegen der Annahme des Beklagten nicht vorrangig vor dem AGB-Pfandrecht der S1kasse zu berücksichtigen seien. So habe man mit Schriftsatz vom 30. März 2022 die allgemeinen Geschäftsbedingungen der S1kasse Z1 übersandt und hierbei auf Nr. 21 der AGB verwiesen. Hier werde unter Ziff. 3 ausgeführt, dass das Pfandrecht alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten, auch gesetzlichen Ansprüche der S1kasse gegen den Kunden sichere, die die S1kasse im Zusammenhang mit der Geschäftsverbindung erwerbe. Die zur Begründung des AGB-Pfandrechts erforderliche Einigung liege in der Anerkennung der allgemeinen Geschäftsbedingungen. Der Rang des Pfandrechts der Bank bemesse sich nach dem Zeitpunkt der Bestellung, sodass das Pfandrecht des Kreditinstituts dem später bestellten Pfandrecht einer dritten Person selbst dann im Range vorgehe, wenn eine zu sichernde Forderung des Kreditinstituts erst danach entstehen sollte. Vor diesem Hintergrund sei das Pfandrecht der S1kasse am Girokontoguthaben bereits im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin entstanden gewesen, sodass insoweit eine Verfügungsberechtigung des Nachlasspflegers überhaupt nicht mehr vorhanden gewesen sei. Dementsprechend habe auch keine Zahlung der Bestattungskosten erfolgen können. Es hätten damit keine bereiten Mittel vorgelegen. Insoweit hätte auch nicht die Möglichkeit bestanden, dass vor Verrechnung der offenen Forderung aus dem gekündigten Darlehen der Erblasserin und dem Guthaben auf dem gekündigten Girokonto Zahlungen durch den Nachlasspfleger auf die Bestattungskosten hätten erbracht werden können. Dies sei rechtlich ausgeschlossen. Entgegen den Ausführungen des Beklagten habe damit keine anderweitige Bedarfsdeckung vorgelegen.

Mit Schreiben vom 30. August 2023 wurden die Beteiligten darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Berufung nach vorläufiger Einschätzung des Senates keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte und die Möglichkeit bestehe, dass der Senat die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweise, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Den Beteiligten war Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Nachdem der Beklagte an der Berufung festgehalten hat, war der Beklagte darüber hinaus mit Schreiben vom 18. September 2023 auch auf die Möglichkeit der Verhängung von Missbrauchskosten nach § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden.

