S 33 AS 337/23 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 33 AS 337/23 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 413/23 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss


Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. 


Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung, ihm die mit Bescheid vom 6. Oktober 2022 gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) auch über den 31. Mai 2023 hinaus zu gewähren.

Der Antragsteller bezog seit November 2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Antragsgegner. Mit Bescheid des Antragsgegners vom 6. Oktober 2022 wurden dem Antragsteller Leistungen in Höhe des Regelbedarfs für den Zeitraum vom 1. November 2022 bis zum 31. Oktober 2023 bewilligt.

Aufgrund einer anonymen Anzeige beim Antragsgegner vom 10. Mai 2023, wonach der Antragsteller Immobilienvermittler sei und mehrere gemeinsame Konten mit seinem Vater habe, auf den sich nicht unerhebliche Summen befänden, forderte der Antragsgegner den Antragsteller zur Vorlage von Kontoauszügen auf und führte ein Kontenabrufverfahren durch. Außerdem erfuhr der Antragsgegner durch eine E-Mail vom 26. Mai 2023 von einer Mitarbeiterin der Gemeinde C-Stadt, dass der Antragsteller nicht mehr in seiner bisherigen Wohnung in C-Stadt wohnte.

Mit Bescheid vom 5. Juni 2023 stellte der Antragsgegner die Leistungsgewährung für den Antragsteller zum 31. Mai 2023 ein und nannte als Grund für die Einstellung der Leistungen die Abmeldung und den damit verbundenen Wegfall der örtlichen Zuständigkeit des Antragstellers.

Mit E-Mails vom 7. Juni 2023 und 14. Juni 2023 erkundigte sich der Antragsteller bei dem Antragsgegner nach der Auszahlung seiner Leistungen. In einer E-Mail vom 15. Juni 2023 bat er um Übersendung sämtlicher Schreiben an seine Postfachadresse.

Am 19. Juni 2023 stellte der Antragsteller einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Darmstadt.

Der Antragsteller trägt vor, alle vom Antragsgegner angeforderten Unterlagen bei diesem vorgelegt zu haben. Er verfüge über keinerlei Rücklagen und sei zur Deckung seines Lebensunterhaltes auf den Bezug von Bürgergeld angewiesen.

Der Antragsteller beantragt, 
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die laut Bescheid vom 6. Oktober 2021 zugebilligten Leistungen nach SGB II vom 1. November 2022 bis einschließlich 31. Oktober 2023 auf das dafür vorgesehene und dem Leistungsträger bekannte Pfändungsschutzkonto in den dafür vorgesehenen monatlichen Teilbeträgen seit dem 1. Januar 2023 i.H.v. 502,00 € zur Deckung des Lebensbedarfs zu überweisen.

Der Antragsgegner beantragt, 
den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen.

Der Antragsgegner ist der Auffassung, das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs bezüglich der Gewährung von Bürgergeld für die Zeit ab 1. Juni 2023 sei von dem Antragsteller nicht glaubhaft gemacht worden. Die tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers seien nicht geklärt. Zum einen sei nicht geklärt, wo sich der Antragsteller gegenwärtig tatsächlich aufhalte und ob sich dieser Aufenthaltsort im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners befinde. Zum anderen seien auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nicht hinreichend geklärt. Er habe gegenüber dem Antragsgegner die Existenz von Konten verschwiegen und auch das Verhältnis des Antragstellers zu der Firma A&A GmbH und zu der A&A Ltd in Großbritannien sei nicht hinreichend geklärt.

Ein Schreiben der Kammer vom 26. Juli 2023, in welchem die Kammer den Kläger zur Mitteilung, wo er sich tatsächlich aufhalte, zur Stellungnahme, ob und inwieweit er für die Firma A&A GmbH tätig sei und zur Vorlage vollständiger Kontoauszüge der von dem Antragsgegner ermittelten Konten aufgefordert hat, konnte dem Antragsteller an die der Kammer bis dahin bekannte Anschrift C-Straße in C-Stadt nicht postalisch übermittelt werden und kam mit den Angaben „Empfänger/Firma unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ und „Empfänger verzogen“ von der Post zurück.

Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2023 teilte der Antragsgegner der Kammer mit, dass ihm die aktuelle Anschrift des Klägers nicht bekannt sei und lediglich eine Postfachadresse bekannt sei.

Mit Schreiben vom 21. Juni 2023 an die Postfachadresse des Antragstellers (Postfach XXX1, D-Stadt) hat die Kammer den Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Post des Gerichts an seine bekannte Anschrift C-Straße, C-Stadt nicht zugestellt werden konnte, sondern an das Gericht zurückgelaufen sei. Die Kammer hat den Antragsteller darauf hingewiesen, dass ohne Mitteilung einer ladungsfähigen Anschrift der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz als unzulässig abgewiesen werden würde.

Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2023 teilte der Antragsteller mit, dass er nunmehr in der A-Straße in A-Stadt gemeldet sei. Unter dieser Anschrift werde ihm ein Zimmer zur Vermeidung einer etwaigen Obdachlosigkeit kostenfrei überlassen. Sein Name sei am Briefkasten zur Bewirkung von Postzugängen angebracht. Ein Nachsendeantrag sei gestellt worden. In der Vergangenheit seien ihm stets Schreiben des Antragsgegners an das Postfach übermittelt worden, nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs sei ein Postfach jedenfalls dann eine ähnliche Vorrichtungen Sinne des § 180 S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), wenn eine Wohnanschrift desjenigen, dem zugestellt werden soll, unbekannt oder nicht vorhanden sei.

Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2023 hat der Antragsteller eine amtliche Meldebestätigung für die Anmeldung unter der Adresse A-Straße, A-Stadt vorgelegt. In dem Schriftsatz hat der Antragsteller außerdem ausgeführt, dass er nicht für die A&A GmbH tätig sei und von dieser keine Entlohnung oder entgeltliche Zuwendungen erhalte. Er hat ein an ihn adressiertes Schreiben der A&A GmbH vorgelegt, welches von deren Geschäftsführer, dem Vater des Antragstellers, Herrn D. A. unterzeichnet ist und in welchem bestätigt wird, dass er keine Geschäftsführerstellung, Prokura oder einen Angestelltenstatus bei der GmbH habe und auch nicht in sonstiger Art und Weise für diese tätig sei oder entlohnt werde.

Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2023 hat der Antragsteller seinen Vortrag vertieft und betont, dass sein Vermögen weit unter dem zuzubilligenden Schonvermögen liege. Selbst bei einer etwaigen Wohnungslosigkeit oder Obdachlosigkeit seien in aller Regel jeweils gültigen Sätze zu Bewirkung Lebensminimums zur Auszahlung zu bringen. Seine postalische Erreichbarkeit seit sie jederzeit gegeben, zumal er bei Frau B. unter der Anschrift A-Straße in A-Stadt den Umgang mit seiner minderjährigen Tochter pflege.

Mit Schriftsatz vom 3. August 2023 hat der Antragsteller einen Kontoauszug über ein Konto bei der Raiffeisen-Volksbank N. eG vorgelegt und betont, seine Bedürftigkeit sei mehrfach nachgewiesen und unter Beweis gestellt.

Mit Schriftsatz vom 4. August 2023 hat der Antragsteller beanstandet, dass ein Mitarbeiter des Antragsgegners in ohne Terminabsprache habe aufsuchen wollen. Auch seine Wohnungsgeberin sei von diesem Verhalten konsterniert gewesen.

Mit Schriftsatz vom 8. August 2023 hat der Antragsgegner mitgeteilt, dass der Antragsteller bei einem Hausbesuch am 4. August 2023 unter der Anschrift A-Straße in A-Stadt nicht habe angetroffen werden können. Es sei auch weder eine Klingel noch ein Briefkasten mit dem Namen des Antragstellers vorgefunden worden. Die dort wohnhafte Frau B. habe angegeben, dass der Antragsteller unter dieser Anschrift nicht wohnhaft sei. Der tatsächliche Aufenthaltsort des Antragstellers sei damit weiterhin völlig ungeklärt. Auch das Verhältnis des Antragstellers zur A&A GmbH sei ungeklärt. Durch die GmbH sei dem Antragsteller ein Darlehen gewährt worden und ein Pkw zur Verfügung gestellt worden.

