L 6 AS 8/24

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 14 AS 399/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 8/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze


1. § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X dient dem Nachweis der Vollmacht. Dieser Zusammenhang rechtfertigt es, dass sich die Behörde im konkreten Einzelfall, sofern dies zum Nachweis notwendig ist, nicht mit einer Übersendung per Fax begnügt, sondern die Übermittlung eines Originals fordert (wobei es sich bei dem Schriftstück nicht notwendig um eine schriftliche Vollmachtsurkunde handeln muss, sondern ebenso ein anderweitig zum Nachweis der Vollmacht geeignetes Schriftstück genügt).

2. Zur hinreichend eindeutigen Verfügung des Vorläufigkeitsvorbehalts bei einer vorläufigen Entscheidung nach § 41a SGB II.
 


I.    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 13. Juli 2023 – S 14 AS 399/19 – wird zurückgewiesen.

II.    Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III.    Die Revision wird zugelassen.


Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Teilaufhebungs-, Erstattungs- und Aufrechnungsbescheid, soweit dieser auf der Anrechnung von zwei Geldgeschenken in Höhe von jeweils 50,- Euro im November und Dezember 2018 auf das ihm bewilligte Arbeitslosengeld II beruht. 

Der 1986 geborene Kläger erhielt – in Bedarfsgemeinschaft mit seiner 1991 geborenen Partnerin – Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von dem Beklagten. Für den streitigen Zeitraum bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Partnerin auf entsprechenden Weiterbewilligungsantrag durch Bescheid vom 9. April 2018 Leistungen für die Zeit vom 1. Mai 2018 bis 30. April 2019 in Höhe von jeweils 539,- Euro monatlich (wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen, Bl. 623 ff. der elektronischen Gerichtsakte des Sozialgerichts – im Folgenden: eGA SG –, in der die Leistungsakte des Beklagten enthalten ist; Gleiches gilt für die weiteren nachfolgend unter Angabe der Aktenfundstelle aufgeführten Dokumente). Einen Vorläufigkeitsvorbehalt enthielt der Bescheid nicht. Mit Rücksicht insbesondere auf Einkommen der Partnerin aus zwei Beschäftigungsverhältnissen änderte der Beklagte diese Bewilligung nachfolgend mehrfach ab (Änderungsbescheid vom 22. August 2018 für die Zeit von September 2018 bis Januar 2019, wobei der Beklagte erst in der Begründung ausführte, die Bewilligung sei hinsichtlich der Anrechnung von Einkommen aus der Tätigkeit bei der Fa. H. AG vorläufig nach § 41a SGB II [eGA SG Bl. 662 ff.]; Änderungsbescheid vom 10. Oktober 2018, mit dem der Beklagte einem Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. August 2018 wegen der Höhe des angerechneten Einkommens abhalf, wobei er erneut erst in der Begründung auf § 41a SGB II Bezug nahm [eGA SG Bl. 919 ff.]; Änderungsbescheid vom 8. November 2018 für die Zeit von November 2018 bis April 2019, wobei es wiederum erst in der Begründung hieß, die Bewilligung der Leistung sei „insoweit“ – mit Blick auf die Anrechnung des Einkommens bei der Fa. E. – vorläufig nach § 41a SGB II [eGA SG Bl. 998 ff.]; Änderungsbescheid vom 16. November 2018 für die Zeit ab 1. Januar 2019 wegen einer Reduzierung des angerechneten Einkommens auf Grund der zwischenzeitlich vorgelegten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit H. [eGA SG Bl. 1025 ff.]; Änderungsbescheid vom 24. November 2018 wegen einer Anpassung der Regelbedarfe und Umsetzung eines Aufrechnungsbescheides vom 22. November 2018 ab 1. Januar 2019 [eGA Bl. 1034 ff.]; vier Teilaufhebungsbescheide vom 4. Dezember 2018 für August beziehungsweise Oktober 2018 [eGA SG Bl. 1048 ff.]; „Änderungsbescheid“ vom 20. Dezember 2018, mit dem der Beklagte die Leistungen für den Kläger und seine Partnerin für November 2018 auf jeweils 483,65 Euro endgültig festsetzte und „die bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Bescheide vom 09.04.2018“ insoweit aufhob [eGA SG Bl. 674 ff.]).