Der Beklagte hielt auch danach mit Schreiben vom 20. September 2023 an seiner Berufung fest und führte ergänzend noch aus, der Grundsatz, dass nur „bereite Mittel“ als Selbsthilfemöglichkeit nach § 2 Abs. 1 SGB XII berücksichtigt werden könnten, gelte insoweit für die Übernahme von Bestattungskosten nach § 74 SGB XII nicht. Denn die danach bezweckte Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung von Bestattungskosten sei keine Hilfe in einer aktuellen Notlage, deren Behebung keinen Aufschub erfordere (mit Hinweis auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW vom 30. Oktober 1997 - 8 A 3151/95 -). 
Dem Kläger sei es deshalb zuzumuten gewesen, die Rückzahlung der Heimkosten von 3.077,68 €, welche dem Nachlass am 24. März 2021 zugeflossen sei und als bereite Mittel zur Bezahlung der fälligen Bestattungskosten zur Verfügung gestanden habe, einzusetzen.
Ein Nachweis, dass ein Rückgriff auf den Nachlass nicht möglich gewesen sei bzw. zeitnah nicht durchzusetzen gewesen sei, sei vom Kläger als Bestattungspflichtigen und letztendlich Kostentragungspflichtigen nicht geführt worden. Der Kläger habe sich vorliegend weder an die Bank noch an den Nachlasspfleger zeitnah gewandt und sei somit seiner Verpflichtung als Antragsteller nach § 74 SGB XII, die anspruchsbegründenden Tatsachen dahingehend nachzuweisen, dass ein Rückgriff auf den Nachlass nicht möglich sei, nicht nachgekommen. Der Kläger habe weder den Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten rechtzeitig in angemessener Frist gestellt, noch habe er sich um einen Ausgleich der Bestattungskostenrechnungen durch den Nachlass bemüht. Er habe die Bestattungskostenrechnungen nicht der Bank nach Erhalt zur Begleichung vorgelegt.
Zum Zeitpunkt des Zuflusses des Betrages in Höhe von 3.077,68 € hätten die Bestattungskosten des Klägers bereits vorgelegen. Die Rechnung des Bestattungsinstituts datiere vom 6. Februar 2021 und sei an den Kläger adressiert worden. Der Gebührenbescheid für die Friedhofs- und Bestattungsgebühren datiere vom 11. Februar 2021 und sei ebenfalls an den Kläger adressiert gewesen. Das Guthaben habe zur Verwendung bis zum 19. Juli 2021 zur Verfügung gestanden. Dem Kläger sei es damit unschwer möglich gewesen, innerhalb von über fünf Monaten die Rechnungen bei der Bank einzureichen und die Zahlung der Bestattungskosten bei der Bank zu veranlassen, was nachweislich nicht erfolgt sei. Einer Erbenstellung des Klägers hätte es hierzu nachweislich nicht bedurft. Auch ohne einen Erbschaftsnachweis würden die erforderlichen Bestattungskosten von der Bank bedient und an die Gläubiger zur Auszahlung gebracht.
Allein der Umstand, dass der Kläger der Ansicht gewesen sei, dass der Nachlass völlig überschuldet sei und er die Kontaktaufnahme mit dem Nachlasspfleger für beschwerlich gehalten habe, reiche nicht aus, um die Möglichkeit der genannten Selbsthilfe durch Verwertung des Nachlassvermögens zu verneinen. Angesichts dessen wäre es dem Kläger im Sinne von § 74 SGB XII vielmehr zuzumuten gewesen, die erforderlichen Schritte bei der Bank und dem Nachlasspfleger einzuleiten, um das Kontoguthaben zur Begleichung der Bestattungskosten einzusetzen. Die Untätigkeit des Klägers hinsichtlich des Rückgriffs in den zur Verfügung stehenden Nachlass könne nicht zu Lasten des Beklagten gehen.
Im Übrigen hätte auch der Nachlasspfleger beim Kläger nach den Bestattungskosten nachfragen müssen. So fielen regelmäßig bei Todesfällen Bestattungskosten in erheblicher Höhe an. Gerade in Fällen, bei denen alle Erben ausgeschlagen hätten und ein Nachlasspfleger einzusetzen gewesen sei, sei zumindest auch die Bezahlung der Bestattungskosten noch zu regeln. Bestattungskosten seien vorrangig vor anderen Verbindlichkeiten des Erblassers aus dem Nachlass zu bedienen. Dies sei auch den Banken und Kreditinstituten bekannt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.


II.

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 SGG statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs.1 und Abs. 3 SGG) eingelegte zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das SG hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Übernahme der Bestattungskosten bejaht.

Gegenstand des mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4, § 56 SGG) geführten Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Januar 2022, mit dem der Beklagte als sachlich und örtlich zuständiger Sozialhilfeträger (§§ 97 Abs. 1, 98 Abs. 3 SGB XII i.V.m. § 2 Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – AGSG Baden-Württemberg) die Übernahme von Bestattungskosten für die verstorbene Schwester des Klägers in Höhe von 3.239,77 € abgelehnt hat.

1.
Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ist § 74 SGB XII (in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 - Bundesgesetzblatt I Seite 3022). Danach werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.

Der Kläger ist zur Tragung der Bestattungskosten verpflichtet und damit Anspruchsberechtigter nach § 74 SGB XII. Der Kläger hat zwar das Erbe ausgeschlagen, sodass er nicht als Erbe bereits zur Tragung der Kosten der Bestattung verpflichtet wäre, er ist allerdings gemäß den §§ 21 Abs. 1 Nr. 1, 30 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 Bestattungsgesetz Baden-Württemberg als Angehöriger verpflichtet für die Bestattung zu sorgen und damit auch die entsprechenden Kosten zu tragen, nachdem kein (vorrangiger) Erbe (§ 1968 BGB) vorhanden gewesen war.

