L 1 U 1380/19

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Altenburg (FST)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 6 U 1012/16
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 1380/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

§ 8 SGB VII, § 295 SGB V

Gesetzliche Unfallversicherung - Arbeitsunfall - psychischer Gesundheitsschaden, - haftungsbegründende Kausalität - Verschiebung der Wesensgrundlage, rechtliche Wesentlichkeit für den fortbestehenden Gesundheitsschaden- überholende Ursachenkette- Anwendbarkeit ICD 11

1. Zu den Voraussetzungen für die Annahme einer Verschiebung der Wesensgrundlage bei einer Angst und depressiven Störung gemischt (ICD-10: F41.2).

2. Der ICD-11 ist zwar international schon seit Januar 2022 gültig, aber für den deutschen Sprachraum liegt noch keine valide Übersetzung vor.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 16. Oktober 2019 insoweit aufgehoben, als als Folge des Arbeitsunfalles vom 26. August 2015 eine Anpassungsstörung mit einer längeren depressiven Reaktion anerkannt und festgestellt worden ist, dass unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis 30. Juni 2016 bestand und die MdE bis 31. Juli 2016 40 Prozent und darüber hinaus 20 Prozent beträgt.

Unter insoweitiger Zurückweisung der Berufung der Beklagten im Übrigen wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 16. Oktober 2019 wie folgt neu gefasst:

Der Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2016 wird dahingehend abgeändert, dass als Folge des Arbeitsunfalles vom 26. August 2015 eine Anpassungsstörung mit Angst und depressive Reaktion gemischt (ICD-10: F43.22) anerkannt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat in beiden Rechtszügen 20 % der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, welche Gesundheitsstörungen Folge des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalles vom 26. August 2015 sind und wie lange deshalb bei der Klägerin Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bestanden.

Die 1953 geborene Klägerin war zum Zeitpunkt des Ereignisses am 26. August 2015 als Lehrerin an der M-Schule in A tätig. An diesem Tag unterrichtete sie eine achte Klasse und wurde von einem Schüler verbal bedroht. Laut Unfallanzeige der Schule wandte sich der Schüler zielgerichtet an die Klägerin und kündigte an, dass „diese Stunde ihre letzte gewesen sein werde“. In ihrer Zeugenvernehmung bei der Polizeiinspektion A vom 27. August 2015 führte die Klägerin aus, dass der Schüler sie gegen 12:15 Uhr angeschaut und gegenüber der Klasse laut gesagt habe: „Dies wird die letzte Stunde bei der gewesen sein“. Nach dem Vorfall suchte die Klägerin umgehend ihre Hausärztin auf, welche bis 13. September 2015 Arbeitsunfähigkeit bescheinigte. Die am gleichen Tag aufgesuchte Durchgangsärztin diagnostizierte eine akute Belastungsreaktion (ICD-10: F43.0) und veranlasste eine psychologische Betreuung im Klinikum B1. Am 8. September 2015 erfolgte eine Vorstellung in der dortigen psychotraumatologischen Ambulanz. Ausweislich des Befundberichts war eine Krisenintervention angezeigt. Hingewiesen wurde auf den kumulierenden Einfluss durch vorangegangene Ereignisse sowie ein Kränkungserleben durch die Reaktionsweise des Arbeitsumfeldes sowie eine generell verminderte Stressreagibilität. Diagnostiziert wurde eine Anpassungsstörung nach ICD-10: F43.23. Arbeitsunfähigkeit wurde bescheinigt. Ausweislich eines weiteren Befundberichts der psychotraumatologischen Ambulanz vom 27. Oktober 2015 zeigte sich im häuslichen Umfeld eine zunehmende Stabilisierung. Beschrieben wurde eine mehrjährige und grundsätzlich verfestigte Konfliktlage im Kontext mit der beruflichen Tätigkeit in der Schule. Das Schadensereignis selbst wurde hinsichtlich des noch resultierenden Störungsbildes nicht mehr als vordergründig angesehen. Die weitere Behandlung solle zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgen. Daraufhin beendete die Durchgangsärztin am selben Tage die Behandlung zu Lasten der Berufsgenossenschaft und bescheinigte Arbeitsfähigkeit ab 28. Oktober 2015. Vom 17. Februar bis 6. April 2016 erfolgte eine Reha-Maßnahme zu Lasten der gesetzlichen Rentenversicherung im Klinikum S. Ausweislich des Entlassungsberichts wurde u.a. eine Anpassungsstörung nach Bedrohung durch Schüler (ICD-10: F43.2) diagnostiziert.

Durch Bescheid vom 15. Januar 2016 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 26. August 2015 als Arbeitsunfall mit der Folge einer vorübergehenden Anpassungsstörung, welche folgenlos ausgeheilt sei, an. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis 20. Oktober 2015 und unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit bis 27. Oktober 2015 bestanden. Ausdrücklich festgestellt wurde, dass eine Angst und depressive Störung gemischt (ICD-10: F41.2) nicht Folge des Arbeitsunfalles sei. Für die darüber hinaus behandelten psychischen Beschwerden werde eine Entschädigung nicht gewährt, weil die damit zusammenhängende Behandlung nicht unfallbedingt erforderlich gewesen sei. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die anhaltenden psychischen Beschwerden nunmehr durch unfallunabhängige Faktoren aufrechterhalten würden. Hiergegen legte die Klägerin am 12. Februar 2016 Widerspruch ein. In einer beratungspsychologischen Stellungnahme vom 11. Februar 2016 teilte U mit, dass eine vorübergehende Anpassungsstörung anerkennungsfähig sei. Eine Störung im Sinne einer Angst und Depression gemischt sei unfallunabhängig. Die unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit habe am 20. Oktober 2015 geendet. Eine Arbeitsunfähigkeit über diesen Zeitraum hinaus bestehe nicht. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 13. April 2016 zurück. Die Bedrohung durch den Schüler habe eine vorübergehende Anpassungsstörung verursacht. Im Verlauf der probatorischen Sitzungen habe die Klägerin Abstand von diesem Geschehen gewinnen können. Ansonsten bestehe eine mehrjährige und grundsätzlich verfestigte Konfliktlage bezogen auf den Arbeitskontext. Die Weiterbehandlung der psychischen Probleme habe zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erfolgen.