Der Antragsteller hat am 14. August 2023 Einsicht in die elektronische Verwaltung- und Gerichtsakte bei Gericht genommen und in einer Stellungnahme vom 16. August 2023 dazu Stellung genommen. In der Stellungnahme trägt er unter anderem vor, dass am Briefkasten der Namenszug A. angebracht sei. Weshalb dieser nicht am 4. August 2023 beim unangekündigten Hausbesuch vorhanden gewesen sein solle, entziehe sich seiner Kenntnis. Insgesamt sei die Darstellung des Hausbesuchs durch den Antragsgegner unzutreffend. Der Antragsteller hat nochmals betont, keine wirtschaftlichen Verflechtungen mit der A&A GmbH zu haben. Als Anlage zu dem Schriftsatz hat der Antragsteller einen WhatsApp Chat-Verlauf mit Frau B. und ein Foto des Briefkastens mit seinem Namenszug sowie Kopien mehrere Schreiben verschiedener Behörden gerichtet an den Antragsteller unter der Anschrift A-Straße, A-Stadt vorgelegt.

Mit weiterem Schriftsatz des Antragstellers vom 17. August 2023 hat der Antragsteller unter anderem ein Schriftstück des Amtsgerichts Hünfeld vorgelegt, welches ihm am 16. August 2023 an die Adresse A-Stadt zugestellt worden sei.

Die Ladung der Kammer an den Antragsteller zum Erörterungstermin am 29. September 2023 ist dem Antragsteller am 1. September 2023 unter der Anschrift A-Straße in A-Stadt zugestellt worden. Weitere Schreiben der Kammer vom 1. September 2023 und 14. September 2023 kamen mit dem Vermerk der Deutschen Post „Empfänger/Firma unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ zum Gericht zurück.

Mit Schriftsatz vom 22. September 2023 hat der Antragsgegner eine Gesellschafterliste der A&A GmbH übersandt, aus der ersichtlich ist, dass Gesellschafterin der GmbH die A&A Ltd ist. Der Antragsgegner hat außerdem vorgetragen, dass seine Recherchen ergeben hätten, dass der Antragsteller seit 25. März 2021 als „Company Director“ der Limited tätig sei.

Mit Schriftsatz vom 23. September 2023 hat der Antragsteller betont, unter der Adresse A-Straße, A-Stadt postalisch erreichbar zu sein. Weshalb am 4. August 2043 kein Namenszug am Briefkasten vorhanden hätte sein sollen, entziehe sich seiner Kenntnis. Er wisse auch nicht, dass eine Gesetzesvorschrift existiere, nach der ein solcher Namenszug zwingend notwendig und vorgeschrieben sei.

Mit Schriftsatz vom 28. September 2023 hat der Antragsteller mitgeteilt, nicht Geschäftsführer der A&A Ltd zu sein und eine Abberufung vom 27. März 2021 vorgelegt. Er hat daneben einer Versicherung an Eides statt vorgelegt, wonach er weder in der Zeit seiner Geschäftsführung bei der A&A Ltd Einkommen, Vergütungen oder Lohn generiert habe noch solche generieren. Bei der Ltd handle es sich außerdem um ein ruhendes Unternehmen.

Am 29. September 2023 hat die Kammer einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme durchgeführt. In dem Zusammenhang hat der Antragsteller angegeben, in der A-Straße in A-Stadt zu wohnen und dort ein Zimmer zu haben, das seinen Lebensmittelpunkt darstelle. Weshalb Schreiben des Gerichts nicht an ihn dort zustellbar seien, sei ihm nicht erklärlich, in der vergangenen Woche sei sein Namenszug noch am Briefkasten angebracht gewesen. In dem Erörterungstermin wurde auch das Verhältnis zu der A&A Ltd und zu der A&A GmbH erörtert. Der Vater des Antragstellers, Herrn D. A. und der Mitarbeiter des Antragsgegners, Herr L. sind als Zeugen gehört worden. Zu den Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Das Protokoll des Erörterungstermins vom 29. September 2023 konnte dem Antragsteller nicht unter der Anschrift A-Straße, A-Stadt zugestellt werden, da er laut Zustellungsurkunde vom 13. Oktober 2023 unter der Anschrift nicht zu ermitteln gewesen ist.