Als nächstes ist festzustellen, dass die vom Kläger insgesamt geltend gemachten Bestattungskosten auch als angemessene und erforderliche Kosten im Sinne von § 74 SGB XII anerkannt werden können.
Dabei ist den angemessenen Wünschen des bestattungspflichtigen Klägers (§ 9 Abs. 2 SGB XII) und ggf. des Verstorbenen (§ 9 Abs. 1 SGB XII) Rechnung zu tragen und unter Beachtung religiöser Bekenntnisse (Art 4 Grundgesetz <GG>) mit Rücksicht auf die auch nach dem Tod zu beachtende Menschenwürde eine den Individualitätsgrundsatz berücksichtigende Entscheidung zu treffen (BSG Urteil vom 4. April 2019 - B 8 SO 10/18 R -, juris Rn. 13; BSG Urteil vom 25. August 2011 - B 8 SO 20/10 R - BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 2; juris Rn. 18 mwN). Übernahmefähig sind dabei allerdings nur die Bestattungskosten selbst, zu denen im Sinne eines Zurechnungszusammenhangs, aber auch nach dem Wortlaut, nur die Kosten gehören, die unmittelbar der Bestattung (unter Einschluss der ersten Grabherrichtung) dienen bzw. mit der Durchführung der Bestattung untrennbar verbunden und angemessen sind (vgl. im Einzelnen BSG Urteil vom 25. August 2011 - B 8 SO 20/10 R -, juris Rn, 19 ff). Bei der Frage, ob diese Bestattungskosten erforderlich sind, sind die ortsüblichen Preise zu ermitteln und dabei zu berücksichtigen, dass dem Bestattungspflichtigen im Hinblick auf die ihm üblicherweise zur Verfügung stehende nur kurze Zeit und die besondere (Belastungs-)Situation keine umfassende Prüfungspflicht abverlangt werden kann, welches der vor Ort oder im erweiterten Umkreis ansässigen Bestattungsunternehmen die günstigsten Bedingungen bieten kann (BSG Urteil vom 4. April 2019 - B 8 SO 10/18 R -, juris Rn. 13; Urteil vom 25. August 2011 - B 8 SO 20/10 R -, juris Rn. 22). Die hier angefallenen Bestattungskosten in Höhe von 1.637 €, Leichenschaugebühr in Höhe von 165,77 €, Friedhofsgebühren der Stadt A1 in Höhe von für 942 € sowie der Gebührenbescheid für die Feuerbestattung in Höhe von 495 €, insgesamt 3.239,77 € sind - wie bereits vom Beklagten selbst im Bescheid vom 15. Oktober 2021 ausgeführt - auch aus Sicht des Senates als  Aufwand für die Bestattung anzuerkennen. Der Rechnung des Bestattungsinstituts kann auch ohne weiteres entnommen werden, dass hier eine sehr einfache Bestattung durchgeführt worden ist.

2.
Als nächstes ist zu prüfen, ob es dem Kläger zumutbar ist, die erforderlichen Kosten der Bestattung zu tragen. Der Beurteilungsmaßstab dafür, was dem Verpflichteten zugemutet werden kann, bestimmt sich zunächst nach den allgemeinen Grundsätzen des Sozialhilferechts (siehe BSG Urteil vom 4. April 2019 - B 8 SO 10/18 R - juris Rn. 14 mit Hinweis auf BSG Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 1, juris Rn. 14; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Mai 2013, K § 74 Rn. 10; Gotzen, ZfF 2006, 1, 3). Dabei sind stets die Umstände des Einzelfalls entscheidend (BT-Drs. 03/1799 S 40; Greiser/Eicher/Siefert in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 74 Rn. 60; Berlit in Lehr- und Praxiskommentar <LPK> SGB XII, 10. Aufl 2015, § 74 Rn. 7). Da § 74 SGB XII den Anspruch auf Kostenübernahme nicht zwingend an die Bedürftigkeit des Verpflichteten knüpft, sondern die eigenständige Leistungsvoraussetzung der Unzumutbarkeit verwendet (Bundesverwaltungsgericht <BVerwG> Urteil vom 5. Juni 1997 - 5 C 13/96 - BVerwGE 105, 51 ff, juris Rn. 9), nimmt er im Recht der Sozialhilfe eine Sonderstellung ein. Die Regelung unterscheidet sich von anderen Leistungen des Fünften bis Neunten Kapitels u.a. dadurch, dass der Bedarf bereits vorzeitig (vor Antragstellung) gedeckt sein kann, eine Notlage, die andere Sozialhilfeansprüche regelmäßig voraussetzen, also nicht mehr gegeben sein muss. Die Verpflichtung des zuständigen Trägers der Sozialhilfe setzt nach § 74 SGB XII nur voraus, dass die (ggf. bereits beglichenen) Kosten "erforderlich" sind und es dem Verpflichteten nicht "zugemutet" werden kann, diese Kosten (endgültig) zu tragen (BSG Urteil vom 4. April 2019 - B 8 SO 10/18 R - juris Rn. 14; BSG Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 1, juris Rn. 14).