Im Rahmen mehrerer Widerspruchsverfahren, die der Kläger wegen der Änderungen eingeleitet hatte, kam es zu Konflikten zwischen den Beteiligten wegen der Pflicht zur Vorlage einer vom Beklagten angeforderten Originalvollmacht der für den Kläger auftretenden Rechtsanwaltsgesellschaft. Nachdem die Bevollmächtigte hierzu mitgeteilt hatte, die Vorlage einer Originalvollmacht sei nach ihrer Auffassung nicht erforderlich, beziehungsweise eine nicht unterschriebene Vollmacht vorgelegt hatte (eGA SG Bl. 722 ff.), wies der Beklagte am 25. Februar 2019 mehrere Widersprüche, konkret gegen den Bescheid vom 2. November 2018 über die Änderung der Leistungen für Juli bis September 2018 (eGA SG Bl. 728 ff.), gegen eine Aufrechnungsentscheidung vom 22. November 2018 (eGA Bl. 733 ff.) und gegen die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen vom 4. Dezember 2018 für Oktober 2018 (eGA Bl. 738 ff.) und für August 2018 (eGA Bl. 742 ff.), als unzulässig zurück.

Aus den Kontoauszügen der Partnerin des Klägers, die der Beklagte angefordert hatte, um den Eingang der Gehaltszahlungen nachvollziehen zu können, ergab sich, dass bei dieser am 13. November 2018 und am 20. Dezember 2018 Zahlungen in Höhe von jeweils 50,- Euro unter dem Betreff „Geburtstagsmaeuse“ beziehungsweise „Weihnachtsmaeuse“, außerdem Gehalt von der Fa. E. GmbH eingegangen waren (eGA Bl. 747 ff.). Nach Anhörung mit Schreiben vom 2. April 2019 (eGA SG Bl. 822 ff.) und Äußerung des Klägers unter dem 5. April 2019 (eGA SG Bl. 845) erließ der Beklagte daraufhin unter dem 15. April 2019 den im hiesigen Verfahren streitigen Aufhebungs-, Erstattungs- und Aufrechnungsbescheid gegenüber dem Kläger (eGA SG Bl. 866 ff.) sowie einen entsprechenden Bescheid gegenüber dessen Partnerin. Mit dem streitigen Bescheid hob er die zu Gunsten des Klägers erfolgte Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Monate November 2018 bis Februar 2019 teilweise auf – für November 2018 in einem Umfang von 25,- Euro, für Dezember 2018 von 26,03 Euro, für Januar 2019 von 61,47 Euro und für Februar 2019 von 56,08 Euro –, machte die Erstattung eines Betrags von insgesamt 168,58 Euro geltend und erklärte die Aufrechnung mit der Erstattungsforderung gegen die laufenden Ansprüche des Klägers auf Grundsicherungsleistungen in einem Umfang von 38,20 Euro monatlich. Zur Begründung verwies er auf das bei der Fa. E. GmbH erzielte Einkommen und die beiden Geschenke, die zu einer wesentlichen Änderung der für die Bewilligung maßgeblichen Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) geführt hätten.

Die bevollmächtigte Rechtsanwaltsgesellschaft legte im Namen des Klägers (auch als Vertreter der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft) Widerspruch ein (eGA SG Bl. 1121 ff.). Die Aufrechnungsentscheidung sei unzureichend begründet. Die Bevollmächtigte führte ergänzend unter anderem aus, dass, auch wenn der Rechtsbehelf mit bestimmten Einzelpunkten begründet werde, darin keine Beschränkung des Rechtsbehelfs liege. Dem per Fax übermittelten Widerspruchsschreiben war eine Vollmachtsurkunde beigefügt, die den Kläger als Vollmachtgeber bezeichnete, die Bevollmächtigte zur Vertretung in sämtlichen Widerspruchsverfahren und Leistungsüberprüfungsverfahren ermächtigte, das Datum „11.01.2019“ trug und mit einer Unterschrift schloss (eGA SG Bl. 1125). 

Der Beklagte forderte die Bevollmächtigte durch Schreiben vom 16. Mai 2019 (eGA SG Bl. 1126) unter Fristsetzung bis zum 5. Juni 2019 auf, eine Vertretungsvollmacht im Original vorzulegen, und kündigte für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs eine Entscheidung „nach Aktenlage“ an. 
Nach Fristablauf verwarf er den Widerspruch (nur) des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2019 als unzulässig, da eine wirksame Vollmacht nicht nachgewiesen sei (eGA SG Bl. 1177 ff.).