Hiergegen hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Altenburg erhoben. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Facharztes für Psychiatrie J vom 16. August 2016 beigezogen. Darin diagnostiziert dieser Angst und eine depressive Reaktion auf Bedrohung durch einen Schüler mit Übergang in eine Anpassungsstörung. Berichtet wird von beruflichen Belastungen durch Mobbing seitens einer Kollegin. Nach wie vor bestehe eine große Furcht hinsichtlich der Rückkehr an den Arbeitsplatz. Das Sozialgericht hat ein psychiatrisches Gutachten von D vom 28. Juni 2017 eingeholt. Bei der Klägerin liege eine Angst und Depression gemischt (ICD-10: F41.2) vor. Eine akute Belastungsreaktion habe bei der Klägerin, mangels Vorliegens des erforderlichen Kriteriums einer nur vorübergehenden Belastung, nicht vorgelegen. Die Belastung in Form der Bedrohung durch den Schüler sei zwar vorübergehend gewesen, ein Abklingen der Symptome bei der Klägerin sei jedoch zu verneinen. Eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F43.1) liege ebenfalls nicht vor. Mit Ausnahme des Kriteriums A seien alle weiteren Kriterien nicht erfüllt. Hingegen sei bei der Klägerin nach dem Unfallereignis eine Anpassungsstörung mit einer längeren depressiven Reaktion (ICD-10: F43.21) zu diagnostizieren. Eine Persönlichkeitsstörung sei zu verneinen. Die psychischen Erkrankungen im Fall der Klägerin seien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen. Bezüglich psychiatrischer Erkrankungen lägen keine ärztlichen Unterlagen vor dem Unfallereignis vor. Soweit die Beklagte davon ausgehe, dass die psychischen Beschwerden der Klägerin durch unfallunabhängige Faktoren aufrechterhalten bzw. verursacht würden, wie eine vorbestehende berufliche Überlastung bzw. Konflikte am Arbeitsplatz, ergebe sich aus der Aktenlage keine dokumentierte Auffälligkeit auf fachspezifischem Gebiet. Eine Arbeitsunfähigkeit daraus habe nicht resultiert. Die Annahme weiterer Ursachen für die Gesundheitsstörungen nach dem Unfallereignis bewegten sich nur auf der Vermutungsebene. Daher seien sowohl die Diagnose Angst und Depression gemischt als auch Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion als Folge des Unfallereignisses vom 26. August 2015 einzuordnen. Für einen Unfallzusammenhang spreche, dass die Klägerin vor dem Ereignis nicht, aber nach dem Ereignis regelmäßig in fachspezifischer Behandlung gewesen sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit 60 v. H. zu bewerten. Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe Ende Juni 2016 geendet. Ab August 2016 sei die MdE mit 30 bis 40 v. H. einzuschätzen. Diesen Feststellungen hat der Beratungsarzt der Beklagten M in einer Stellungnahme vom 13. Juli 2017 widersprochen. D zitiere die Versorgungsmedizinverordnung, welche nur im Schwerbehindertenrecht anwendbar sei. Die Diagnose Angst und depressive Störung gemischt (ICD-10: F41.2) sei nachvollziehbar. Für die Begründung des Kausalzusammenhangs reiche es nicht aus, auf eine fehlende psychiatrische Behandlung oder eine fehlende Attestierung von Arbeitsunfähigkeit vor dem Unfallereignis hinzuweisen. Die Diagnose sei im Kontext des ICD-10 bereits formal als unfallunabhängige Erkrankung anzusehen. Angststörungen seien stets multifaktoriell bedingt. Eine dauerhafte MdE könne nicht begründet werden. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 3. August 2017 hat D an seinen Feststellungen festgehalten. Die Klägerin sei durch die beteiligte Psychologin nur vorbereitend exploriert worden. Nach einer Pause sei die endgültige Anamneseerhebung und Erstellung eines psychischen Befundes durch ihn selbst erfolgt. Anschließend seien ausführliche Besprechungen mit seiner Hilfskraft erfolgt, in denen die erhobene Anamnese besprochen worden sei. Festzuhalten sei nach wie vor, dass medizinische Befunde vor dem Unfallereignis der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet nicht vorlägen. Eine psychische Belastung könne mit einer psychischen Erkrankung nicht gleichgesetzt werden. In einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme vom 4. September 2017 führt M aus, das Fehlen ärztlicher Berichte für die Zeit vor dem Arbeitsunfall zeige lediglich, dass nach dem Unfallereignis umfassendere Daten zur Beurteilung des Sachverhalts erhoben worden seien. Die unfallunabhängigen Konfliktbereiche seien in den probatorischen Sitzungen erwähnt und daher keinesfalls spekulativ. Anschließend hat das Sozialgericht den ärztlichen Entlassungsbericht des Klinikums S vom 31. August 2016 und weitere Befundberichte beigezogen.