a.)
Neben den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten können im Rahmen der Zumutbarkeit aber auch Umstände eine Rolle spielen, die im Allgemeinen sozialhilferechtlich unbeachtlich sind, denen jedoch vor dem Hintergrund des Zwecks des § 74 SGB XII Rechnung getragen werden muss (H. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 74 Rn. 10; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl 2018, § 74 Rn. 37). Selbst wenn die Kostentragung nicht zur Überschuldung oder gar zur Sozialhilfebedürftigkeit des Kostenverpflichteten führt, kann deshalb der Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Auswirkungen einer Kostenbelastung beachtlich sein (BSG Urteil vom 4. April 2019 - B 8 SO 10/18 R -, juris Rn. 15; BVerwG Urteil vom 29. Januar 2004 - 5 C 2.03 - BVerwGE 120, 111, 114, juris Rn. 18; BSG Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 1, juris Rn. 14). Der Begriff der Zumutbarkeit ist damit nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls auszulegen (BVerwG Urteil vom 29. Januar 2004 - 5 C 2.03 - aaO; BSG Urteil vom 4. April 2019 - B 8 SO 10/18 R -, juris Rn. 15). Er ist wie der Begriff der Erforderlichkeit ein gerichtlich voll überprüfbarer unbestimmter Rechtsbegriff (H. Schellhorn, aaO, Rn. 10; Berlit in LPK-SGB XII, 10. Aufl 2015, § 74 Rn. 7). Dabei macht das Wort "soweit" in § 74 SGB XII deutlich, dass in Fällen, in denen dem Verpflichteten die Kostentragung nur teilweise zuzumuten ist, die Sozialhilfe die Restkosten zu übernehmen hat (H. Schellhorn aaO). Eine besondere Bedeutung kommt gleichwohl im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit zunächst den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten zu (BSG Urteil vom 4. April 2019 - B 8 SO 10/18 R -, juris Rn. 15). Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII (oder Arbeitslosengeld II <Alg II> nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - <SGB II>) vor, ist nämlich regelmäßig von Unzumutbarkeit auszugehen (BSG Urteil vom 4. April 2019 - B 8 SO 10/18 R -, juris Rn. 15; Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 1, juris Rn. 17; Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 20/10 R - BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr. 2, juris Rn. 25).
Dies ist hier der Fall. Der Kläger erhält neben seiner Altersrente aufstockend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII.