(Nur) der Kläger hat daraufhin durch seine Bevollmächtigte am 17. Juli 2019 Klage zum Sozialgericht Kassel erhoben (eGA SG Bl. 4 ff.). Dabei hat er zunächst isoliert den Widerspruchsbescheid angegriffen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat er dann auf die streitige Entscheidung in der Sache gerichtete Anträge gestellt, diese allerdings nur insoweit angegriffen, als sie auf dem Zufluss der beiden Geldgeschenke an seine Partnerin in Höhe von jeweils 50,- Euro im November und Dezember 2018 beruht (eGA SG Bl. 2447 f.).

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 13. Juli 2023 abgewiesen (eGA SG Bl. 2439 ff.). Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, die Klage sei unzulässig, weil der Widerspruch nicht ordnungsgemäß erhoben worden sei. Da die bevollmächtigte Anwaltsgesellschaft ihre Vollmacht entgegen § 13 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) nicht innerhalb der ihr gesetzten Frist nachgewiesen und die Rechtsfolgen gekannt habe, sei der Widerspruch als von Anfang an unwirksam zu betrachten. Der Beklagte habe im Rahmen seiner Ermessensausübung im konkreten Einzelfall die Originalvollmacht anfordern dürfen, weil die Zweifel an der Authentizität der Unterschrift berechtigt gewesen seien (Verweis zu den Voraussetzungen für die Anforderung der Originalvollmacht auf Bühs, NZS 2017, 169, 171; Pitz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 13 – Stand: 9. August 2021 – Rn. 9 f.; Roller, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 13 Rn. 6a). Soweit pauschal die Auffassung vertreten werde, dass eine Originalvollmacht nie vorgelegt werden müsse (Verweis auf Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 12. Juni 2014 – L 6 AS 522/13 B PKH, juris, Rn. 7), überzeuge dies nicht. Denn es handele sich um eine Ermessensentscheidung, die der Aufklärung der Voraussetzungen für die Erhebung des Widerspruchs diene (Verweis auf Bühs, NZS 2017, 169, 171). Gerade der vorliegende Fall verdeutliche anschaulich, dass sich die Zweifel an der Erteilung der Vollmacht so verdichten könnten, dass eine Klärung nur durch Vorlage der Originalvollmacht möglich sei, wobei das Sozialgericht hierzu insbesondere darauf verwiesen hat, dass die Generalvollmacht vom 11. Januar 2019 nicht schon in den Widerspruchsverfahren aus Februar 2019 vorgelegt worden sei. Die Vollmacht könne im Klageverfahren nicht mehr nachgewiesen werden, deswegen habe es auch keiner Anhörung des Klägers im Termin bedurft (Verweis auf LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juni 2021 – L 19 AS 2551/17, juris, Rn. 33). Die Bevollmächtigte habe die Folgen einer nicht vorgelegten Originalvollmacht aus dem Ausgang der Widerspruchsverfahren aus Februar 2019 gekannt. Deswegen habe der Beklagte sich mit dem Hinweis begnügen dürfen, es werde nach Aktenlage entschieden (Verweis u.a. auf LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013 – L 3 AS 98/13, juris, Rn. 19 f.). 

Nach Zustellung des Urteils bei seiner Prozessbevollmächtigten am 21. Juli 2023 (eGA SG Bl. 2452) hat der Kläger durch diese am 21. August 2023 Beschwerde wegen der vom Sozialgericht nicht zugelassenen Berufung erhoben. Der Senat hat durch Beschluss vom 10. Januar 2024 – L 6 AS 290/23 NZB – die Berufung des Klägers gegen das Urteil zugelassen. Das Verfahren ist daraufhin als Berufungsverfahren fortgeführt worden.

Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger geltend, er habe die Vollmacht durch die Übersendung per Fax hinreichend nachgewiesen, so dass der Beklagte den Widerspruch nicht als unzulässig hätte behandeln dürfen. Der Beklagte und das Sozialgericht verwechselten den schriftlichen Nachweis der Vollmacht „mit einer – vom Gesetz nicht geforderten – Originalschriftform der Vollmachtserteilung“. In der Sache dürften die Geschenke nicht angerechnet werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß, 
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 13. Juli 2023 – S 14 AS 399/19 –sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. April 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2019 insoweit aufzuheben, als der Beklagte mit ihm die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für November und Dezember 2018 unter Berücksichtigung von Einkünften in Höhe von jeweils 50,- Euro aufgehoben, entsprechende Leistungsbeträge als Erstattungsforderung geltend gemacht und die Aufrechnung mit der Erstattungsforderung erklärt hat.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und seine Bescheide.