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2023 hat die Kammer bei dem Antragsgegner nachgefragt, ob dort eine andere Anschrift des Antragstellers bekannt sei. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2023 hat der Antragsgegner dies verneint.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte im hiesigen Verfahren sowie auf die Akte des Antragsgegners (eine Datei) verwiesen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist bereits unzulässig.

Da der Kläger trotz zahlreicher Nachfragen der Kammer, eines ausführlichen Hinweises der Kammer, dass die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift Voraussetzung für einen zulässigen Antrag ist und eingehender Erörterungen im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 29. September 2023 noch immer keine Anschrift mitgeteilt hat, an die Zustellungen bewirkt werden können, ist der Antrag unzulässig.

Gemäß § 92 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) muss die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Die Bezeichnung des Klägers erfordert die Angabe des vollständigen Namens und der ladungsfähigen Anschrift als zwingenden Bestandteil einer wirksamen Klage (Diehm in: Roos/Wahrendorf/Müller, SG beckonline.Grosskommentar, Stand 1. August 2023, § 92 Rn. 26 m.w.N.). Die Vorschrift gilt entsprechend für Antragsverfahren im einstweiligen Rechtsschutz (Bayerisches LSG, BeckRS 2013, 69861). Wenn sich die ladungsfähige Anschrift im Laufe des Verfahrens ändert, muss die neue Anschrift des Antragstellers mitgeteilt werden. Wenn eine solche Mitteilung nicht erfolgt und sich die Adresse auch nicht ermitteln lässt, wird die Klage wegen Fehlens einer Sachurteilsvoraussetzung unzulässig (LSG Nordrhein-Westfalen (19. Senat), Urteil vom 14.02.2019 - L 19 AS 1398/18, Rn. 28). Die Angabe eines Postfachs ist nicht ausreichend, weil an ein Postfach keine Zustellungen bewirkt werden können (Diehm in: Roos/Wahrendorf/Müller, SG beckonline.Grosskommentar, Stand 1. August 2023, § 92 Rn. 27 m.w.N.).

Die Problematik, dass der Antragsteller nicht über eine ladungsfähige Anschrift verfügt, zieht sich durch das gesamte Verfahren. Bereits unter seiner früheren Anschrift in C-Stadt war der Antragsteller nicht postalisch zu erreichen. Allein dadurch, dass die Kammer Schreiben an die Postfachadresse des Antragstellers richtete, konnte dieser überhaupt erreicht werden. Die Angabe der Postfachanschrift ist jedoch zur Vornahme wirksamer Zustellung nicht ausreichend. Zum einen deshalb, weil Zustellungen nach der ZPO, welche mangels expliziter Regelungen im SGG gemäß § 202 SGG Anwendung findet, nicht an eine Postfachadresse bewirkt werden können (vgl. SG Trier (Kammer), Gerichtsbescheid vom 26.08.2014 - S 3 SO 12/14). Hinzu kommt, dass das Postfach XXX1, D-Stadt noch nicht einmal zweifelsfrei dem Antragsteller zugeordnet werden kann. Im Erörterungstermin am 29. September 2023 haben der Antragsteller und sein Vater übereinstimmend bekundet, dass das Postfach auch der Erreichbarkeit des Herrn D. A. diene, der ebenfalls über keine Meldeanschrift verfüge. Letztlich lässt sich nicht nachvollziehen, wer Inhaber des Postfachs ist und Zugriff auf das Postfach hat. Die Tatsache, dass das Postfach offensichtlich von mehreren Personen genutzt wird, spricht, abgesehen davon, dass grundsätzlich keine wirksamen Zustellungen an Postfachadressen möglich sind, zusätzlich dagegen, dass eine sichere Übermittlung von Schriftstücken an den Antragsteller über das Postfach möglich ist.