b.)
Liegt - wie hier - Bedürftigkeit im Sinne des vierten Kapitels des SGB XII vor, ist nunmehr zu prüfen, ob dem Kläger dennoch die Tragung der Bestattungskosten zuzumuten ist, insbesondere - trotz der Ausschlagung der Erbschaft - im Hinblick auf den Nachlass seiner verstorbenen Schwester.
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Bedürftigkeit bzw. Unzumutbarkeit aus anderen Gründen ist nach Sinn und Zweck der Regelung des § 74 SGB XII sowie nach allgemeinen sozialrechtlichen Grundsätzen die Fälligkeit (vergleiche § 271 BGB) der jeweiligen Forderungen, die den Bestattungskosten zugrunde liegen; denn der „Leistungsfall“ ist die Verbindlichkeit, nicht die erforderliche Bestattung selbst (BSG Urteil vom 4. April 2019 - B 8 SO 10/18 R - juris Rn. 17, Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 23/08 R - juris Rn. 17 und Urteil vom 25. August 2011 - B 8 SO 20/10 R - juris Rn. 25). Die Bestattungskosten, Leichenschaugebühr mit Rechnung vom 11. Januar 2021, Rechnung des Bestattungsinstituts vom 8. Februar 2021, Gebührenbescheid für Friedhofs- und Bestattungsgebühren der Stadt A1 vom 11. Februar 2021 sowie der Gebührenbescheid für Feuerbestattung der Stadt A1 ebenfalls vom 11. Februar 2021, wurden sofort fällig (Rechnung des Bestattungsinstituts) bzw. waren spätestens bis zum 10. Februar 2021 bzw. bis zum 16. März 2021 zu zahlen (Rechnung des Z2-Klinikums bzw. Gebührenbescheide der Stadt A1).

c.)
Zunächst ist nun festzustellen, dass zu dem maßgeblichen Zeitpunkt bzw. dem maßgeblichen Zeitraum (8. Februar 2021 bis 16. März 2021) der Fälligkeit der Rechnungen im Zusammenhang mit der Bestattung der Schwester des Klägers sich tatsächlich nach der Abbuchung von überzahlten Leistungen der Hilfe zur Pflege am 15. Januar 2021 durch den Beklagten gerade noch 518,60 € befanden.
Des Weiteren ist zu festzustellen, dass der Kläger bereits am 26. Januar 2021 formlos und am 16. Februar 2021 förmlich zur Niederschrift beim Amtsgericht A1 die Erbschaft ausgeschlagen hatte, mit der Folge, dass er ab diesem Zeitpunkt rückwirkend nicht Erbe seiner Schwester geworden war und insbesondere keinerlei Anspruch mehr auf Auskunft über die Vermögensverhältnisse und den konkreten Kontostand hatte.
Nach dem letzten Kenntnisstand des Klägers über den Nachlass seiner Schwester standen damit einem Guthaben von 518,60 € Verbindlichkeiten in Höhe von fast 44.000 € gegenüber. Ferner hatte der Kläger keine Möglichkeit mehr gehabt, Kenntnis von der Gutschrift hinsichtlich des Heimentgeltes in Höhe von 3.077,68 € erhalten zu können.

Ausgehend von dieser Konstellation ist es für den Senat dem Kläger unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles nicht zumutbar die angefallenen Bestattungskosten im Zusammenhang mit dem Tode seiner Schwester selbst zu tragen.
Zunächst ist nochmals festzustellen, dass der Kläger davon ausgehen konnte und durfte, dass der Nachlass seiner Schwester massiv überschuldet war und im Hinblick auf das zuletzt ihm bekannte Guthaben von 518,60 € einerseits und Verbindlichkeiten in Höhe von fast 44.000 € andererseits keine ausreichenden Mittel zur Erstattung der Bestattungskosten vorhanden waren.
Der seinerzeit nicht rechtskundig vertretene Kläger war auch weder vom Beklagten, dem seit dem Hinweis des Nachlasspflegers mit Schreiben vom 22. Juni 2021 bekannt war, dass der Kläger den Nachlass ausgeschlagen hatte, noch vom Nachlasspfleger darauf hingewiesen worden, dass er als Bestattungspflichtiger unter Umständen dennoch seine Bestattungskosten bevorrechtigt im Rahmen der Nachlassinsolvenz geltend machen könnte (§ 324 Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung <InsO>). Wobei in dem Zusammenhang allerdings auch noch zu berücksichtigen wäre, dass bei Masseunzulänglichkeit - wie hier - die in § 324 Abs. 1 InsO bezeichneten Verbindlichkeiten den Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO haben und damit die Masseverbindlichkeiten des § 324 Abs. 1 InsO die letzte Rangstelle vor den Unterhaltsansprüchen einnehmen und daneben die Kosten des Insolvenzverfahrens den Masseverbindlichkeiten im Rang vorgehen (§ 53 InsO). Dies heißt aber, selbst wenn nicht schon das AGB-Pfandrecht der S1kasse hinsichtlich eines Anspruches möglichen Anspruches des Klägers auf Erstattung der Bestattungskosten im Rahmen der Insolvenz bevorrechtigt gewesen sein sollte, ausgehend von dem Guthaben in Höhe von dann 3.596,28 € noch auf jeden Fall bevorrechtigt die Gebühren des Nachlassgerichts und der Nachlasspflegschaft (in Höhe von mindestens 1.063 € - siehe Schreiben und Nachlassverzeichnis des Nachlasspflegers vom 27. Juli 2021 - Bl. 361/360 VA) abzuziehen gewesen wären. Damit wären im günstigsten Fall wohl nur 2.533,28 € verblieben und hätten die Bestattungskosten in Höhe von insgesamt 3.239,77 € in Höhe von 706,49 € auf jeden Fall nicht aus dem Nachlass gedeckt werden können und wären damit ohnehin vom Beklagten zu übernehmen gewesen.