Der Kläger hat durch Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 12. Januar 2024, der Beklagte durch Schriftsatz vom 1. Februar 2024 das Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Widerspruch des Klägers gegen den streitigen Bescheid vom 15. April 2019 nicht zulässig war.

I. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist – neben dem Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 13. Juli 2023 – der die Leistungen des Klägers betreffende Aufhebungs-, Erstattungs- und Aufrechnungsbescheid des Beklagten vom 15. April 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2019, allerdings nur insoweit, als dieser die Teilaufhebung und Erstattung für November und Dezember 2018 sowie die Aufrechnung betrifft. Der Kläger hat, anwaltlich vertreten, sein Rechtsschutzbegehren durch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht gestellten Anträge zweifelsfrei entsprechend beschränkt. 

Auch sind nur die prozessualen Ansprüche des Klägers und damit der ihn betreffende Bescheid Gegenstand des Verfahrens. Bereits das erstinstanzliche Verfahren ist von der anwaltlichen Bevollmächtigten nur für ihn, nicht auch für seine Partnerin geführt worden. Dementsprechend beziehen sich auch das erstinstanzliche Urteil ebenso wie die gegen dieses ergriffenen Rechtsbehelfe zweifelsfrei nur auf ihn und den ihn betreffenden Bescheid.

Dieser ist seinem Wortlaut entsprechend als Aufhebungs- und daran anknüpfender Erstattungsbescheid zu verstehen; Bedarf für eine Umdeutung des Bescheides besteht nicht, obwohl der Beklagte zwischenzeitlich auf § 41a SGB II und damit die Regelung zur vorläufigen Entscheidung bezogene Änderungsbescheide erlassen hatte: Für November 2018 folgt das schon daraus, dass der Beklagte mit dem (ungenau als „Änderungsbescheid“ bezeichneten) Bescheid vom 20. Dezember 2018 zuvor eine endgültige Festsetzungsentscheidung getroffen hatte. Deren Korrektur war nur noch im Wege der Aufhebung nach §§ 44 ff. SGB X möglich. Die Regelung aus dem angegriffenen Bescheid vom 15. April 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2019 entspricht dem, auch wenn der Bescheid wohl auf § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X in Verbindung mit § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II und § 330 Abs. 2 SGB III zu stützen gewesen wäre. Das kann an dieser Stelle offenbleiben, da sich durch die (möglicherweise) unzutreffende Auswahl der Rechtsgrundlage für die Aufhebung nur die Begründung, nicht aber der Regelungsgehalt des angegriffenen Bescheides ändert.

Im Ergebnis gilt das auch, soweit der streitige Bescheid die Leistungen für Dezember 2018 betrifft. Der Beklagte hatte ursprünglich durch den Bescheid vom 9. April 2018 Leistungen für die Zeit von Mai 2018 bis April 2019 ohne Vorläufigkeitsvorbehalt bewilligt. Er hat diesen Bescheid dann zwar durch den Bescheid vom 22. August 2018 geändert und wollte nunmehr offenbar für die Zeit ab September 2018 bis April 2019 Arbeitslosengeld II zu Gunsten des Klägers und seiner Partnerin nur noch vorläufig bewilligen. Er hat den vorläufigen Charakter jedoch nicht hinreichend deutlich verfügt: Zum einen finden sich die entsprechenden Ausführungen ausschließlich in der Begründung des Bescheides, während dessen Überschrift und der Verfügungssatz einen vorläufigen Charakter der Bewilligung nicht erkennen lassen. Zudem hat der Beklagte den (nur noch) vorläufigen Charakter der Bewilligung, der seinerseits Verfügungscharakter hat, auch inhaltlich nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 6. April 2011 – B 4 AS 119/10 R, BSGE 108, 86, Rn. 18, wonach im Bescheid die „Typus prägenden“ Merkmale einer vorläufigen Bewilligung zum Ausdruck kommen müssen; allg. zum Erfordernis der unzweideutigen Erkennbarkeit des vorläufigen Charakters Kallert, in: Rolfs u.a., BeckOGK (Gagel), § 41a SGB II – Stand 1. März 2022 – Rn. 104 m.w.Nw.). Er hat vielmehr (nur) formuliert, zur „Vermeidung von Überzahlungen“ werde „zunächst vorsorglich ein Erwerbseinkommen in Höhe von monatlich 450,00 EUR berücksichtigt“. Die Leistungsbewilligung sei „insofern vorläufig nach § 41a SGB II“. Nach Vorlage der Verdienstabrechnungen werde er „jeweils den tatsächlich anzurechnenden Betrag errechnen und ggf. zu wenig gezahlte Arbeitslosengeld-II-Beträge nachzahlen“. Das reicht nicht aus, um aus der für die Auslegung maßgeblichen Sicht des Klägers (und seiner Partnerin) als Empfänger des Bescheides eine nur vorläufige Bewilligung hinreichend eindeutig erkennbar werden zu lassen. Insbesondere kommt nicht zum Ausdruck, dass sie sich auf eine von Vertrauensschutzerwägungen freie endgültige Festsetzung auch zu ihren Lasten und ein entsprechendes Erstattungsbegehren einstellen müssen. Ähnliche Überlegungen gelten für die nachfolgenden Änderungsbescheide vom 10. Oktober 2018 und den Bescheid vom 8. November 2018: Der Bescheid vom 8. November 2018 stimmt mit dem vom 22. August 2018 hinsichtlich der (unzureichenden) Regelung der Vorläufigkeit bis in den Wortlaut überein; der Abhilfebescheid vom 10. Oktober 2018 ist in dieser Hinsicht noch weniger deutlich formuliert. Die weiteren Bescheide betreffen den Dezember 2018 nicht. Im Ergebnis blieb es daher für den Dezember 2018 trotz der wiederholten Änderung der Leistungsbewilligung bei dem abschließenden Charakter der ursprünglichen Bewilligung aus dem Bescheid vom 9. April 2018.