Durch Urteil vom 16. Oktober 2019 hat das Sozialgericht Altenburg den Bescheid vom 15. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2016 abgeändert und festgestellt, dass unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis 30. Juni 2016 bestand, dass die von der Beklagten festgestellte Anpassungsstörung mit einer längeren depressiven Reaktion verbunden war, dass ab 1. Juli 2016 eine Angst und Depression, gemischt besteht und die MdE bis 31. Juli 2016 40 Prozent und darüber hinaus 20 Prozent beträgt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage teilweise begründet sei. Die vom Sachverständigen D festgestellte Erkrankung Angst und depressive Störung gemischt (ICD-10: F41.2) sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis vom 26. August 2015 zurückzuführen. Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den unmittelbar danach aufgetretenen fortbestehenden Erkrankungsbildern sei offenkundig. Konkurrenzursachen für diese Erkrankungen hätten sich nicht nachweisen lassen. Konfliktsituationen im beruflichen Umfeld hätten nicht eine ähnlich beeinträchtigende Wirkung wie das Unfallereignis gehabt. Insbesondere gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin deshalb an einer psychischen Erkrankung gelitten habe. Die mehrmonatige Arbeitsunfähigkeit wegen einer Schwindelerkrankung sei dem hals-, nasen-, ohrenärztlichen Fachgebiet zuzuordnen. Daher sei die bis zum 30. Juni 2016 attestierte Arbeitsunfähigkeit auf die Folgen des Arbeitsunfalles zurückzuführen. Die MdE sei bis 31. Juli 2016 mit 40 v. H. und darüber hinaus mit 20 v. H. einzuschätzen. Darüber hinaus sei die Klage abzuweisen gewesen, weil die Voraussetzungen einer höheren MdE nicht vorlägen. Weitere Erkrankungen seien nicht feststellbar. Insbesondere liege keine posttraumatische Belastungsstörung vor.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Das Urteil des Gerichts sei in sich widersprüchlich. Bei der Klägerin sei eine Anpassungsstörung (ICD-10: F43.2) festgestellt worden. Bereits nach ihrer inhaltlichen Definition handele es sich dabei um ein kurz andauerndes Störungsbild. In einer psychotherapeutischen Sitzung vom 27. Oktober 2015 sei eine Entaktualisierung des Störungsbildes festgestellt worden. Hinsichtlich der Diagnose einer Angst und depressiven Störung gemischt (ICD-10: F41.2) erschließe sich nicht, warum diese Erkrankung mit einer Latenz von mehr als zehn Monaten auf den Arbeitsunfall vom 26. August 2015 zurückzuführen sein solle. Erkrankungen mit der ICD-Kodierung F43 (Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen) würden in der Regel multikausal hervorgerufen. Aus den vorliegenden Behandlungsunterlagen ergebe sich, dass allein die Anpassungsstörung rechtlich wesentlich durch den Arbeitsunfall verursacht worden sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 16. Oktober 2019 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Gutachten des Sachverständigen D sei in sich schlüssig und nachvollziehbar. Bei der Anpassungsstörung müsse es sich nicht um ein kurz andauerndes Störungsbild handeln. Soweit die Beklagte behaupte, dass die Klägerin schon vorbelastet gewesen sei, berücksichtige sie nicht, dass eine Vorbelastung nicht automatisch mit einer psychischen Erkrankung einhergehe. Die Kausalität einer psychischen Erkrankung werde dadurch nicht ausgeschlossen. Soweit aus dem Befundbericht der Psychiaterin B2 vom 3. April 2020 die Schlussfolgerung gezogen werde, dass die von der Klägerin beklagten psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht wesentlich durch den Arbeitsunfall verursacht worden seien (u. a. Bezugnahme auf Probleme im Zusammenhang mit dem Kontakt mit dem Finanzamt), sei dem zu widersprechen. Die Einlegung einer Anschlussberufung bleibe vorbehalten.

Der Senat hat den Facharzt für Psychiatrie H mit der Erstellung eines psychiatrischen Zusammenhangsgutachtens beauftragt. Dieser diagnostiziert in seinem Gutachten vom 30. November 2022 direkt nach dem Unfallereignis bei der Klägerin eine Anpassungsstörung mit gemischter Reaktion aus Angst und Depression nach ICD-10: F43.22. Diese schädigungsbedingte Anpassungsstörung habe sich jedoch in der Folge zurückgebildet und sei zumindest seit Dezember 2018 abgeklungen. Aktuell leide die Klägerin unter einer Angst und depressiven Störung gemischt nach ICD-10: F 41.2. Diese Störung sei nicht durch das Ereignis vom 26. August 2015 verursacht worden. Soweit D einen Ursachenzusammenhang bejahe mit der Begründung, dass vorbestehende psychische Gesundheitsstörungen bei der Klägerin nicht vorgelegen hätten, reiche dies für die Begründung einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht aus. Viele Menschen litten unter psychischen depressiven und/oder Angststörungen, ohne therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen und suchten weder einen Therapeuten noch Psychiater auf. Gegen einen Zusammenhang mit dem Unfallereignis spreche entscheidend, dass die jetzige Angst und depressive Störung unfallunabhängig sei. Zuletzt sei im Jahr 2018 durch einen Vorfall im Zusammenhang mit dem Finanzamt eine Krise bei der Klägerin ausgelöst worden. Zwischen diesem krisenauslösenden Trigger und dem Unfallereignis bestehe ersichtlich kein Zusammenhang. Die Anpassungsstörung sei eine ereignisreaktive Störung und könne den Betroffenen anfällig machen für Ereignisse, die in einem direkten Zusammenhang mit dem auslösenden Ereignis stehen. Wenn aber die Symptome auch in anderen Zusammenhängen, wie hier mit dem Finanzamt, aufträten, so könne man sicher sein, dass diese nichts mehr mit dem ursprünglichen Schadensereignis zu tun hätten. Dies sei der klassische Fall einer Verschiebung der Wesensgrundlage. Möglicherweise komme auch eine hirnorganische Ursache in Form einer cerebralen Mikroangiopathie als Ursache für die Anpassungsstörung in Frage. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis 30. April 2016 bestanden. Die MdE sei bis April 2016 mit 30 v. H., bis August 2016 mit 20 v. H. und ab September 2016 bis November 2018 mit 10 v. H. und danach im nicht mehr messbaren Bereich zu beziffern.

Der Beratungsarzt der Beklagten M hat in einer Stellungnahme vom 16. Januar 2023 den Feststellungen des Sachverständigen H bezüglich der vorliegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen und der Kausalitätsproblematik zugestimmt. Arbeitsunfähigkeit könne allerdings nur bis zum Ende der probatorischen Sitzung am 27. Oktober 2015 festgestellt werden. Die MdE sei für die Dauer der Anpassungsstörung mit 20 v. H. einzuschätzen. Der Einschätzung der MdE in Höhe von 30 v. H. durch H könne nicht gefolgt werden. Die Konfliktlage mit der Schulleitung erfülle nicht die Kriterien eines Arbeitsunfalles.

Die Klägerin ist den Feststellungen des Sachverständigen H entgegengetreten. Sein Gutachten genüge nicht den Anforderungen, die das Bundessozialgericht an psychiatrische Zusammenhangsgutachten stelle. Es beruhe weder auf dem aktuellsten Stand des ICD-10 bzw. des DSM-V noch auf den Begutachtungsleitlinien der AWMF. Seinem Gutachten könne bereits nicht entnommen werden, auf welcher Methode der psychiatrische Teil der Begutachtung beruhe. Der Stand der ICD-10-Kodierung werde nicht angegeben. Angaben zum körperlichen Untersuchungsbefund fänden sich nicht. Ziffer 7.6 der AWMF-Leitlinie bezüglich der Kausalitätsbeurteilung werde nicht beachtet. Die beratungsfachärztliche Stellungnahme von M dürfe nicht verwertet werden. Dieser kenne die Klägerin nicht und könne sie gar nicht beurteilen.