d.)
Die Einwände des Beklagten verhelfen der Berufung auch im Übrigen nicht zum Erfolg.
Soweit der Beklagte nämlich geltend macht, es wäre Sache des Klägers gewesen, gegebenenfalls nochmals beim Nachlasspfleger wegen der Bestattungskosten nachzufragen und vorstellig zu werden, und da der Kläger dies unterlassen habe, gehe dies zulasten des Klägers und nicht des Beklagten, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Wie bereits oben ausgeführt hatte der Kläger zum einen aufgrund der Ausschlagung der Erbschaft keinerlei Informationen mehr über den aktuellen Kontostand, insbesondere die Rückerstattung von Heimentgelt. Er konnte und durfte vielmehr davon ausgehen, dass den Verbindlichkeiten von über 44.000 € zum Zeitpunkt seiner Ausschlagung gerade noch ein Guthaben von 518,60 € gegenüberstand und damit hinsichtlich der Bestattungskosten keinerlei Mittel aus dem Nachlass mehr vorhanden waren.
Hier ist durchaus noch zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Kläger seinerzeit auch nicht rechtskundig vertreten war und es sich vor diesem Hintergrund auch für den Senat nicht erschließt, aufgrund welcher Erkenntnisquellen er hätte ohne weiteres erkennen können, dass hier möglicherweise die Bestattungskosten bevorrechtigt im Rahmen der Nachlassinsolvenz bzw. gegenüber dem AGB-Pfandrecht der S1kasse noch zu bedienen gewesen wären.
Hier hätte es zum einen schon nahegelegen, dass der Beklagte, der aufgrund des Antrags des Klägers vom Januar 2021 bekanntlich Kenntnis von den entstandenen Bestattungskosten hatte, den Kläger gegebenenfalls hierauf hingewiesen hätte - im Übrigen wie sich hier jetzt zeigt durchaus in dessen eigenem Interesse. Darüber hinaus hätte sich hier - wie vom Beklagten vertreten - unter Umständen auch eine Hinweispflicht des Nachlasspflegers ergeben können.
Vom Kläger kann in dem Zusammenhang allerdings nicht verlangt werden, nunmehr gegen den Nachlasspfleger ein Verfahren wegen Amtspflichtverletzung mit durchaus offenem Ausgang betreiben zu müssen. Hier bleibt es vielmehr dem Beklagten unbenommen einen möglichen Amtshaftungsanspruch gemäß § 93 SGB XII gegen den Nachlasspfleger bzw. gegebenenfalls auch einen entsprechenden Anspruch auf Auszahlung gegenüber der S1kasse im Zusammenhang mit dem AGB-Pfandrecht, das jedenfalls nach Auffassung des Beklagten nicht bevorrechtigt gewesen sei, auf sich überzuleiten und gegebenenfalls gerichtlich geltend zu machen.

Im Ergebnis ist damit dem Kläger die Tragung der (angemessenen) Bestattungskosten der Beerdigung seiner verstorbenen Schwester nicht zuzumuten und hat der Beklagte vielmehr diese gemäß § 74 SGB XII zu übernehmen.

3.
Aus diesen Gründen ist die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.  


 

Rechtskraft
Aus
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