Vor diesem Hintergrund ist der streitige Bescheid auch hinsichtlich der Leistungen für Dezember 2018 sachgerecht als Aufhebungs- und daran anknüpfender Erstattungsbescheid formuliert. Auf die Frage, ob er auf § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X oder auf § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X (in Verbindung mit § 330 Abs. 2 bzw. Abs. 3 Satz 1 SGB III und § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II) zu stützen war, kommt es im hiesigen Zusammenhang wiederum nicht an. 

Der Kläger verfolgt sein Begehren für beide Monate dementsprechend zutreffend mit einer reinen Anfechtungsklage; auch für Dezember 2018 bedarf es keiner (höheren) abschließenden Festsetzung, die durch eine mit der Anfechtungsklage kombinierte Verpflichtungsklage zu erstreiten wäre.

II. Die Berufung ist zulässig. Sie ist auf Grund der Zulassung durch den Beschluss des Senats vom 10. Januar 2024 statthaft und auch im Übrigen zulässig. Einer ausdrücklichen Einlegung der Berufung bedurfte es nicht (vgl. § 145 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 SGG).

III. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Allerdings ist die Klage unbegründet.

Vor Erhebung einer Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Zulässigkeit der Klage setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, allerdings trotz des auf den ersten Blick in eine andere Richtung weisenden Wortlauts nur voraus, dass ein Vorverfahren überhaupt durchgeführt worden ist, nicht dagegen, dass die Behörde den Widerspruch sachlich beschieden hat. Besondere Anforderungen, insbesondere hinsichtlich des Prüfungsumfangs, an die Durchführung eines Vorverfahrens stellt § 78 Abs. 1 SGG nicht, weil andernfalls die Zulässigkeit der Klage von der Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Behörde beziehungsweise der zuständigen Widerspruchsbehörde abhängig wäre (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2011 – B 14 AS 151/10 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 54; BSG, Urteil vom 3. November 1976 – 7 RAr 101/75, BSGE 43, 19, 24 f.; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/B. Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 78 Rn. 2; anders BVerwG, Urteil vom 8. März 1983 – 1 C 34/80, juris; Burkiczak SGb 2016, 189, 192). Eine Anfechtungsklage wie die hiesige ist daher auch zulässig, wenn der Beklagte den Widerspruch – zu Recht oder zu Unrecht – als unzulässig zurückgewiesen hat. 

Die Klage kann aber in der Sache keinen Erfolg haben, da der Bescheid wegen des unzulässigen Widerspruchs bindend geworden ist. Der Beklagte hat den Widerspruch zu Recht als unzulässig behandelt, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat; insoweit nimmt der Senat Bezug auf die ausführliche und zutreffende Begründung des Sozialgerichts, die er sich nach Überprüfung zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG). 