Den mit demselben Schriftsatz gestellten Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen H wegen Besorgnis der Befangenheit hat der Senat durch Beschluss vom 11. April 2023 abgelehnt.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 5. Juni 2023 hat H ausgeführt, dass sein Sachverständigengutachten der AWMF-Leitlinie in vollem Umfang gerecht werde. Psychometrische Testverfahren könnten allenfalls als Ergänzung zur klinischen Untersuchung Anwendung finden. Die ICD-Kodierung habe entsprechend des ICD-10 stattgefunden. Hinsichtlich des ICD-11 liege für den deutschen Sprachraum noch keine valide Übersetzung vor. Für einen Übergangszeitraum von fünf Jahren seien international beide Systeme gültig. Bezüglich der Feststellungen des vorherigen Sachverständigen D bestehe Einigkeit bezüglich der Diagnosen, nur hinsichtlich der Kausalitätsbeurteilung bestünden Unterschiede. Soweit er konkurrierende Ursachen aus der Vergangenheit berücksichtigt habe, sei dies Aufgabe eines Zusammenhangsgutachtens. Soweit er im Fall der Klägerin von einer Form der Aggravation ausgegangen sei, müsse dies in der Beschwerdevalidierung und Plausibilitätsbeurteilung Berücksichtigung finden.

Die Klägerin ist nach wie vor der Auffassung, dass H den Anforderungen des BSG an ein psychiatrisches Gutachten nicht genüge. Sein Gutachten sei nicht entsprechend gegliedert. Testverfahren seien nicht zum Einsatz gekommen. Es sei nach wie vor von einem Verstoß gegen Ziffer 7.6 der AWMF-Leitlinie auszugehen. Seine Kausalitätsbeurteilungen seien nicht im Ansatz überzeugend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>) und hat überwiegend Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2016 ist nur insoweit rechtswidrig, als die Beklagte die Unfallfolgen aus dem Ereignis vom 26. August 2015 nicht korrekt bezeichnet hat. Die Beklagte hat in dem angegriffenen Bescheid das Ereignis vom 26. August 2015 als Arbeitsunfall mit der Folge einer vorübergehenden Anpassungsstörung (folgenlos ausgeheilt) anerkannt. Die Klägerin hat Anspruch auf Anerkennung einer Anpassungsstörung mit Angst und depressive Reaktion gemischt (ICD-10: F43.22) als Unfallfolge. Soweit das Sozialgericht in seinem Urteil vom 16. Oktober 2019 darüber hinaus eine Anpassungsstörung mit einer längeren depressiven Reaktion und ab 1. Juli 2016 eine Angst und Depression gemischt als weitere Unfallfolge anerkannt, unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis 30. Juni 2016 festgestellt und die MdE bis 31. Juli 2016 auf 40 v. H. und darüber hinaus auf 20 v. H. festgesetzt hat, hat die Berufung hingegen Erfolg.

Richtige Klageart für die Feststellung weiterer Unfallfolgen ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG.

Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es unterschiedliche Beweisanforderungen. Für die äußerlich fassbaren und feststellbaren Voraussetzungen „versicherte Tätigkeit“, „Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses“, „Unfallereignis“ und „Gesundheitsschaden“ wird eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gefordert, die vorliegt, wenn kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt (Vollbeweis). Vermutungen, Annahmen, Hypothesen und sonstige Unterstellungen reichen daher ebenso wenig aus wie eine (möglicherweise hohe) Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit wird von der ständigen Rechtsprechung für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie dem Gesundheitserstschaden und der Unfallfolge im Sinne eines länger andauernden Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) für ausreichend erachtet (vgl. BSG, Urteil vom 20. März 2007, B 2 U 27/06 R). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark überwiegen, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 31. Januar 2012, B 2 U 2/11 R; BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R). Dabei hat die Prüfung getrennt nach 2 Stufen, nämlich zunächst auf einer naturwissenschaftlich-medizinischen und anschließend auf einer rechtlichen Ebene zu erfolgen. Ist auf der ersten Stufe der notwendige naturwissenschaftlich-medizinische Zusammenhang gesichert, hat auf der zweiten Stufe eine Prüfung der rechtlichen Wesentlichkeit zu erfolgen (Spellbrink, Die Aufgabenverteilung zwischen (medizinischem) Sachverständigen und Richter bei der Kausalitätsprüfung im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, MEDSACH 2017, 51-56). Welche Ursache im Einzelfall rechtlich wesentlich ist und welche nicht, muss nach der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs vom Rechtsanwender (Juristen) wertend entschieden werden (BSG, Urteil vom 30. März 2017, B 2 U 6/15 R, BSGE 123, 24-35; BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R, zitiert nach juris). Die Wesentlichkeit einer (Mit-)Ursache ist eine reine Rechtsfrage, die sich nach dem Schutzzweck der Norm beantwortet. Die rechtliche Wesentlichkeit ist zu bejahen, wenn die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr ist. Eine Rechtsvermutung dafür, dass die versicherte Einwirkung wegen ihrer objektiven Mitverursachung der Erkrankung auch rechtlich wesentlich war, besteht nicht. Die Wesentlichkeit ist vielmehr zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks des jeweils begründeten Versicherungstatbestandes zu beurteilen (vgl. Spellbrink, jurisPR-SozR 5/2022 Anm. 2).

Ausgehend hiervon steht zur Überzeugung des Senats fest, dass über die durch Bescheid vom 15. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2016 festgestellten Unfallfolgen aus dem Ereignis vom 26. August 2015 hinaus als Unfallfolge eine Anpassungsstörung mit Angst und depressive Reaktion gemischt (ICD-10: F43.22) festzustellen ist. Die von der Beklagten festgestellte vorübergehende Anpassungsstörung (folgenlos ausgeheilt) bildet die Unfallfolgen nicht hinreichend ab. Die von der Klägerin als weitere Unfallfolge geltend gemachte Anpassungsstörung mit Angst und depressive Reaktion gemischt (ICD-10: F43.22) ist vollbeweislich gesichert und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen.