Im Übrigen könnte der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch in der Sache keinen Erfolg haben, da der Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch, noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerseite vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Nach § 86b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 938, 294 ZPO sind sowohl Anordnungsgrund, als auch Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen.

Dabei soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebotes, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), ist von diesem Grundsatz jedoch dann abzuweichen, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 sowie Beschluss vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02). Zum Gewicht von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ist zu berücksichtigen, dass diese nicht isoliert nebeneinanderstehen, sondern eine Wechselbeziehung besteht. Die Anforderungen an den Anordnungsanspruch sind mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Hessisches Landessozialgericht (HLSG), Beschluss vom 29. Juni 2005, Az.: L 7 AS 1/05 ER; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 13. Aufl., § 86b Rdnr. 29). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet und das angegriffene Verwaltungshandeln offensichtlich rechtswidrig bzw. bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Leistungsträgers, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Mai 2004 - L 16 B 15/04 KR ER; Bayerisches LSG, Beschluss vom 31. Juli 2002 - L 18 B 237/01 V ER). In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, wobei jedoch auf einen Anordnungsgrund nicht gänzlich verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden (HLSG, Beschluss vom 25. November 2010 - L 6 AS 423/10 B ER, HLSG, Beschluss vom 24.09.2013 - L 6 AS 597/13 B ER).

Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn ein Lebenssachverhalt vorliegt, der zur Vermeidung anders nicht mehr rückgängig zu machender wesentlicher Nachteile eine nur vorläufige Entscheidung der Kammer erforderlich macht. Wesentliche Nachteile liegen im Bereich des hier gegebenen Streitgegenstandes der Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II vor, wenn das soziokulturelle Existenzminimum der Antragstellerseite ohne eine Entscheidung des Gerichts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache im Wesentlichen nicht gedeckt ist. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl BVerfG, Beschl. vom 2. Mai 1984 - 2 BvR 1413/83). Um wirksamen Rechtsschutz in angemessener Zeit zu gewähren, kann die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich sein. Dabei dürfen die Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12. September 2016 - 1 BvR 1630/16; BVerfG, Beschl. v. 1. August 2017 – 1 BvR 1910/12 - juris). Von der Glaubhaftmachung des Vorliegens eines Anordnungsgrundes darf aber auch nicht gänzlich abgesehen werden.

Gegen eine besondere Eilbedürftigkeit spricht vorliegend zum einen, dass der Antragsteller trotz nachdrücklicher Hinweise der Kammer nicht sichergestellt hat, dass Zustellungen unter seiner bisherigen Meldeanschrift möglich sind und der Kammer auch eine mögliche neue Anschrift nicht mitgeteilt hat. Sowohl gegen die Eilbedürftigkeit der Sache, als auch gegen das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs spricht weiterhin, dass der Antragsteller von der A&A GmbH in den Monaten Juni bis September 2023 Geldzuwendungen i.H.v. 1.842,10 € erhalten hat. Damit war der Lebensunterhalt des Antragstellers in diesen Monaten gesichert. Der Zeuge D. A. hat im Erörterungstermin am 29. September 2023 angegeben, dass er das Geld, falls der Antragsteller es nicht zurückzahlen könne, abschreiben müsse. Dies zeigt, dass es keine wirksame, durchsetzbare Rückzahlungsverpflichtung des Klägers gibt, sodass nicht von Darlehen gemäß § 488 Bürgerliches Gesetzbuch, sondern vielmehr von einer freiwilligen Unterhaltsgewährung auszugehen ist. Zumindest in Höhe dieser freiwilligen Unterhaltsgewährung bestünde ohnehin kein Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Die Tatsache, dass die A&A GmbH bereit war, den Antragsteller mehrfach kurzfristig zu unterstützen, spricht dafür, dass die Bereitschaft zu solcher Unterstützung auch zukünftig vorhanden sein wird, was gegen das Vorliegen von Eilbedürftigkeit und damit gegen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes spricht.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
 

Rechtskraft
Aus
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