Ergänzend ist Folgendes auszuführen: § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB X ermöglicht die Vertretung des Beteiligten durch einen Bevollmächtigten in einem Verwaltungs- und damit auch in einem Widerspruchsverfahren (zur Anwendbarkeit von § 13 SGB X auf das Vorverfahren z.B. B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/B. Schmidt, SGG – Kommentar, 14. Aufl. 2023, Vor § 77 Rn. 4a; Roller SGb 2023, 100, 104; Bühs, NZS 2017, 169). Nach § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X hat der Bevollmächtigte auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen. 

Das Schriftformerfordernis verlangt grundsätzlich, dass der Vollmachtgeber die zu ihrem Nachweis dienende Erklärung eigenhändig unterzeichnet (vgl. für viele J. Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB X, 4. Ergänzungslieferung 2023, § 13 Rn. 59). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass sich das Schriftformerfordernis nicht unmittelbar auf die Vollmacht und eine diesbezügliche Urkunde selbst bezieht, sondern diese auch mündlich erteilt und nur schriftlich nachgewiesen werden könne, hat er damit sicherlich recht; das hat aber auch das Sozialgericht gar nicht in Frage gestellt. 

Das dem Nachweis dienende Schriftstück kann dann zwar in der Regel als Faxschreiben übermittelt werden, da damit der Schriftform grundsätzlich genügt ist. Allerdings macht schon der Wortlaut der Vorschrift deutlich, dass die Übermittlung dem Nachweis der Vollmacht dient, was im Übrigen auch erkennbar der (einzige) Zweck der Vorschrift ist. Dieser Zusammenhang rechtfertigt es, dass sich die Behörde im konkreten Einzelfall, sofern dies zum Nachweis notwendig ist, nicht mit einer Übersendung per Fax begnügt, sondern die Übermittlung eines Originals fordert (wobei es sich bei dem Schriftstück nicht notwendig um eine schriftliche Vollmachtsurkunde handeln muss, sondern ebenso ein anderweitig zum Nachweis der Vollmacht geeignetes Schriftstück genügt). Ohne das Original lässt sich unter Umständen nicht ausreichend prüfen, ob der eingereichte schriftliche Vollmachtsnachweis tatsächlich vom Vollmachtgeber stammt. Bei der Übermittlung als Fax (und namentlich eines Computerfaxes) besteht keine Möglichkeit zu erkennen, ob das zum Nachweis eingereichte Schriftstück tatsächlich vom Aussteller verantwortet wird oder ob der Inhalt der Erklärung und ein Bild der Unterschrift elektronisch zusammengefügt wurden. Dabei ist mit der Zusammenfügung von Text und Bild der Unterschrift durch einen Dritten – worauf der Senat zur Vermeidung von Missverständnissen hinweist – nur der deutlichste Fall eines ungenügenden Nachweises angesprochen und zudem keineswegs unterstellt, dass (und ggf. durch wen) dies im konkreten Fall erfolgt wäre. Vielmehr geht es nur darum zu verdeutlichen, dass ein legitimes Bedürfnis der Behörde bestehen kann, das Schriftstück, mit dem der Nachweis der Vollmacht geführt werden soll, im Original anzufordern. Ein ausnahmsloser Ausschluss der Anforderung von dessen Original lässt sich mit dem Zweck der Regelung daher nicht vereinbaren (so aber LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. Juni 2014 – L 6 AS 522/13 B PKH, juris, Rn. 7; Pitz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Aufl., § 13 SGB X – Stand: 8. Dezember 2023 – Rn. 8). 

Zu Recht ist daher das Sozialgericht in Übereinstimmung mit der in der Literatur überwiegend vertretenen Auffassung zu dem Ergebnis gelangt, dass zwar im Regelfall die Übermittlung per Telefax ausreicht, die Behörde aber, wenn Hinweise auf eine nicht ordnungsgemäße Bevollmächtigung bestehen, die Vorlage des zum Nachweis dienenden Schriftstücks im Original fordern darf (vgl. in diesem Sinne z.B.: Bühs, NZS 2017, 169, 171; Roller, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 13 Rn. 6).

Der Beklagte hat auch die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig wegen des fehlenden Nachweises einer Vollmacht beachtet. Auch insoweit nimmt der Senat zunächst auf die Begründung der angegriffenen Entscheidung Bezug.