Dass bei der Klägerin unmittelbar nach dem Unfallereignis vom 26. August 2015 eine Anpassungsstörung mit Angst und depressive Reaktion gemischt (ICD-10: F43.22) vorlag, ist nach den Ausführungen des Sachverständigen H in seinem Gutachten in Verbindung mit den zeitnah erhobenen Befunden gesichert. Soweit der erstinstanzliche Sachverständige D in seinem Gutachten vom 28. Juni 2017 bei der Klägerin unmittelbar nach dem Unfallereignis eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion (ICD-10: F43.21) annimmt, überzeugt dies nicht. Zu folgen ist nach Überzeugung des Senats den Ausführungen des Sachverständigen H in seinem Gutachten vom 30. November 2022. Dort wird unmittelbar nach dem Arbeitsunfall bei der Klägerin eine Angst und depressive Reaktion gemischt (ICD-10: F43.22) diagnostiziert. Dies steht im Einklang mit den erhobenen Befunden unmittelbar nach dem Unfallereignis vom 26. August 2015. Aus diesen Befunden ergibt sich, dass bei der Klägerin unmittelbar nach dem Unfallereignis sowohl Angst als auch depressive Symptome vorhanden waren. Dies wird von der Definition des ICD-10: F43.22 für die Diagnose vorausgesetzt. So führt der psychologische Behandlungsbericht des Klinikums Bergmannstrost vom 27. Oktober 2015 ausdrücklich aus, dass bei der Klägerin depressiv anmutende Befindlichkeitsstörungen zu sichern waren. Diese Anpassungsstörung mit Angst und depressive Reaktion gemischt kann auch mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückgeführt werden. Ausweislich des Sachverständigengutachtens von H vom 30. November 2022 ist die Störung in zumindest zwei ursächlichen Faktoren begründet, nämlich zum einen in der als lebensbedrohlich empfundenen Drohung des Schülers und zum anderen in der Verhaltensweise der Schulleitung. Insoweit führt der Sachverständige H nachvollziehbar aus, dass Auslöser der depressiven Erschöpfungssymptomatik mit ängstlicher Symptomatik die akute Bedrohung durch den Schüler sowie die subjektiv fehlende Unterstützung seitens der Schulleitung waren. Damit ist sowohl der erforderliche notwendige naturwissenschaftlich-medizinische Zusammenhang zwischen der Bedrohung durch den Schüler und der Erkrankung der Klägerin gesichert, als auch die rechtliche Wesentlichkeit der versicherten Ursache zu bejahen. Auch unter Berücksichtigung der nicht versicherten Ursache (nämlich des Verhaltens der Schulleitung) ist die Bedrohung durch den Schüler im Rechtssinne als wesentlicher Verursachungsbeitrag anzusehen.

Für die Frage der Anerkennung weiterer Unfallfolgen ist es unerheblich, ob es im Hinblick auf die bei der Klägerin nach dem Unfallereignis vorhandene Angst und depressive Reaktion gemischt zu einer sogenannten Verschiebung der Wesensgrundlage gekommen ist. Dies ändert nichts daran, dass die Klägerin zunächst einen Anspruch auf Feststellung der entsprechenden Unfallfolge hat. Der Vollständigkeit halber weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Beklagte nicht berechtigt war, in ihrem Bescheid vom 15. Januar 2016 den entsprechenden Gesundheitsschaden im Rahmen der Feststellung der Unfallfolgen als „folgenlos ausgeheilt“ einschränkend festzustellen. Denn Folgen wie Funktionseinschränkungen eines Gesundheits(erst)schadens sind nur im Rahmen der MdE mit der möglichen Folge einer Verletztenrente zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 2019, L 1 U 1530/17, zitiert nach juris).

Weitere Unfallfolgen, insbesondere auf psychiatrischem Fachgebiet, können hingegen nicht festgestellt werden. Eine posttraumatische Belastungsstörung durch das Ereignis vom 26. August 2015 kann bereits deshalb nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückgeführt werden, weil ihr Vorliegen nicht vollbeweislich gesichert ist. D führt insoweit in seinem Gutachten vom 28. Juni 2017 aus, dass hierfür die Kriterien nach den ICD-10 Kapitel F43.1 mit Ausnahme des Kriteriums A nicht erfüllt sind. Auch H verneint in seinem Gutachten vom 30. November 2022 das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Nach seinen Ausführungen ist das Ereigniskriterium A entsprechend den ICD-10, ICD-11 als auch DSM-5 erfüllt. Die weiteren Kriterien sind jedoch nicht gegeben. Ebenso verneint D in seinem Gutachten das Vorliegen einer akuten Belastungsreaktion bei der Klägerin, weil das entscheidende zeitliche Kriterium D nicht erfüllt ist. Dieses Kriterium scheidet aus, weil ein Abklingen der Symptome nach acht Stunden ausdrücklich zu verneinen ist. Dies steht im Einklang mit den unmittelbar nach dem Unfallereignis stattgefundenen Behandlungen.