Ergänzend ist hierzu Folgendes auszuführen: Die gesetzliche Regelung selbst sieht verfahrensrechtliche Voraussetzungen, insbesondere spezifische Hinweispflichten, vor der Verwerfung eines Widerspruchs aus diesem Grund nicht vor. Dennoch besteht in Rechtsprechung und Literatur zu Recht weitestgehend Einigkeit, dass die Behörde dem Betroffenen mit dem Nachweisverlangen eine Frist setzen muss, bis zu dem dieses zu erfüllen ist, und ihn auf die andernfalls drohenden Rechtsfolgen hinweisen muss (vgl. z.B. Bayerisches LSG, Beschluss vom 3. Juni 2016 – L 7 AS 233/16 B ER, BeckRS 2016, 69570; Mutschler, in: Rolfs u.a., BeckOGK (Kasseler Kommentar), § 13 SGB X – Stand: 1. August 2022 – Rn. 18; Weber, in: BeckOK SozR, 71. Ed. 1. Dezember 2023, SGB X § 13 Rn. 8.1). 

Die Belehrung ist im hiesigen Zusammenhang also nicht ausdrücklich gesetzlich vorgegeben, sondern beruht auf den Anforderungen an ein faires und damit rechtsstaatliches Sozialverwaltungsverfahren und den sich daraus ergebenden Aufklärungs- und Hinweispflichten der Sozialleistungsträger. Dementsprechend handelt es sich – anders als bei einer als solcher gesetzlich vorgeschriebenen Rechtsfolgen- oder Rechtsbehelfsbelehrung – nicht um ein formales Erfordernis, bei dem die Rechtsfolgen einer unzureichenden Belehrung unabhängig von den beim Adressaten vorhandenen Kenntnissen und damit unabhängig von der Ursächlichkeit der unzureichenden Belehrung für das nachfolgende Verhalten eintreten. Vielmehr führen ungenaue Hinweise auf die Konsequenzen, die es hat, wenn ein ausreichender Vollmachtsnachweis nicht vorgelegt wird, nur dann zur Rechtswidrigkeit der Verwerfung, wenn der Adressat der Aufforderung das von ihm verlangte Verhalten und/oder die drohenden Konsequenzen gerade wegen dieser Mangelhaftigkeit nicht erkannt hat. Vor allem ist aus diesem Grunde der notwendige Inhalt der Belehrung Differenzierungen zugänglich, etwa danach, ob es sich um einen rechtsunkundigen Vertreter oder – wie hier – um einen Rechtsanwalt beziehungsweise eine Rechtsanwaltsgesellschaft handelt.

Ausgehend von diesen Maßstäben stehen die ungenauen Hinweise des Beklagten vorliegend einer wirksamen Verwerfung nicht entgegen. Zwar fehlt eine ausdrückliche Belehrung über die beabsichtigte Verwerfung als unzulässig. Nachdem der Beklagte aber in engem zeitlichen Zusammenhang mit der hier streitigen Entscheidung bereits mehrere Widersprüche des Klägers, die von der auch im hiesigen Verfahren beteiligten Rechtsanwaltsgesellschaft eingelegt worden waren, als unzulässig verworfen hatte, sieht der Senat die Anforderung einer Vertretungsvollmacht (und nicht eines darauf bezogenen Nachweises) und den Hinweis des Beklagten, er beabsichtige, nach Fristablauf „nach Aktenlage“ zu entscheiden, im konkreten Einzelfall als unschädlich an: Für die professionell rechtskundige Bevollmächtigte musste danach und vor dem Hintergrund der vorangegangenen Verwerfungsentscheidungen ohne Weiteres erkennbar sein, dass diese Aktenlage ohne Einreichung eines Originalschriftstücks eben keinen ausreichenden Vollmachtsnachweis im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X enthielt und die in diesem Falle zu erwartende Entscheidung daher eine Verwerfung als unzulässig sein musste.

Auch ist die Entscheidung des Beklagten nicht wegen unzureichender Ermessensausübung rechtswidrig. Zwar besteht insoweit in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit, dass es sich bei der Entscheidung der Behörde, ob sie auf der Grundlage von § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X einen schriftlichen Vollmachtsnachweis anfordert, um eine Ermessensentscheidung handelt (vgl. nur BSG, Urteil vom 15. Oktober 1982 – 5b/5 RJ 90/80, BSGE 52, 245, 248; Roller, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 13 Rn. 6a). Die Anforderung ist jedoch nicht als Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X zu qualifizieren, so dass die in diesem Falle für die Kontrolle der Ermessensausübung maßgeblichen Regeln insbesondere zur Begründung des Ermessens nicht zur Anwendung kommen.

Vielmehr handelt es sich um einen Fall sogenannten Verfahrensermessens der Behörde, das vom Gericht nur dahin zu prüfen ist, ob seine gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, und bei dem eine Begründung, wenn überhaupt, jedenfalls dann nicht zu verlangen ist, wenn die für die Anforderung maßgeblichen Gesichtspunkte auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalles hinreichend klar erkennbar sind (vgl. ähnlich bzw. ein Begründungserfordernis ganz verneinend: z.B. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013 – L 3 AS 98/13, BeckRS 2013, 204761, Rn. 15; Bühs, NZS 2017, 169, 171; Roller, in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 13 Rn. 6a; anders dagg.: Sächs. LSG, Beschluss vom 5. Juni 2015 – L 3 AL 150/13 B PKH, BeckRS 2016, 72453, Rn. 15 ff.; offen: Prehn, in: Diering/Timme/Stähler, LPK-SGB X, 6. Auflage 2022, § 13 Rn. 8). 

Am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzung für das Verlangen, nicht nur überhaupt einen schriftlichen Vollmachtsnachweis, sondern – ausnahmsweise – die Vorlage des zum Nachweis dienenden Schriftstücks im Original zu verlangen, hat der Senat mit dem Sozialgericht keine Zweifel. Sie ergaben sich namentlich daraus, dass die Bevollmächtigte im hiesigen Verfahren eine Vollmacht vorgelegt hatte, die auf den 11. Januar 2019 datiert ist (und einen (Eingangs-?)Stempel vom 17. Januar 2019 trägt). Da sie dennoch in den vorangegangenen, im Februar 2019 beschiedenen Widerspruchsverfahren nicht vorgelegt worden war, obwohl die anwaltlichen Bevollmächtigten damit rechnen mussten, dass die dortigen Widersprüche aus diesem Grund als unzulässig verworfen werden, bestand nachvollziehbarer Anlass für eine genaue Prüfung des Vollmachtsnachweises, ohne dass der rechtskundigen Bevollmächtigten die Gründe hierfür im Einzelnen hätten dargelegt werden müssen. Dies gilt nur umso mehr, als diese auf das Anforderungsschreiben nicht reagiert und also einen Begründungsbedarf nicht zu erkennen gegeben hat.

Nach allem hat der Beklagte den Widerspruch gegen den streitigen Bescheid zu Recht als unzulässig behandelt, so dass dieser in der Sache vom Senat nicht zu prüfen ist. 

Auch eine nachträgliche Heilung im gerichtlichen Verfahren ist nicht mehr möglich. Nach der rechtmäßigen Verwerfung des Widerspruches wegen fehlender Vollmacht kann dieser Mangel nicht rückwirkend durch die Vorlage einer nunmehr erteilten Vollmachtsurkunde (und die darin liegende Genehmigung der bisherigen Verfahrensführung) oder auch eines Nachweises über eine bereits zuvor bestehende Vollmacht geheilt werden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juni 2021 – L 19 AS 2551/17, BeckRS 2021, 34725; Roller SGb 2023, 100, 104; ders., in: Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 13 Rn. 12; zur Vorlage einer Vollmacht im gerichtlichen Verfahren nach Abschluss einer Instanz und vorheriger, ergebnisloser Fristsetzung zur Vorlage einer Vollmacht: Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 17. April 1984 – GmS-OGB 2/83, B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/B. Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 73 Rn. 66 m.w.N.). Jedenfalls der Abschluss des Verfahrens vor der Verwaltung durch die Erteilung des Widerspruchsbescheides bildet insoweit eine Zäsur: Ein erst danach vorgelegter Nachweis vermag der im Entscheidungszeitpunkt rechtmäßigen Verwerfung nicht mehr die Grundlage zu entziehen, auch wenn es „nur“ um den Nachweis der Vollmacht geht.

Der Senat hatte daher keinen Anlass, die Klägerseite im gerichtlichen Verfahren zur nachträglichen Vorlage des Vollmachtsnachweises im Original aufzufordern.

IV. Die im Ermessen des Senats stehende Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Ein Grund, den Beklagten in diesem Rahmen trotz des vollständigen Unterliegens des Klägers zu einer auch nur teilweisen Übernahme von dessen Kosten zu verpflichten, ist nicht ersichtlich.

V. Die Zulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG und den Gründen, auf die sich der Senat bei der Zulassung der Berufung durch den Beschluss vom 10. Januar 2024 – auf den ergänzend Bezug genommen wird – gestützt hat.
 

Rechtskraft
Aus
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