Die vollbeweislich gesichert vorliegende Angst und Depression gemischt (ICD-10: F41.2) kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückgeführt werden. Sowohl D in seinem Gutachten vom 28. Juni 2017 als auch H legen im Einzelnen dar, dass bei der Klägerin eine solche Erkrankung aktuell vorliegt. D führt in seinem Gutachten vom 28. Juni 2017 zur Begründung des von ihm angenommenen Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis vom 26. August 2015 und der nunmehr vorliegenden Angst und Depression gemischt (ICD-10: F41.2) aus, dass sich in der Aktenlage keine fachspezifischen Befunde für die Zeit vor dem Unfallereignis finden lassen würden. Es habe weder eine stationäre noch eine teilstationäre Behandlung oder sonstige Klinikaufenthalte in diesem Zusammenhang gegeben. Eine halbjährige Krankschreibung habe ihren Grund ausschließlich in einem festgestellten Schwindel gehabt. Daraus zieht D den Schluss, dass dem Unfallereignis eine überragende Bedeutung für die Verursachung der aktuell bei der Klägerin vorliegenden Erkrankung zukomme. Dies ist mit Beweisgrundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht vereinbar. Darüber hinaus setzt sich D nicht ausreichend damit auseinander, dass die von ihm zunächst diagnostizierte Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion sich in eine Angst und depressive Störung gemischt umgewandelt hat. Insoweit ergibt sich aus den Ausführungen des Sachverständigen H in seinem Gutachten vom 30. November 2022, dass die diagnostizierte Anpassungsstörung mit gemischter Reaktion aus Angst und Depression nach F43.22 nach den Vorgaben des ICD-10 in der Regel nicht über sechs Monate hinausreicht. Dies wird bestätigt durch den Entlassungsbericht der Rehaklinik S vom April 2016. Ausweislich dessen sah diese die Voraussetzungen für eine Wiedereingliederung der Klägerin an ihrem Arbeitsplatz als erfüllt an. Dass dies in dieser Form nicht zustande gekommen ist, hat andere insbesondere innerschulische Gründe. Daraus und aus weiter vorliegenden Befundberichten zieht H nachvollziehbar den Schluss, dass die schädigungsbedingte Anpassungsstörung insoweit remittiert war. Er sieht die Voraussetzung einer Verschiebung der Wesensgrundlage als gegeben an. Eine Verschiebung der Wesensgrundlage beinhaltet einen Wechsel der Ursache für nach wie vor bestehende Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund eines neuen oder vorbestehenden Gesundheitsschadens der unverändert gebliebenen Krankheitserscheinungen. Dies erfordert den Nachweis, dass die alte, früher bestehende Ursache für die Anpassungsstörung als wesentlicher Faktor weggefallen und dass eine andere Ursache später an deren Stelle getreten ist (vgl. BSG, Urteil vom 6. Oktober 2020, B 2 U 10/19 R, zitiert nach juris). Vorliegend ist nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen H in seinem Gutachten vom 30. November 2022 festzustellen, dass die bei der Klägerin bestehende Angst und depressive Störung gemischt (ICD-10: F41.2) auf einer überholenden Ursachenkette beruht und diese Erkrankung keine Unfallfolge ist. Der unter dem Begriff „Verschiebung der Wesensgrundlage“ erörterte nachträgliche Wechsel der Ursache ist nach der Kausalitätslehre dabei unter zwei Gesichtspunkten denkbar. Entweder ist ab einem bestimmten Zeitpunkt das Unfallereignis nicht mehr einmal mehr im Sinne einer Conditio sine qua non ursächlich, oder dem Unfallereignis ist ab einem bestimmten Zeitpunkt nur die rechtliche Wesentlichkeit für den fortbestehenden Gesundheitsschaden abzusprechen (Bayerisches LSG, Urteil vom 9. Dezember 2015, L 2 U 496/12, zitiert nach juris). H führt insoweit in seinem Gutachten vom 30. November 2022 nachvollziehbar aus, dass der Auslöser einer schweren Angst und depressiven Krise der Klägerin zwei Monate vor ihrem Rentenbeginn im Dezember 2018 nicht mit ihrer Tätigkeit in der Schule im Zusammenhang gestanden hat, sondern im Kontext schädigungsfremder Umstände im Zusammenhang mit einer Mahnung des Finanzamtes. Im Einklang mit der wissenschaftlichen Literatur weist er insoweit darauf hin, dass die Anpassungsstörung eine ereignisreaktive Störung ist und sie den Betroffenen vulnerabel machen kann für Ereignisse, die in einem direkten Zusammenhang mit dem auslösenden Ereignis stehen. Wenn aber bereits Symptome in anderen Zusammenhängen wie hier mit dem Finanzamt auftreten, so spricht dies im erheblichen Umfang dafür, dass die nunmehr vorliegenden psychischen Probleme nichts mehr mit dem ursprünglichen Schädigungsereignis zu tun haben. Dem entspricht es auch, dass sich in den Befundberichten nach dem Ereignis vom 26. August 2015 deutliche Hinweise darauf finden, dass die Klägerin bereits vor dem Ereignis vom 26. August 2015 unter psychischen Problemen litt. So ist bereits in dem psychischen Erstbericht des Klinikums B1 vom 8. September 2015 von einem kumulierenden Einfluss durch vorangegangene Ereignisse im Sinne eines Kränkungserlebens die Rede. Bereits im Abschlussbericht des Klinikums B1 vom 27. Oktober 2015 ist als unfallunabhängige Diagnose eine Angst und depressive Störung gemischt angegeben. Auch in diesem Zusammenhang wird wieder auf eine deutliche Überlastung und Kränkungen im Schulumfeld hingewiesen. Soweit D in seinem Gutachten vom 28. Juli 2017 und seiner ergänzenden Stellungnahme geltend macht, dass es zu keinen stationären/teilstationären oder psychotherapeutischen Behandlungen in diesem Zusammenhang gekommen ist, weist H nachvollziehbar darauf hin, dass viele psychisch labile Menschen ihre Angststörungen und die damit verbundenen Symptome zunächst selbst kompensieren und beherrschen, ohne einen Psychiater oder Psychotherapeuten aufzusuchen. Er sieht insoweit die Voraussetzung einer Schadensanlage als gegeben an. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5. Juni 2023 führt H des Weiteren aus, dass bereits vor dem Unfallereignis erhebliche psychosoziale Belastungsfaktoren im Umfeld der Klägerin bestanden hätten. Daher sprechen wesentlich mehr Umstände gegen als für die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Verursachung der bei der Klägerin vorliegenden Angst und depressive Störung gemischt durch das Unfallereignis vom 26. August 2015.

Anhaltspunkte für eine Unverwertbarkeit des Gutachtens von H vom 30. November 2022 bestehen nicht. Einen Befangenheitsantrag der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 11. April 2023 abgelehnt. Das Gutachten genügt den Anforderungen, die an ein psychiatrisches Gutachten zu stellen sind. Seine Diagnosestellungen entsprechen den ICD-10. Er hat jeweils die exakten Diagnosen angegeben. Zudem weist H in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5. Juni 2023 zu Recht darauf hin, dass er ebenso wie der andere Gutachter D zu den gleichen Diagnosen gelangt und der entscheidende Unterschied nur im Rahmen der Kausalitätsbeurteilung zu finden ist. Dass er noch nicht auf den ICD-11 abgestellt hat, hat er in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 5. Juni 2023 nachvollziehbar damit begründet, dass der ICD-11 zwar international schon seit Januar 2022 gültig ist, aber für den deutschen Sprachraum noch keine valide Übersetzung vorliegt. Der Senat zieht insoweit die Vorschrift des § 295 SGB V entsprechend heran. Nach dessen Absatz 1 Satz 2 haben die Vertragsärzte bei der Abrechnung ihrer Leistungen nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten zu verschlüsseln. Hierdurch wird eine Standardisierung der Diagnoseangaben nach einem international gebräuchlichen, von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Verfahren erreicht. Anzuwenden ist die jeweils vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) herausgegebene deutsche Fassung (vgl. Koch in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 295 SGB V [Stand: 13.12.2023], Rn. 22).  Laut der Webseite  (https://www.bfarm.de/DE/Kodiersysteme/Klassifikationen/ICD/ICD-11/_node.html) steht der konkrete Zeitpunkt einer Einführung der ICD-11 in Deutschland zur Kodierung mangels amtlicher Übersetzung noch nicht fest.

Das Gutachten genügt auch den Vorgaben der Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Störungen (AWMF-Register Nr. 051-029). Insbesondere hat H die Vorgaben von dessen Ziffer 7.6 eingehalten. Danach ist ein schädigendes Ereignis immer in einem spezifischen Kontext eingebunden, und personenbezogene Faktoren insbesondere aus der Entwicklungsbiografie sind im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung bei Kausalitätsfragen zwingend einzubeziehen. Zu diesen Kontextfaktoren genügen nicht nur psychische und körperliche Vorerkrankungen und Vorschäden, sondern bereits eine Vulnerabilität für die Entwicklung psychischer Störungen ebenso wie Umweltfaktoren. Nach der Leitlinie ist es zwingend erforderlich, sowohl schädigungsabhängige als auch unabhängige Faktoren zu eruieren, im Ausmaß zu bewerten und zu gewichten. Die Leitlinie verlangt insbesondere nach Einmalereignissen eine eingehende Überprüfung der Kontextfaktoren, insbesondere je länger der zeitliche Abstand zum Ereignis ist. Diesen Vorgaben genügt das Gutachten von H. Soweit die Klägerin das Fehlen einer körperlichen Untersuchung bemängelt, hat der Sachverständige H darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung die Durchführung einer körperlichen Untersuchung nicht notwendig gewesen ist. Dies obliegt der fachlichen Einschätzung des Sachverständigen. Ebenso obliegt es seiner Einschätzung, welche Testverfahren Anwendung finden sollen oder nicht. In diesem Zusammenhang ist auf Ziffer 7.4 der genannten Leitlinie hinzuweisen, wonach eine Diagnosestellung sich nie allein auf die Ergebnisse von Fragebogenergebnissen stützen kann. Für die Kausalitätsbeurteilung haben solche Tests keine Bedeutung.

Bedenken gegen die Verwertbarkeit der beratungsärztlichen Stellungnahme von M bestehen ebenfalls nicht. Der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen § 200 Abs. 2 SGB VII besteht nicht. Gemäß § 200 Abs. 2 SGB VII soll vor Erteilung eines Gutachtensauftrages der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; der Betroffene ist außerdem auf sein Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 SGB X hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren. Aufgabe des Sachverständigen ist es, seine besondere Sachkunde zur Verfügung zu stellen, aus Tatsachen konkrete Schlussfolgerungen zu ziehen, Kenntnis von Erfahrungssätzen zu vermitteln oder mit besonderem Fachwissen Tatsachen festzustellen (Wagner a.a.O.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 118 Rn. 11a ff.). Dagegen handelt es sich bei einer beratungsärztlichen Stellungnahme nicht um ein Beweismittel, sondern um eine verwaltungsinterne Stellungnahme einer sachkundigen Person im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens.

Auch in der Sache selbst hat der Beratungsarzt M kein Gutachten im Rechtssinne erstellt. Die Verpflichtungen aus § 200 Abs. 2 SGB VII bestehen nur, wenn es sich bei der ärztlichen Stellungnahme um ein Gutachten, nicht jedoch, wenn es sich um eine sog. beratungsärztliche Stellungnahme handelt. Das Gesetz selbst sieht sowohl in § 200 Abs. 2 SGB VII als auch in anderen Gesetzen von einer Definition des Gutachtensbegriffs ab. Nach der Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 11. April 2013 - B 2 U 34/11 R, juris, Rn. 26 m.w.N.) ist dem allgemeinen Sprachverständnis folgend unter einem Gutachten nicht jedwede Äußerung oder Stellungnahme eines medizinischen oder technischen Sachverständigen zu einzelnen Aspekten des Verfahrensgegenstandes zu verstehen, sondern nur die umfassende wissenschaftliche Bearbeitung einer im konkreten Fall relevanten fachlichen Fragestellung durch den Sachverständigen. Bei einer schriftlichen Äußerung  eines Arztes,  die  sich  im  Wesentlichen  mit  einem  eingeholten (Vor-)gutachten auseinandersetzt, insbesondere im Hinblick auf dessen Schlüssigkeit, Überzeugungskraft und Beurteilungsgrundlage, handelt es sich nur um eine beratende Stellungnahme. Nach diesen Kriterien sind die Stellungnahmen von M nur beratender Natur und beinhalten keine eigenständige gutachtliche Bewertung der verfahrensentscheidenden Tatsachen.

Damit hat die Beklagte nicht gegen die Pflicht zur Belehrung über das datenschutzrechtliche Widerspruchsrecht gemäß § 200 Abs. 2 2. Hs. SGB VII verstoßen, weil weder ein Gutachtenauftrag erteilt bzw. ein Gutachten eingeholt worden ist, noch Sozialdaten im Sinne des § 76 Abs. 1 SGB X übermittelt worden sind. Ebenso wenig lag ein Verstoß gegen das Auswahlrecht nach § 200 Abs. 2 1. Hs. SGB VII vor.

Des Weiteren hat die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung auf das Vorliegen unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit über den 20. Oktober 2015 hinaus. Zur Überzeugung des Senats konnte die Klägerin nicht nachweisen, über den 20. Oktober 2015 hinaus unfallbedingt arbeitsunfähig im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII gewesen zu sein. Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles liegt anknüpfend an die Rechtsprechung zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung vor, wenn ein Versicherter aufgrund der Folgen eines Versicherungsfalles nicht in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007, B 2 U 31/06 R, zitiert nach juris). Arbeitsunfähigkeit ist danach gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann. Dass er möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben kann, ist unerheblich.

Von diesen Maßstäben ausgehend sieht der Senat eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit der Klägerin über den 20. Oktober 2015 hinaus nicht als gesichert an. Aus dem Bericht des Klinikums B1 vom 27. Oktober 2015 über die Vorstellung in der psychotraumatologischen Ambulanz vom 20. Oktober 2015 folgt, dass das Unfallereignis vom 26. August 2015 hinsichtlich des resultierenden Störungsbildes nicht mehr als im Vordergrund stehend angesehen werden kann. Berichtet wird von einer zunehmenden Stabilisierung im häuslichen Umfeld und dass die Klägerin in der Lage war, Abstand zu dem Geschehenen zu erarbeiten. Deutlich wurden hingegen eine Überlastung und Kränkung bezogen auf das generelle Schulumfeld innerhalb der letzten Jahre. Ursache für die weiterhin angenommene Arbeitsunfähigkeit ist nach diesen Ausführungen eine grundsätzlich verfestigte Konfliktlage in Bezug auf das Schulleben insgesamt. Dies entspricht den vorhergehenden Ausführungen zur Verschiebung der Wesensgrundlage. Dem steht nicht entgegen, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen H in seinem Gutachten vom 30. November 2022 die psychischen Unfallfolgen mindestens seit Dezember 2018 vollständig abgeklungen sind. Zum einen führt er selbst aus, dass diese davor und wenn überhaupt nur in sehr verminderter Form weiterbestanden haben. Zum anderen ergibt sich aus diesen Ausführungen nichts für die Annahme einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit.

Ebenso hat die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung unfallbedingter Behandlungsbedürftigkeit über den 27. Oktober 2015 hinaus. Entsprechend den Ausführungen zur Feststellung unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit ist erneut darauf abzustellen, dass nach dem Behandlungsbericht des Klinikums B1 vom 27. Oktober 2015 keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass konkreter Behandlungsbedarf bezüglich etwaig noch vorhandener gesundheitlicher Einschränkungen bestanden hätte. Hinsichtlich des Krankheitsbildes ist es im Oktober 2015 zu einer Verschiebung der Wesensgrundlage gekommen. Auch H führt in seinem Gutachten vom 30. November 2022 aus, dass die schädigungsabhängige Anpassungsstörung zumindest ab Dezember 2018 vollständig abgeklungen war und auch davor nur in sehr verminderter Form weiterbestanden hat. Insoweit spricht im Einklang mit dem Befundbericht des Klinikums B1 vom 27. Oktober 2015 und auch den weiteren Befundberichten über spätere Behandlungen alles dafür, dass nach dem 27. Oktober 2015 die Annahme einer unfallbedingten Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr gerechtfertigt ist.

Hinsichtlich der vom Sozialgericht vorgenommenen Festsetzung der MdE hat die Berufung bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen Erfolg. Die Klägerin hat entsprechend den Ausführungen in ihrem Schriftsatz vom 21. September 2023 zu keinem Zeitpunkt die Gewährung einer Verletztenrente geltend gemacht. Das Sozialgericht war bereits aus diesem Grunde gehindert, eine Entscheidung über die MdE zu treffen. Hinsichtlich der Antragstellung ist das Sozialgericht Altenburg davon ausgegangen, dass die Klägerin sinngemäß eine Entschädigung begehrt. Dies geht zurück auf den Schriftsatz der Klägerin vom 15. August 2016, wo für die nach wie vor behandlungsbedürftigen psychischen Beschwerden eine Entschädigung beantragt wurde. Insoweit hat es das Sozialgericht unterlassen, auf eine weitere Präzisierung der Antragstellung hinzuwirken. Zwar hat das Sozialgericht Altenburg mit Aufklärungsverfügung vom 5. April 2019 den Sachverhalt hinsichtlich der Höhe der MdE für noch nicht vollständig geklärt angesehen und die Vorlage weiterer Unterlagen für erforderlich angesehen und daraufhin hat die Klägerin weitere Schweigepflichtentbindungen übersandt. Dies reicht aber nicht, um von einer entsprechenden Antragstellung durch die Klägerin auszugehen. Objektiv fehlte es für die Klägerin zudem an einer Notwendigkeit, den Bescheid der Beklagten auch hinsichtlich der Gewährung einer Verletztenrente überprüfen zu lassen.  Denn es fehlt bereits an einer gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG anfechtbaren Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 15. Januar 2016 über eine Verletztenrente, so dass eine auf die Gewährung einer Verletztenrente auf Dauer gerichtete Anfechtungs- und Leistungsklage mangels eines vorherigen Verwaltungsverfahrens unzulässig gewesen wäre. Über die Gewährung von Sozialleistungen wie zum Beispiel Verletztenrente ist vor Klageerhebung in einem Verwaltungsverfahren zu befinden. Dieses schließt mit einem Verwaltungsakt ab, gegen den die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage oder Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig ist (§ 54 Abs. 1, 2, 4 SGG). Eine nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG anfechtbare Entscheidung über eine Verletztenrente auf Dauer hat die Beklagte im Bescheid vom 15. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2016 der Klägerin gegenüber nicht getroffen. Im Bescheid wurden der Arbeitsunfall als solcher anerkannt, Unfallfolgen und die Dauer einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit festgelegt. Die darüber hinaus erfolgte Ablehnung einer Entschädigung für psychische Beschwerden beinhaltet keinen konkreten Verwaltungsakt i.S. des § 31 SGB X, die für sich eigenständig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage angreifbar wäre und angefochten werden müsste, um den Eintritt der Bestandskraft (§ 77 SGG) für jede einzelne dieser Regelungen zu verhindern (vgl. BSG, Urteil vom 16. März 2021 - B 2 U 7/19 R -, BSGE 131, 297-312). Aus der anschließenden Begründung wie auch aus den Begleitumständen und dem Ablauf des Verwaltungsverfahrens ergibt sich, dass mit dieser allgemeinen Aussage nicht über konkrete Leistungsansprüche insbesondere einen Anspruch auf Verletztenrente entschieden werden sollte. Ohne Erörterung dieser Gesichtspunkte war das Sozialgericht nicht berechtigt, die Antragstellung unter Einbeziehung der Gewährung einer Verletztenrente vorzunehmen.

Der Vollständigkeit halber weist der Senat nur darauf hin, dass auch für eine isolierte Feststellung der MdE durch das Sozialgericht kein Raum war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die gemäß § 160 SGG die Zulassung der Revision rechtfertigen, sind nicht ersichtlich.

Rechtskraft
Aus
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